Herkunft der ostjüdischen Familie Friedmann
Welche Hoffnungen werden Jakob Jankel und Ides Friedmann gehabt haben, als sie sich 1904 mit ihren fünf Kindern aus dem russischen Zarenreich kommend in Wiesbaden niederließen [1] – eine Stadt, deren Ruf als weltoffene Kurstadt sicher auch bis in das südliche russische Reich vorgedrungen war? Sie kamen aus einem Land, in dem im vergangenen Vierteljahrhundert die jüdische Bevölkerung von zwei Pogromwellen heimgesucht worden war. Aber auch in den Jahrhunderten zuvor hatten die Juden immer eine unterdrückte und zumeist auch verfolgte Minderheit dargestellt. Nach der Zerschlagung des polnischen Staates durch Preußen und Russland sah sich die russische Bevölkerung plötzlich mit dieser neuen, als „volksfremd“ empfundenen Bürgerschaft konfrontiert. Mit verschiedenen Gesetzen hatte die Obrigkeit versucht, deren Freiheiten und Freizügigkeit einzuschränken, um so den Forderungen der Volksmassen entgegenzukommen und durch die Ausgrenzung der Juden zugleich ein stigmatisierte Minderheit zu schaffen, auf die die wachsende Zahl der Konflikte abgeleitet werden konnte, die in einem Land unweigerlich hervorbrechen mussten, in dem eine feudal strukturierte Autokratie mit den Modernisierungszwängen einer sich entfaltenden Industriegesellschaft konfrontiert wurde. Aus politischem Machtinteresse erschien es der politischen Elite unabdingbar, den Massen ein für sie selbst ungefährliches Aggressionsobjekt anbieten zu können: die Juden. Ein ganz zentraler Eingriff am Ende des 18. Jahrhunderts bedeutete für sie die Festlegung auf ein bestimmtes Siedlungsgebiet im Westen des Zarenreiches, in den so genanten Ansiedlungsrayons,[2] wo sie auch sozial eine eigenständige Gruppe zwischen Aristokratie und den Massen versklavter Bauern darstellten. Gezwungen in Städten zu leben nahmen die Juden auch diesbezüglich eine Sonderstellung innerhalb der Gesamtbevölkerung Russlands ein, die ansonsten weitgehend bäuerlich geprägt war.[3] Hier entfaltete sich das, was als jüdisches Schtetel oft romantisiert wurde und noch immer wird und zumeist das Elend, das dort herrschte, unterschlägt. Angesichts der vielfachen Umbrüche in dieser Zeit, musste eine Gruppe, die selbst wiederum durch verschiedene äußere Merkmale, z. Bsp. Kleidung, Gebräuche, Sprache, eine Sonderstellung einnahm, unweigerlich zum Objekt von kollektiver Aggression werden, zumal man auch in Russland auf die traditionellen Vorurteile eines religiösen Antisemitismus aufbauen konnte.[4]
Die erste große Welle der Pogrome in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entlud sich nach dem tödlichen Attentat auf Zar Alexander II. im Jahr 1881 gerade auch in der Region, aus der Friedmanns stammten. Ihre Heimatstadt war das ukrainische Tscherkassy / Czerkassi, etwa 200 km südlich von Kiew gelegen. Jankel Friedmann und auch Ides Saslawski mussten als Kinder die Schrecken dieser Jahre, – Gewaltexzesse mit Mord, Raub, Vergewaltigungen, Plünderungen und anderen Übergriffen gingen bis 1884 weiter – bereits bewusst miterlebt haben. Das Epizentrum dieser Pogrome lag allerdings im benachbarten Gouvernement Cherson. Alexander III. und die von ihm eingesetzte Kommission hatten die Juden nicht nur als Drahtzieher des Attentats ausgemacht, sondern betrachteten die damaligen Gewaltaktionen auch als eine verständliche Reaktion der Landbevölkerung auf die angebliche jüdische Ausbeutung. Auf die weiter verschärften Einschränkungen der Lebensmöglichkeiten reagierte schon damals eine immer größere Zahl von Juden mit ihrer Emigration in den Westen.
Die zweite Pogromwelle zwischen 1903 und 1906, die im Zusammenhang mit der Revolution von 1905 aufflammte, war noch blutiger als die zwanzig Jahre zuvor. Sie hatte auch einen anderen Charakter:
Träger der Pogrome war nun vor allem die städtische Mittel- und Unterschicht. Neben den Ursachen, vor allem der wirtschaftlich schlechten Situation, die bereits bei der ersten Pogromwelle erwähnt wurden, spielte bei den Pogromen von 1903 bis 1906 die Tatsache, dass sich unverhältnismäßig (im Vergleich zum Anteil an der Bevölkerung) viele Juden in sozialrevolutionären Parteien organisierten, eine wichtige Rolle. Die Ursache dafür lag vor allem in den wirtschaftlichen Beschränkungen der Juden, die zur Folge hatten, dass diese, trotz ihres Bildungsstandes, nicht in die Wirtschaft integriert werden konnten und somit zunehmend verarmten. Juden und linke Gruppierungen sowie Parteien wurden infolgedessen sehr häufig als identisch angesehen, was zur Folge hatte, dass sich zu den vielen Vorurteilen gegenüber den Juden nun auch das des Revolutionärs gesellte.[5]
Im Kontext der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Konflikte hatte sich auch das jüdische Selbstverständnis verändert und ausdifferenziert.[6] Gegenüber der alten Orthodoxie, gegen die sich die allerdings noch ganz der religiösen Sphäre verhaftet gebliebene Bewegung der Chassidim abgesetzt hatte, waren vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und politischen Wandels Bewegungen hervorgetreten, die begannen, sich stärker an der konkreten Welt zu orientieren. So zunächst die von der Aufklärung beeinflusste Haskala-Strömung, Fundament des Reformjudentums, daneben der Zionismus, die jüdische Antwort auf die Nationalbewegungen in Europa und der Bundismus, in dem die soziale Frage zum wesentlichen Aspekt einer jüdischen Emanzipations- und Überlebensperspektive wurde. Dies nicht von Ungefähr. Um die Jahrhundertwende waren in den Städten des Ansiedlungsrayons 20 bis 40 Prozent der jüdischen Bevölkerung auf das jüdische Armenwesen angewiesen. Die Mitglieder des Bundes stellten in dieser Zeit sogar die Mehrheit und das organisatorische Rückgrat der sich damals entwickelnden russischen Sozialdemokratie dar.[7]
Was der letzte Grund für die Auswanderung von Jankel Friedmann und seiner Familie war – ob die zunehmende Verelendung als Angehöriger der Arbeiterschaft, ob die politische Verfolgung als engagierter Bundist oder die bedrückende Diskriminierung und Rechtlosigkeit als Jude – ist nicht mehr auszumachen. Es gab damals viele Motive das Land zu verlassen. Und es waren neben Friedmanns unzählige andere, die diesen Schritt wagten. In der Zeit der Pogrome zwischen 1881 und 1914 flohen insgesamt 3,7 Millionen polnische, russische und rumänische Juden in den Westen,[8] 1,5 Millionen davon suchten in den USA eine neue Heimat, 120000 in England und nur verschwindend wenige in Palästina. Auch Deutschland, obwohl gerade für die gebildete und junge Generation wegen der Kultur besonders attraktiv, wurde von den meisten nur als Zwischenstation auf dem Weg in die USA angesehen.[9] Ob auch Friedmanns einmal dieses Ziel gehabt haben, ist nicht bekannt. Wenn, dann waren sie nicht die einzigen, die im Deutschen Reich hängen blieben und hier erneut mit antisemitischen Ressentiments konfrontiert wurden – dies nicht nur von Seiten der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch von den eigenen, aber besonders in den größeren Städten inzwischen weitgehend assimilierten Glaubensbrüdern.
Anders als in Berlin, wo um den Schlesischen Bahnhof und im Scheunenviertel 1910 etwa 13000 jüdische Emigranten aus Osteuropa unter dürftigsten Umständen hausten, sich dort sogar eine Form des traditionellen Schtetl-Lebens entwickelte, blieb der Zuzug nach Wiesbaden eher bescheiden.[10] Aber auch hier fanden die osteuropäischen Juden ein Viertel, in dem sie mehr als anderswo ihrer traditionellen Lebensweise nachgehen konnten, miteinander in jiddisch kommunizieren und ihre religiösen Riten in den eigenen Betstuben ungestört befolgen konnten. So wurden die Straßen des Westends zum bevorzugten Wohngebiet der neu Zugewanderten und auch hier gab es zumindest Anmutungen eines osteuropäischen Schtetls. Der Lebensstandard der Bewohner in diesem Viertel unterschied sich erheblich von dem der arrivierten und assimilierten jüdischen Bevölkerungsgruppen, die zumindest oft dem Mittelstand und dem gehobenen Bürgertum angehörten. Bei allen Ressentiments, die man den Neuankömmlingen gegenüber hatte, sah man es dennoch als eine brüderliche Pflicht an, ihnen solidarische Hilfe angedeihen zu lassen. In Wiesbaden hatte sich schon 1892 ein ‚Israelitischer Unterstützungsverein’ gegründet, der die soziale Hilfe bedürftiger ‚Ostjuden’ als eine seiner vordringlichen Aufgaben ansah.
Ihre erste Wohnung bezog die Familie Friedmann aber nicht im ostjüdisch geprägten Westend,[11] sondern im traditionellen Arbeiterviertel, das sich mit kleinen Häusern und ebenfalls engen Straßen um die Bergkirche herum gebildet hatte, gleichwohl nur wenige Schritte von der – allerdings reformierten – Synagoge am Michelsberg entfernt. Eigentlich ein passendes Milieu, denn Jakob Friedmann gehörte als Zigaretten-Arbeiter, so seine Angabe im Wiesbadener Adressbuch von 1906/07, ebenfalls dem Proletariat an. Ob diese Milieuzugehörigkeit oder aber das religiöse Bekenntnis primär bestimmend für sein Selbstverständnis war, muss offen bleiben. Nicht bekannt ist auch, ob er seinen Beruf bereits in Russland ausübte oder erst durch eine Anstellung bei einer der in Wiesbaden ansässigen Firmen erlernte.[12] Zwei bedeutenden Zigarettenfirmen, die Firmen Keiles und Lewin, waren in jüdischer Hand. Ob er nach seiner Flucht bei einem dieser jüdischen Unternehmen Arbeit gefunden hatte, ist nicht bekannt, aber doch nahe liegend.
Im Bergkirchenviertel hatte sich die achtköpfige Familie nach ihrer Ankunft in Wiesbaden zunächst in der Parterrewohnung des Hauses Hirschgraben 16 eingemietet.[13] Man muss davon ausgehen, dass es in diesen kleinen Häusern mit einer so großen Personenzahl recht beengt zugegangen sein muss, zumal nachdem am 10. November 1906 dort mit Moritz noch ein weiterer Sohn und damit das siebte Kind geboren wurde. Die Eltern, beide Jahrgang 1870, hatten zuvor mit Abraham, genannt Adolf, bereits einen Sohn, der, geboren am 23. August 1889,[14] bei Ankunft in Wiesbaden schon etwa 17 Jahre alt war. Sure Lisa war damals etwa dreizehn, Sara Selma etwa elf und Regina Rivka sechs Jahre alt. Auch die beiden folgenden Söhne Isaak und Georg hatten noch in Tscherkassy das Licht der Welt erblickt. Letzterer hatte noch als Kleinkind die lange Reise in den Westen antreten müssen.[15]
Die Enge mag der Grund dafür gewesen sein, dass die Familie schon im folgenden Jahr in die Yorckstr. 8 zog, hier allerdings auch nur das Hinterhaus bewohnte. 1910 nahm sie dann Quartier in der Bertramstr. 20, jetzt schon im ersten Stock des Mittelbaus. Wiederum drei Jahre später, 1913, war sie in der Goebenstr. 19, allerdings wieder im Hinterhaus gemeldet. Alle diese Adressen lagen im Westend, jedoch nicht im inneren Westend zwischen Bismarckring und Schwalbacher Straße, aber immerhin näher am ostjüdisch geprägten Viertel als die Erste Wohnung. In der Goebenstraße blieb die Familie bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wohnen.
Bis 1918 ist als Berufangabe von Jakob Friedmann noch Zigarettenarbeiter eingetragen, danach wird er nur noch allgemein als Arbeiter bezeichnet. Nicht auszuschließen, dass er in der Nachkriegskrise seine Arbeit in der Zigarettenindustrie verloren hatte und nun als ungelernte Hilfskraft versuchte, seine große Familie zu ernähren. Er selbst verstarb bereits zu Beginn der NS-Zeit am 12. März 1934 in seiner damaligen Wohnung Hellmundstr. 37.[16] Seine Frau, die am 28. Januar 1941 starb,[17] musste diese schrecklich Zeit fast bis zum Beginn der großen Deportation miterleben und auch über viele Jahre das Schicksal ihrer Kinder und Enkelkinder teilen.
Abraham Adolf Friedmann
Mit Beginn der Weimarer Republik waren die meisten der Kinder aber schon erwachsen und hatten begonnen, eigene Familie zu gründen oder sich zumindest eine eigene Existenz aufzubauen. Abraham, der älteste, genannt Adolf, hatte am 30. März 1920 in Wiesbaden Hilda Stiefel aus Rüddingshausen bei Gießen geheiratet.[18] Die am 2. März 1882 geborene war die Tochter von dem damals bereits verstorbenen Moses Stiefel und seiner Frau Henriette, geborene Lomnitz.[19] Dem Paar wurden in den folgenden Jahren drei Kinder geschenkt. Am 23. Mai 1921 kam in Wiesbaden die Tochter Edith, am 7. Dezember des folgenden Jahres der Sohn Manfred und am 13. August 1924 wieder eine Tochter namens Beatrix zur Welt. Manfred wurde aber nicht einmal ein Jahr alt; er verstarb bereits am 7. November 1923.[20]
Als Adolf Friedmann seine Familie gründete, lebte er finanziell in geordneten Verhältnissen. Die Hoffnung der Eltern, mit der Auswanderung nach Deutschland auch für ihre Kinder eine bessere Zukunft zu finden, schien sich für ihn zu erfüllen. Anders als sein Vater hatte er eine kaufmännische Ausbildung absolviert und war seit 1918 bei der Wiesbadener Firma ‚Rheinische Import Handelsgesellschaft’ angestellt, eine Firma des Lebensmittelgroßhandels, die ihren Sitz ursprünglich in der Rheinstr. 52, zuletzt in der Helmundstr. 31 hatte. Auch wenn das Gehalt nicht üppig war – im monatlichen Durchschnitt sollen es etwa 300 – 400 RM gewesen sein,[21] so genoss er im Betrieb dennoch eine Vertrauensstellung. Im Dezember 1924 hatte man ihm sogar Prokura erteilt.[22] Hatte die Familie nach der Eheschließung bis etwa 1928 in der Adelheidstr. 59 gewohnt, allerdings im Hinterhaus, so war sie noch bevor entscheidende berufliche Veränderungen eintraten in die Kiedricher Str. 13 im Rheingauviertel gezogen, wo sie eine gut eingerichtete Vier-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad gemietet hatte, die von einer Zugehfrau in Ordnung gehalten worden sein soll.[23] Die Lebenssituation veränderte sich aber schon kurz nach diesem Wohnungswechsel grundlegend.
Die Gesellschafter des Unternehmens waren keine Juden; das Ende der Firma wurde nicht durch antisemitische Boykottaktionen herbeigeführt, sondern durch die Krisendynamik des Wirtschaftssystems selbst. Am 11. März 1929, also noch in der Frühphase der Weltwirtschaftskrise, mussten die Eigentümer Konkurs anmelden und ihr Prokurist sich eine neue Arbeitsstelle suchen, was angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit ein schier unlösbares Problem war. Der Versuch, sich selbstständig zu machen und ein Teilzahlungsgeschäft für Bett-, Tisch- und Leibwäsche aufzubauen, war letztlich nur ein verzweifelter, aber von Beginn an zum Scheitern verurteilter Versuch, sich irgendwie durch die Krisenjahre zu lavieren. Das Geschäft, ein so genanntes Etagengeschäft, war in der Wohnung eingerichtet worden, die zugleich als Lager wie auch Verkaufsraum für mögliche Kunden diente. Die Wäsche, die Adolf Friedmann zunächst selbst einkaufte, somit vorfinanzieren musste, versuchte er dann auch ambulant auf eigene Rechnung weiter zu vertreiben.[24] Möglicherweise war er zu diesem Versuch von seiner Schwester Selma und ihrem Mann Avram Leib Jedwab animiert worden, die ein gleiches Geschäft damals in der Jahnstr. 11 betrieben. Vielleicht hatten die Geschwister sogar von Anbeginn beim Ein- und Verkauf miteinander kooperiert.
Zwar gab Moritz Friedmann im späteren Entschädigungsverfahren an, dass sein Bruder Adolf aus seiner früheren Tätigkeit einen großen Bekanntenkreis gehabt habe und sein Wäschegeschäft daher sehr gut angelaufen sei, betrachtet man aber die Steuerakten, dann muss man konstatieren, dass dem nicht so war. Dass er unmittelbar nach der Geschäftsgründung in seiner Steuererklärung des Jahres 1929 das Finanzamt darum bat, ihm wegen des sehr geringen Einkommens die Steuern zu erlassen, ist nur zu verständlich.[25] Aber auch im folgenden Jahr hatte sich die Situation nicht verbessert: „Ich bitte sehr höflichst mir die Einkommensteuer zu erlassen, da es mir bald nicht möglich ist meine Frau u. 2 Kinder bei dem jetzigen Geschäftsgang zu ernähren. Mein Umsatz, mithin auch mein Gewinn ist derartig gering, dass mich wirklich die Not dazu zwingt dieses Gesuch an das Finanzamt zu richten.“[26]
Der Umzug der Familie am 3. August 1932 aus der Kiedricher Straße in die Biebricher Riehlstr. 8 markiert ebenfalls den sozialen Abstieg der Familie.[27] Als dann auch die antisemitische Hetzkampagne der Nazis die ohnehin bescheidenen Geschäfte noch mehr beeinträchtigte,[28] gab Adolf Friedmann im Mai 1933 sein Gewerbe auf. Auf die Aufforderung des Finanzamts, eine Steuererklärung für das Jahr 1933 abzugeben, antwortete er lakonisch, dass er seinen „Lebensunterhalt von der öffentlichen Wohlfahrt bestreite“ und „zu keinerlei Steuerleistung imstande“ sei.[29] Im Mai 1935 schickte er erneut eine gleichlautende Nachricht an das Wiesbadener Finanzamt, allerdings jetzt mit der Absenderangabe Herderstr. 11.[30] Dort blieb die vierköpfige Familie bis zu ihrer Deportation wohnen.
