Wenn man die Steuerakte von Julius Rothschild aufschlägt, ist man unweigerlich mit der Bürde von zwei Jahrtausenden europäischer Geschichte des Antisemitismus konfrontiert. Es taucht sofort auf, das bekannte und immer wieder in unterschiedlichsten Ausgestaltungen reproduzierte Stereotyp vom Juden als dem „Volksschädling“, dem „Sozialschmarotzer“, der um des eigenen Vorteils willen dem Körper des deutschen – und nicht nur dem des deutschen – Volkes das Blut aussaugt. Man kann sich nicht wehren. Die Assoziation ist einfach da, eingeprägt durch tausendfach kolportierte Bilder und Erzählungen. Es heißt da auf der ersten Seite der Einkommensteuerakte:
“Gegen den Kaufmann, Herrn Julius Rothschild in Brilon, wird die Untersuchung eingeleitet, weil der dringende Verdacht besteht, dass er im Inlande innerhalb nicht rechtsverjährter Frist vorsätzlich zum eigenen Vorteil bewirkte, dass Einnahmen des Reiches aus der Umsatz- und Einkommensteuer verkürzt wurden.“[1]
Man hatte Julius Rothschild nach einer ausführlichen Buchprüfung im Februar 1930 eindeutig der Steuerhinterziehung überführt. Er hatte auch zugegeben, über mehrere Jahre praktisch täglich Kassenbons über etwa 20 bis 30 RM vernichtet bzw. aus den Kassenunterlagen entfernt und das entsprechende Geld der Kasse entnommen zu haben. Um das zu vertuschen wurden parallel zwei Kassenbücher geführt. Er gestand letztlich ein, seit 1920 über einen Zeitraum von 10 Jahren in dieser Weise verfahren zu haben, wodurch dem Staat Steuereinnahmen in der Höhe von mehr als 8.000 RM entzogen wurden. In dem Verfahren wurde er, abgesehen von der fälligen Steuernachzahlung, zu einer Strafe von 15.000 RM verurteilt.[2]
Unzweifelhaft handelt es sich um ein kriminelles und nicht zu entschuldigendes Verhalten, aber mangelnde Steuerehrlichkeit gehörte schon immer zu den Untugenden des Bourgeois, der als Citoyen sich nur allzu gern der staatlichen Leistungen bedient, die mit den Steuermitteln finanziert werden. Es galt und gilt noch heute zumindest in einem bestimmten Rahmen als Kavaliersdelikt, das den Täter nicht wirklich charakterlich beschädigt. Zig Milliarden werden jährlich bei Steuerprüfungen von Pflichtigen nachgefordert, ohne dass darum viel Aufhebens gemacht wird.
Ganz anders aber, wenn ein Jude das macht. Dann mutiert die eher lässliche Sünde zum Ausdruck eines miesen Charakters, mehr noch, zum Wesensmerkmal eines ganzen Kollektivs, zum Rassemerkmal des Juden an sich. Diese Verknüpfung von Volksschädling und Jude ist dank jahrtausende alter Klischees assoziativ so fest verankert, dass man sich ihrer einfach nicht erwehren kann. Im Allgemeinen findet man in den Texten, die in Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürger etwa im Zusammenhang mit Stolpersteinverlegungen verfasst und vorgetragen werden, immer wieder die Standardformel von dem „hochangesehenen“ Kaufmann, Arzt usw., gerade so, als ob ein Jude, der dieser gesellschaftlichen Anerkennung nicht teilhaftig, der vielleicht sogar straffällig geworden war, das Schicksal der Verfolgung zurecht erleiden musste. Soll man die Fehlhandlung verschweigen, um antisemitischen Vorurteilen nicht neue Nahrung zu geben, um den Delinquenten in den erlauchten Kreis der „hochangesehenen“ Bürger zu erheben? Allein die Frage zeigt die Befangenheit, die auch noch auf denen lastet, die nicht mehr der sogenannten Tätergeneration angehören, ahnt man doch, dass diese antisemitischen Stereotypen zwar rational verworfen, untergründig noch immer das eigenen Denken durchdringen, wenn nicht gar beherrschen. Wie das Verdrängte, treten sie mit aller Macht hervor, sobald Gelegenheit sich bietet.[3]
Die am 21. Februar 1930 vom Finanzamt Brilon geforderte Steuernachzahlung von insgesamt 8.246,99 RM – 2.702, 46 RM Umsatzsteuer und 5.544,53 RM Einkommensteuer – wurde von Julius Rothschild akzeptiert. Am 14. April schrieb er der Behörde, dass er 1.000 RM der Schuld angezahlt habe, sich aber wegen der hohen Strafe an den Reichsfinanzminister wende, um eine Strafminderung zu erreichen.[4] Diese sei „für meine Verhältnisse zu hoch bemessen“ und würde meinen „wirtschaftlichen Ruin bedeuten“, was „zweifellos nicht im Sinne der Finanzverwaltung liegen“ könne.[5] Tatsächlich wurde im Juni 1930 vom Reichsfinanzminister die Strafe um ein Drittel auf 10.000 RM reduziert.[6]
Bei dem Unternehmen, das Julius Rothschild in Brilon betrieb und durch das er in Konflikt mit den Finanzbehörden geraten war, handelte es sich um ein Geschäft für Manufaktur- und Konfektionswaren, das „beste Geschäft dieser Art am Platze“, wie die Steuerprüfer und nicht etwa der Inhaber selbst betonten.[7] Etwa fünf Mitarbeiter, darunter ein oder zwei Lehrlinge, in gewissen Zeiten auch ein Dekorateur, sorgten über viele Jahre hinweg für zufriedene Kunden. Auch die Eheleute Rothschild selbst und vor ihrer Verheiratung auch die Tochter Elli arbeiteten im Geschäft mit. Im Besonderen an den Markttagen und am Wochenende, wenn die Landbevölkerung in die Stadt kam, um ihren Bedarf an Handelsgütern zu decken, konnten die Umsätze um mindestens 50 Prozent gegenüber den normalen Werktagen gesteigert werden.
Das Geschäft lag zentral in der Derkerestr. 1 in der näheren Umgebung des Marktes und unmittelbar hinter dem Rathaus. Über dem Erdgeschoss, in dem sich die eigentlichen Ladenräume mit ihren drei großen Schaufenstern befanden, gab es drei weitere Etagen. In der ersten befanden sich zusätzliche Geschäftsräume, wie Lager und die Konfektionsabteilung. Die obersten beiden Stockwerke dienten der Familie als Wohnräume. In den letzten Jahren der Republik hatte Julius Rothschild durch die Anmietung eines Nachbarladens die Verkaufsfläche sogar noch einmal beträchtlich erweitert.[8] An diesem Standort und unter seiner Leitung avancierte das Geschäft mit seinem breiten Angebot an verschiedenen Textilwaren zu diesem besagten „ersten Haus am Platze“.