Es folgten Jahre größten Elends, worunter auch die beiden Kinder litten, die ebenfalls in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt waren. Beide waren nach ihrer Volksschulzeit auf die Höhere Mädchenschule am Gutenbergplatz gewechselt, wo Edith im April 1927 und Beatrix im Oktober 1935 aufgenommen wurden. Die ältere Edith konnte am 1 September 1931 sogar noch auf das Lyzeum am Schlossplatz wechseln, dort aber das Abitur nicht mehr ablegen. Ihre Schwester musst bereits nach einem Jahr die Schule am Gutenbergplatz wieder verlassen und von da an in die Jüdische Schule in der Mainzer Straße gehen.
Mit der „Reichskristallnacht“ begann die nächste Phase der Unterdrückung und Ausgrenzung. Adolf Friedmann wurde, wie fast alle jüdischen Männer, verhaftet, aber anders als die meisten nicht nach Buchenwald, sondern mit seinem Bruder Georg nach Dachau überstellt. Am 16. November wurde er dort eingeliefert, erhielt die Häftlingsnummer 30438 und wurde am 23. Dezember 1938 wieder entlassen.[31]
Angesichts der gesamten Umstände wird es – so zynisch das auch klingen mag – für Adolf Friedmann ein Glück gewesen sein, dass er ab Mai 1939 bis zum Jahresende als Zwangsarbeiter bei der hinlänglich bekannten Straßenbaufirma Scheid in Limburg angestellt worden war, die ihm einen Wochenlohn von etwa 30 RM, somit einen Monatslohn von etwa 120 RM zahlte.[32] Während des Winters, in dem die Straßenbaumaßnahmen vermutlich eingestellt worden waren, musste er der Stadt bei der Schneeräumung zur Verfügung stehen. Am 22. Februar 1940 hatte die Devisenstelle Angaben über seine Einkommens- und Vermögenssituation verlangt. Man wollte sicher gehen, dass Adolf Friedmann kein Geld außer Landes schaffen würde und erwog deshalb, in zur Anlage eines gesicherten Kontos zu verpflichten. Nachdem dieser seine finanzielle Situation dargelegt hatte, verzichtete die Devisenstelle auf diese Maßnahme und erlaubte ihm 200 RM monatlich ohne besondere Genehmigung für seinen Lebensunterhalt und den seiner vierköpfigen Familie auszugeben.[33]
Ob die Familie damals noch in dieser Form bestand, ist allerdings nicht sicher, denn Edith, inzwischen 19 Jahre alt, war eine Beziehung mit Benny Schönfeld aus Nordenstadt eingegangen und erwartete auch ein Kind von ihm. Eine bürgerliche Ehe sind die beiden allerdings nicht eingegangen, vielmehr wird die Verbindung der beiden vermutlich ausschließlich nach jüdischem Ritus vollzogen worden sein. Wieso sollte man sich auch von einem Staat, der einem die Bürgerrechte abgesprochen hatte und nun nach dem Leben trachtete, eine Beziehung absegnen lassen?
Am 2. Juni 1940 wurde deshalb formal unehelich die Tochter Judith geboren.[34] Ihr Vater – Benny Schönfeld hatte sich zu seiner Vaterschaft bekannt – war der Sohn des Metzgers und Viehhändlers Salomon / Sally Schönfeld und dessen Frau Clementine, geborene Nachmann. Während Salomon Schönfeld zugewandert war, gehörten die Nachmanns zu den alteingesessenen Nordenstadter Juden. Es verwundert daher auch nicht, dass Clementine die führende Rolle im Haus gespielt haben soll und neben dem Geschäft des Mannes und der Aufzucht von insgesamt sechs Kindern, auch noch eine kleine Pension für alte und pflegebedürftige jüdische Rentner im eigenen Haus im Geisbergweg betrieb.[35] Ob ihr Sohn, der zuletzt auch als Zwangsarbeiter bei Baumaßnahmen im Bahnholz eingesetzt worden war, noch bei seiner Mutter in Nordenstadt lebte, nachdem er Vater geworden war, ist nicht bekannt. Edith Friedmann und ihre Tochter Judith scheinen im Haus in der Herderstraße geblieben zu sein. Am 10 Juni wurden beide mit den Eltern aus diesem Haus deportiert und nach Lublin verbracht. Drei Generationen, die Eltern Adolf und Hilde Friedmann, die beiden Töchter Edith und Beatrix und die gerade zwei Jahre alt gewordene Enkelin Judith Friedmann, wurden in den nahe bei Lublin gelegenen Gaskammern von Sobibor ermordet. Obwohl er nicht auf der Deportationsliste aus Wiesbaden verzeichnet ist, soll auch Benny Schönfeld auf diesem Transport gewesen, allerdings in Lublin zur Arbeit nach Majdanek abkommandiert worden sein. Auf welche Art er dort ermordet wurde, ob durch Arbeit, Krankheit oder unmittelbare Gewalt, ist nicht bekannt. Die Angaben zu seinem Schicksal bleiben aber eher vage und müssen als ungeklärt angesehen werden.[36] Da für keines der Familienmitglieder ein sicheres Todesdatum vorliegt, wurde deren Todestag nach dem Krieg amtlich auf den 8. Mai 1945 festgelegt.
Auch die anderen Geschwister von Adolf hatten, nachdem sie erwachsen waren, versucht, sich wirtschaftlich auf eigene Beine zu stellen. So gab es 1915 einen Laden für Obst- und Südfrüchte sowie Weine in der Kirchgasse 29, der laut Adressbuch von den Geschwistern Friedmann geführt wurde. Sie scheinen aber dort nur den Laden gemietet zu haben, denn unter den Bewohnern dieses Hauses ist niemand mit dem Namen Friedmann verzeichnet. Um welche der Geschwister es sich genau handelt, geht aus dem Eintrag nicht hervor.[37] Schon im folgenden Jahr scheint das Geschäft aber wieder aufgegeben worden zu sein. 1918 versuchte Selma Friedmann in der Wellritzstr. 4 eine Kaffeehalle zu etablieren, aber auch diese Geschäftsgründung war wohl wenig erfolgreich, denn der Eintrag ist ebenfalls nur in dieser einen Ausgabe vorhanden. Steuerunterlagen zu beiden Geschäften sind nicht überliefert.
Auch wenn diese Versuche, sich selbstständig zu machen, gescheitert waren, so zogen die älteren Kinder zu Beginn der zwanziger Jahre dennoch aus der elterlichen Wohnung aus. Nach Adolf, der bereits im Adressbuch von 1921 mit eigener Anschrift aufgeführt ist, enthält das des folgenden Jahres auch eine Notierungen für einen Kaufmann namens Friedmann, der in der Bertramstr. 22 im dritten Stock wohnte. Um wen es sich handelt, ist nicht sicher, aber vermutlich wird es Isaak, der nächst jüngere Bruder von Adolf, gewesen sein, zumindest ist er im folgenden Adressbuch von 1924/25 ebenfalls als Kaufmann, dann aber auch für die folgenden Jahre bis 1931 als Bewohner der ersten Etage des Hauses Kirchgasse 54 eingetragen. Georg und Moritz waren Anfang der Zwanziger noch im jugendlichen Alter und wohnten damals vermutlich noch bei den Eltern, die 1920/21 selbst noch einmal aus der Goeben- in die Faulbrunnenstr. 7 umgezogen waren.
Sure Lisa Grünspahn, geb. Friedmann
1922 war auch Sure Lisa aus dem Elternhaus ausgezogen. Vieles über ihr Schicksal bleibt bisher im Dunklen. So gibt es auch für sie kein eindeutiges und gesichertes Geburtsdatum. Laut Gestapokarteikarte war sie am 20. Juni 1892 in Tscherkassy geboren worden, andererseits gab ihr Bruder Moritz allerdings sehr vage an, sie sei 1890 zu Welt gekommen.[38] Am 25. Mai 1921 gebar sie im Rot-Kreuz-Krankenhaus eine Tochter namens Berta, die aber bereits nach drei Tagen wieder verstarb und auf dem Jüdischen Friedhof an der Platter Straße noch am selben Tag beigesetzt wurde.[39] Der Nachname der Tochter war Friedmann, sodass man eigentlich von einer unehelichen Geburt ausgehen müsste. Auch der ein Jahr später am 6. Juli 1922 geborene Rudolf trug später den Familienname Friedmann. Das gilt auch für den am 10. Juli 1923 geborenen Bernhard, über den, vom Geburtsdatum abgesehen, keine weiteren Informationen vorliegen. Allerdings wurde die Mutter in dessen Geburtsprotokoll zunächst als Ehefrau von Adolf Grünspan bezeichnet, was allerdings in einer weiteren Beischreibung korrigiert wurde. Sie wurde nun als unverheiratete Haushälterin bezeichnet. Der gesamte Vorgang legt nahe, dass auch diese Ehe mit Adolf Grünspahn, auch Grimspan, allein nach jüdischem Ritus zustande gekommen war.[40] Dass die beiden verheiratet waren, bestätigte im späteren Entschädigungsverfahren auch der jüngste Bruder von Sure Lisa, Moritz / Moshe Friedmann.[41] Da die Ehe aber nicht standesamtlich vollzogen worden war, galt Sure Lisa Friedmann für die NS-Behörden selbstverständlich weiterhin als ledig, weshalb auch ihre Gestapokarteikarte auf Friedmann ausgestellt wurde.[42] Über das Schicksal des letzten gemeinsamen Sohnes Bernhard ist nichts bekannt. Vermutlich war auch er bereits im Kindesalter verstorben, denn sein Name lässt sich weder in späteren behördlichen Aufzeichnungen – auf der Gestapokarteikarte seiner Mutter ist nur Rudolf aufgeführt -, noch in den Entschädigungsakten wieder finden.[43]
Während Sure Lisa bei ihrer ersten Geburt noch in der Nettelbeckstr. 23 wohnte, ist in der Geburtsurkunde von Bernhard ihre Anschrift mit Adlerstr. 56 angegeben. Die Straße liegt in einem Wohngebiet, das ebenfalls primär von Arbeitern besiedelt war und nordwestlich an das Bergkirchenviertel anschließt. Unter dieser Adresse war 1922 auch der Schuhmacher Adolf Grünspahn gemeldet. Es handelt sich dabei um den einzigen Eintrag mit seinem Namen in einem der Wiesbadener Adressbücher.
Zu einem nicht mehr nachvollziehbaren Zeitpunkt scheint sich das Paar getrennt zu haben, denn 1935 wohnte Sure Lisa zusammen mit ihrer verwitweten Mutter in der Hellmundstr. 37 im ersten Stock des Hinterhauses. Adolf Grünspahn / Grimspan ist hier nicht mehr aufgeführt. Sein weiteres Schicksal konnte nicht geklärt werden. Falsch ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit die Angabe von Moritz Friedmann, nach der er zusammen mit seiner Frau Sure Lisa und dem Sohn Rudolf deportiert worden sei.[44] Dass er dem Holocaust zum Opfer fiel, ist dennoch wahrscheinlich.
Rudolf, genannt Rudi, scheint eine enge Beziehung zu seinen Cousins gehabt zu haben. Mit ihnen engagierte er sich in zionistisch orientierten Jugendgruppen und bereitete sich mit seinem Cousin Martin im Herbst / Winter 1939 auch auf eine Auswanderung nach Palästina vor. Auf einer Liste des Hachscharah-Lagers Hattenhof bei Fulda steht sein Name, wie auch der des etwa gleichaltrigen Martin Friedmann.[45] Auf der Gestapokarteikarte seines Onkels Georg Friedmann – offensichtlich hatte die Gestapo den Überblick über die große Familie Friedmann verloren – ist Rudolf als dessen Familienangehöriger vermerkt. Laut diesem Eintrag war er am 10. November 1939 auf den Hattenhof gegangen, am 5. Mai 1940 aber wieder nach Wiesbaden zurückgekommen. Über die Zeit, die Rudolf nach seiner Rückkehr in Wiesbaden noch verbrachte, gibt es keine Informationen. Für eine Auswanderung war es inzwischen zu spät geworden. Am 10. Juni 1942 wurde er zusammen mit seiner Mutter, mit der er damals in der Ludwigstr. 3 wohnte, und vielen anderen Mitgliedern der großen Familie Friedmann für den Transport nach Lublin bestimmt. Seine Mutter wurde von dort in die Todesfabrik Sobibor gebracht und vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet. Ihr amtliches Todesdatum wurde auf den 8. Mai 1945 festgelegt. Rudolf gehörte zu der Gruppe von etwa 160 arbeitsfähigen Männern, die in Lublin für einen Arbeitseinsatz in dem sich im Aufbau befindlichen Lager Majdanek ausgesucht wurde. Im Totenbuch von Majdanek ist sein Name mit der Häftlingsnummer 11425 und dem Todesdatum 21 August 1942 aufgeführt. Für etwa zwei Monate hatte man seine Arbeitskraft noch verwertet, bevor man ihm das Leben nahm – auf welche Art auch immer.
Sara Selma Jedwab, geb. Friedmann
Auch bezüglich des Schicksals der nächst jüngeren Schwester Sara Selma bleiben Fragen offen. Ob sie 1915 an dem bereits erwähnten Obstladen beteiligt war, ist nicht gewiss. Nach der kurzzeitigen Eröffnung ihres Kaffeesalons 1918 erscheint sie in den Wiesbadener Adressbüchern erst wieder im Jahr 1924/25 und 1925/26 als Händlerin, wohnhaft in der Feldstr. 10 im zweiten Stock.
Sie betrieb damals in der Jahnstr. 11 ein Abzahlungsgeschäft für Bett- und Leibwäsche, hatte aber auch Tischtücher und andere Konfektionswaren im Angebot. Zumindest machte diese Angabe Avram Leib Jedwab, ein am 15. Februar 1894 im polnischen Blaszki geborener Jude, der Sarah Selma Friedmann am 28. Oktober 1936 ehelichte und dann in das Geschäft seiner Ehefrau einstieg bzw. dieses sogar übernahm.[46] Er hatte nach Beendigung seiner Schulzeit in Polen noch eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen und war dann nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1919 nach Deutschland gekommen. Zunächst hatte er sich wohl in Baden niedergelassen, war aber dann nach Frankfurt gezogen, wo ein Bekannter ein Metallwarengeschäft besaß. 1925 kam er nach Wiesbaden, wo er in die Adelheidstr. 59 einzog, dem Haus, in dem damals auch Adolf Friedmann mit seiner Familie wohnte. Möglicherweise hatte er hier seine zukünftige Frau getroffen oder aber er war, nachdem er Sarah Selma Friedmann kennen gelernt hatte, bei ihrem Bruder untergekommen.
Bald nach der Heirat musste Avram Leib Jedwab das Geschäft alleine führen, da seine Frau so sehr erkrankte, dass sie im Januar 1927 in die psychiatrische Klinik Eichberg bei Kiedrich eingeliefert werden musste. Entsprechend war die Ehe kinderlos geblieben.
Avram Jedwab kaufte die Waren bei Wiesbadener, zumeist jüdischen Textilgeschäften mit einem entsprechenden Nachlass ein und vertrieb diese dann hauptsächlich im Hausierhandel mit einem „Bauchladen“ – wie sein Vermieter bemerkte –[47] an seine Kunden. Für Konfektionswaren erhielt er Provision von den Geschäften, zu denen er die Kunden geschickt hatte. Das Lager war in der Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche im vierten Stock des Hauses untergebracht.[48] Da Steuerunterlagen nicht mehr vorhanden sind, können die sich widersprechenden Aussagen zu seinem Einkommen nicht aufgelöst werden. Nach eigenen Angaben verdiente er Netto vor der NS-Zeit 500 bis 600 RM monatlich, die Auskunftei Blum hingegen bezifferte mit Verweis auf die Freistellung von der Hauszinssteuer sein jährliches Einkommen mit weniger als 1.200 RM.[49] Einig waren sich aber alle Befragten darin, dass er ein sehr fleißiger, rühriger und ehrlicher Mann gewesen sei, mit dem man gerne Geschäfte getätigt habe.[50]
Als die Nazis 1933 ihre Diktatur errichteten, gab Avram Leib sein Geschäft auf. Er habe keine Außenstände mehr einziehen können, sei bei solchen Versuchen sogar persönlich bedroht worden.[51] Seinen restlichen Lagerbestand überließ er seinem Schwager Adolf, in dessen neue Wohnung in der Kiedricher Str. 13 er am 1. Juli 1931 ebenfalls eingezogen war. Wo er wohnte, nachdem Adolf Friedmann mit seiner Familie im Sommer 1932 nach Biebrich verzog, ist nicht bekannt. Im Mai 1933 floh er aus Deutschland und ließ sich zunächst in Paris nieder.[52] Dort lebte er von eigenen Ersparnissen, Gelegenheitsarbeiten und finanziellen Zuwendungen jüdischer Organisationen. „Ich führte ein elendes Dasein bis zum Kriege, und ab 1939 wurde das nur noch tragischer“, erinnerte er sich später.[53]
Mit der Besetzung der französischen Hauptstadt durch die deutschen Truppen war er erneut zur Flucht gezwungen. In dem etwa 100 km nördlich von Toulouse gelegenen kleinen südfranzösischen Dorf Milhars, im Gebiet des Vichy-Regimes, lebte er bis zum Kriegsende unter primitivsten Umständen im Untergrund, ohne Kennkarte und damit auch ohne Lebensmittelkarte, in ständiger Angst entdeckt und deportiert zu werden. Aber offensichtlich gab es genügend Menschen in diesem Ort, die ihn am Leben erhielten und ihn beschützten. Vor einer nächtlichen Razzia war er sogar von der örtlichen Gendarmerie gewarnt worden, sodass er sich rechtzeitig in die umliegenden Wälder flüchten konnte. Seitdem habe er ständig seine Unterkunft gewechselt.[54] 1943 wurde er dann doch verhaftet und im ‚Camp de Noé’ interniert. Krankheitsbedingt konnte er das Lager allerdings dann nach einiger Zeit wieder verlassen, um sein Leben bis zur Befreiung im Untergrund fortzusetzen.[55] Danach ließ er sich wieder in Paris nieder, gezeichnet von der Zeit der Verfolgung, krank und depressiv war er kaum fähig, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Auch litt er unter der Ungewissheit, was mit seiner Frau und mit seiner Familie geschehen war. Später erfuhr er, dass alle seine Geschwister, seine zwei Brüder und seine vier Schwestern mit ihren Familien in der Shoa ermordet worden waren.[56]
Auch das Leben seiner Frau Sarah Selma, bei der die Diagnose ‚Schizophrenie’ gestellt worden war, wurde als „unwertes“ von den Gehilfen der „Rassenwahnsinnigen“ in den Heil- und Pflegeanstalten ausgelöscht. Soweit über die Einträge auf den Karteikarten rekonstruierbar, wurde sie nach etwa drei Jahren Klinik auf dem Eichberg entlassen, ungewiss ist aber wohin. Wo sie sich in den folgenden acht Jahren aufgehalten hat, ob in einer anderen Anstalt oder bei Verwandten oder in einer privaten Pflege ist nicht bekannt. Am 16. Mai 1938 wurde sie auf dem Kalmenhof in Idstein aufgenommen.[57] In der dortigen Anstalt blieb sie aber nur wenige Tage. Zusammen mit sieben weiteren Kranken wurde sie am 25. Mai 1938 in die Pflegeanstalt Weilmünster überführt. In dieser Anstalt im Hintertaunus, die vor der NS-Zeit als Kindersanatorium genutzt, 1933 aber wieder zur Pflegeeinrichtung für psychisch Kranke bestimmt wurde, blieb sie bis zum 7. Februar 1941.[58]
Die Anstalt sei „wieder ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung als Irrenanstalt zugeführt“ worden, weil sich gerade dort „die Unterbringung von Geisteskranken und Geistesschwachen mit den geringsten Aufwendungen ermöglichen ließ“, so der damalige Anstaltsdezernent des Wiesbadener Bezirksverbands Fritz Benotat .[59] Entsprechend waren die Bedingungen für die dortigen Patienten gestaltet. Ein großer Teil der „Pfleger“ bestand aus „Alten Kämpfern“ der NSDAP, die nirgends sonst zu gebrauchen waren und meist auch keine entsprechende Ausbildung besaßen.[60] Alle Ärzte waren Parteimitglieder, manche, wie der Oberarzt Ernst Bindseil, auch SA-Genosse.[61] Im Jahr 1938, in dem Sarah Selma Friedmann dort eintraf, war die Einrichtung mit mehr als 1500 Patienten schon völlig überbelegt. Viele der sogenannten „Pfleglinge“ fielen in der Folgezeit der rigiden Sparpolitik der Träger zum Opfer. Wie sehr sich die Zustände in Weilmünster unter der Führung der NSDAP verschlechterten, zeigen die Sterblichkeitsrate, die 1936 noch 8 Prozent betrug, 1937 bereits 15 Prozent erreichte und 1940 auf 37 Prozent angestiegen war.