Erworben hatte das Haus bereits im Jahr 1891 Moses Rothschild, der Vater von Julius.[9] Mosche ben Jakow, wie Moses laut Inschrift auf seinem Grabstein mit vollem jüdischen Namen hieß, also ein Sohn des Jacob, war am 5. Juni 1849 in Brilon geboren worden.[10] Vermutlich war auch dessen Vater schon in Brilon zur Welt gekommen. In einer Steuerliste des Jahres 1801 ist ein Israel David aufgeführt, der im Jahr 1808, als die Juden zur Annnahme fester Nachnamen gezwungen wurden, den Name Israel David Rothschild annahm.[11] Bei einer Wahl innerhalb der jüdischen Gemeinde um das Jahr 1823, bei der die persönlichen Verhältnisse der Wähler festgehalten wurden, heißt es über diesen Israel David Rothschild, dass er in schlechten Vermögensverhältnissen lebe, da er der Judenschaft noch 200 Taler schulde, sein Vermögen stark zusammengeschmolzen sei und er kurz vor einem Konkurs stehe.[12] Er hatte zwei Jahre zuvor ein Areal samt Haus von der jüdischen Gemeinde gekauft, das ihm im Folgenden als Wohnhaus und durch einen Anbau der Gemeinde als Betraum diente. In diesem Haus
Im Zusammenhang mit diesem Verkauf ist im Grundbuch festgehalten, dass das Gebäude 1839 an seinen Sohn Jacob übertragen worden sei.[13] Israel David Rothschild war kurz danach am 3. Januar 1840 verstorben. Das Todesdatum ist im Zusammenhang mit der Verehelichung einer seiner Töchter erwähnt.[14] Neben dieser Julia, soll er noch eine weitere Tochter Simgen / Simchen, geboren am 24. Juli 1812,[15] und einen Sohn Moses, geboren um 1802, gehabt haben,[16] der in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1860 mit der Familie seines Bruders Jacob in dem in der Marktstr. 325 bzw. der Judengasse lebte.[17]
Irritierend ist allerdings eine Namensliste Briloner Juden aus dem Jahr 1846, in dem neben Jacob Rothschild auch ein Joseph Rothschild aufgeführt ist, der ansonsten in keiner Quelle erwähnt wird. Er soll zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben gewesen sein, aber eine Witwe namens Sara mit den drei Kindern Jule, Moses und Hannchen hinterlassen haben.[18] Verwirrend ist diese Angabe deshalb, weil Jacob Rothschild und seine Frau Ella Emilie Ruhstadt / Ruhstädt, die am 16. Juni 1841 in Brilon geheiratet hatten,[19] vier Kinder geboren wurden, die zum Teil die gleichen Namen trugen.[20] Ihr Julchen war am 28. März 1842 geboren worden und hatte am 19. Juni 1871 den Kaufmann Meyer Goldschmidt geheiratet.[21] Amalie / Malchen, geboren am 28. September 1844 war verheiratet mit Jacob Aronstein. Die beiden übernahmen später das Haus in der Judengasse, in dem zunächst die Synagoge untergebracht worden war – eine Funktion, die das Nebengebäude bis zum Jahr 1931 behielt.[22] Israel, geboren am 21. Juli 1845,[23] hatte Johanna Placzek geehelicht. Zuletzt war am 5. Juni 1849 Moses, der Vater des Wiesbadener Judenhausbewohners Julius Rothschild geboren worden.[24]
Vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Brilon immer nur etwa 10 jüdische Familien, die im Zuge der 1847 erlassenen Emanzipationsgesetze zwar in die Bürgerschaft aufgenommen wurden, denen aber weiterhin das Wahlrecht für die städtischen Körperschaften versagt blieb.[25] Dass Juden damals in Brilon grundsätzlich nicht willkommen waren, dafür gibt es reichlich Belege, seien es Magistratsbeschlüsse, seien es die von typischen antisemitischen Klischees gespickten Erinnerungen früherer nichtjüdischer Bewohner. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn es im späten 19. Jahrhundert mehrfach zu antijüdischen Aktionen in der Stadt kam, etwa die Schändung des Friedhofs im Jahr 1884.[26]
Aber möglicherweise genoss der Kaufmann Jacob Rothschild tatsächlich ein besonderes Ansehen, denn er trug mit seinem großen Warenangebot sicher erheblich zur Versorgung der Bürger sowie des gesamten ländlichen Raums und damit auch zur Attraktivität der Stadt Brilon bei bei. Ursprünglich von Beruf Metzger und Handelsmann, soll er schon Mitte des 19. Jahrhunderts auch Galanteriewaren, Brillen und Porzellan angeboten haben, dann auch Textilien verschiedener Art. Später kam dann noch ein Kompagnon aus der ebenfalls in Brilon ansässigen Familie Goldschmidt hinzu, sodass unter dem Namen ‚Goldschmidt und Rothschild’ ein Warenhaus für Kolonial-, Glas und Porzellanwaren etabliert werden konnte, welches dann auch noch Schuhe in sein Angebot aufnahm.[27]
Möglicherweise waren die verschiedenen Geschäfte aber von unterschiedlichen Mitgliedern der Familie geführt worden. So gehörte etwa das Haus in der Petrusstr. 2 im Jahr 1878 den Brüdern Israel und Moses Rothschild sowie ihrem Schwager Meyer Goldschmidt, der ihrer Schwester Jule verheiratet war, gemeinsam.[28] Auch Meyer Goldschmidt war von Beruf Kaufmann.
Nachdem Ella Rothschild 1866 verstorben war, heiratete Jacob zwei Jahre nach ihrem Tod in zweiter Ehe die ebenfalls verwitwete Emma Lengsfeld, geborene Raphaels.[29] Die Ehe hatte aber nur wenige Jahre Bestand, denn am 29. Juli 1872 verschied dann auch Jacob Rothschild in Brilon.[30]
Dass die Familie durch sein Wirken zu Reichtum gekommen war und er diesen sozialen Aufstieg für seine Nachkommen sichern und fortsetzen wollte, zeigt sich auch darin, dass der jüngste Sohn Moses fünf Jahre das örtliche Gymnasium besuchen durfte.[31] Er hatte nach Aussage seiner Enkelin Elli Stein eigentlich Arzt werden wollen und nach seinem Abitur sogar mehrere Semester Medizin studiert. Er sei aber dann durch eine schwere Lungenentzündung an der Fortsetzung des Studiums gehindert worden, sodass er ebenfalls den Kaufmannsberuf ergriff.[32] Ob das aber tatsächlich richtig ist, muss bezweifelt werden. Laut Schulakte wechselte er 1865 mit 16 Jahren zu einer Kaufmannsschule, sicher damals schon mit der Absicht, das väterliche Geschäft zu übernehmen. Es ist also eher fraglich, ob er das Abitur gemacht und studiert hatte. Eher ist zu vermuten, dass er durch die schwere Erkrankung bereits am Gymnasium seinen ursprünglichen Berufswunsch aufgeben musste. Für die Firma erwies sich diese Entscheidung in jedem Fall von großem Nutzen.
Unter seiner Führung wurde das Geschäft in das neue Haus, das sogenannte ‚Spiegel’sche Haus’, in der Derkerestr. 1 verlegt. Vier Jahre nach dem Kauf ließ er die alten Gemäuer abreißen, um dort, genauer gesagt, auf dem Nachbargrundstück, ein neues, „stattliches“ Haus zu errichten, das zugleich Geschäfts-, aber auch Wohnhaus für seine Familie war.[33]
Verheiratet war Moses Rothschild mit Lina Selowsky, geboren am 15. November 1851 im schlesischen Grünberg. Soweit bekannt, wurden dem Paar zwei Kinder geboren. Zunächst, am 10. Juli 1887, kam der Sohn Julius zur Welt, auf den Tag genau drei Jahre später dann die Tochter Martha.[34] Der Lebensweg der Kinder von Moses und Lina Rothschild führte zuletzt beide nach Wiesbaden, wo sie mit ihren jeweiligen Partnern im Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 ihre letzten Tage gemeinsam verbrachten, bevor sie von dort ihre Reise in den Tod antreten mussten.
Moses Rothschild verstarb am 4. Juli 1908,[35] seine Witwe überlebte ihn um fast zwanzig Jahre. Sie wurde mit 75 Jahren am 11. August 1927 in Brilon zu Grabe getragen.[36] Wann genau das Geschäft von dem Sohn Julius übernommen worden war, ist nicht bekannt, aber das Haus selbst war ihm vermutlich im Jahr 1924 überschrieben worden.[37]
Man kann davon ausgehen, dass er aber auch in den Jahren zuvor mit seiner Mutter und seiner eigenen Familie dort gewohnt hat. Wann Julius Rothschild seine erste Frau Paula Kirchheimer, geboren am 31. Oktober 1882 in Nieheim im heutigen Kreis Höxter, geehelicht hatte, ist nicht bekannt. Am 1. März 1908 kam in Brilon das erste Kind des Paares zur Welt, eine Tochter, die den Namen Elli erhielt.[38] Ihr folgten noch zwei Söhne. Zunächst am 20. Januar 1910 Hans, dann am 26. Juni 1911 Kurt.[39] Alle drei waren noch im Kindesalter, als ihre Mutter am 5. April 1924 verstarb.[40] Auch das wird ein Grund gewesen sein, weshalb der Witwer drei Jahre später am 23. August 1927 eine neue Ehe einging. Seine Frau, etwa fünfzehn Jahre jünger als er selbst, war Alma Levy, geboren am 11. Dezember 1893 in Quakenbrück bei Vechta im heutigen Niedersachsen.[41]
Der Familie Rothschild ging es in all den Jahren nach dem Krieg, in dem Julius Rothschild zwei Jahre in Russland und ein Jahr in Frankreich an der Front stand, und nach der Inflation, unter der auch des Geschäft erheblichen Schaden erlitten hatte,[42] wirtschaftlich wieder recht gut – ganz sicher nicht primär wegen der in diesem Zeitraum systematisch hinterzogenen Steuern. Die angemeldeten Einkommen steigerten sich während der sogenannten Stabilitätsphase kontinuierlich von etwa 10.000 RM im Jahr 1925 auf 18.000 RM im Jahr 1929.[43] Die Tochter Elli gab im Entschädigungsverfahren an, dass die täglichen Einnahmen vor dem Niedergang mindestens 500 RM betragen hätten und der Jahresumsatz bei etwa 160.000 RM gelegen habe. Sie hätten damals „in den besten wirtschaftlichen Verhältnissen (gelebt)“.[44] Julius Rothschild war 1930/31, aber auch noch in den folgenden Jahren der jüdische Bürger, der die höchsten Einkommensteuern in Brilon zahlte, damit aber zugleich auch den höchsten finanziellen Beitrag zum Etat der jüdischen Gemeinde aufbrachte.[45] Es ist daher nicht verwunderlich, dass das jeweilige Familienoberhaupt der Rothschilds in den jeweiligen Generationen auch immer eine bedeutende Stellung in der jüdischen Gemeinde einnahm. Noch bei den letzten Wahlen im Jahr 1929 wurde Julius Rothschild als Repräsentant in diese wichtige Funktion der jüdischen Gemeinschaft erhoben.[46]
Schon einige Jahre bevor die Nazis an die Macht kamen, verdüsterte sich allerdings die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Allein durch die Strafe, zu der er 1930 verurteilt wurde, änderte sich die finanzielle Lage gravierend, denn die entsprach in ihrer Höhe faktisch mindestens dem damaligen halben Jahreseinkommen, hinzu kam die Steuernachzahlung – insgesamt eine Belastung, die sich nach Julius Rothschilds Worten „katastrophal“ auf seinen Geschäftsbetrieb auswirken musste,[47] Und das alles zu Beginn der sich schon deutlich abzeichnenden Weltwirtschaftskrise.
Eine weitere Belastung war noch durch die neue Eheschließung entstanden. In ihrem Gutachten erwähnten die Finanzbeamten, dass Julius Rothschild mit seinen drei Kindern aus erster Ehe „schichten“ musste,[48] d.h. er musste sie für ihre Ansprüche aus dem Erbe ihrer Mutter abfinden. Zu diesem Zweck war das Haus mit einer Hypothek von 15.000 RM belastet und den Kindern sukzessive jeweils 5.000 RM ausgezahlt worden.
Auch soll sich durch die Ansiedlung weiterer Textilgeschäfte ab 1930 die Marktsituation im unmittelbaren Umfeld für Julius Rothschild verändert haben. Ob das aber tatsächlich die weitere Entwicklung negativ beeinflusste, ist eher zweifelhaft. Genaue Zahlen aus der Zeit liegen nicht mehr vor, aber zumindest eine Tendenz ist erkennbar.
Lagen die beim Finanzamt angemeldeten Umsätze im Jahr 1928 noch über 180.000 RM, so gingen sie von da an kontinuierlich zurück, 1929 auf 145.000 RM, 1931 auf 116.000 RM und im letzten Jahr vor der „Machtergreifung“ betrugen sie nur noch rund 100.000 RM.[49] An den Gewerbesteuermesszahlen lässt sich die Entwicklung weiter verfolgen. Hier waren 1930 von der Stadt Brilon im Jahr 1930 noch 385 RM, im folgenden Jahr 162 RM erhoben worden. Schon im Jahr 1932 waren es nur noch 65 RM, 1933 nur geringfügig weniger, aber in den folgenden beiden Jahre 1934 und 1935 sank das Aufkommen zunächst auf 48 RM und zuletzt auf nur noch knapp 14 RM.[50]
Dass für diesen schnellen Niedergang nicht die Unfähigkeit des Inhabers, sondern die ökonomischen und dann zunehmend auch die politischen Rahmenbedingungen verantwortlich waren, ist offensichtlich. Obwohl das Sauerland weitgehend katholisch und politisch dementsprechend während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik politisch vom Zentrum dominiert wurde, hatten die Nazis auch in Brilon letztlich ein leichtes Spiel. Hatten im Juli 1932 noch „nur“ 12,4 Prozent die NSDAP gewählt – reichsweit waren es über 37 Prozent, so hatten sich die Verhältnisse bis zur März-Wahl 1933 umgekehrt. Jetzt erhielt die NSDAP in Brilon rund 44 Prozent, während sie reichsweit insgesamt nur noch auf 33 Prozent kam.[51] Wie in ganz Deutschland knickten innerhalb weniger Wochen auch in Brilon nahezu alle personalen Träger der demokratischen Gesellschaft ein, brachen unter dem Ansturm der nationalsozialistischen Horden alle organisatorischen und institutionellen Pfeiler des republikanischen Gemeinwesens in sich zusammen.
Und es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass auch schon bevor die NSDAP 1933 zur beherrschenden Kraft wurde, sich die antisemitische Stimmung in der Bevölkerung Bahn gebrochen hatte und gerade die Kundschaft vom Land, zu der es eine weniger enge persönliche Beziehung gab, sich eher nichtjüdischen Anbietern zuwendete. Dass es solche Ressentiments gab, die den Nährboten für völlig haltlose Gerüchte und Verdächtigungen lieferten, kann man einer Bemerkung entnehmen, die Julius Rothschild in seinem Schreiben an den Reichsfinanzminister machte. Er führte die vergleichsweise hohe Strafe auch darauf zurück, dass er in der Presse mit einer amerikanischen Erbschaft in Höhe von 400.000 RM aus dem Emmerich – Astor Kapital in Verbindung gebracht worden war.[52] Zwar hatte diese weltweit beachtete Auseinandersetzung nichts mit Juden zu tun, aber wenn es um viel Geld geht, dann liegt der Verdacht nahe, dass Juden ihre Hand im Spiel haben müssen. Gerüchte reichten da aus.
Vom landesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte am 1. April 1933 war auch der Laden der Rothschilds betroffen. Ob die steuerlichen Verfehlungen von Julius Rothschild, die ja noch vor 1933 stattgefunden hatten, damals öffentlich ruchbar geworden waren, ist nicht bekannt. Vermutlich aber eher nicht, sonst wäre das sicher weidlich in der Presse ausgeschlachtet worden. Überall auf dem Marktplatz hingen seitdem Schilder mit den bekannten Parolen, die die Bürger davon abhalten sollten, ihre Einkäufe in jüdischen Geschäften zu tätigen. Wie vor anderen jüdischen Läden oder Praxen waren auch vor dem Warenhaus der Rothschilds zwei SA-Leute postiert, um den Boykott-Aufforderungen Nachdruck zu verleihen. Nicht jeder, nicht einmal alle Parteigenossen ließen sich aber offensichtlich dazu bringen, bewährte Geschäftsbeziehungen abzubrechen, wie mehrfache Aufrufe in örtlichen Zeitungen an die eigenen Parteigenossen belegen.
Dennoch verfehlte die Kampagne ihre Wirkung nicht. Tochter Elli berichtete im Entschädigungsverfahren, dass in den folgenden beiden Jahren keine nennenswerten Umsätze mehr gemacht wurden und die Eltern von den Ersparnissen der vergangenen Jahre leben mussten.[53] Angesichts der wachsenden Verluste sah sich Julius Rothschild genötigt, sein traditionsreiches Geschäft aufzugeben. Zunächst war 1935 der Laden sowie die Wohnung an einen Josef Hausmann vermietet worden, der Lagerbestand aber schon damals an den neuen Ladenbesitzer verkauft worden. Aus einer Aktennotiz aus dem Jahre 1960, die im Zusammenhang mit dem Rückerstattungsverfahren erstellt worden war, erfährt man Genaueres über die damaligen Abmachungen. Als monatliche Miete für die Wohnung und als Pacht für das Geschäft zahlte Hausmann monatlich insgesamt 350 RM. Der Einkaufswert des Lagerbestandes betrug mehr als 56.000 RM, gezahlt hat der Käufer etwas mehr als die Hälfte, nämlich 30.000 RM.[54]
In der Sauerländer Zeitung erschien daraufhin am 7. November 1935 unter der Rubrik ‚Aus der Stadt’ die folgende Notiz:
„Geschäftsübernahme. Das bekannte, seit vielen Jahren in Brilon bestehende Maufakturwarengeschäft M. Rothschild ist durch Kauf auf die Firma Gebr. Hausmann (aus Hamm) übergegangen. Damit befindet sich das Geschäft von nun an im Besitz einer christlichen Firma.“[55]
Die Familie Rothschild
Von links: Unbekannt, Julius Rothschild, Kurt, Elli, Schiwago (?), WilhelmStein (Ehemann von Elli), Hans und Alma Rothschild. Bei der älteren Frau ganz links könnte es sich um die Mutter von Alma handeln, die oft für längere Zeit bei Rothschilds wohnte
Aus: Hesse, Jüdisches Leben in Alme, Altenbüren, Brilon, Madfeld, Messinghausen, Rösenbeck und Thülen
Durch den Verlust der eigenen Wohnung war Julius Rothschild gezwungen, für sich und seine Frau eine neue Bleibe zu suchen. Die Kinder lebten inzwischen nicht mehr bei ihren Eltern, sodass man in der Wahl des Ortes relativ unabhängig war. Weshalb die Wahl auf Wiesbaden fiel, ist nicht mehr nachvollziehbar, denn, sieht man von den Attraktionen der Kurstadt ab, gab es ursprüngliche keine Bindungen der Familie Rothschild dorthin. Das änderte sich erst, als Julius’ Schwester Martha mit ihrem Ehemann Albert Kleeberg 1935 ebenfalls nach Wiesbaden zogen und sich in der Taunusstr. 37 niederließen. Ein Jahr zuvor war auch die verwitwete Schwester von Albert Kleeberg, Sophie Cahen, gekommen und hatte zunächst eine Wohnung in der Martinsthaler Str. 4 gefunden.[56] So fanden in dieser Zeit wachsender Bedrohungen Familien wieder zusammen, um in der Anonymität der Stadt Schutz und durch verwandtschaftlichen Bindungen auch ein wenig Geborgenheit zu finden.