Noch bevor mit der systematischen Ermordung der Patienten im Rahmen der T4-Aktion im September 1940 begonnen wurde, waren in den Jahren zwischen 1934 und 1939 mindestens 278 Insassen sterilisiert worden. Die Frauen wurden zu diesem Zweck bis 1939 nach Herborn gebracht, wo eine eigene Sterilisationsabteilung eingerichtet worden war. Vermutlich gehörte auch Selma Jedwab mit ihrer Diagnose zu den Opfern dieser Maßnahme. Im November 1939 waren dann in Berlin unter Federführung des berüchtigten Eichberg-Arztes Dr. Mennecke die organisatorischen Abläufe für die „T4-Aktion“ geplant worden. Sogenannte „Zwischenanstalten“ sollten die Kranken aus den verschiedenen Heimen und Anstalten sammeln und diese dann den eigentlichen Tötungsanstalten zuführen. Weilmünster war als eine dieser Zwischenanstalten ausersehen worden, Hadamar als Tötungsanstalt.[62] Damit die Zwischenanstalten aber ihre Funktion ausüben konnten, musste dort zunächst Platz geschaffen werden. Insgesamt wurden zwischen Januar und Mitte März 1941 etwa 750 Patienten, somit die Hälfte der eigenen Patienten aus Weilmünster nach Hadamar überstellt.[63] Auch am 7. Februar 1941 verließ ein Transport mit 89 Kranken die Anstalt Weilmünster mit dem Ziel Hadamar. Es handelte sich bei diesem Sammeltransport vermutlich ausschließlich um jüdische, um die letzten dort noch verbliebenen jüdischen Patienten bzw. Patientinnen.[64] Eine davon war Sarah Selma Jedwab. Sie wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hadamar ermordet.
Inzwischen hatte man schon mit der Überstellung der Kranken aus ganz Hessen und den Provinzen Hannover sowie Westfalen begonnen, um auch sie in der Zwischenanstalt Weilmünster zu sammeln und anschließend in der Tötungsanstalt Hadamar zu ermorden. Sara Selma Jedwab war eine von insgesamt 2595 kranken Menschen, die diesen Weg in den Tod gingen. Als im Sommer die T4-Aktion auf besonders Druck kirchlicher Kreise beendet wurde, begann in Weilmünster die Phase der „wilden Euthanasie“. Viele ließ man einfach verhungern, sodass 1942 die Sterblichkeitsrate sogar noch weiter auf 50 Prozent anstieg.[65] Insgesamt sollen in Weilmünster selbst zwischen 1940 und 1945 mehr als 3000 Patienten zu Tode gekommen sein, durch Unterlassung oder durch bewusste Taten.[66]
Regina Rivka Morgenstern, geb. Friedmann
Auch das Schicksal von Regina Rivka, verheiratete Morgenstern, einer weiteren Tochter von Jakob und Ides Friedmann, konnte bis heute nicht endgültig geklärt werden. Schon beim Geburtsdatum werden in den Akten drei verschieden Varianten angeboten. So ist im Buch über die Familie Friedmann der 10.,[67] in den Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau der 11.[68] und im Entschädigungsverfahren ansonsten durchgängig der 12. Juni 1899 als Geburtsdatum angegeben.[69] Dieses Datum nannte sie auch selbst in der Vermögenserklärung, die sie im Zusammenhang mit einer Sicherheitsanordnung im September 1941 abgeben musste. Als ihren Geburtsort bezeichnete sie in diesem Formular allerdings die Stadt Priluki und nicht das etwa 200 km entfernte Tscherkassy, wo – abgesehen von dem in Wiesbaden geborenen Moritz – alle anderen Geschwister zur Welt gekommen waren. Dieser Geburtsort ist auch im Buch über die Familie Friedmann übernommen worden. Ihr Sohn Felix gab im Entschädigungsverfahren hingegen Tscherkassy an.[70] Noch verwirrender sind die Unterlagen der Landesversicherungsanstalt, in der Regina Morgenstern gleich zweimal geführt wurde, einmal mit dem Geburtsdatum 11. Juni und dem Geburtsort Priluki, dann auch mit dem 12. Juni in Tscherkassy.[71] Man ging im Entschädigungsverfahren aber davon aus, dass es sich um die identische Person handelte. Eine Geburtsurkunde, die Aufschluss in diesen Fragen geben könnte, liegt nicht vor.
Da der Name von Rivka Regina Friedmann in keinem der Wiesbadener Adressbücher auftaucht, wird man davon ausgehen können, dass sie bis zu ihrer Eheschließung im Jahr 1925 bei ihren Eltern wohnte.[72] In den beiden Jahren zuvor war sie in Wiesbaden bei einem unbekannten Arbeitgeber als Büroangestellte und Buchhalterin oder auch als Lageristin tätig gewesen.[73] Ihr Ehemann, Jankel Jakob Morgenstern, über dessen familiären Hintergrund nichts bekannt ist, war am 22. April 1897 in Lodz geboren worden. Der Kaufmann lebte seit 1919 in Frankfurt,[74] wo sich dann auch das Paar niederließ. Bei der Geburt ihres ersten Kindes am 1. März 1926, das den Namen Felix erhielt, wohnten sie in der Bornheimer Landstr. 48.[75] Der zweite Sohn David wurde am 7. Mai 1930 geboren.[76] In den dreißiger Jahren wechselte die Familie mehrfach die Wohnung. Zunächst hatte sie sich in der Schützenstr. 5, danach ab 1934 in der Rechneistr. 11, heute Rechneigrabenstraße, nur wenige Meter vom Jüdischen Friedhof entfernt im zweiten Stock eingemietet.
Auch wenn in den Adressbüchern der Beruf ihres Mannes mit ‚Arbeiter’ angegeben ist,[77] so bedeutet das nicht, dass er während und nach der Weltwirtschaftskrise auch Arbeit hatte. Zumindest scheint sein Einkommen für den Familienunterhalt nicht ausgereicht zu haben, denn zum 15. Mai 1928 meldete Jakob Morgenstern bei der Frankfurter Steuerverwaltung ein Geschäft als „Provisionsreisender mit Industrieerzeugnissen“ an, das aber am nächsten Tag eigenartigerweise schon wieder abgemeldet wurde. Stattdessen wurde am 4. Juni des gleichen Jahres eine allgemeine Handelsvertretung auf seinen Namen eröffnet, aber auch diese wurde zum Monatsende wieder aufgegeben.[78] Am 26. September 1928 meldete dann seine Frau eine Handelsvertretung für Wäsche an. Vermutlich ließ sich aber auch damit das Einkommen nicht wesentlich steigern, denn am 17. Dezember 1930 wurde auch dieses Geschäft wieder abgemeldet.[79] Immerhin hatte diese berufliche Tätigkeit der Eltern bei ihrem Sohn Felix einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn er erinnerte sich später, wie er mit seinem Vater sonntags zu den Kunden gegangen sei, um die die fälligen Raten einzufordern.[80]
Über die folgenden Jahre, in denen es der Familie wirtschaftlich sicher nicht besser ging, liegen nur für die Jahre 1936 bis 1938 Informationen vor. Jakob Morgenstern hatte 1939 gegenüber der Devisenstelle angegeben, dass er bzw. seine Frau 1936 1.600 RM und in den beiden folgenden Jahren 1.700 RM verdient habe. Vielleicht war er damals schon als Friedhofsgärtner bei der Jüdischen Gemeinde angestellt. Zumindest ist dieser Beruf auf seiner Gefangenenkarte des Konzentrationslagers Buchenwald eingetragen. Die Angabe über das Einkommen in den Jahren 1936 bis 1938 befindet sich auf einem Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut, der am 1. Juli 1939 bei der Devisenstelle in Frankfurt eingereicht wurde.[81] Allerdings heißt es in einer Notiz auf dem Formular, „Umzugsgut nicht vorhanden“, was die Vermutung nahe legt, dass dieser Antrag im Zusammenhang mit der Ausreise des Sohnes Felix stand. Den Eltern war es gelungen, den damals 13jährigen Sohn im Juli 1939 mit einem der letzten Kindertransporte vor Beginn des Krieges nach England zu bringen, wodurch er als einziger der Familie gerettet werden konnte.
Zurück blieben die Eltern mit dem neunjährigen David. Aber auch sie konnten nur noch wenige Wochen zusammenbleiben. Am 9. September 1939 nahm die Gestapo Frankfurt den Vater in „Schutzhaft“ und ließ ihn eine Woche später nach Buchenwald überstellen. Lange bevor die systematische Inhaftierung und Vernichtung der deutschen Juden begann, verlor Jakob Morgenstern, registriert mit der Häftlingsnummer 3545, seine Freiheit, am Ende auch sein Leben.
Immerhin konnte die Familie, auch die weitere, in den folgenden Jahren über Briefe den Kontakt untereinander notdürftig aufrechterhalten. Und natürlich waren mit diesen Briefen auch Erwartungen und Hoffnungen verbunden, Hoffnungen, dass die Geretteten auch anderen zur Rettung verhelfen könnten. So schrieb schon am 6. August 1939 – Felix war noch kaum angekommen – sein Onkel Adolf einen Brief an ihn und bat ihn, sich für seinen Cousin Rudi, den Sohn von Sure Lisa und Adolf Grünspan einzusetzen: „Ich freue mich besonders, dass Du Dich so energisch für Deine Angehörigen einsetzt, dass sie auch nach England kommen sollten. Bei dieser Gelegenheit lieber Felix möchte ich Dich bitten, vielleicht kannst Du oder einer, den Du gut kennst, etwas für den Rudi tun, damit er auch evtl. nach England auswandern könnte. Vielleicht kann er auf einer Jeschiwa kommen, er ist doch im Jüdischen sehr begabt, oder vielleicht irgendwohin auf Hachscharah, Du lieber Felix wirst es am besten wissen, wie Du es anfangen sollst.“[82] Rudi konnte nicht gerettet werden, aber der enorme Erwartungsdruck lastete sicher auf dem Dreizehnjährigen, zumal der Onkel nicht der einzige war, der solche Hoffnungen zum Ausdruck brachte. Am 27. Februar 1940 schrieb die Mutter: „Papa ist leider interniert. Wir brauchen zirka 2000 Dollar, die uns zum Auswandern verhelfen könnten. Du weißt ja, dass wir keine Verwandten haben, die uns helfen könnten, so ist es für uns sehr traurig. Vielleicht kannst du etwas für uns tun.“[83] Und auch sein kleiner Bruder David macht keinen Hehl daraus, dass er gerne bei ihm in England wäre. Am 1. März 1940 schrieb er an Felix: „Ich habe mich mit dem Brief sehr gefreut. Hauptsächlich, dass du ein so gutes Heim und so gute Pflege gefunden hast. Ich wäre gerne auch bei Euch.“[84] Und ganz offensichtlich hatte Felix tatsächlich eine Familie angetroffen, die sich sehr um ihn kümmerte, was bekanntlich nicht immer der Fall war. Die Mutter wies ihn in ihren Briefen mehrfach darauf hin, dass er sich entsprechend dankbar zeigen müsse. Ansonsten beinhalten die Briefe zumeist Angaben über den gegenwärtigen Aufenthaltsort anderer Auswanderer, Bitten, die Kontakte mit den anderen Familienmitgliedern zu pflegen und öfters und mehr zu schreiben. Von der Angst sich zu verlieren, sind alle diese Briefe durchzogen. Einmal formuliert es die Mutter auch explizit. Eine Tante Hella, die in Schanghai gestrandet war, hatte ihre Hilfe angeboten. „Ich habe aber wenig Lust, so weit in die Welt hinauszukommen, da wir uns dann vielleicht gar nicht zusammentreffen“, schrieb sie nach England.[85]
Aus den Briefen geht auch hervor, dass sie einen regelmäßigen Kontakt zu ihrem Mann in Buchenwald aufrechterhalten konnte. So schrieb sie in dem undatierten Brief, in dem sie auch nach dem Geld fragte: „Vom l.[ieben] Papa erhalte [ich] so ziemlich regelmäßig Post. Wenn ich nur höre, dass er noch gesund ist, bin ich schon zufrieden.“[86]
Vermutlich war sie es auch, die ihn dort regelmäßig mit kleineren Geldbeträgen versorgte, die in seiner dort angelegten Geldverwaltungskarte verzeichnet wurden. Diese gibt nicht nur Aufschluss über die ungefähre Dauer seines dortigen Aufenthalts, sondern belegt auch, dass er in dieser Zeit vom 3. November 1939 bis zum 20. März 1942 insgesamt 347,60 RM in Empfang nehmen durfte. Wer dieses Geld in unterschiedlichen Abständen tatsächlich jeweils einzahlte – meist handelt es sich um Beträge von 10 RM -, ist auf der Karte nicht vermerkt.[87] 290 RM hatte er im Laufe der Zeit ausgegeben, sodass ein Betrag von 57,60 RM auf der Guthabenseite seines Kontos stand, als er Buchenwald verließ. Am 13. Juni 1942 wurde dieser Betrag – exakt 57,19 RM – auf das Konto Kriminalpolizeistelle Frankfurt überwiesen.[88] Die letzten Einzahlungen vom 13. und 20. März konnte er selbst nicht mehr quittieren, denn wenige Tage zuvor hatte er das Lager durch das Tor mit der zynischen Inschrift „Jedem das Seine“ verlassen. aber nicht in die Freiheit, sondern in den Tod.
Bereits bevor die Aktion ‚T4’ auf Druck der Kirche zumindest offiziell beendet worden war, kam man zu Beginn des Jahres 1941 auf die Idee, die in den Tötungsanstalten vorhandenen „Kapazitäten“ auch zu nutzen, um die Konzentrationslagers von den dortigen „Ballastexistenzen“ zu „befreien“.[89] Die Aktion zur „Ausmusterung“ der Häftlinge, auch als „Häftlings-Euthanasie“ bezeichnet, lief in der SS-Zentrale unter dem Terminus „Sonderbehandlung 14 f 13“, wobei der Buchstaben-Zahlencode nur das Aktenzeichen des Inspekteurs der Konzentrationslager beim Reichsführer SS bezeichnete.[90] Ab dem Frühjahr 1941 bereisten die bekannten „T4-Ärzte“ die verschiedenen KZs und selektieren die Gefangenen, die getötet werden sollten. Auf perfide Weise verleiteten sie die kranken und ausgelaugten Opfer sogar, sich selbst freiwillig zu melden, indem man ihnen vorgegaukelte, sie würden in ein Erholungslager verlegt werden. Zwar wurden die Selektierten auf den bisherigen T4-Meldebögen erfasst, ausgesondert wurden aber keine psychisch Kranken, sondern ausschließlich Arbeitsunfähige sowie sogenannte „Berufsverbrecher“ und „Wehrunwürdige“ – in erster Linie aber Juden. Typische „Diagnosen“, die auf den Bögen festgehalten wurden, waren „faul und frech“ oder „fanatischer Deutschenhasser“ mit dem Hauptsymptom „eingefleischter Kommunist“.[91]
Was auf dem Bogen von Jakob Morgenstern gestanden hat, ist nicht bekannt, auch nicht, ob er sich ebenfalls freiwillig dieser Selektion gestellt hatte. In jedem Fall gehörte er zu einer der letzten Gruppen, die im Rahmen dieser „14 f 13 – Aktion“ am 12. März 1942 mit einem Transport, bestehend aus insgesamt 90 Männern, aus Buchenwald in die „Euthanasie-Anstalt Bernburg „verschubt“ wurden – so die Bezeichnung der Täter für diese Transporte. Unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden alle noch am gleichen Tag in den dortigen Gaskammern ermordet und anschließend im Krematorium verbrannt.[92] Die Beurkundung der Todesfälle wurde, um die Angehörigen zu täuschen, in Buchenwald vorgenommen. Es wurde zudem eine natürliche Todesursache erfunden und auch das Todesdatum, im Fall von Jakob Morgenstern der 23. März 1942, eher willkürlich festgelegt.[93] Aber sein Todestag war definitiv nicht der 23. März 1942, wie im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz publiziert.[94] Dieses Datum stammt von dem für Buchenwald zuständigen Standesamt Weimar, das zudem die erfundene Todesursache „Kreislaufschwäche“ übernahm.[95] Man muss davon ausgehen, dass die Urne, die von Buchenwald nach Frankfurt überführt und dort am 13. Mai 1942 im Gräberfeld der orthodoxen Israelitischen Religionsgemeinschaft auf dem Alten Jüdischen Friedhof beigesetzt wurde, auch nicht die Asche des Ermordeten enthielt.