Das Ehepaar Rothschild fand in der Dotzheimer Str. 54 eine Unterkunft, ein Haus, das nicht in jüdischem Besitz war. Sowohl die Gestapokarteikarte als auch der polizeiliche Meldebogen nennen als Einzugsdatum den 3. Januar 1936.[57] In dieser Wohnung konnten sie bis in den Februar 1940 bleiben. Wenige Wochen vor seiner Ausreise logierte auch der jüngste, inzwischen arbeitslos gewordene Sohn Kurt mit in der Wohnung, wie einem Aktenvermerk des Finanzamts Wiesbaden vom 11. Mai 1936 zu entnehmen ist.[58]
In der Dotzheimer Str. 54 erlebten Julius und Alma Rothschild, wie sich die Lage für die jüdischen Bewohner in den folgenden Jahren zusehends verschärfte. Besonders die Maßnahmen im Gefolge der Reichspogromnacht hatten für sie erhebliche Konsequenzen. Bei der Berechnung der Judenvermögensabgabe war man von einem Vermögen je Ehepartner von 32.000 RM ausgegangen. Das Haus in Brilon war mit einem Gesamtwert von rund 35.000 RM veranschlagt worden, Wertpapiere und andere Vermögenswerte mit etwa 30.000 RM. Nach vorgeschriebenen Abrundungen kam das Finanzamt bei einem jeweiligen Gesamtvermögen von rund 32.000 RM auf eine Forderung von 6.400 RM je Ehepartner, die in vier Raten von jeweils 1.600 RM zu zahlen waren. Insgesamt standen also Julius und Alma Rothschild zu Beginn des Jahres 1939 mit zunächst 12.800 RM in der „Schuld“ des Reichsfinanzministers.[59] Die ersten beiden Raten konnten sie offensichtlich noch durch Übergabe von Wertpapieren aus ihrem Depot bei der Nassauischen Bank in Wiesbaden bestreiten,[60] Zwar hätten sie auch die dritte und vierte Rate mit Wertpapieren begleichen können, das ergibt sich daraus, dass sie am Tag ihrer Deportation noch über Wertpapiere von mehr als 20.000 RM verfügten, aber sie beschlossen stattdessen, sich endgültig von ihrem Haus in Brilon zu trennen. Was hätte ihnen damals das Haus noch genutzt, wo sie ständig auf flüssiges Geld für ihren täglichen Lebensbedarf angewiesen waren, vielleicht sogar noch die Hoffnung auf eine Ausreise aus Deutschland hegten.
Schon am 12. Dezember 1938, also nur vier Wochen nach der „Reichskristallnacht“, kam ein Verkaufsvertrag zwischen dem bisherigen Mieter Josef Hausmann und dem Ehepaar Rothschild über den Verkauf des Geschäfts- und Wohnhauses in Brilon zustande, laut dem die Liegenschaft für 30.000 RM an die derzeitigen Nutzer abgegeben werden sollte.[61]
In der Berechnung der Judenvermögensabgabe war der Wert der Immobilie noch mit 37.000 RM angesetzt worden. Bei der Einheitswertberechnung 1935 war sie sogar noch auf 42.000 RM und der anliegende Garten mit 5.600 RM taxiert worden.[62] Innerhalb von nur drei Jahren hatte sich der Wert auf Zweidrittel bzw. vielleicht sogar die Hälfte vermindert. Diese Entwertung war in zweifacher Hinsicht den politischen Verhältnissen geschuldet. Zum einen war es in dieser Zeit, in der jüdische Immobilien den Markt überschwemmten, ein angemessener Preis kaum mehr zu realisieren. Zum anderen griffen aber auch Parteifunktionäre, wie etwa die Wirtschaftsberater, immer wieder bei der Preisgestaltung ein. Wie sehr in diesem Fall der Preis vom tatsächlichen Wert der Immobilie abwich, zeigt der 1950 geschlossene Vergleich zwischen den Erben des Altbesitzers, die die Rückerstattung gefordert hatten, und dem Arisierungsgewinnler Hausmann: 47.500 DM wurden damals noch einmal für alle Ansprüche, vermutlich auch für den zu billig erworbenen Lagerbestand, nachgezahlt, also weit mehr, als man beim eigentlichen Kauf zu geben bereit gewesen war.[63]
Natürlich gelangte auch der ursprüngliche Verkaufspreis nicht in die Hände der Verkäufer. Nach Abzug der noch fälligen Sühneleistung von 6.400 RM mussten die übrigen 23.600 RM auf ein gesichertes Konto bei der Deutschen Bank eingezahlt werden.[64]
Da der in dem Berechnungsbogen für die Judenvermögensabgabe angesetzte Wert des Hauses nicht hatte realisiert werden können, bat Julius Rothschild am 31. Oktober 1939 nicht nur um eine Neuberechnung der Sondersteuer, sondern zugleich um den Erlass der gerade neu auferlegten 5. Rate:
“Am 12.11.38 betrug der auf mich entfallende Vermögensanteil rd. RM: 32.000, — . Dieses Vermögen hat sich durch Zahlung der Judenvermögensabgabe in Höhe von Et: 6.400, —, ferner durch Mindererlös aus Hausverkauf um RF 5.100,— sowie durch Finanzierung der Auswanderung meiner Tochter, Elli, Sara Stein, geborene Rothschild nebst Familie nach Schanghai um RM 2.500,— und die Lebensunterhaltungskosten verringert. Ich darf ferner darauf hinweisen, dass ich meine Schwiegermutter, Frau Emilie, Sara Levy in Elberfeld, unterstützen muss, da dieselbe mittellos ist. Mein Vermögen hat sich also gegenüber dem Stand vom 12.11.38 nahezu um die Hälfte verringert. Es ist mir unmöglich, von den Zinserträgnissen zu leben. Ich bin daher gezwungen, von jetzt ab Jahr für Jahr im erheblichen Maße von der Substanz zu leben, zumal ich in absehbarer Zeit keinerlei Möglichkeit habe, auszuwandern. Ich bin über 60 Jahre alt und darf darauf hinweisen, dass ich Frontkämpfer bin und als Vizefeldwebel an einer Reihe von Stellungskämpfen im Weltkriege teilgenommen habe. Ich bin mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden.
In Anbetracht der vorstehend geschilderten Verhältnisse, darf ich ergebenst bitten, meinen Antrag auf Erlass der 5. Rate der Judenvermögensabgabe stattzugeben. Bis zur Entscheidung über meinen Antrag bitte ich, von Zwangsmassnahmen abzusehen.“ [65] Alle Verweise auf das frühere patriotische Verhalten, auf die finanzielle Notlage nutzten nichts, auch die fünfte Rate wurde bei ihm und seiner Frau eingezogen. [66]
Julius Rothschild erwähnte in seinem Brief auch seine Schwiegermutter, die er unterstützen müsse. Ganz offensichtlich war diese inzwischen verwitwet. Wann und wo ihr Mann Samuel verstorben war, ist allerdings nicht bekannt. Sie selbst lebte demnach Ende 1939 nicht mehr in Quakenbrück, wo ihre Tochter Alma geboren wurde, sondern in Wuppertal Elberfeld in der Vereinsstr. 8. Mit dieser Anschrift ist sie im Adressbuch 1940/41 der Stadt Elberfeld geführt. Sie ist ebenfalls auf der Gestapokarteikarte eingetragen, als sie am 2. April 1940 für „2 – 3 Monate zu Besuch“ nach Wiesbaden kam, um ihre Tochter und deren Ehemann zu treffen. Es war offensichtlich nicht das erste Mal, dass sie sich für längere Zeit in Wiesbaden aufhielt. Als im Mai 1939 die Volkszählung durchgeführt wurde, ist sie in der sogenannten Residentenliste mit der Adresse Dotzheimer Str. 54, der damaligen Anschrift von Julius und Alma Rothschild eingetragen.[67] Wie lange sie sich damals bei ihren Kindern aufhielt, ist nicht bekannt. Diesmal ist als Adresse auf der Karteikarte das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 angegeben. Auch wenn die finanzielle Lage für das Ehepaar Rothschild schwieriger geworden war, so wird das kaum der Grund gewesen sein, aus ihrer bisherigen Wohnung am 1. Februar 1940 in das Judenhaus zu ziehen. Der Umzug fiel genau in die Zeit, in der die NSDAP auch in Wiesbaden zunehmend Druck auf Hausbesitzer ausübte, die ihren Wohnraum weiterhin an Juden vermieteten.[68] Konkrete Belege für diese Vermutung, etwa Kündigungsschreiben oder Einweisungen, liegen allerdings nicht vor. Der Umzugstag ist nur auf der Gestapokarteikarte vermerkt, wo als Wohnung noch „bei Frank“, dem Hauseigentümer des Hauses am Kaiser-Friedrich-Ring angegeben ist. Unklar ist, ob damit das Haus als solches oder aber der zweite Stock gemeint ist, in dem Franks damals wohnten.