Neben seinem Grabstein steht der seines Sohnes Mosha David, der genau zwei Wochen nach seinem Vater dort beigesetzt wurde. Bisher liegen absolut keine Informationen darüber vor, wie es zum Tod dieses nicht einmal zwölfjährigen Kindes kam.[96] Es sind nur die wenigen Briefe an seinen Bruder, die ansatzweise einen Einblick in sein kurzes Leben, seine Hoffnungen und Wünsche gewähren. Natürlich vermisste er seinen Bruder Felix und seinen Vater: „Ich wollte dass lb. Papa wieder bei uns wäre“, notierte er am 1. März 1940 noch als Postskriptum unter einen Brief, gerade so, als habe er den Schmerz des Verlusts unterdrücken wollen, aber dann doch nicht können. Er war, so ist den wenigen Briefen zu entnehmen, an den religiösen Traditionen der jüdischen Kultur interessiert, überhaupt sehr wissbegierig. Stolz schrieb er Felix, dass er inzwischen der beste Schüler in der Klasse sei und er jetzt auf die Höhere Schule gehe.[97] Aber die Mutter, die diesen Stolz teilte schrieb auch: „David ist sehr ernst geworden.“[98] Es ist daher, besonders nachdem er vom Tod des Vaters erfahren hatte, nicht auszuschließen, dass die Angabe im Frankfurter Deportationsbuch richtig ist und David sich tatsächlich selbst das Leben genommen hatte. Wenn dem so war, dann zeigt das nicht nur, welche Nöte dieses Kind damals durchlebt haben muss, sondern letztlich auch die Reife mit der er seine und die Situation der Juden insgesamt beurteilte. Nachdem schon mehrere Züge Frankfurt verlassen und unmittelbar zuvor am 8. Mai 1942 ein weiterer Zug mit etwa 1000 Opfern das Ghetto Izbica angesteuert hatte, wird dem hellsichtigen Jungen klar gewesen sein, dass auch er bald einer der Deportierten sein würde. Die Flucht in den Tod, so außergewöhnlich sie für ein Kind dieses Alters auch sein mag, könnte für ihn die einzig richtige Konsequenz gewesen sein. Ein Todeseintrag im städtischen Register gibt es nicht. Nach den Eintragungen im Beerdigungsbuch des Friedhofs wurde die Urne mit seiner Asche am 27. Mai 1942 beigesetzt.
Unklar ist, ob die Mutter damals noch bei der Zeremonie zugegen sein konnte, denn auch ihr Schicksal ist weitgehend ungeklärt. Vielleicht konnte sie noch bis in den März 1942 ihrem Mann das Geld nach Buchenwald übersenden, wenngleich sie im September 1941 in der ihr abverlangten Vermögenserklärung angab, kein Einkommen und auch kein Vermögen zu haben. Sie werde vom Wohlfahrtsamt unterstützt, notierte sie unter der Unterschrift. Die Devisenstelle Frankfurt verzichtete angesichts dieser finanziellen Lage auf die Einrichtung eines Sicherungskontos und gewährte ihr einen Freibetrag von 200 RM – ein Betrag, den sie ganz sicher nicht besaß.[99] Auf der Rückseite dieses Vermerks ist am 12. Juni 1942 knapp notiert, dass Regina Rivka Morgenstern „evakuiert“ wurde und die Akte nach den entsprechenden Eintragungen weggelegt werden könne.
Mit welchem Transport sie wann, wohin verbracht wurde und wo man sie schließlich ermordete, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist aber, dass man sie am 24. Mai mit insgesamt 956 weiteren Opfern nach Izbica abschob. Die Namensliste der Frankfurter Juden, die damals deportiert wurden, ist nicht erhalten geblieben, allerdings die der 26, die aus Wiesbaden stammten. Bei ihnen kann rekonstruiert werden, wann die Devisenstelle in Frankfurt diese Deportation verwaltungsmäßig abschloss. Und das fand genau in den Tagen statt, in denen auch die Akte von Regina Rivka Morgenstern geschlossen wurde.[100]
Überlebende dieses Transports hat es nicht gegeben,[101] daher musste ihr Todestag amtlicherseits auf den 8. Mai 1945 festgelegt werden.[102]
Einziger Überlebender der Familie war der Sohn Felix, der in England den Namen George Melvin angenommen hatte. Nachdem der Krieg überstanden war, verließ er das Land, das ihn 1939 aufgenommen hatte. Bis zuletzt war er offensichtlich in der Obhut des ‚Bloomsbury House’, einer der wichtigsten Organisationen, die in England die Kindertransporte gemanagt hatten.[103]. Zumindest ist diese Organisation als Kontakt bei seiner Überfahr von Southampton nach New York angegeben. Die USA erreichte er am 25. März 1947 kurz nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Als Anlaufstelle in den Staaten hatte er seinen Onkel George Friedmann angegeben, der bereits 1940 in die USA gekommen war und inzwischen in Hartford, Connecticut, nördlich von New York lebte.
Viel ist über das Leben von Felix Friedmann in den USA nicht bekannt. Er lebte später als kaufmännischer Angestellter in der Metropole am Hudson-River, war verheiratet und hatte 1958 zwei kleine Kinder.[104]
Isaak Friedmann
Auch der etwa zwei Jahre ältere Cousin von Felix, Leo Friedmann, wurde dank eines Kindertransports nach England gerettet. Er war das zweite von insgesamt drei Kindern von Isaak und Frieda Friedmann, geborene Steinberg. Diese Familie war diejenige, die zuletzt im Judenhaus in der Herrngartenstr. 11 wohnen musste.
Isaak selbst war das vierte Kind von Jakob und Ides Friedmann. Als sie nach Deutschland kamen, war er schon etwa acht Jahre alt und besuchte zumindest ab 1907, vermutlich nach dem Umzug der Eltern in die Yorckstraße, die Blücherschule im Westend, aus der er 1911 entlassen wurde.[105] Über seine weitere Ausbildung liegen keine Informationen vor. In der Heiratsurkunde, laut der er am 20. Dezember 1921 die ebenfalls dem osteuropäischen Judentum entstammende Frieda Steinberg ehelichte, wird er als Kaufmann bezeichnet.[106] Frieda Steinberg war am 15. Mai 1894 in dem damals russischen, heute litauischen Sredniki bei Kowno / Kaunas geboren worden. Die einst sehr große jüdische Gemeinde teilte nach dem Einmarsch deutscher Truppen das Schicksal vieler anderer Gemeinden in dieser Region. Deren letzte 193 verbliebenen Mitglieder wurden am 4. September 1941 alle umgebracht, 6 Männer, 61 Frauen und 126 Kinder.[107]
Es ist nicht bekannt, wann Frieda Steinberg und ihre Geschwister ihren Heimatort verlassen hatten, auch nicht, ob alle oder nur einige der Kinder mit oder ohne ihre Eltern in den Westen gezogen waren. In Wiesbaden lebten damals vermutlich drei Steinberg-Schwestern. Außer der ältesten Frieda, die bis zu ihrer Heirat zusammen mit der jüngeren Schwester Rosa, geboren am 25. Februar 1896, in der Schwalbacher Str. 61 wohnte, noch Miriam, geboren am 5. Januar 1900. Letztere, von Beruf Modistin, wohnte als Ledige bis zur ihrem erzwungenen Umzug in die Mauergasse 8 in der Karl-Ludwig Str. 7. Rosa Steinberg hatte am 2. Dezember 1920 in Wiesbaden den galizischen Kaufmann Alexander Schönberg geheiratet, sich aber später wieder von ihm getrennt.[108] Beide Schwestern wurden am 10. Juni 1942 von Wiesbaden aus deportiert und in Sobibor ermordet.[109]
Nach der Eheschließung bekamen Isaak und Frieda Friedmann am 27. November 1922 ihr erstes Kind, das den Namen Martin erhielt. Leo wurde am 20. Mai 1924 und Susi zuletzt am 12. Juni 1926 geboren.[110] Bei Martins Geburt, lebte die junge Familie Am Schulberg 21. Allerdings ist diese Anschrift noch nicht im Wiesbadener Adressbuch eingetragen, ein eigener Adressbucheintrag mit Kirchgasse 54I ist für sie erst im Jahr 1924/25 zu finden. In dieser Wohnung blieb die Familie bis etwa 1932, dann bezog sie eine Drei-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss in der Scharnhorststr. 48.[111]
Wie die meisten anderen Mitglieder der Großfamilie versuchte auch Isaak Friedmann das notwendige Einkommen im Handel mit Textilwaren zu erwerben, genauer mit Trikotagen, Hauswäsche und Webwaren. Er besaß kein eigenes Lager, auch kein Fahrzeug, um die Textilien, hauptsächlich Waren der Frankfurter Firma Gebr. Bergmann, in Kommission an die Kunden zu bringen. Selbst die Auskunftei Blum, deren Vorurteile gegenüber jüdischen Händlern und Geschäftsleuten in jedem der von ihr gefertigten Gutachten, selbst in positiven Statements, nur allzu deutlich durchscheint, musste zugeben, dass die finanziellen Verhältnisse früher „als geordnet bezeichnet“ werden müssen, Herr Friedmann „als fleißig und ordentlich geschildert“ wurde und er sich „mit seiner Tätigkeit Mühe gab“. Etwa 500 RM netto habe er in den Jahren vor der Krise – eine präzisere Angabe wird nicht gemacht – an Einkommen erwirtschaften können.[112] Aber schon in den Jahren 1926 bis 1928 wurden fällige Steuerforderungen niedergeschlagen bzw. erlassen, da – so die Auskunft des Finanzamts Wiesbaden „sein Verdienst nach Abzug der Reisespesen so gering sei, dass er zur Bestreitung des Lebensunterhalts für seine aus 3 Kindern bestehenden Familie wiederholt Wohlfahrtsunterstützung habe in Anspruch nehmen müssen.“ [113]
Als dann die Krise mit voller Wucht über die Weltwirtschaft hereinbrach, waren die kleinen Händler, die auf keine Rücklagen zurückgreifen konnten, sehr schnell am Ende ihrer Möglichkeiten. 1929 betrug das gesamte Einkommen von Isaak Friedmann nur noch 1.500 RM, im folgenden Jahr sogar nur 1.400 RM, sodass er sich im Mai 1931 gezwungen sah, das Geschäft aufzugeben.[114]
Mitte der Dreißiger Jahre, um 1936, versuchte er, nun unter den erschwerten Bedingungen nationalsozialistischer Boykottpolitik, zunächst noch einmal einen Handel mit Bestecken aufzubauen, womit er aber genauso scheiterte, wie mit dem Versuch im folgenden Jahr, erneut mit Wäschewaren und Leinenartikel zu hausieren. Am 30. September 1938 war er gezwungen auch dieses Geschäft endgültig zu liquidieren, nachdem im Juli durch eine „Reform“ der Gewerbeordnung den Juden untersagt wurde, ihr traditionelles ambulantes Gewerbe weiterhin auszuüben. Sie durften ihre Waren nur noch an ihrem Wohnsitz anbieten, was faktisch einem Berufsverbot gleichkam.
Als nach der Aktion von Herschel Grünspan in Paris auch in Wiesbaden die Synagogen brannten und die Angriffe auf die jüdischen Bürger und Geschäfte pogromartige Ausmaße annahmen, gehörte auch Isaak Friedmann zu den Männern, die in den folgenden Tagen verhaftet und nach Buchenwald eingeliefert wurden. Auch für ihn, den Häftling mit der Nummer 25017, wurde dort eine Geldverwaltungskarte angelegt, auf die am 6. Dezember 5 RM eingezahlt wurden, die am 16. wieder abgehoben wurden. Vermutlich war es das Fahrgeld für die Heimfahrt, denn unmittelbar unter der Quittierung ist „entlassen“ zu lesen.[115] Aber wohin? Seine Existenz war vernichtet und eine Auswanderung kam für die Familie auf Grund fehlender Geldmittel nicht in Frage.
Auch den Kindern blieb es nach dem Machtwechsel versagt, sich entsprechend ihren Fähigkeiten und Begabungen zu entwickeln. Bevor sie ihre Schulausbildung begannen, hatten sie zusammen zunächst einen Kindergarten in Wiesbaden besucht, woran sich dessen ehemalige Leiterin Recha Hallgarten später erinnerte.[116] Anschließend wurden alle drei zunächst in die Volksschule am Schulberg eingeschult, Martin nach Angaben des Schulamts am 10. April 1929, Susi am 14. Juni 1932.[117] Der ältere Bruder habe danach – so Leo Friedmann – auf Betreiben seines Klassenlehrers sogar noch die Höhere Schule besuchen dürfen. Vom 5. April 1933 bis zum 14. Mai 1936 ging er auf die Riederberg-Realschule, wurde dann als Jude wieder zum Verlassen der Bildungseinrichtung gezwungen.
Nach seinem Rauswurf wurden er, wie auch seine Schwester Susi, Schüler der Jüdischen Schule in der Mainzer Straße, wo man aber natürlich keinen Abschluss mit einer Studienberechtigung erwerben konnte.[118] Martin besuchte noch ein Jahr in Frankfurt das orthodoxe Breuer’sche Jüdische Seminar, eine Jeschiwa, möglicherweise schon in Vorbereitung auf seine geplante Auswanderung nach Palästina.[119]
Er war auch musisch sehr begabt und erhielt Violinunterricht bei Selmar Victor, der ab Februar 1941 ebenfalls Bewohner des Judenhauses Herrngartenstr. 11 wurde. 1935 hatte man ihn, den verbeamteten Ersten Geiger am Staatstheater Wiesbaden, zwangsweise in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Martin muss so gut gewesen sein, dass er sein Können in Konzerten des Jüdischen Kulturbundes zeigen durfte.
Aber die Kinder bzw. Enkel der Friedmanns engagierten sich auch anderweitig im Gemeindeleben. Wie aus dem Jüdischen Adressbuch von 1935 hervorgeht, waren Martin, seine Schwester Susi und ihr Cousin Rudi Friedmann / Grünspan zum einen in der Sportgruppe des ‚Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten’ aktiv, zum anderen im jüdisch orthodoxen Jugendbund ‚Esra’. Mitglieder in der ‚Esra’ waren auch der Bruder Leo und die Cousine Beatrix, die Tochter von Adolf und Hilde Friedmann.[120]
Beruflich waren aber die Möglichkeiten für die offenbar vielseitig interessierten und begabten Kinder sehr begrenzt. Leo, der wie sein Bruder eigentlich eine akademische Laufbahn angestrebt hatte, musste sich nach dem Ende seiner Schulzeit damit begnügen, eine Lehre in der einstmals in Wiesbaden hoch angesehenen Kamerafabrik ‚Wirgin’ anzutreten.[121] Da das Unternehmen aber in jüdischem Besitz war und 1938 arisiert wurde, es damit auch keinen Platz mehr für einen jüdischen Lehrjungen gab, musste er noch vor seinem Abschluss die Lehrstelle wechseln. Das sich im Besitz der orthodoxen Familie Rückersberg befindliche Hotel ‚Kronprinz’, das sich auch besonders diesem Kundenkreis widmete, übernahm ihn, musste aber noch 1938 zwangsweise an die Reichsfinanzverwaltung verkauft werden,[122] sodass Leo ohne abgeschlossene Berufsausbildung blieb. Zwar gibt es keine Informationen darüber, wie es diesbezüglich seinem Bruder Martin oder den übrigen Cousins und Cousinen erging, aber es ist nahe liegend, dass sie gleiche oder ähnliche Erfahrungen machen mussten. Es gab für sie keinen Platz mehr in diesem Deutschland, in dem besonders nach den Ereignissen im November 1938 auch die körperliche Bedrohung allgegenwärtig zu spüren war.
Für Martin gab es im Sommer 1939 auf Grund seines Alters keine Möglichkeit mehr, Deutschland noch mit einem Kindertransport zu verlassen. Er hatte damals ohnehin schon eine Auswanderung nach Palästina ins Auge gefasst. So fiel die Wahl auf den 15jährigen Leo, den zweiten Sohn von Isaak und Frieda Friedmann, als es im August 1939 noch einmal die Chance gab, jüdische Kinder nach England in Sicherheit zu bringen.
Ein kleines Konvolut an Briefen, die zwischen Leo und seinen zurückgebliebenen Verwandten ausgetauscht worden waren, ist erhalten geblieben. Auch in diesen Botschaften muss man immer wieder zwischen den Zeilen lesen, etwa wenn es darin wiederholt heißt, dass sie alle gesund und munter seien und er sich also keine Sorgen zu machen brauche. Es ging ihnen gar nicht gut und es gab allen Grund zur Sorge. Auch hier immer die Bitte der Eltern, Leo möge doch öfters und ausführlicher schreiben und ihre Fragen beantworten. Und dabei sind es angesichts der Trennung und der Bedrohung doch scheinbar so banale Fragen,, die gestellt wurden: Ob er einen Schlafsack habe? Ob der Koffer gehalten habe? Ob er diesen oder jenen Besuch gemacht habe? Neben den Eltern kamen auch seine Schwester Susi und der Bruder Martin, aber auch andere Verwandte und Bekannte zu Wort. Zumindest erfährt man einige kleine Details aus dem Leben der in Nazi-Deutschland Verbliebenen.
Am 24. August 1939 hatte Leo Deutschland verlassen, erst am 1. September erhielten die inzwischen sehr besorgten Eltern die Nachricht, dass er gut angekommen sei. Im Brief des Vaters vom 22. Oktober berichtete dieser, dass Martin inzwischen ebenfalls das Haus verlassen habe und in der Nähe von Berlin bei der Kartoffel- und Rübenernte helfen und vermutlich bis Dezember dort bleiben würde. Die Zeit solle ihm für seine anstehende Hachscharah angerechnet werden. Auch Rudi, Sure Lisas Sohn, werde, so heißt es in diesem Brief weiter, in der kommenden Woche persönlich in Frankfurt auf dem Palästina-Amt vorsprechen, um seine eigene Alija zu organisieren. Noch im Winter 1939 begann für die beiden Cousins ihre Hachschara-Zeit auf dem Gehringshof in der Gemarkung Hattenhof bei Fulda, Rudi traf dort am 31. November, Martin am 12. Dezember ein und – wie den Briefen zu entnehmen ist – ging es ihnen dort recht gut. Bereits 1929 war der Hof von der zionistischen Jugendbewegung Bachad erworben worden, um auswanderungswillige Jugendliche auf ein Leben im Kibbuz vorzubereiten.[123]
Die beiden Cousins blieben auf dem Gehringshof zunächst bis Mitte April 1940. Am 19. meldeten sie sich in Hattenhof ab und kamen für etwa zweieinhalb Wochen nach Wiesbaden zurück.[124] Die Gründe dafür sind nicht bekannt und können nur vermutet werden. Offenbar hatten auch sie inzwischen statt Palästina England als ihr gewünschtes Exilland auserkoren, denn die Eltern teilten Leo am 5. Januar 1940 mit: „Ich habe den Brief auch zu Martin & Rudi geschickt. Sie schreiben alle sehr gut und haben den einen Wunsch, bald zu Dir kommen zu können. Sie haben zwar jetzt im Winter nicht viel Arbeit, vertreiben sich aber die Zeit mit allen möglichen Dingen.“ Es folgen die üblichen Bitten und Beruhigungsfloskeln: „Sonst gibt es bei uns nicht viel Neues. Es ist alles in bester Ordnung. Schreibe uns öfters wieder.“ Ende des Monats berichten die Eltern erneut über die beiden, dass sie sich über Leos Brief gefreut hätten, es ihnen gut gehe und sie sehr vergnügt seien.[125] Vermutlich stand die zeitweise Rückkehr nach Wiesbaden im Zusammenhang mit ihren neuen Überlegungen, ebenfalls nach England zu gehen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, aber klar ist, dass eine Auswanderung nach Palästina angesichts der Kriegslage – Italien trat im Sommer 1940 in den Krieg ein, wodurch das gesamte Mittelmeer zum Kriegsgebiet wurde – damals nicht mehr ohne Weiteres möglich war. Möglich ist aber auch, dass sie der anstrengenden körperlichen Arbeit nicht gewachsen waren [126] oder sich politisch mit dem zionistischen Gedankengut nicht mehr identifizieren konnten. Was Martin nach seiner Rückkehr nach Wiesbaden machte, ist nicht bekannt.