Amalie Levy ist am 18. Juni 1940 wieder zurück nach Elberfeld gezogen. Ob sie noch einmal nach Wiesbaden kam ist ungewiss. Am 21. Juli 1942 wurde sie mit dem sogenannten „großen“ Düsseldorfer – Theresienstadt Transport VII/1, dem Zug mit der Nummer Da70, in dem mehr als 2000 Jüdinnen und Juden saßen, in das dortige Ghetto gebracht. Zwei Jahre überlebte sie die unmenschlichen Zustände in diesem Lager. Am 15. Mai 1944 schaffte man sie dann in einem noch größeren Transport mit mehr als 2500 Menschen nach Auschwitz.[69] Zweidrittel davon waren Frauen und Mädchen. Es war einer die vielen Transporte, mit denen im Frühsommer 1944 das Ghetto geräumt wurde, um der Rot-Kreuz-Visitation ein „schönes“ Lager zeigen zu können. Zwar wurde ein größerer Teil der Verschleppten in Auschwitz zu Zwangsarbeitseinsätzen herangezogen, hatten somit noch eine kleine Überlebenschance, mindestens die Hälfte wurde aber im Juli in den Gaskammern von Birkennau ermordet.[70] Vermutlich gehörte zu diesen auch Amalie Levy, ihr Todestag ist nicht bekannt.
Aus der Zeit, die Julius und Alma Rothschild im Judenhaus verbringen mussten, liegen fast keine Dokumente mehr vor, die Auskunft über ihre dortige Lebenssituation geben. Ein Schreiben, datiert mit dem 25. Februar 1941, das Julius Rothschild im Zusammenhang mit seiner Steuererklärung an das Finanzamt Wiesbaden richtete, lässt allerdings erkennen, dass es zumindest ihm inzwischen auch gesundheitlich schlecht ging. Er bat darum zu berücksichtigen, dass er sich noch 1940 im Krankenhaus in Frankfurt, vermutlich dem jüdischen Spital in der Gagernstraße, einer Operation hat unterziehen müssen, die ihn nicht nur mehr als 1.000 RM gekostet habe, sondern ihn auch noch immer ans Bett fessele.[71]
Bis zum 4. Mai 1941 wohnten Julius und Alma Rothschild laut der Eintragung auf der Gestapokarteikarte zunächst in dem Judenhaus. An diesem Tag wechselten sie dann die Wohnung und zogen in die Martinsthaler Str. 4, ein Haus, das kein Judenhaus und nicht einmal ein Haus in jüdischem Besitz war. Allerdings gibt der Vermerk auf der Karteikarte „bei Bachmann“ einen Hinweis auf den Hintergrund für diesen Wohnungswechsel. Dort wohnte die geschiedene Hilde Agnes Bachmann, geborene Cahen, die die angeheiratete Nichte von Martha Kleeberg, geborene Rothschild, der Schwester von Julius Rothschild, war.[72] Es war zwar eine eher entferntere Verwandtschaft, aber noch immer nah und vertraut genug, um sich in diesen Zeiten gegenseitig zu stützen. Von wem die Initiative damals ausgegangen war, ist nicht mehr feststellbar, aber immerhin wurde der Wechsel vom Wohnungsamt offenbar genehmigt.
Nach etwa fünf Monaten, am 1. Oktober 1941 zogen Rothschilds dann aber wieder zurück in das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65. Auch diesmal sind die Gründe dafür nicht mehr nachzuvollziehen. Hilde Bachmann verließ die Wohnung in der Martinsthaler Straße erst ein Jahr später. Es waren aber nicht nur Rothschilds, die im Sommer das Haus am Ring für mehrer Monate verließen, auch das Ehepaar Kahn-Hut zog vom Mai bis Oktober in die Mauergasse 10 und kehrte anschließend etwa zur gleichen Zeit wie Rothschilds wieder in die alte Wohnung zurück. Ein möglicher Grund könnte gewesen sein, dass damals Baumaßnahmen ergriffen wurden, etwa zusätzliche Leitungen gelegt und provisorische Wände eingezogen wurden, um das Haus entsprechend seiner Funktion als Judenhaus umzugestalten, aber das bleibt Spekulation.
Die folgenden Monate bis zu ihrer Deportation am 10. Juni 1942 blieben Rothschilds in ihrer Wohnung am Kaiser-Friedrich-Ring, wo den beiden zumindest jetzt zwei Zimmer im zweiten Stock zur Verfügung standen. Dies belegt der Eintrag auf der Liste, die vermutlich die NSDAP nach der Deportation vom 10. Juni 1942 zusammengestellt hatte, um den dadurch freigewordenen Wohnraum zu erfassen.[73] Keine Erklärung gibt es aber dafür, wieso in den von Januar 1942 an geführten Listen der Hausverwaltung über die Mieteinnahmen weder der Name Rothschild, noch Kahn-Hut auftauchen, obwohl beide Paare bis Juni bzw. Ende August 1942 ganz sicher dort gewohnt haben. Allerdings fehlen auch die Namen anderer dort kurzfristig untergebrachter Juden. Einzig die des jüdischen Paares Heinrich und Irene Rabinowicz und des Juden Siegfried Rochelsohn sind darin aufgeführt.[74]
Später wusste niemand mehr, was bei den verschiedenen Umzügen von Julius und Alma Rothschild mit den Möbeln, der Kleidung, der Wäsche und anderen Wertgegenständen geschehen war. Bernhard Stein, der nach dem Krieg im Namen seiner Eltern und Onkel das Entschädigungsverfahren beantragte, hatte als deren Gesamtwert etwa 60.000 RM veranschlagt.[75] Ob die Summe zutreffend war, lässt sich heute nicht mehr sagen. Für den in der Aufstellung erhaltenen Schmuck im Wert von 5.500 RM waren Rothschilds, als sie diesen bei der städtischen Leihanstalt abliefern mussten, nicht einmal 200 RM gezahlt worden.[76] Aber weder für die Edelmetalle, noch für die übrige Einrichtung wollte die zuständige Behörde Entschädigung leisten, da es sich nicht um einen Entschädigungs-, sondern um einen Rückerstattungsanspruch handle. Dieser sei aber nicht rechtzeitig beantragt worden und inzwischen verjährt.[77] Der jahrelang geführte Rechtsstreit um eine angemessene Entschädigung mit all seinen bürokratischen und juristischen Finessen ließ die Antragsteller schier verzweifeln. „Wir, die unter der Verfolgung des 3. Reiches schwer gelitten haben, hätten nur den einen Wunsch gehabt, die Vollstreckungsbehörden des 3. Reiches hätten so gearbeitet wie die Wiedergutmachungsbehörden des Bundes, so wäre es zu keinen nennenswerten Verfolgungen und Schädigungen der Verfolgten gekommen“, stellte Bernhard Stein angesichts der schleppenden Verfahren im September 1956 sarkastisch fest.[78]
Was das Mobiliar anging, stellte die Entschädigungskammer am 19. April 1956 zwar fest, dass es „dem Gericht aus anderen Fällen zwar bekannt (sei), dass bei diesen Deportationen die Wohnungen der Verfolgten versiegelt und später die Einrichtungsgegenstände beschlagnahmt und versteigert worden (seien). Die Art der Behandlung der von den deportierten Juden zurückgelassenen Wohnungseinrichtungen war von den damaligen Machthabern angeordnet und von den ausführenden Organen der Gestapo und dem zuständigen Finanzamt, regelmäßig auch ausgeführt worden. Da sich das Schicksal der von den Eltern der Kläger zurückgelassenen Möbel und Wertgegenstände nicht mehr ermitteln ließ und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie irgendeine besondere Behandlung erfahren haben, muss angenommen werden, dass sie vom Finanzamt versteigert wurden – soweit nicht die Wertgegenstände etwa bereits früher beschlagnahmt worden waren.“[79] Damit waren sie juristisch Gegenstand von Rückerstattungs- und nicht von Entschädigungsansprüchen. Wären sie zertrümmert worden, hätten die Erben einen Anspruch gehabt. Ob sie nach einem späteren Verfahren auf Grundlage des revidierten Gesetzes noch etwas erhielten, konnten den vorliegenden Akten nicht entnommen werden.
Alma und Julius Rothschild standen auf der Liste für die Deportation am 10. Juni 1942.[80] Von den insgesamt etwa 370 Jüdinnen und Juden aus Wiesbaden waren sie die einzigen, die an diesem Tag aus dem Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 geholt wurden. Dies ist auch deshalb verwunderlich, weil dieser Transport primär aus jüngeren und arbeitsfähigen Personen zusammengestellt worden war, auf der Gestapokarteikarte von Julius Rothschild aber explizit stand, dass er „arbeitsunfähig“ sei. Der Zug ‚Da 18’ mit insgesamt mehr als 1200 Insassen brachte die beiden über Frankfurt nach Lublin und von dort weiter nach Sobibor, wo sie vermutlich bald nach der Ankunft ermordet wurden.
Da es keinen sicheren Todesbeleg gab, musste nach dem Krieg der Tod der beiden amtlich festgestellt werden. Am 8. September 1948 wurde daher vom Amtsgericht Wiesbaden der 31. Dezember 1942 als offizieller Todestag festgelegt. Diese frühe Entscheidung ermöglichte den Erben schon bald nach Kriegsende ihre Ansprüche geltend zu machen, hatte aber einen entscheidenden Nachteil, was die Höhe der Entschädigung für den Verlust der Freiheit betraf. Später war gesetzlich festgelegt worden, dass bei all denjenigen, deren Todestag nicht genauer bestimmt werden konnte, der 8. Mai 1945, also der Tag der deutschen Kapitulation, als Todestag festzusetzen sei, was dann auch eine mögliche Entschädigung bis zu diesem Tag bedeutete. Trotz mehrfacher Versuche, den zunächst festgestellten Todestag zu revidieren, wurde dies sogar noch im November 1954 vom Amtsgericht Wiesbaden verweigert. Mehr noch: Weil man es „als grobes Verschulden der Antragsteller angesehen (wurde), dass sie ihren Antrag trotz zweimaligem Hinweis auf die bestehende Rechtslage aufrecht erhalten haben“, sollten sie quasi als Strafe auch für die Gerichtskosten aufkommen.[81] Durch einen revidierten Bescheid vom 11. Mai 1956 wurde dieses Fehlurteil aufgehoben und der Freiheitsentzug bis zum 8. Mai 1945 anerkannt und auch entschädigt.
Es ist schier unglaublich, welchen Kampf die Erben führen mussten, um wenigstens einen Teil der ihnen bzw. ihrem Vater und seiner zweiten Frau Alma zugefügten materiellen Schäden zu beheben. Immerhin haben alle drei Kinder des Paares den Holocaust überlebt, aber Opfer sind aber auch sie auf die verschiedenste Weise selbst geworden. Leider ist – abgesehen von dem jüngsten Sohn Kurt, über dessen Leben umfassendere Informationen vorliegen – über deren Schicksal nur wenig bekannt.
Sie waren alle drei schon aus Brilon weggezogen, als Julius und Alma Rothschild ebenfalls die Stadt verließen, um sich in Wiesbaden niederzulassen. Elli, die älteste, soll nach ihrer Eheschließung mit Wilhelm Stein, der am 11. März 1905 in Delmenhorst zur Welt gekommen war, zu ihm nach Hannover gezogen sein. Wie lange das Paar dort lebte, ist aber nicht bekannt, ebenfalls nicht, wann genau und wo die Ehe geschlossen wurde. Aber es muss um das Jahr 1935 gewesen sein, denn im Zusammenhang mit einem Devisenverfahren sagte Julius Rothschild aus, dass die Hypothek über 5.000 RM, die für Elli aus dem Erbteil der Mutter auf dem Haus eintragen war, 1935 nach deren Verheiratung gelöscht und der Betrag an sie ausgezahlt worden sei.[82] Laut den Meldeunterlagen von Brilon hatte sie am 23. September 1935, vermutlich nach der Eheschließung, die Stadt verlassen und war nach Hannover gezogen. Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 lebte das Ehepaar in Hamburg in der Eckerstr. 6.[83] Von dort aus verließen sie zu einem ebenfalls bisher nicht genauer präzisierbaren Zeitpunkt Deutschland in Richtung Palästina.
Über den älteren Sohn Hans hatte der Vater im Zusammenhang mit seiner Bitte, ihm die Strafe wegen Steuerhinterziehung zu reduzieren, gegenüber dem Reichsfinanzminister 1930 schon erwähnt, dass dieser, nachdem er Ostern 1929 am Petrinum sein Abitur abgelegt hatte,[84] sich im dritten Semester eines Medizinstudium befände. Sollte die Strafe in voller Höhe eingezogen werden, so müsse er dessen akademische Ausbildung abbrechen, denn er als Vater müsse für das Studium jährlich 2.400 RM aufbringen.[85] Dazu kam es offensichtlich nicht, denn später übte er seinen Beruf als Arzt aus. Offenbar wollte der Vater, dass der älteste Sohn seinen eigenen Lebenstraum, Arzt zu werden, realisieren konnte. Vermutlich entschloss sich Hans, Deutschland zu verlassen und sein Studium in Innsbruck fortzusetzen, nachdem im April 1933 das „Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ verabschiedet worden war, mit dem der Ausschluss jüdischer Studierender aus den Universitäten vorbereitet wurde.[86]
Aber in den Semesterferien besuchte er wohl regelmäßig seine Familie in Brilon. Im Juli 1933 wurde er dort verhaftet, als er eines der Plakate fotografierte, die seit April auf dem Marktplatz angebracht waren, um die Bürger auf den andauernden Boykott der jüdischen Geschäfte aufmerksam zu machen.[87] Wie lange er in Haft bleiben musste, vermutlich in Arnsberg, ist nicht bekannt.
Wie sein Vater in der bereits erwähnten Vernehmung wegen des Devisenvergehens angab, wanderte Hans Rothschild im Mai 1936 nach Brasilien aus, wo er dann auch seinem Beruf als Arzt nachgehen konnte.[88] Spätestens seit 1960 lebte er aber dann in den USA. Am 11. August 1996 verstarb er in Camden in New Jersey als Staatsbürger der Vereinigten Staaten.[89]
Da Elli im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung ausgesteuert und Hans von seinem Vater das Studium bezahlt worden war, sollte Kurt später das väterliche Geschäft übernehmen. Zu diesem Zweck hatte er nach seiner Schulausbildung 1917 bis 1927, zuletzt am Petrinum, das er mit der Mittleren Reife verlassen hatte,[90] zunächst von April 1928 bis April 1931 eine kaufmännische Lehre bei der Firma ‚Alsberg & Co.’ in Osnabrück absolviert. Anschließend erhielt er eine Stelle als Volontär in dem sehr renommierten Textilkaufhaus ‚Mayer & Klestadt’ in Sterkrade, das größte und auch letzte jüdische Kaufhaus der Stadt.[91] Er blieb in diesem Unternehmen bis in den April 1936, zuletzt wahrscheinlich aber nicht mehr als minder bezahlter Volontär, sondern wohl als regulärer Verkäufer und Substitut.[92] In jedem Fall erlebte er nicht mehr, wie auch in diesem Geschäft im November 1938 die Scheiben eingeworfen und die Geschäftsräume völlig verwüstet wurden. Aber auch schon zuvor waren die Umsätze bei ‚Mayer & Klestadt’ erheblich zurückgegangen, woraus Kurt den richtigen Schluss zog, dass die geplante Übernahme des väterlichen Geschäfts für ihn keine berufliche Perspektive mehr sein würde. Schon zwei Wochen nach seiner Kündigung bestieg er am 2. Juni 1936 in Hamburg das Schiff ‚Aurigny’ der ‚Chargeeurs Reunis Schifffahrtslinie’, die auch ihn nach Brasilien brachte,[93] wo vier Wochen zuvor schon sein Bruder angelandet war. Das Ziel war vermutlich gewählt worden, weil dorthin bereits ein Bruder von Alma Levy, Karl Levy, mit seiner Frau ausgewandert waren. Schon im ersten Jahr der Nazi-Herrschaft hatten Karl und seine Frau Friedericke Levy im November auf dem Schiff ‚Kerguelen’ Brasilien als Exil angesteuert.[94] Man wird davon ausgehen können, dass Onkel und Tante ihre Hilfe bei der Auswanderung der beiden Neffen angeboten hatten.