Den kurzen Briefen seiner Schwester Susi kann man entnehmen, dass sie besonders unter der Abwesenheit ihres Bruders litt. Es sei abends so langweilig ohne ihn, zumal nachdem auch Martin von zu Hause weg sei. Auch hatte sich der Freundeskreis gelichtet. Sie erwähnt einmal, dass die Freundinnen Angela und Maria, mit denen man sich früher wohl öfters im Park-Café und auf der so genannten ‚Blumenwiese’ über dem Kurpark getroffen hatte, nicht mehr da seien. Auch Susi hoffte mit ihrer Cousine Beatrix / Beate Deutschland möglichst bald noch verlassen zu können. Offenbar hatten die beiden auf eine Tante Eva in Amerika gesetzt,[127] aber offenbar vergebens. Im Oktober bat sie ihren Bruder, die Tante von England aus zu kontaktieren. „Schreibe doch bitte mal nach Amerika zu Tante Eva. Und gebe uns dann auch bitte Nachricht von ihr. Ich hoffe, dass die Sache mit Beate F. und mir auch bald zum Klappen kommt.“ Auch die Eltern fragten erneut im Januar 1940 bei Leo an, ob er etwas von ihr gehört habe, sie selbst hätten schon lange keine Nachricht mehr von ihr erhalten. Die Hoffnung nach Amerika zu kommen, blieb unerfüllt. Das Letzte, was man in den Briefen über Susi erfährt, ist ihre Entlassung aus der Jüdischen Schule am 20. März 1940. Was sie jetzt machen wird, stehe noch nicht fest, schrieben die Eltern an diesem Tag nach England.[128] Perspektiven gab es zu diesem Zeitpunkt für keinen mehr.
Der vermutlich letzte schriftliche Kontakt, den es noch einmal gab, war nur noch eine in der Wortzahl und auch inhaltlich begrenzte Nachricht, die am 12. Februar 1942 über das Internationale Rote Kreuz nach Wiesbaden gelangte. In den nur scheinbar nichts sagenden Worten und Fragen von Leo kommt die große Verzweiflung über die Lage der Eltern und Geschwister, die ohnehin nicht in Worte gefasst werden konnte, überdeutlich zum Ausdruck: „Bin gesund. Hoffe dasselbe von Euch. Habe Felix gesehen. Wie geht es Euch Lb. Eltern und Verwandte? Hoffe von Euch zu hören. Bleibt gesund. Leo.“ Auf der Rückseite antworteten diese drei Monate später – vermutlich hatte die Übermittlung so lange gedauert: „Wir sind alle gesund, auch Verwandte. Viel Freude mit Brief. Schreibe oft. Neue Adresse Herrngartenstr. elf. Gruss Kuss Eltern und Geschwister. Gruesse Felix Jenny Georg.“[129]
Briefwechsel zwischen Leo und den Eltern Isaak und Frieda Friedmann über das Rote Kreuz 1942
Sammlung G.Schneider
Der Umzug in das Judenhaus, den die Eltern hier erwähnen, hatte laut Eintrag auf der Gestapokarteikarte bereits am 3. August 1940 stattgefunden. Ob Leo die Nachricht damals erreichte, ist nicht sicher.[130] Mit diesem Umzug begann für die Familie von Isaak Friedmann der letzte Abschnitt ihrer Verfolgungsgeschichte in Wiesbaden. Noch in der Scharnhorststr. 48 hatte die Devisenstelle Frankfurt im Februar 1940 mit der Anlage einer entsprechenden Überwachungsakte die Kontrolle über deren Finanzen übernommen. 200 RM sollte der vorläufige Freibetrag betragen, über den die Familie bis zur Abgabe einer Vermögenserklärung verfügen können sollte.[131]
Isaak Friedmann fragte an, ob er den Formularbogen unausgefüllt zurückschicken könne, da er kein Vermögen besäße. Seit Januar 1939 sei er im Straßenbau tätig, sein Verdienst betrage durchschnittlich 30 RM in der Woche. Damit müsse er seine dreiköpfige Familie ernähren – Martin war zu dieser Zeit auf dem Bauernhof tätig.[132] In den Briefen an Leo hatte der Vater mehrfach seine Arbeit im Straßenbau erwähnt, den Namen der Firma, bei der er zur Zwangsarbeit verpflichtet war, aber nie genannt.[133] Der ansonsten weitgehend leeren Vermögenserklärung ist zu entnehmen, dass er damals noch in der Scharnhorststr. 48 eine monatliche Miete von 70 RM zu zahlen hatte, d.h. mehr als die Hälfte seines Einkommens. 90 RM betrug der Lebensunterhalt für Essen und Kleidung. Wie das Defizit ausgeglichen wurde, ist den Unterlagen nicht zu entnehmen.[134] Der Freibetrag wurde daraufhin auf 160 RM abgesenkt, aber man verzichtete auf die Anlage eines Sicherungskontos und erlaubte ihm, seinen wöchentlichen Lohn bis zur Höhe von 35 RM in bar entgegenzunehmen.[135]
Am 23. September 1941 teilte er auch der Devisenstelle seinen Umzug in das Judenhaus mit, wo die Familie im dritten Stock eine Wohnung erhielt.[136] Sie hatte sich – nun wieder vier Personen – dieses Stockwerk, das vermutlich in zwei Wohnungen mit insgesamt sechs Zimmern geteilt und mit einer Flurtoilette ausgestattet war, mit dem Ehepaar Elias und Franziska Kassel geteilt.
Anfang Juni 1942 waren alle vier benachrichtigt worden, dass sie am 10. Juni den Zug zu besteigen hätten, der sie in den Osten bringen sollte. Darüber, wann und wo sie ums Leben kamen, gibt es zumindest für Frieda Friedmann und die beiden Kinder Martin sowie Susi keine Eintragungen. In Lublin waren sie von ihrem Vater getrennt worden, den man hier zur Arbeit in das sich im Aufbau befindliche KZ Majdanek abkommandiert hatte. Im Totenbuch von Majdanek ist sein Name aufgeführt. Er, gekennzeichnet mit der Häftlingsnummer 11300, ist dort am 9. Juli 1942 ermordet worden – durch unmittelbare Gewalt, durch Arbeit, Krankheit, Unterernährung oder wie auch immer.[137] Seine Frau und die Kinder wurden von Lublin weiter nach Sobibor transportiert und sind vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft in die dortigen Gaskammern geführt worden. Ihr Todesdatum wurde nach dem Krieg amtlich auf den 8. Mai 1945 festgelegt. Auch Frieda Friedmanns Schwestern Rosa und Miriam waren – wie bereits erwähnt – in diesem Zug und erlitten das gleiche Schicksal.
Über das Leben von Leo Friedmann, dem einzigen Überlebenden der Familie von Isaak und Frieda Friedmann, der in England den Namen Leslie Finlay angenommen hatte, ist wenig bekannt. Mit seiner Frau Pat hatte er einen Sohn namens Ian. Leslie Finlay verstarb am 16. Januar 1982 im Alter von 57 Jahren.[138]
Georg Friedmann
Zu den wenigen Überlebenden der großen Familie Friedmann gehörte auch Leos Onkel Georg Friedmann. Wie bei einigen anderen Mitgliedern der Familie, liegen auch bei ihm unterschiedliche Angaben über sein Geburtsdatum vor. Die Datenbank Jüdischer Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs hat das auf der Gestapokarteikarte angegebene Geburtsdatum 7. Mai 1904 in Tscherkassy übernommen. Dabei wurde aber offenbar übersehen, dass bereits auf dieser Karte handschriftlich eine Korrektur vorgenommen worden war. Das Datum war auf den 13. April 1904 abgeändert worden. Aber auch diese Angabe scheint falsch zu sein, denn in allen amtlichen Unterlagen der deutschen Entschädigungs- und der amerikanischen Einbürgerungsbehörden ist als Geburtsdatum der 13. März 1904 genannt, das im Übrigen auch stets von ihm selbst angegeben wurde.[139] In jedem Fall muss er noch ein Kleinkind von nicht einmal einem halben Jahr gewesen sein, als seine Eltern im Sommer 1904 nach Wiesbaden kamen. Hier hatte er auch 1918 seine achtjährige Schulausbildung abgeschlossen und ursprünglich offensichtlich den Plan gehabt, selbst Lehrer zu werden.[140] Für eine Anstellung an einer Volksschule war das damals auch ohne Abitur und Studium durch eine zusätzliche Qualifikation, die an einer so genannten Präparandenschule erworben werden konnte, möglich. Zu diesem Zweck ging er bis 1920 für zwei Jahre nach Kassel. Ob er diese Ausbildung abschloss ist nicht bekannt. Von 1920 bis 1923 absolvierte er dann noch eine kaufmännische Lehre bei der Firma Jacob Ullmann im thüringischen Tiefenort im Kreis Eisenach, ein Geschäft, das Eisen- und Kolonialwaren, aber auch Maschinen aller Art verkaufte. Es gehörte – so ist einer Anzeige, in der ein Lehrling gesucht wurde, zu entnehmen – einer streng gläubigen jüdischen Familie, denn es wird darin betont, dass der Laden am Sabbat und an anderen Feiertagen geschlossen sei.[141] Wie bereits dem Lehrling in der Anzeige aus dem Jahr 1904 angeboten, hatte auch Georg Friedmann knapp zwanzig Jahre später Kost und Logis frei. Auch nach dem Abschluss der Lehre blieb er bis 1938 in der Firma, die inzwischen ihr Angebot erweitert oder spezifiziert hatte. Als „Textil-Detail-Reisender“ mit einem eher geringen Grundgehalt von monatlich 75 RM, aber Provisionen, die jeweils zusätzlich zwischen 150 und 225 RM ausmachten, hatte er ohne die sonst üblichen Lebenshaltungskosten ein recht ordentliches Einkommen,[142] zumindest in den ersten Jahren. Nach der Machtübernahme gingen die Umsätze und damit auch das Einkommen von Georg Friedmann deutlich zurück. Nachdem 1937 der Laden verkauft worden war, er zunächst von seinen Ersparnissen leben musste, versuchte er im Spätsommer 1938 noch einmal für etwa vier Wochen in Prenzlau eine Anstellung zu finden. Er musste dann nach diesen vier Wochen wieder entlassen werden, weil ihm als Staatenlosem von der örtlichen Polizeibehörde das Aufenthaltsrecht in Prenzlau entzogen worden war.[143]
Am 8. Oktober 1938 meldete er sich polizeilich wieder in Wiesbaden bei seiner Mutter in der Hellmundstr. 37 an.[144] Das war vier Wochen vor der Reichspogromnacht, bei der auch er am 12. November in der Wohnung seines Bruders Adolf verhaftet und mit diesem am 16. November als „Sch“-„J“, als „Schutzhaft-Jude“, mit der Häftlingsnummer 30435 nach Dachau überstellt wurde.[145] Am 29. Dezember wurde er wieder entlassen, vermutlich unter der üblichen Bedingung, Deutschland so bald wie möglich zu verlassen.
Dies war umso tragischer, als er wahrscheinlich in dieser Zeit seine zukünftige Frau Berta Ziegelmann kennen gelernt hatte, die Schwester von Ernestine Ziegelmann, der Frau seines in Frankfurt verheirateten Bruders Moritz. Berta, auch Bertha, Ziegelmann war am 5. Februar 1916 in Frankfurt als Tochter von Julius und Minna / Mindel Ziegelmann, geborene Mayer-Feldmann, zur Welt gekommen.[146] Zumindest ab 1931 war sie sogar bis zum 21. Februar 1941 als Hausangestellte einer sozialversicherungspflichtigen beruflichen Tätigkeit nachgegangen, wie die Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Hessen belegen.[147]
Als Georg und Berta am 21. oder 23. Mai 1939 in Wiesbaden die Ehe schlossen,[148] war der Entschluss, sich bald wieder zumindest für eine gewisse Zeit zu trennen, vermutlich schon gefasst. Dabei ist ungewiss, ob sie überhaupt einmal einen gemeinsamen Hausstand gegründet hatten, denn seine letzte Adresse war die der Mutter in Wiesbaden, ihre hingegen die Nesenstr. 7 in Frankfurt. Allerdings gab Georg Friedmann im Entschädigungsverfahren an, einen Hausstand mit Küche, Wohn- und Schlafzimmer zurückgelassen zu haben.[149]
Im Juli 1939 flüchtete er über Ostende – Dover nach England, wo er im ‚Kitchener Camp’ bei Sandwich in der Grafschaft Kent aufgenommen wurde.[150] Dieses Camp, von englischen Juden 1939 eingerichtet, diente als ein Transitcamp für etwa 4000 männliche jüdische Flüchtlinge auf ihrem Weg in ein anderes sicheres Exilland, zumeist in Nord- oder Südamerika.[151] Auf der dort ausgestellten Karteikarte ist festgehalten, dass er nach Kriegsbeginn nicht interniert wurde und nicht nach Deutschland zurückkehren wolle.[152] In dieser Zeit hatte es offenbar einen recht intensiven Briefwechsel zwischen ihm und seinen Verwandten in Wiesbaden und Frankfurt gegeben. In den Briefen der Eltern von Leo wird Georg immer wieder erwähnt und es werden Grußbotschaften zwischen dem Onkel und dem Neffen ausgetauscht. Sie hatten sich auch persönlich wohl mehrfach treffen können.
Am 22. März 1940 verließ Georg Friedmann von Liverpool aus England und gelangte auf dem Schiff ‚Britannic’ in die USA.[153] Der Passagierliste ist zu entnehmen, dass seine Frau inzwischen in Frankfurt in die Schwanenstr. 7 zu ihren Eltern gezogen war und er als Kontakt in New York einen Cousin A. Sterling angegeben hatte.[154] Anders als vielen anderen Flüchtlingen war es ihm offenbar bald gelungen, eine feste Anstellung in Amerika zu finden, denn bereits 1941 verdiente er etwa 1200 Dollar, in den folgenden beiden Jahren sogar etwa 2.000 Dollar und auch in den weiteren Jahren steigerte sich sein Einkommen kontinuierlich.[155] Bei seinem ersten Antrag auf die amerikanische Staatsbürgerschaft, den er am 2. August 1940 in New York einreichte, gab er an in der Bronx zu wohnen und von Beruf Fabrikarbeiter zu sein.[156] 1945 wurde ihm, der inzwischen nach Hartford im Staat Connecticut gezogen und dort als Handelskaufmann tätig war, die amerikanische Staatsbürgerschaft erteilt.[157]
US-Einbürgerungsantrag von Georg Friedmann von 1945
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Sicher wusste Georg Friedmann zu dieser Zeit noch nichts über das Schicksal seiner in Deutschland verbliebenen Frau, die nachzuholen ihm nicht mehr möglich war. Berta Friedmann wurde zusammen mit ihrer Schwester Ernestine und vielen anderen Frankfurter, aber auch Wiesbadener Juden am 22. November 1941 bei der dritten „Evakuierungsaktion“ dieses Jahres von Frankfurt aus nach Kowno in den Tod geschickt. In einem der dort ausgehobenen Massengräber wurde sie von den Maschinengewehrgarben der SS niedergemäht und im litauischen Boden verscharrt.[158]
Georg Friedmann hat später, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, in Connecticut eine neue Familie gegründet, indem er Ida Levi heiratete, die vor ihrer Emigration ebenfalls zuletzt in Frankfurt gewohnt hatte. Sie war die Tochter von Mendel und Emma Levi, geboren Stiebel, aus Neukirchen im Kreis Ziegenhain.[159] Am 6. Juni 1912 war sie dort geboren worden, war aber dann mit ihren Eltern 1937 nach Frankfurt verzogen, weil man diese gezwungen hatte, ihr Geschäft in ihrer Heimatgemeinde aufzugeben. Auch Ida Levi war in Frankfurt als Haushälterin in verschiedenen jüdischen Familien tätig gewesen, bevor sie die Möglichkeit zur Auswanderung hatte. Am 10. Dezember 1939 konnte sie im Hafen von Genua das Schiff ‚Saturnia’ der ‚Italian Line’ besteigen, das am 21. Dezember in New York einlief. Das Geld für die Überfahrt hatte ihr der in New York lebende Bruder Henry Levi vorgestreckt.[160] Hatten sich zumindest die beiden Geschwister der Verfolgung entziehen und retten können, so waren ihre Eltern dem Holocaust zum Opfer gefallen. Sie waren sogar bereits im Besitz kubanischer Visen, die ihnen ebenfalls Henry Levi besorgt hatte.[161] Aber sie konnten sie nicht mehr nutzen, Im November 1941 saßen sie im gleichen Transport wie Berta Friedmann und auch sie wurden in Kowno ermordet.
Georg und Ida Friedmann wurde am 24. Februar 1949 noch ein Sohn namens Jeffrey Mark geschenkt.[162] In den sechziger Jahren muss Georg Friedmann erkrankt sein, denn im Oktober 1968 wurde er als erwerbsunfähig verrentet. Nur ein halbes Jahr später verstarb er am 21. März 1969 in Hartford, Connecticut, wo die Familie die ganzen Jahre gewohnt hatte. Seine Frau ist anschließend wieder nach New York verzogen. Wann sie verstarb, ist nicht bekannt.
Moritz Friedmann
Ähnlich dramatisch wie das Schicksal von Georg Friedmann und seiner Familie war das der Familie seines Bruders Moritz. Auch diese Familie wurde auseinander gerissen und nur er überlebte, weil er nach seiner Inhaftierung im Gefolge der Reichspogromnacht gezwungen wurde, Deutschland zu verlassen.
Er war als einziges der Kinder von Jakob und Ides nicht in Russland, sondern nach der Auswanderung der Eltern als Moshe, genannt Moritz, am 10. November 1906 in Wiesbaden geboren worden. 1920, nach Abschluss der Volksschule, ging er in Mainz bei der Firma Stub, einer Woll- und Textilgroßhandlung, in die Lehre. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung übernahm er zunächst die Vertretung verschiedner Wiesbadener Textilfirmen, machte sich aber dann 1932 mit einem Abzahlungsgeschäft für Textilien selbstständig.[163] Um welche Warengruppe es sich genau handelte, ist den überlieferten Akten nicht zu entnehmen und auch bezüglich des damals erzielten Einkommens liegen nur eidesstattliche Erklärungen von ihm selbst vor. Einzig die Anmeldung eines eigenen Geschäfts zum Vertrieb von Stahlwaren war beim städtischen Steueramt nach dem Krieg auffindbar. Ein solcher Handelsbetrieb war zunächst im September 1934, dann erneut im Januar 1937 angemeldet worden,[164] aber zumindest diese Vertretung einer Solinger Firma erwies sich als wenig ertragreich und wurde nach seinen eigenen Angaben bald wieder aufgegeben. Mit seinem Textilhandel habe er aber in den Jahren von 1930 bis 1933 im Durchschnitt monatlich 400 RM, danach aber immer weniger, ab 1936 nur noch 200 RM verdienen können.[165]
Wann er seine Frau Ernestine Ziegelmann, genannt Erna, kennen gelernt hatte, ist nicht bekannt. Sie war – wie oben bereits geschrieben – die Schwester seiner Schwägerin Berta, der Frau von Georg. Da aber Erna und Moritz ein Jahr vor Georg und Berta heirateten, liegt es nahe, dass sie auch zuerst eine Beziehung eingegangen waren. Die Ehe wurde am 24. Mai 1938 in Wiesbaden geschlossen.[166] Einen eigenen Hausstand hatte das Paar aber nicht mehr eingerichtet, da man – so Moritz Friedmann später – schon bei der Eheschließung eine baldige Ausreise aus Deutschland ins Auge gefasst und deshalb nur ein Zimmer in der Wohnung der Eltern bzw. Schwiegereltern in Frankfurt bezogen habe.[167] Formal war Moritz Friedmann aber bis zuletzt in der Hellmundstr. 37 in Wiesbaden gemeldet.
Die Eltern von Erna, Julius Ziegelmann und seine Frau Mina, geborene Engelmayer-Feldmann, waren um 1908 nach Frankfurt gekommen. Ihr Vater stammte ursprünglich aus Tilsit im damaligen Ostpreußen, die Mutter aus Lomna, heute in der Slowakei, damals im österreichisch-ungarischen Kaiserreich gelegen. In München hatten sich die beiden kennen gelernt, nachdem ihr Vater, der die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, kurz vor der Jahrhundertwende dorthin übersiedelt war. Seine spätere Frau war zu dieser Zeit als Modistin im dortigen Kaufhaus Hermann Tietz angestellt. Nach ihrer Hochzeit um 1900 waren sie zunächst nach Nürnberg, dann nach Limburg und zuletzt nach Frankfurt gezogen. Der Vater scheint ein recht erfolgreicher Geschäftsmann gewesen zu sein, der in erster Linie einen Handel mit Häuten, Därmen und Fellen betrieb, daneben aber auch Verpackungsmaterial für Metzgereien und Berufskleidung für diese Handwerkssparte produzierte und verkaufte. Der Umfang dieser Fabrikation kann aber nicht sehr groß gewesen sein, denn die Kleider wurden in der Frankfurter Wohnung in der Oskar-von-Miller-Str. 4 hergestellt. Das Lager für die anderen Güter befand sich im Ziegelhüttenweg in Sachsenhausen.[168]
Vermutlich war die Wohnung erst für geschäftliche Zwecke genutzt worden, nachdem die insgesamt sieben Kinder des Paares zumindest mehrheitlich das Elternhaus verlassen hatten.
Vier der Kinder gelang es rechtzeitig aus Deutschland zu fliehen, drei hingegen fielen dem Holocaust zum Opfer. Erna war das vierte Kind, das am 4. Oktober 1909 als erstes in Frankfurt geboren wurde, während ihre älteren Geschwister, David , Rosa und Lina noch in Nürnberg zur Welt gekommen waren. Ihr folgten noch Dora, Max und Berta.[169]
Erna hatte in Frankfurt den Kindergarten, die Volksschule und anschließend die Hirsch-Realschule besucht. Mit ihrer beruflichen Qualifikation, die sie in der Fachschule des Kaufmännischen Vereins am Eschersheimer Turm erwarb, erhielt sie nach Angabe ihres Bruders bei der Textilfirma ‚M&S Goldschmidt’ in der Kaiserstraße eine Anstellung als Stenografin und Korrespondentin. Sie habe dort als rechte Hand der Geschäftsleitung fungiert und monatlich etwa 300 RM verdient. Auch nach ihrer Eheschließung habe sie weiterhin dort gearbeitet, vermutlich bis zur Arisierung des Geschäfts im Jahr 1938.[170]
In diesem Jahr verlor sie nicht nur ihre Arbeit, vielmehr wurde sie und die gesamte Familie auch unmittelbar Opfer des Novemberpogroms. Eine Horde von SA-Leuten drang am Abend des 10. November in die Wohnung in der Oskar-von-Miller Straße ein und „schlug dort alles kurz und klein“, wie sich Moritz Friedmann später erinnerte. Große Teile der wertvollen Aussteuer, die Erna über viele Jahre angesammelt hatte, darunter wertvolles Geschirr und teure Bettwäsche – den Wert schätzte er auf insgesamt 5.000 RM – wurden dabei vernichtet oder auch geraubt. Die gesamte Wohnung habe ein „Bild der Verwüstung“ geboten. Ob bei diesem Überfall oder erst später auch der wertvolle Schmuck seiner Frau, eine Pelzjacke und das Tafelsilber verschwand, konnte Moritz im Entschädigungsverfahren nicht mehr mit Sicherheit sagen. [171] Ziegelmanns waren während des Überfalls von christlichen Mitbewohnern auf dem Trockenboden versteckt worden. Opfer dieses Überfalls, bei dem der Mob – ob die Männer in Zivil oder in SA-Uniform erschienen waren, blieb strittig – mit Äxten und Eisenstangen ihr Werk verrichtet hatten, waren nicht nur Ziegelmanns, sondern drei weitere jüdischen Wohnungen im Haus.[172]
Seine Schwiegereltern und auch seine Frau mussten anschließend in die Schwanenstr. 7 ziehen, wo ihnen nur noch eine 2 ½-Zimmer-Wohnung zur Verfügung standen. Der Vermieter hatte ihnen unmittelbar nach der Pogromnacht gekündigt. Moritz Friedmann selbst wurde wenige Tage nach dem Überfall verhaftet und am 14. November 1938 in das KZ Dachau überstellt. Erst am 17. Januar 1939 kam er mit der Auflage, Deutschland innerhalb der nächsten sechs Monate zu verlassen, wieder frei.[173] Dies war umso schlimmer, als seine Frau schwanger war und am 26. Mai 1939 in Frankfurt ihre gemeinsame Tochter Judith gebar.[174] Unter diesen Bedingungen war eine gemeinsame Ausreise kaum möglich. Nicht einmal Moritz selbst fand für sich eine legale Möglichkeit, um aus Deutschland herauszukommen. Um nicht erneut verhaftet zu werde, entschloss er sich im August illegal, nur eine Aktentasche mit den notwendigsten Utensilien mit sich führend, über Basel die Grenze nach Frankreich zu überschreiten. In einem Brief, den die Familie von Leo Friedmann am 1. September 1939, d.h. unmittelbar nach der Flucht von Moritz, ihrem Sohn nach England schrieb, heißt es, dass Onkel Moritz mit seinem Schwager Jehoshua Schwarz glücklich in Basel angekommen sei und vielleicht nach Paris weiterfahren wolle.[175] „Wie sie herübergekommen sind, wissen wir nicht. Es gefällt ihnen sehr gut, und wollten wir, wir wären auch schon dort.“[176] Einer erneuten Verhaftung entging er freilich nicht. Es waren aber diesmal die französischen Behörden, die ihn aufgriffen und wegen des unerlaubten Grenzübertritts für vier Wochen im Gefängnis von Mühlhausen einsperrten. Noch vor seiner Freilassung war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen, was zu Folge hatte, dass Moritz Friedmann anschließend zunächst für drei Monate in einer von ihm nicht näher bezeichneten Festung untergebracht wurde und dann im Januar 1940 in das Arbeitslager Belac in der Nähe von Limoges eingeliefert und dort wiederum der Arbeitskompanie Nr. 313 zugeteilt wurde. Die Kompanie bestand zu 80 Prozent aus Juden, die übrigen waren Rückkehrer aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Er selbst arbeitete in einem militärischen Vorratslager, wurde aber auch zu schwerster Arbeit in den Wäldern abkommandiert. Weder habe es dort eine ordentliche Verpflegung gegeben, noch eine angemessene Entlohnung. Untergebracht waren die Internierten in Schuppen und verlassenen Bauernhäusern, wo ihnen für die Nächte nur primitive Strohlager zur Verfügung standen. Das Lager war umzäunt, wurde von einem französischen Kommando bewacht und konnte nur mit dessen Erlaubnis verlassen werden.[177]
Zwar lag das Lager im unbesetzten Teil Frankreichs, aber ab 1942 begannen die Deutschen auch diesen Teil des Landes nach Juden zu durchkämmen, um sie der Vernichtung zuzuführen. Moritz Friedmann entschloss sich in dieser immer bedrohlicher werdenden Situation erneut zur Flucht. In Limoges hatte er jüdische Freunde, die wiederum Kontakte zu Franzosen hatten, die bereit waren, Juden zu verstecken. Er wurde an eine ältere Frau Mercier und deren Sohn vermittelt, die aber selbst nur eine kleine Mietwohnung in einem Haus hatten, das wiederum einem Sympathisanten der Nationalsozialisten gehörte. Untergebracht wurde er in einem kleinen, fensterlosen Verschlag, in dem gerade Platz für ein Bett war, das zudem Wand an Wand zur Wohnung des Vermieters gelegen war, sodass jede Unachtsamkeit oder das geringste Geräusch ihn gegebenenfalls verraten konnte. Etwa zwei Jahre lebte er unter diesen Bedingungen, konnte das Haus und seine Kammer fast nie verlassen und war, da er keine Lebensmittelkarten besaß, darauf angewiesen, was die Familie für ihn auf dem Schwarzmarkt an Nahrungsmitteln erwerben konnte.[178] Aber es gelang ihm, diese vielen Monate unentdeckt zu bleiben und die Zeit der Verfolgung zu überstehen.
Ob überhaupt und wenn ja, wie lange er noch Kontakt zu seiner Familie in Frankfurt und Wiesbaden hatte, ist nicht bekannt. Als seine Frau im Mai 1941 eine Vermögenserklärung bei der Devisenstelle abgeben musste, gab sie an, sie lebe seit zwei Jahren von ihrem Mann getrennt. Als seinen Aufenthaltsort gab sie die Schweiz an, ob aus Unkenntnis oder in der Absicht, den deutschen Behörden seinen wahren Aufenthaltsort zu verschweigen, ist nicht mehr zu klären. Sie wohnte damals noch immer in der Schwanenstr. 7. Ihren monatlichen finanziellen Bedarf für Miete und Lebensunterhalt für sich und ihr Kind gab sie insgesamt mit knapp 60 RM an – Geld, das sie wohl überwiegend von der Jüdischen Wohlfahrt erhielt. Die Devisenstelle verzichtete auf die Anlage eines Sicherungskonto und gewährte einen Freibetrag von monatlich 150 RM.[179]
Ein halbes Jahr später, am 22. November 1941, wurden Erna Friedmann, ihre zweieinhalbjährige Tochter Judith und ihre Eltern von Frankfurt aus deportiert. Wie auch ihre Schwester Berta wurde sie dem Transport zugeteilt, der eigentlich nach Riga gehen sollte, wegen „Überfüllung“ des dortigen Ghettos dann nach Kowno umgeleitet wurde. Den Tod fanden auch sie am 25. November im Fort IX in den Maschinengewehrsalven der SS. Auch ihre Schwester Rosa mit ihren drei Kindern, dem achtjährigen Manfred, der sechsjährigen Haentschi und der zweijährigen Bela, waren auf diesem Transport, während ihr Ehemann bzw. Vater Szyia Schwarz ebenfalls in Frankreich überlebte und später nach Israel auswandern konnte.[180] Es ist schon tragisch, dass drei Töchter der Ziegelmanns mit ihren Kindern in Deutschland blieben und in der Shoa ermordet wurden, während ihre Ehemänner, zwar unter schwierigsten Umständen, in ihrem Exil überlebten, Auch die beiden Söhne der Ziegelmanns konnten rechtzeitig entkommen, während dies nur zwei der fünf Töchter gelang. Beide, Regina Rubinstein und Dora Doff lebten später in Israel.
Dorthin wanderte auch Moritz Friedmann 1949 aus. Er hatte zunächst nach der Befreiung aber eine Arbeit in Limoges in der Versandabteilung einer Schuhcremefabrik gefunden und, nachdem er über das Schicksal seiner Frau und seines Kindes informiert war, in Limoges auch eine neue Familie gegründet. 1947 heiratete er dort die am 25. Juni 1911 geborene Cäcilie Tsipora Althausen aus Mannheim. Sie war mit ihrem ersten Mann bei der so genannten Wagner-Bürckel-Aktion in das Lager Gurs deportiert worden, das sie im Unterschied zu ihrem damaligen Ehemann aber überlebte.[181] Noch im Jahr der Eheschließung wurde Cäcilie und Moritz Friedmann am 18. September ein Sohn geboren, der den Namen Lucien Arjeh erhielt.[182] Zwei Jahre später versuchte die Familie in Israel einen Neuanfang, der aber nicht wirklich gelang. Zwar fand Moritz dort Arbeit als Lagerist, aber zu einer neuen Heimat ist Israel für ihn nicht mehr geworden. Das Einkommen war so gering, dass ihm der israelische Staat 1956 bescheinigte, mit seiner Familie sich in einer akuten Notlage zu befinden.[183] Hinzu kam, dass sowohl er als auch seine Frau immer stärker auch körperlich durch die Verfolgung der vergangenen Jahre zu leiden hatten. Deshalb entschlossen sie sich 1957 nach Deutschland zurückzukommen. Sie zogen mit ihrem Sohn Arjeh nach Mannheim, der Geburtsstadt von Cäcilie Friedmann, wo Moritz Friedmann noch einige Jahre das Amt des Kantors und Religionslehrers ausübte.[184] 1963 erlitt er einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht mehr erholte. „Nach der speziellen Vorgeschichte haben wir keinen Zweifel, dass die überstandenen seelischen und körperlichen Leiden infolge rassischer Verfolgung in 1. Linie zur Entwicklung und Verschlimmerung seiner Krankheit beigetragen haben“, attestierte der Chefarzt der Städtischen Kliniken Mannheim gegenüber den Behörden.[185] Moritz Moshe Friedmann verstarb am 17. Dezember 1978 in Mannheim, seine Frau am 7. März 1991.[186]
Ihr Sohn Lucien Arjeh, der zunächst in Frankreich, dann in Israel und zuletzt in Deutschland aufgewachsen war, kehrte 1977 wieder nach Israel zurück, wo er heute noch in der Stadt Holon lebt. Seit dem 10. Dezember 1978 ist er mit der am 24. Dezember 1952 in Jaffa geborenen Pnina Moszkowicz verheiratet. Am 2. Oktober 1980 wurde ihnen der Sohn Pe’er Moshe geborenen.[187]
Arjeh Friedmann hat, nachdem er vom Schicksal seiner Familie erfahren hatte, bekonnen, diese Geschichte aufzuarbeiten. Er, dem viele Bilder und Dokumente zu verdanken sind, die auch diesen Beitrag bereichern, hat später Wiesbaden mehrfach besucht und über viele Jahre den Kontakt zum Aktiven Museum Spiegelgasse aufrechterhalten.
Betrachtet man die große Familie Friedmann, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit sicher großen Hoffnungen auf ein besseres Leben aus dem Russischen in das Deutsche Reich gekommen war, abschließend, so muss man eine mehr als traurige Bilanz ziehen. Von den insgesamt 31 Mitgliedern des engeren Familienkreises fanden vier einen natürlichen Tod, wenngleich der Tod der Eltern bereits in die NS-Zeit fiel und zumindest die Mutter bei ihrem Tod 1941 das Grauen des NS-Staates hinreichend am eigenen Leib erfahren hatte. Neunzehn Familienmitglieder wurden entweder in den Vernichtungslagern oder im Rahmen der Euthanasie ermordet, bei dreien ist das Schicksal ungewiss und nur sechs gelang die Flucht in ein sicheres Exil.
Veröffentlicht: 22. 06. 2023
Anmerkungen:
[1] In der Ausländerliste der Polizeiverwaltung Wiesbaden von 1934 sind Jakob Friedmann und seine Frau Ides mit dem Zuwanderungsdatum 10.8.1904 vermerkt, siehe HHStAW 405/2926. Über die Familie Friedmann sind im Aktiven Museum Spiegelgasse zwei Erinnerungsblätter erschienen, siehe https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/Erinnerungsblatt%20Die%20dritte%20Generation%20der%20Familie%20Friedmann.pdf und https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/Erinnerungsblatt%20Jankel%20Jakob%20und%20Ida%20Friedmann%20sowie%20ihre%20Kinder.pdf. (Zugriff: 10.8.2020). Beide Blätter wurden von dem langjährigen Mitarbeiter des Aktiven Museums Spiegelgasse Georg Schneider erarbeitet. Er hat sich über lange Jahre mit den ostjüdischen Bewohnern und besonders mit dieser Familie befasst und auch ein allerdings unveröffentlichtes Buch über sie erstellt. Siehe Schneider, Georg, Die Friedmanns, Spurensuche nach dem Schicksal einer Familie, unveröffentlichtes Fotobuch von Georg Schneider, o.O., o.J. Er hat auch den Kontakt zu Lucien Arjeh Friedmann, dem Enkel von Jakob Jankel und Ides Friedmann, hergestellt, über den wiederum hinterlassene Briefe und viele Fotographien der Familie für die Wiesbadener Erinnerungsarbeit zugänglich wurden. Deshalb gilt mein besonderer Dank Georg Schneider, ohne dessen Vorarbeit dieser Text nicht so hätte erscheinen können.