Zumindest von Kurt ist aktenkundig, dass er seine Ausreise aus Deutschland als Besuchsreise tarnte. Er hatte die Fahrt als Tourist angetreten, hatte, damit die Behörden keinen Verdacht schöpften, sogar schon die Rückfahrt mitgebucht. Als er dann die Erstattung des nicht genutzten Tickets in Höhe von 240 RM beantragte,[95] löste er damit ein Verfahren wegen Devisenvergehens aus. Er hatte nämlich neben den 60 RM in Devisen weitere sogenannte Landungsgelder in Höhe von 280 RM bewilligt bekommen. Mit diesen Geldern, die von den Devisenämtern zugeteilt und von den Reedereien ausgezahlt wurden, sollten die Reisenden ihre Unkosten in der jeweiligen Fremdwährung bestreiten können. Am 12. März 1937 wurde daher Strafanzeige von der Zollfahndungsstelle Frankfurt beantragt und am 22. April dann von der Devisenstelle auch gestellt. Zudem wurden Nachforschungen angestellt, ob Kurt Rothschild noch über Vermögenswerte in Deutschland verfügen würde.[96]
Damit geriet auch der Vater Julius wieder in das Visier der Strafverfolgungsbehörde und er wurde vorgeladen. Er gab in dem Verhör an, dass die einst auf seine Kinder ausgestellten Hypotheken inzwischen ausgezahlt bzw. bei den Söhnen durch die Finanzierung der Ausbildung und der Leistungen für deren Lebensunterhalt abgegolten seien. Beide hätten auf jegliche finanzielle Ansprüche bei ihrer Ausreise verzichtet. Dennoch wurde Julius Rothschild zunächst der Beihilfe bei einem Devisenvergehen bezichtigt.[97] Am 8. Mai wurde das Verfahren gegen den Vater dann aber eingestellt, weil ihm „ein schuldhaftes Verhalten nicht nachgewiesen werden konnte“.[98] Statt der „erschlichenen“ Devisen zog die Devisenstelle den Betrag für die Rückerstattung der nicht gebrauchten Rückfahrkarte in Höhe von 240 RM ein.[99]
Darüber, ob die beiden Brüder in ihrem Exil noch Kontakt miteinander hielten, liegen keine Informationen vor, aber man wird wohl davon ausgehen können. Allerdings ist nicht bekannt, wo sich Hans in Brasilien niederließ. Kurt blieb in Santos, der Stadt, in der er auch angekommen war. Aber der Neubeginn in dem südamerikanischen Staat wurde nicht leicht. Was viele Emigranten nicht richtig einschätzen konnten, waren allein die Probleme, die durch die klimatische Umstellung hervorgerufen wurden. Das traf besonders diejenigen, die nach Afrika oder Südarmerika geflüchtet waren. Hinzu kamen die nervlichen und psychischen Belastungen der Flucht, die Sorge um die Zurückgebliebenen und natürlich die ungewisse Zukunft bezüglich des eigenen Lebens.
Immerhin hatte Kurt noch das Glück, dass er Verwandte hatte, bei denen er in den ersten Jahren wohnen konnte. Da er diesen aber finanziell nicht zur Last fallen wollte, nahm er gleich nach seiner Ankunft jede sich ihm bietende Stelle an. Obwohl er an harte körperliche Arbeit nicht gewöhnt war, schon gar nicht unter den dort herrschenden klimatischen Bedingungen, verdingte er sich als Erdarbeiter beim Tunnelbau in Sao Paulo.[100] Schon damals war er kränklich, litt unter Amöben und unter ständiger Erschöpfung. Onkel und Tante drängten ihn dazu, diese schwere Arbeit aufzugeben. Möglicherweise war Kurt Rothschild damals in eine bereits bestehende Firma seines Onkels aufgenommen worden, wahrscheinlicher ist aber, dass die beiden damals gemeinsam mit einem weiteren Partner am 2. April 1945 in Sao Paulo die ‚Spielwarenfabrik Fox G.m.b.h.’ erst gründeten.[101] Man erfährt Genaueres über diese Firma im Jahr 1958, als der Gesellschaftsvertrag geändert wurde. Der dritte Partner, Herbert Elias, ganz offensichtlich ebenfalls ein jüdischer Emigrant, den es nach Südamerika verschlagen hatte, schied in diesem Jahr aus dem Unternehmen aus. Karl Levy, der sich als brasilianischer Staatsbürger Carlos Mauricio Levy nannte, und sein Neffe Kurt, der zu diesem Zeitpunkt noch immer die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, fungierten von da ab als alleinige Gesellschafter. Der Onkel hielt etwa Zweidrittel, Kurt das restliche Drittel der Anteile.[102]
Ein steuerlich relevantes Einkommen in Brasilien konnte Kurt Rothschild erst seit dem Jahr 1948 vorweisen. Und das war zunächst sogar außergewöhnlich hoch, ging aber im Laufe der 50er Jahre dann deutlich zurück.[103] Die Ursachen für diesen Einkommensverlust, ob es sich um eine konjunkturelle oder eine betriebliche Krise handelte, sind nicht mehr nachvollziehbar. Vielleicht trug aber diese finanzielle Situation auch dazu bei, dass es ihm gesundheitlich immer schlechter ging.
Ein Arzt, zu dem sich Kurt wegen permanenter Erschöpfungszustände schon bald nach seiner Ankunft in Brasilien in Behandlung begeben hatte, attestierte ihm 1957 eine Arbeitsfähigkeit von nur noch 50 Prozent.[104] Sowohl der brasilianische Arzt, wie auch ein deutscher Kollege kamen in einem Gutachten, das im Rahmen des Entschädigungsverfahrens angefertigt wurde, zu dem Schluss, dass die Erkrankung auch durch die Fluchgeschichte des Patienten verursacht worden sei.[105] Kurt Rothschild verstarb am 13. Januar 1962 mit nur 51 Jahren an seinen diversen Leiden. Als Todesursache wurde auf dem Totenschein ein Herzinfarkt festgehalten.[106] Ein Bekannter des Toten beschrieb ihn 1966 als einen Menschen, der sich „nie wohlgefühlt“ habe, der „ein ernster, verschlossener Mensch (gewesen sei), der trotz evtl. Leiden dennoch kaum geklagt“ habe.[107]
Kurt Rothschild hinterließ seine Frau, die am 28. März 1927 in Santos geborene Marie Joé Barbosa. Wann die beiden geheiratet hatten, ist nicht bekannt, aber in der Ehe war am 8. April 1951 in Sao Paulo die Tochter Vera Paula zur Welt gekommen,[108] sodass die Ehe vermutlich in der zweiten Hälfte der 40er Jahre geschlossen worden war.
Veröffentlicht: 15. 02. 2022
Anmerkungen:
[1] HHStAW 685 686 a (1).
[2] Ebd. (10 f).
[3] Siehe zu diesem Komplex Schwarz-Friesel, Reinharz, Sprache der Judenfeindschaft, i. B. S. 72 f. Es heißt da: „Stereotype, die über die Manifestationsformen der Sprache teilweise bewusst intentional, teils unreflektiert seit Jahrhunderten weitergegeben werde, wurden zu einem Koordinierungssystem oder (…) zu einem ‚kulturellen und kommunikativen Code’. Aus kognitionslinguistischer Perspektive lässt sich die Jahrhunderte überdauernde Judenfeindschaft als Erhalt eines stabilen mentalen Glaubenssystems beschreiben, dessen ideologische Komponenten mit ethisch-moralischen Werten gleichsetzt und dessen Kenntniseinheiten institutionalisiert kommuniziert werden. Ein konzeptuelles Konstrukt, das maßgeblich auf einem emotionalen Ressentiment basiert, als Glaubenssystem nicht hinterfragt, dem Faktizität unterstellt wird, dessen Gültigkeit als sicher angesehen wird. Ein kognitives Netz von Stereotypkonzepten, die Teil des kollektiven Gedächtnisses, also auf überindividueller Ebene, Bestand des enzyklopädischen Wissens sind.“ Es scheint sogar so, als ob selbst die Infragestellung der Stereotypen unter der Hand dazu beizutragen würde, dass diese immer wieder reproduziert werden und damit im kollektiven Gedächtnis unausrottbar erhalten bleiben. Zum Komplex „Juden als Geldmenschen“ siehe ebd. S. 131 ff.
[4] HHStAW 685 686 a (o.P.).
[5] Ebd. (o.P.). Ob die Strafe unverhältnismäßig hoch angesetzt war, vielleicht tatsächlich Ausdruck antisemitischer Einstellungen innerhalb der Strafverfolgungsbehörden war, lässt sich nicht mehr beurteilen.
[6] Ebd. (o.P.).
[7] Ebd. (2). Auch weitere Aussagen bestätigten die führende Stellung des Geschäfts, siehe u. a. HHStAW 518 866 (157, 168).
[8] Ebd. (2).
[9] Hesse, Jüdisches Leben, S. 140.
[10] http://www.steinheim-institut.de:50580/bri_all.html. (Zugriff: 10.2.2022).
[11] Siehe Hesse, Jüdisches Leben, S. 78 f. Verheiratet war er laut GENI mit Sarah Meyer Rosenthal. Siehe https://www.geni.com/family-tree/index/6000000032863714540. (Zugriff: 10.2.2022).
[12] Siehe Hesse, Jüdisches Leben, S. 95.
[13] Ebd. S. 109. In einem weiteren Vermerkt ist folgende Beschränkung des Eigentums festgehalten: „Für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Brilon das Recht das Wohnhaus auf Flur 22, Nr. 17 zur Synagoge zu gehen, auch sich in der Wohnstube des Hauses wärmen zu dürfen.“ Ebd. Die Synagoge war, wie Hesse erläutert, nur ein Anbau am Wohnhaus der Familie Rothschild. Ursprünglich muss aber das gesamte Areal an der späteren Judengasse im Besitz der jüdischen Gemeinde gewesen sein.