[2] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ansiedlungsrayon.svg. (Zugriff: 10.8.2020).
[3] 82 % der Juden lebte in Russland in Städten, nur 18 % auf dem flachen Land, entsprechend waren etwa drei Viertel von ihnen im Handel und Handwerk und nur 3,5 % im Ackerbau tätig. Für die gesamtrussische Bevölkerung galt genau das Gegenteil, nämlich 75 % waren in der Landwirtschaft und nur 14 % in Handel, Handwerk und Industrie tätig. Innerhalb des Ansiedlungsrayons stellten Juden etwa Dreiviertel aller Handeltreibenden, obwohl sie nicht einmal ein Zehntel der Gesamtbevölkerung ausmachten. Löwe, Antisemitismus in der ausgehenden Zarenzeit, S. 185 f.
[4] Während der sogenannten Kosakenaufstände im 17. Jahrhundert war es in der Ukraine, in Wolhynien und Poldonien zu Massakern gekommen, bei denen etwa 100000 Juden ermordet wurden und nur 10 % der jüdischen Bevölkerung hatten diesen Pogrom überlebt, siehe Post, Ostjüdische Flüchtlinge, S. 218.
[5] http://www.michael-lausberg.de/index.php?menue=exclusiv&inhalt=j%C3%BCdisches_leben_russland. (Zugriff: 10.8.2020).
[6] Siehe dazu Giere, Osteuropäisches Judentum, S.18- 35.
[7] Löwe, Antisemitismus in der Zarenzeit, S. 190.
[8] Post, Ostjüdische Flüchtlinge, S. 220.
[9] Die durchschnittliche Verweildauer der Emigranten in Deutschland betrug nur 4 Tage, dann schifften sie sich in einem der Überseehäfen Hamburg oder Bremen ein, um zum eigentlichen Ziel zu gelangen. Allein 1906 soll es 140000 jüdische Einwanderer in die USA gegeben haben, ebd.
[10] Post weist darauf hin, dass „genauere demographische Angaben aus unserem Raum nicht (vorliegen)“, Post, Ostjüdische Flüchtlinge, S. 222, Bembenek gibt an, dass „einige wenige ‚Ostjuden’ auch vor 1914 nach Wiesbaden (kamen)“, Bembenek, ‚Ostjuden’ in Wiesbaden, S. 45.
[11] Siehe dazu die Einleitenden Ausführungen zu den beiden Judenhäusern in der Hermannstraße, Hermannstr. 17 und Hermannstr. 26.
[12] Siehe zur Wiesbadener Zigarettenindustrie Machmor, Viel Rauch um nichts, S. 173-179.
[13] Wiesbadener Adressbuch 1906/07.
[14] Das in fast allen behördlichen Unterlagen und auch von ihm selbst angegebene Geburtsdatum 10.6.1888 ist vermutlich falsch. Im späteren Entschädigungsverfahren hatte der Rechtsanwalt der Erben eine Geburtsurkunde aus Tscherkassy vorgelegt, in dem das hier übernommene Geburtsdatum angegeben war. Eine entsprechende Korrektur wurde auch auf dem Aktendeckel vorgenommen. Leider war eine Kopie der Urkunde den Akten nicht beigeheftet worden. Siehe HHStAW 518 746 passim, besonders das Deckblatt, dazu die Einlassung des Anwalts (92). Adolfs Friedmanns Neffe Leo / Leslie Finlay hatte zu den Widersprüchen erklärt: „Meiner Meinung nach entstanden die Differenzen zur Zeit der Auswanderung der Familie Friedmann in Wiesbaden, wo die Eltern, Jakob und Ida Friedmann, der Daten nicht so sicher waren.“ Ebd. Unter Umständen könnte es auch Probleme bei der Umrechnung der Daten aus dem bei der Geburt in Russland noch gültigen Julianischen Kalender gegeben haben. Bezeichnend ist, dass nicht nur beim Geburtsdatum von Adolf verschiedene Versionen in den Akten auftauchen.
[15] Die folgenden Geburtsangaben zu den Kindern sind der Genealogische Datenbank der Paul Lazarus Sammlung entnommen. Sie sind aber nicht durch entsprechende Urkunden aus der Ukraine abgesichert, wo fast alle geboren wurden, abweichende Angaben sind aufgeführt. Eine Überprüfung der Angaben war aber nicht möglich. Abraham Adolf war demnach am 10.6.1888 geboren worden, auch Heiratsregister Wiesbaden 291 / 1920; Sure Lisa am 20.6.1892, auch HHStAW 518 12802; Sara Selma am 10.8.1894, auch Heiratsregister Wiesbaden 770 / 1926; Regina Rifka am 10.6.1899, anderes Geburtsdatum im Heiratsregister Frankfurt 730 / 1925, hier ist der 12.6.1899 angegeben; Isaak am 13.3.1897, auch Heiratsregister Wiesbaden 1264 / 1921; Georg am 7.5.1904, anders HHStAW 518 11531, nach eigener Angabe war der13.3.1904 sein Geburtstag und zuletzt wurde Moritz am 10.11.1906 dann in Wiesbaden geboren.
Der rechtliche Status der Familienmitglieder ist nicht mehr eindeutig zu klären. Nach dem Jüdischen Adressbuch von 1935, besaßen wenige die russische Staatsangehörigkeit, zu einigen wurden keine Angaben gemacht und wiederum andere galten als staatenlos. Dabei sind selbst die Zuschreibungen zu den einzelnen Mitgliedern der Familie nicht einheitlich.
[16] HHSTA 365 916, Begräbnisliste 1891-1943 Nr. 1424
[17] Ebd. Begräbnisliste Nr. 1674.
[18] Heiratsregister Wiesbaden 291 / 1920.
[19] Ihre Eltern stammten aus Rüddingshausen in der so genannten Rabenau. Sie hatten am 30.10.1878 in Rüddingshausen geheiratet, siehe Heiratsregister Rüddingshausen 5 / 1878. Moses Stiefel starb dort am 11.04.1911, siehe Sterberegister des Standesamts Rüddingshausen 4 / 1911. Auf dem Grab der Witwe, die auch Gidel oder Jettchen genannt wurde, ist als ihr Sterbedatum der 29.2.1936 eingraviert.
[20] Die Angaben zum Geburtstag seiner beiden Töchter machte der Vater sowohl in seinen Steuererklärungen, siehe HHStAW 685 174a, als auch in dem Umzugsformular, ebd. Sie sind wie auch der Geburts- und Sterbetag auch in der Datenbank Jüdischer Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs Wiesbaden eingetragen.
[21] So die Aussage seines Bruders Moritz, siehe HHStAW 518 746 (22), er selbst gab als Monatsgehalt in seiner Steuererklärung von 1929 einen Betrag von 320 RM an, siehe HHStAW 685 174a (6).
[22] HHStAW 518 746 (21).
[23] Ebd. (22).
[24] Ebd. (22).
[25] HHStAW 685 174a (1).
[26] Ebd. (14). Schreiben vom 27.6.1931. Die Bitte wurde gewährt, da er früher alle fälligen Steuern pünktlich bezahlt hatte, wie einer Randbemerkung zu entnehmen ist.
[27] Ebd. (o.P.)
[28] Sein Bruder Georg gab später an, Adolf habe zunehmend Probleme gehabt, seine Geld für die bereits gelieferte Ware einzutreiben, da viele seiner Kunden ab 1933 glaubten, Schulden bei einem Juden nicht mehr begleichen zu müssen, siehe HHStAW 518 746 (35).
[29] Ebd. (33, 37), auch HHStAW 685 174b (1, 29).
[30] Ebd. (35).
[31] HHStAW 518 746 (9).
[32] HHStAW 519/3 (4, 7).
[33] Ebd. (2, 5, 7).
[34] Datenbank Jüdische Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs Wiesbaden
[35] Zur Familie Schönfeld siehe Stolpersteine in Wiesbaden 2009-2010, Wiesbaden 2011, S. 64f.
[36] In Yad Vashem bestätigen nur zwei ‚Pages of Testimony’ seine Deportation, ohne aber genaue Angaben zum Datum und Ort des Transports zu machen, siehe https://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM///09031527_226_3536/10.jpg und https://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM///11081238_269_7119/209.jpg (Zugriff: 30.04.2023). Einen Hinweis auf Majdanek ist in beiden nicht vorhanden. Den enthält allein das Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz, siehe https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de967927, wo sowohl das Deportationsdatum 10. bzw. 11.6.1942 und als Sterbeort Majdanek genannt wird. Eine Quelle für diese Angabe ist allerdings nicht vorhanden. Nicht nur fehlt Benny Schönfelds Name auf der Deportationsliste vom 10. Juni aus Wiesbaden, auch ist er weder im gedruckten Totenbuch von Majdanek, noch in der Gefangenen-Online-Datenbank von Majdanek zu finden.
[37] Wiesbadener Adressbuch von 1915, S. 660.
[38] HHStAW 518 12802 (11, 20).
[39] Sterberegister der Stadt Wiesbaden 652 / 1921.
[40] Nach Auskunft des Stadtarchivs Wiesbaden war Adolf Grünspan zuvor in Bingen mit Eva Owitzki verheiratet, die dort im März 1919 verstarb.
[41] HHStAW 518 12802 (1, 14). Das Entschädigungsverfahren wurde auch unter diesem, bzw. genauer dem Namen Lisa Grünspan geführt.
[42] Ihr Entschädigungsverfahren wurde dann allerdings unter dem Namen Grünspahn geführt.
[43] Sein Onkel Moshe Moritz zählte ihn nach dem Krieg auch nicht zu den potentiellen Erben seiner Schwester.
[44] Ebd. (14). Auf keiner der Wiesbadener Deportationslisten ist sein Name zu finden. Laut Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz wurde der eigentlich in Berlin wohnhafte Abraham Adolf Grünspan, geboren am 29.9.1899 in Ilza / Russland, am 26.9.1942 von Frankfurt aus nach Raasiku bei Reval deportiert. In Yad Vashem ist die Deportation von einem am 15.5.1872 im polnischen Lejnica geborenen Adolf Grinspan verzeichnet. Er wurde am 2.3.1943 von Drancy aus nach Auschwitz verbracht. Für Letzteren könnte sprechen, dass auch sein Schwager Avram Leib Jedwab, der Ehemann von Sara Selma Friedmann nach Frankreich geflohen war. https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=3180862&ind=1. (Zugriff: 10.8.2020).
Aber es ist mehr als ungewiss, ob es sich bei einem der beiden tatsächlich um den Partner von Sure Lisa Friedmann handelte.
[45] Siehe dazu unten die Ausführungen bei Martin Friedmann.
[46] HHStAW 518 74983 (7) und Heiratsregister Wiesbaden 770 / 1926. Eine Geschäftsanmeldung auf seinen Namen datiert vom 23.4.1926, HHStAW 518 74983 (20).
[47] Ebd. (20).
[48] In den Wiesbadener Adressbüchern von 1926 bis 1931 ist Avram Leib Jedwab mit der Adresse Jahnstr. 11 verzeichnet, allerdings ist sein Familienname fälschlicherweise mit Jedcap angegeben.
[49] Ebd. (45).
[50] Ebd. (30, 45).
[51] Ebd. (8).
[52] Ebd. (8, 11).
[53] Ebd.
[54] Ebd. (14, 19).
[55] Ebd. (70).
[56] Ebd.
[57] Selma Jedwab ist im Aufnahmebuch der Einrichtung Kalmenhof mit der Signatur, LWV-Archiv B 81 Nr. 189, unter der lfd. Nr. 3584 auffindbar. Der Kostenträger war nach Auskunft des Landeswohlfahrtverbands Hessen vom 17.8.2020 der Oberpräsident Wiesbaden. Nach Angaben des Stadtarchivs Idstein kam sie an diesem Tag zusammen mit 24 anderen Patienten, was die Vermutung nahe legt, dass alle gemeinsam aus einer anderen Anstalt kamen. Aus welcher, ist allerdings nicht bekannt. Information Stadtarchiv Idstein vom 8.9.2020.
[58] Auch dieser Aufenthalt ist im dortigen Aufnahmebuch LWV-Archiv B 19 Nr. 14 im Eintrag mit der lfd. Nummer 1062 belegt, Auskunft des Landeswohlfahrtverbands Hessen vom 17.8.2020. Das Geschehen in der dortigen Anstalt während der NS-Zeit ist umfangreich dokumentiert durch die Arbeit von Peter Sander, Die Landesheilanstalt Weilmünster im Nationalsozialismus, in: 100 Jahre Krankenhaus Weilmünster. Heilanstalt – Sanatorium – Kliniken, Kassel 1997, S. 121-164.
[59] Zit. nach ebd. S. 121 f.
[60] Ebd. S. 127 f.
[61] Ebd. S. 126.
[62] Ebd. 133, auch Klee, Euthanasie, S. 266 f.
[63] Sandner, Bernburg, S. 135.
[64] Ebd.
[65] Klee, „Euthanasie“ Aufl. 2010, S. 418
[66] Sandner, Bernburg S. 140 ff. Ein übliches Mittel war der systematische Nahrungsentzug, was zur Folge hatte, dass die Patienten sich sogar um faule Kartoffelschalen schlugen. Noch grausamer waren andere Methoden, wie das tagelange Einpacken der Kranken in nasse Laken und unterkühlten Räumen oder die Vergabe von sogenannten Kot- oder Schwefelspritzen und ähnliche Folterungen, ebd. Siehe auch
https://www.gedenkort-t4.eu/de/historische-orte/qpvj2-landes-heil-und-pflegeanstalt-weilmuenster-vitos-weilmuenster#karte. (Zugriff: 10.8.2020).
[67] Schneider, Friedmanns, o.P. und auch in der Datenbank Jüdische Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs Wiesbaden
[68] HHStAW 518 41690 (22).
[69] Ebd. (3, 4, 7 usw.).
[70] HHStAW 518 67356 (1, 5).
[71] HHStAW 518 41690 (29).
[72] Auch die Angabe über die Eheschließung bleibt vage, sie beruht auf der Angabe im Entschädigungsverfahren, ebd. (1, 3).
[73] Ebd. (27). 1921 hatte sie für vier Monate ebenfalls Beiträge bei der Landesversicherungsanstalt eingezahlt, ebd. (29).
[74] HHStAW 518 67356 (10). Die Angaben stammen aus einer handschriftlichen Inhaltsangabe der inzwischen verschollenen Devisenakte von Jakob Morgenstern, die in der Entschädigungsakte aufgehoben wurde.
[75] Geburtsregister Frankfurt 345 / 1926.
[76] ‚Page of Testimony’, siehe https://yvng.yadvashem.org/remote/namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM/NEW_APP/200603071051_253_8046/172.jpg?width=700. (Zugriff: 10.8.2020).
[77] Im Entschädigungsantrag war der Beruf genauer mit „Transportarbeiter“ angegeben, HHStAW 518 67356 (1, 34).
[78] Ebd. (37).
[79] HHStAW 518 41690 (18, 19).
[80] HHStAW 518 67356 (29, 42).
[81] HHStAW 518 67356 (10). Auch hier handelt es sich nur um einen handschriftlichen Auszug aus der Devisenakte.
[82] Sammlung Georg Schneider. Jeschiwa ist eine Hochschule zum Studium der Tora, Hachscharah ist eine primär landwirtschaftlich ausgerichtete Ausbildungsstätte zur Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina.
[83] Ebd. In einem anderen, nicht datierten Brief schreibt die Mutter: „Hast du das Geld abgeschickt, oder ist es dir nicht möglich?“, unklar ist aber, ob die Frage im Zusammenhang mit den benötigten 200 Dollar stand.
[84] Ebd.
[85] Brief vom 27.2.1940, ebd.
[86] Ebd.
[87] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0693/123027105/001.jpg. (Zugriff: 10.8.2020).
Verantwortlich für die Geldverwaltung der Häftlinge war die Effektenkammer, die auch für die Kleidung der Gefangenen verantwortlich war. Das Geld konnte entweder bei der Einlieferung mitgebracht, wie bei Jakob Morgenstern der Fall von Verwandten per Postanweisung überwiesen oder ab 1943 auch als Prämie beim Arbeitseinsatz „verdient“ werden. Vorbild für diese Geldverwaltungskarten in den KZs waren die normalen Gefängnisse, die mit ähnlichen Karten operierten. Die Häftlinge durften in den KZs mit dem Geld – oft umgetauscht in besonderes Lagergeld – Einkäufe in der Lagerkantine tätigen, sich mit Tabak und zusätzlichen, aber minderwertigen Lebensmitteln versorgen. Es konnte aber im Lagersystem auch zur Bestechung bzw. von Seiten der Kapos in erpresserischer Weise zur eigenen Bereicherung genutzt werden.
[88] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0693/123027090/001.jpg. (Zugriff: 10.8.2020).
[89] Klee, „Euthanasie“ Aufl. 2010, S. 280.
[90] Siehe zu der gesamten Aktion, Organisation Täter, Abläufe insgesamt ebd. S. 280-296. Kaum zu ertragen ist die Lektüre der dort zitierten Briefe von einem der Hauptprotagonisten, dem „Arzt“ Friedrich Mennecke, die dieser seiner Frau damals schrieb. Er berichtet ihr, wie sehr das Ausfüllen der Meldebögen „flutscht“, dass er zwischen seinen Mord-Diagnosen im Führercasino gekochtes Rindfleisch, Rotkohl und Salzkartoffeln für nur 1,50 Mk gegessen habe. Am 28.11.1941 schrieb er ihr, bevor er in Buchenwald die Häftlinge selektierte: „Auf geht’s zum fröhlichen Jagen!!! Ich bin frisch u. munter, hoffentlich Du auch, Herzli!“ Ebd. S. 284.
[91] Ebd. S. 289.
[92] Auskunft der Gedenkstätte Bernburg vom 11.8.2020.
[93] Spätere Zeugenaussage des ehemaligen Lagerarztes Hoven: „Der Lagerkommandant erklärte, dass […] alle jüdischen Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald mit diesem Ausrottungsprogramm einbegriffen werden sollten. Gemäß dieser Befehle wurden 300 bis 400 jüdische Gefangene verschiedener Nationalitäten zur Ausrottung zu der ‚Euthanasiestation’ in Bernburg geschickt. Ein paar Tage später erhielt ich vom Lagerkommandanten eine Namensliste der in Bernburg ausgerotteten Juden mit dem Auftrag, gefälschte Todesurkunden auszustellen.“ Zit. nach ebd. S. 286. Insgesamt wurden nach Klee zwischen dem 13.7.1941 und dem 14. 3.1942 571 Häftlinge im Rahmen der „14 f 13 – Aktion“ von Buchenwald in die Vernichtungsstationen Bernburg und Sonnenstein gebracht und ermordet, 468 davon waren Juden.
[94] In einem Schreiben des IST-Arolsen vom 29.8.1958 heißt es unter Bezugnahme auf eine Liste ermordeter Buchenwald-Häftlinge zu Jankel Morgenstern: „’Verstorben am: 23. März 1942 in KL. Buchenwald.’ Diese Liste wurde nach dem Kriege ausgestellt. In den Originalunterlagen des KL. Buchenwald ist der Tod des Jankel Morgenstern nicht vermerkt.“ HHStAW 518 67356 (7). Dennoch wurde im Bescheid des Entschädigungsverfahrens ebenfalls Buchenwald als Sterbeort übernommen, ebd. (48).
[95] Schneider, Friedmanns, o.P. Eigenartigerweise ist im von Adolf Diamant herausgegebenen Deportationsbuch der von Frankfurt am Main aus gewaltsam verschickten Juden in den Jahren 1941 bis 1944, Frankfurt 1985, S. 105 als Todesursache „Freitod“ angegeben, was genauso wenig richtig ist, wie das angebliche Kreislaufversagen.
[96] In der Datenbank des Jüdischen Museums ist zwar als Todesursache „Freitod“ angegeben, aber ein Indiz, geschweige denn ein Beleg für diese Vermutung ist dort nicht genannt.
[97] Der Brief ist undatiert, muss aber aus dem Jahr 1940 stammen, deswegen kann es sich nur um eine jüdische Schule in Frankfurt handeln, um welche, geht aus den Briefen nicht hervor,
[98] Brief vom 27.2.1940, Sammlung Georg Schneider.
[99] HHStAW 519/3 31173 (3, 4).
[100] Siehe z. Bsp. die Akte von Otto Hirschbrandt, HHStAW 519/3 340. Bei Otto Hirschbrandt war es der 14., bei Regina Morgenstern der 12. Juni.
[101] Siehe zu diesem Transport Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 209 f.
[102] HHStAW 518 41690 (8).
[103] Mit ihm fuhr eine weitere Person, nämlich Robert Rothschild, der offensichtlich ebenfalls ursprünglich mit einem Kindertransport nach England gelangt war. Siehe https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_7310-0117?treeid=&personid=&hintid=&queryId=7739a6ffb78d52bf1cced15324b535d5&usePUB=true&_phsrc=ryV1619&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=3037706382 und https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_7310-0118?treeid=&personid=&hintid=&queryId=7739a6ffb78d52bf1cced15324b535d5&usePUB=true&_phsrc=ryV1619&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=3037706382. (Zugriff: 10.8.2020).
[104] HHStAW 518 67356 (1).
[105] Schneider, Friedmanns, o.P.
[106] Heiratsregister Wiesbaden 1264 / 1921.
[107] https://de.qwe.wiki/wiki/Sered%C5%BEius. (Zugriff: 10.8.2020).
[108] Heiratsregister Wiesbaden 1340 / 1920.
[109] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de967790, https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974408 (Zugriff: 30.04.2023).
[110] Geburtsregister Wiesbaden 1535 / 1922, 590 / 1924 und 735 / 1926.
[111] Fälschlicherweise ist in den Ausgaben von 1931 und 1932 Isaak Friedmann als Ignatz Friedmann angegeben. In einem im Entschädigungsverfahren eingebrachten Gutachten der Auskunftei Blum vom 17.3.1952 wird gesagt, dass die Familie vor dem Umzug in die Scharnhorststraße noch in der Kleinen Schwalbacher Str. 2 gewohnt habe. Kirchgasse 54 und Kleine Schwalbacher Str. 2 sind aber faktisch identisch, da damit das Eckhaus am Zusammenfluss der beiden Straßen markiert ist. Blum schreibt obendrein, Friedmanns hätten in der Scharnhorststr. 11 gewohnt, was definitiv falsch ist, siehe HHStAW 518 11646 (47, 52). Falsch ist in diesem Gutachten auch, dass Isaak Friedmann erst Anfang der 20er Jahre nach Wiesbaden gekommen und 1938 ausgewandert sei.
[112] HHStAW 518 11646 (52).
[113] Ebd. (44).
[114] Ebd.
[115] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/1175/133371841/001.jpg. (Zugriff: 10.8.2020).
[116] HHStAW 518 11546 (4). Um welchen Kindergarten es sich handelte, hatte die Zeugin nicht angegeben. Recha Hallgarten, geborene Schönfeld, war die Schwester von Sally Schönfeld, der wiederum mit Edith Friedmann, der Tochter von Adolf und Hilde Friedmann nach jüdischem Recht verheiratet war. In dem vom Aktiven Museum Spiegelgasse herausgegebenen Band ‚Stolpersteine 2009-2010’ heißt es auf S. 64 über sie: „Recha besuchte das Lyzeum und wurde danach Kindergärtnerin. Sie leitete in Nordenstadt einen eigenen Kindergarten, den sie allerdings bereits 1933 auf NS-Anordnung schließen musste. Danach arbeitete sie in Wiesbaden als Kindergärtnerin im Jüdischen Kindergarten, der im Gebäude der Jüdischen Wohlfahrtszentrale in der Faulbrunnenstr. 13 untergebracht war.“ Ihr war es noch am 15.8.1939 unmittelbar vor Kriegsbeginn gelungen, nach England auszuwandern, wo sie am 23. Mai 1943 in London den aus Winkel im Rheingau stammenden Otto Bacharach heiratete.
[117] HHStAW 518 11556 (8).
[118] Ebd.
[119] HHStAW 518 11556 (2), Zu seiner eigenen Einschulung machte Leo keine Angaben, aber es wird vermutlich das Schuljahr 1930/31 gewesen sein.
[120] Siehe Jüdisches Adressbuch von 1935, S. 236 und 245.
[121] https://de.wikipedia.org/wiki/Wirgin. (Zugriff: 10.8.2020).
[122] Zum Hotel ‚Kronprinz’ siehe Schreeb, Hans Dieter, Koscher im Kronprinz. Ein israelitisch geführtes Hotel mit Restaurant, in: Täglich 67 ° C – Wiesbadener Erinnerungen, hg. Becker, Dirk; Schaller, Detlef, Wiesbaden o.J., S. 257-261. Siehe auch das Erinnerungsblatt des Aktiven Museums Spiegelgasse zur Familie Rückersberg http://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Rueckersberg-Ruth.pdf. (Zugriff: 10.8.2020).
[123] Siehe zum Gehringshof https://www.alemannia-judaica.de/neuhof_synagoge.htm#%C3%9Cber%20das%20Lehrgut%20Geringshof%20bei%20Hattenhof%20(1932). (Zugriff: 10.8.2020).
[124] Zu den Meldedaten der beiden in Hattenberg siehe https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010101/0597/1315773/001.jpg und https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010101/0597/1315877/001.jpg. (Zugriff: 8.4.2024). Mit Dank an Dr. Wittstamm, der zur Zeit die Biographien der Chaluzim vom Gehringshof aufarbeitet, für den Hinweis auf diese Quelle. Auf der Gestapokarteikarte von Martins Vater Isaak Friedmann in Wiesbaden ist nur dessen zweiter kurzer Aufenthalt in Hattenhof festgehalten. Dort heißt es, er sei am 5.5.1940 aus Wiesbaden weggegangen und am 24.6.1940 wieder zurückgekommen.
[125] Sammlung Georg Schneider.
[126] Am 20.3.1940 schrieben die Eltern an Martin, dass der etwa gleichaltrige Sally Rosner aus Wiesbaden von seiner Hachschara wieder entlassen wurde, weil er für die Arbeit nicht geeignet gewesen sei.
[127] Es handelt sich hierbei um Eva Nessel, die damals in Philadelphia in der Lindeswoodstreet lebte. Die Adresse hatte wiederum eine Tante Mary den Eltern übermittelt, die diese dann an Leo weitergaben. In der amerikanischen Volkszählung von 1940 ist eine Familie Nessel in Philadelphia mit genau dieser Adresse aufgeführt. Mit Ihrem Mann Morris Nessel, 55 Jahre alt, hatte die 52jährige Eva Nessel, deren Staatsangehörigkeit mit litauisch angegeben ist, die vier Söhne Sammel (soll vermutlich Samuel heißen), Isadore, Max und Leon. Siehe https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2442/images/M-T0627-03724-00861?treeid=&personid=&hintid=&queryId=94fd7fdf53b438f65660a7b8c2c45762&usePUB=true&_phsrc=ryV1648&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=25637555. (Zugriff: 10.8.2020). Selbige Eva Nessel verstarb am 10.2.1955. https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/5164/images/42410_3421606191_1004-03947?treeid=&personid=&usePUB=true&_phsrc=ryV1649&_phstart=successSource&pId=5810182. (Zugriff: 10.8.2020). Auch in der Todeserklärung ist der Name ihrer Eltern nicht angegeben, bzw. als unbekannt bezeichnet. Über welche Linie Eva Nessel mit Friedmanns verwandt war, muss daher offen bleiben.
[128] Sammlung Georg Schneider. In dem Brief erwähnen sie auch, dass der bisherige Lehrer an der Jüdischen Schule Dr. Finkelscherer zum 1. Februar nach München gegangen sei und seine Stelle von dem 24jährigen Rabbiner Jürgen Hanff besetzt werden solle.
[129] Ebd.
[130] Zwar ist noch ein Brief der Eltern und Geschwister vom Juli 1941 an ihn erhalten, aber es liegen keine Informationen dazu vor, wann er diese tatsächlich erhalten hatte.
[131] HHStAW 519/3 1987 (1).
[132] Ebd. (4).
[133] Siehe zum Einsatz von Juden im Straßenbau in der Region Wiesbaden Brüchert, Zwangsarbeit in Wiesbaden, S. 245 ff. Es könnte aber auch sein, dass er bei der Limburger Straßenbaufirma Scheid tätig war, bei der viele Zwangsarbeiter gerade auch aus Wiesbaden beschäftigt wurden, so etwa Arthur Levy.
[134] HHStAW 519/3 1987 (5).
[135] Ebd. (6).
[136] Laut Mietberechnung der Hausverwaltung aus der Zeit nach der Deportation der Juden betrug die Miete der Wohnung im dritten Stock etwa die Hälfte der in der Scharnhorststr. 48.
[137] Unklar ist, ob auch Martin wie sein Vater und sein Cousin Rudolf nach Majdanek abkommandiert worden war. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz nennt Majdanek wie auch Sobibor als mögliche Orte seines Todes. Im Totenbuch von Majdanek ist sein Name allerdings nicht aufgeführt.
[138] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7579/images/ons_d19821az-0350?treeid=&personid=&hintid=&queryId=58322ac508a66bff2786418851041a5d&usePUB=true&_phsrc=ryV1653&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=47242562. (Zugriff: 10.8.2020). Dazu Schneider, Die Friedmanns, o.P.
[139] Siehe z. Bsp. HHStAW 518 746 (34), HHStAW 518 11531 (1), https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61195/images/007765490_01674?treeid=&personid=&hintid=&queryId=a1a811e16216c2e0473f3ee91221fb1c&usePUB=true&_phsrc=ryV1682&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=337844. (Zugriff: 10.8.2020).
[140] Siehe auch zu den folgenden biographischen Angaben HHStAW 518 11542 (3).
[141] http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20298/Tiefenort%20FrfIsrFambl%2023081912.jpg. (Zugriff: 10.8.2020).
[142] HHStAW 518 11542 (30). In den Jahren 1932 bis 1934 soll es nach seinen Angaben im Schnitt etwa 3.500 RM betragen haben.
[143] Ebd.
[144] Ebd. (6). Im Zeitraum vom 16.2.1935 bis zum 13.3.1936 hatte er ebenfalls in Wiesbaden gelebt, nach seinen Aussagen, wegen eines Konflikts mit seinem Arbeitgeber, der aber dann beigelegt werden konnte, siehe ebd. (68).
[145] Ebd. (16).
[146] Zur Familie Ziegelmann siehe unten ausführlich im Zusammenhang mit den Ausführungen zu Moritz und Erna Friedmann.
[147] Erstaunlich ist das schon, denn zumindest zuletzt wird sie kaum mehr in einem Hotel oder einer Pension tätig gewesen sein, auch nicht mehr in einer ehemals jüdischen. Georg Friedmann gab im Entschädigungsverfahren an, sie sei in der ‚Pension Markus’ für einen Monatslohn von 40 RM und freier Kost und Verpflegung angestellt gewesen. In den Frankfurter Adressbüchern lässt sich diese Pension nicht finden. Versicherungsleistungen werden sicher nicht von einem Privathaushalt gezahlt worden sein, daher liegt es nahe, dass sie zumindest zuletzt in einer sozialen Einrichtung der Jüdischen Gemeinde beschäftigt war, aber das sind nur vage Vermutungen. Siehe dazu HHStAW 518 11531 (47).
[148] Die unterschiedlichen Angabe machte Georg Friedmann in seinem Einbürgerungsantrag in den USA, siehe https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61195/images/007765490_01674?treeid=&personid=&hintid=&queryId=57827dfdef8c68ee8e6ef6d21b64dd30&usePUB=true&_phsrc=ryV1691&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=337844 und https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=61195&h=337843&tid=&pid=&queryId=57827dfdef8c68ee8e6ef6d21b64dd30&usePUB=true&_phsrc=ryV1692&_phstart=successSource. (Zugriff: 10.8.2020).
[149] HHStAW 518 11542 (3).
[150] Ebd.
[151] Zu dem Camp siehe http://www.kitchenercamp.co.uk/. Auf der Liste der dort untergekommenen Flüchtlinge ist Georg Friedmann aufgeführt, http://www.kitchenercamp.co.uk/wp-content/uploads/2018/03/Kitchener-Camp-1939-Register.pdf. (Zugriff: 10.8.2020).
[152] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429104-00528?treeid=&personid=&hintid=&queryId=57827dfdef8c68ee8e6ef6d21b64dd30&usePUB=true&_phsrc=ryV1693&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=106197. (Zugriff: 10.8.2020).
[153] HHStAW 518 11542 (3).
[154] Um wen es sich dabei handelte und über welche Linie er mit diesem A. Sterling verwandt war, konnte bisher nicht ermittelt werden. Allerdings schrieben die Eltern von Leo in einem Brief vom 20.3.1940: „Dass Onkel Georg zu Herrn Sterling fährt, haben wir mit Freude vernommen, vielleicht hast du Gelegenheit, ihn noch einmal zu sehen. Richte bitte viele Grüße aus von uns allen.“ Sammlung Georg Schneider.
[155] HHStAW 518 11542 (51).
[156] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=61195&h=337843&tid=&pid=&queryId=57827dfdef8c68ee8e6ef6d21b64dd30&usePUB=true&_phsrc=ryV1692&_phstart=successSource. (Zugriff: 10.8.2020).
[157] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61195/images/007765490_01675?treeid=&personid=&hintid=&queryId=57827dfdef8c68ee8e6ef6d21b64dd30&usePUB=true&_phsrc=ryV1692&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=337843. (Zugriff: 10.8.2020).
[158] Siehe zu diesem Transport Kingreen, Gewaltsam verschleppt, S.366 f. Auszüge ihrer Darstellung der Ereignisse in Frankfurt und Kaunas sind zu finden im Kapitel über Hedwig Loeb.
[159] Geburtsregister Neukirchen 24 / 1912.
[160] HHStAW 518 11545 (3, 12).
[161] Ebd. (5, 6).
[162] HHStAW 518 11542 (91).
[163] HHStAW 518 11555 I (54, 85).
[164] Ebd. (36). Demnach hatte Moritz Friedmann 1934 in der Büdinger Str. 8, dann 1937 in der Hellmundstr. 37 gewohnt, wo auch seine Mutter seit 1934 gemeldet war. Seine Adresse Büdinger Str. 8 ist in den Wiesbadener Adressbüchern nicht verzeichnet.
[165] HHStAW 518 11555 (54).
[166] Heiratsregister Wiesbaden 454 / 1938.
[167] HHStAW 518 11535 (63).
[168] Die Ausführungen zur Familie Ziegelmann beruhen auf den Angaben von David Ziegelmann, dem ältesten Bruder von Erna, siehe HHStAW 518 11535 (31) und Lina Lea Rubinstein HHStAW 518 3960 I (14-16).
[169] Die Geburtsangaben folgen, wo keine anderen Quellen vorlagen, den Angaben von Lina Lea Rubinstein, geborene Ziegelmann in HHStAW 518 39560 I (16). Nahezu alle Angaben, die ihr Bruder zu den Geburtstagen seiner Geschwister in HHStAW 518 11535 (31) sind nachweißlich nicht richtig. Er, David wurde am 23.9.1903 in Nürnberg geboren, wo auch seine Schwestern Rosa / Rosel am 27.10.1904 und Lina Lea am 23.5.1907 zur Welt kamen. Die folgenden vier Kinder wurden in Frankfurt geboren, Ernestine / Erna am 4.10.1909, Dora am 11.2.1911, Max Mendel am 17.2.1912 und zuletzt Berta am 5.2.1916.
[170] Ebd. (31, 53).
[171] Ebd. (64 f) Siehe dazu auch die Angaben von Lina Lea Rubinstein HHStAW 518 39560 (15 f.)
[172] Ebd. (79).
[173] HHStAW 518 11555 (35, 48).
[174] Diamant, Adolf, Deportationsbuch der von Frankfurt am Main gewaltsam verschickten Juden in den Jahren 1941 bis 1944, Frankfurt 1984, S. 33.
[175] Jehoshua Schwarz war mit Rosa / Rosel Ziegelmann, der ältesten Schwester von Erna und Berta Friedmann, geborene Ziegelmann, verheiratet.
[176] Sammlung Georg Schneider.
[177] HHStAW 518 11555 I (34, 133, 135, 170 f.). Die Entschädigungsbehörde bestätigte, dass er dort unter „haftähnlichen Bedingungen“ zu leben gezwungen war.
[178] Ebd. (136, 140).
[179] HHStAW 518 11535 (20). Zitiert wird aus einem Vermerk in der Entschädigungsakte, in dem der Inhalt der Devisenakte zusammengefasst wurde.
[180] In einem Brief vom 22.10.1939 hatte Susi Friedmann ihren Bruder Leo in England von der Geburt der kleinen Tochter unterrichtet, allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Name des Kindes der Cousine noch nicht bekannt, siehe Sammlung Georg Schneider. Laut der Deportiertenrecherche der Gedenkstätte Neuer Börneplatz verstarb Szyja Schwarz, geboren am 6.2.1890 in Rybotycze / Polen, im Jahr 1970 in Israel.
[181] Schneider, Friedmanns, o.P.
[182] Ihm verdanken wir die an Felix Friedmann / George Melvin gerichteten Briefe der Familie, aus denen in diesem Artikel zitiert wurde.
[183] HHStAW 518 11555 (25).
[184] Ebd. (168).
[185] Ebd.
[186] Schneider, Friedmanns, o.P.
[187] Ebd.