[14] Ebd. S. 80. Julia hatte am 26.12.1826 eine uneheliche Tochter namens Läschen geboren. Der angebliche Vater Itzig Dannenbaum hatte die Vaterschaft aber damals nicht anerkannt, ebd. 263.
[15] Hesse, Jüdisches Leben, S. 263.
[16] https://www.geni.com/family-tree/index/6000000032863714540. (Zugriff: 10.2.2022). Julia ist hier nicht erwähnt.
[17] Hesse, Jüdisches Leben, S. 258.
[18] Die Annahme fester Familiennamen der Juden in Westfahlen. Die 1846/47 publizierten Verzeichnisse der preußischen Amtsblätter, 2. Fassung, hg. Duplica, Eleonora, Materialien der Historischen Kommission für Westfalen, Bd. 5, Münster 2017, S. 24 f.
[19] Hesse, Jüdisches Leben, S. 275. Ella Ruhstädt kam aus der Nachbargemeinde Oberalme, wo sie 1818 geboren worden war.
[20] Die folgenden Angaben zu den Geburten sind Hesse, Jüdisches Leben, S. 263 entnommen.
[21] Hesse, Jüdisches Leben, S. 273.
[22] Ebd. S. 109, dazu auch S. 94.
[23] Ebd. S. 300.
[24] Geburtsregister Brilon 100 / 1878.
[25] Hesse, Jüdisches Leben, S. 81
[26] Siehe insgesamt zur jüdischen Gemeinde im 18. und 19. Jahrhundert, Juden in Brilon, S. 12-16. In einem hier zitierten Text eines Franz Wedemann heißt es: „Die Juden pflegten jeden Handelszweig, soweit er gewinnbringend war. (…) Im gesellschaftlichen Leben der Stadt spielten sie immerhin eine Rolle, und zwar durch ihr Geld. (…) Ein Handwerk übte kein Jude aus, sie waren insgesamt Handels- und Geschäftsleute. (…) Auch Ackerwirtschaft war nicht ihre Sache.“ Ebd. S. 15.
[27] Ebd. S. 127. Laut einem Eintrag in der Schulakte von Moses Rothschild soll sein Vater Mitte des 19. Jahrhunderts Kornhändler gewesen sein, siehe Hesse, Jüdisches Leben, S. 251.
[28] Hesse, Jüdisches Leben, S. 139. 1892 bzw. 1893 kaufte Meyer Goldschmidt die Anteile der Schwäger ab und wurde alleiniger Eigentümer.
[29] Ebd. S. 141. Emma Rothschild soll danach nach Hamm gezogen sein.
[30] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/28819502/person/242157439004/facts?_phsrc=Ekt4999&_phstart=successSource. (Zugriff: 10.2.2022).
[31] Ebd. S. 251. Er besuchte das Gymnasium Petrinum von Januar 1860 bis Herbst 1865. Er wechselte damals zur Kaufmannsschule.
[32] HHStAW 518 866 (155).
[32] HHStAW 518 866
[33] Hesse, Jüdisches Leben, S. 139 f. Siehe hier auch zur wechselvollen Vorgeschichte des Hauses. Das Areal, wo das bisherige Haus stand, blieb als Gartengrundstück in den folgenden Jahren unbebaut. In den Steuerunterlagen aus 1935 wird sein Wert mit 5.600 RM angesetzt. Siehe HHStAW 685 686 Vermögensteuer (85).
[34] Geburtsregister Brilon 100 / 1878 und 83 / 1881.
[35] http://www.steinheim-institut.de:50580/bri_all.html. (Zugriff: 10.2.2022). Auf seinem Grabstein ist zu lesen:
Hier ist begraben
ein Mann, gerecht
auf all seinen Wegen,
Zierde aller
seiner Verwandten und Lieben,
Mosche, Sohn des Jaakow,
er ging ein in seine Welt
am 5. Tammus
668 der kleinen Zählung.
Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.
[36] Ebd.
[37] Hesse, Jüdisches Leben, S. 140. Unglücklich ist allerdings hier die Formulierung der Autorin, in der es heißt, dass Moses das Haus im Jahr 1924 für seinen Sohn aufließ. 1924 war der Vater seit 16 Jahren tot!
[38] Geburtsregister Brilon 29 / 1908.
[39] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/46039127:60901?lang=de-DE. (Zugriff: 10.2.2022) und Geburtsregister Brilon 93 / 1911.
[40] http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=bri-11&lang=de. (Zugriff: 10.2.2022)
[41] Heiratsregister Elberfeld 950 / 1927 und Geburtsregister Quakenbrück 78 / 1893. Die Eltern von Alma Levy waren Samuel Levy und Susanna Levy, geborene Kaufmann, beiden wohnhaft in Quakenbrück. Gewisse Unklarheiten gibt es bezüglich des Vornamens der Mutter von Alma. Im Heiratseintrag ist er mit Susanna angegeben. Auf ihrer Gestapokarteikarte und auch bei allen Eintragungen über ihre spätere Deportation und Ermordung dagegen mit Amalie. Ihr Schwiegersohn bezeichnet sie in einem Brief an das Finanzamt Wiesbaden dann als Emilie. Siehe HHStAW 685 686 b (o.P.). Dass es sich aber immer um die gleiche Person handeln muss, ergibt sich aus der Geburtsangabe, laut der sie am 4.11.1874 in Wevelinghoven, einem heutigen Stadtteil von Grevenbroich geboren wurde.
Die dortige jüdische Gemeinde hatte sich im frühen 19. Jahrhundert ursprünglich im benachbarten Badbergen gegründet. Seit dem Ende des Jahrhunderts stieg dann Quakenbrück zum Mittelpunkt des jüdischen Lebens in dieser Region auf. Die Gemeinde bestand aber nur aus wenige Familien, die dort zumeist den traditionellen Berufen als Metzger, Stoff- und Viehhändler nachgingen. Zwar wuchs die Gemeinde kontinuierlich, sodass sie um 1925 immerhin etwa 25 Mitglieder zählte und sogar inzwischen einen eigenen Friedhof und ein Bethaus mit Schulraum besaß. Das Verhältnis zwischen Juden und Christen wird man, wie in vielen solchen kleinen Gemeinden, als freundlich distanziert beschreiben können. Aber mit dem Machtantritt der Nazis und dem landesweiten Boykott Anfang April 1933 schlug auch die Stimmung in Quakenbrück um. Immer mehr Bewohner verließen in den folgenden Jahren den Ort und sogar das Land. 1939 war der gesamte Grundbesitz arisiert und im März 1941 war Quakenbrück „judenfrei“. Siehe https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/p-r/1608-quakenbrueck-niedersachsen. (Zugriff: 10.2.2022).
[42] HHStAW 686 686 a Einkommensteuer (o.P.). Er führte allerdings in seinem Schreiben an den Reichsfinanzminister an, dass ihn die schwierige Situation durch die lange Krankheit seiner Frau und die Inflation „Mitursache seiner Steuerverfehlung“ gewesen sei.
[43] HHStAW 685 686 Einkommensteuer (passim).
[44] HHStAW 518 866 (156). Elli Stein gibt bei dem Betrag von 160.000 als Währungseinheit – vermutlich versehentlich – DM statt, RM an. Die Tageseinnahmen hatte sie noch in RM beziffert. Eine Zeugin in dem Verfahren sagte sogar, dass Rothschilds „zu den reichsten Bürgern der Stadt“ gehörten, ebd. (29).
[45] Hesse, Jüdisches Leben, S. 107.
[46] Ebd. S.106 f., siehe zu den verschiedenen Funktionen der Familie Rothschild insgesamt ebd. S. 93-108.
[47] HHStAW 685 686 a (o.P.).
[48] HHStAW 685 686 Einkommensteuer (5).
[49] HHStAW 685 686 Umsatzsteuerakten (passim).
[50] HHStAW 518 866 (158).
[51] Juden in Brilon, S. 19.
[52] HHStAW 685 686 a Einkommensteuer (o.P.). Zur Erbschaft siehe http://erwin-emerich.de/die-jagd-nach-dem-millionenerbe. (Zugriff: 10.2.2022). Es gab wohl eine weitläufige verwandtschaftliche Verbindung mit der verstorbenen ersten Frau von Julius Rothschild.
[53] HHStAW 518 866 (156).
[54] Ebd. (161). Es liegt allerdings auch ein Schreiben der Gestapo vom 15.5.1939 an das Finanzamt Wiesbaden vor, laut dem Julius Rothschild für das Warenlager im November 1935 20.000 RM erhalten hatte, ihm weitere 20.000 RM bis Ende 1938 gezahlt werden sollten. Siehe HHStAW 685 686 b (98). Ob das dann tatsächlich der Fall war, ist ungewiss. In jedem Fall lag die Zahlung deutlich unter dem Wert der Waren.
[55] Juden in Brilon, S. 129. Falsch ist hier allerdings die Angabe, der Kaufvertrag sei erst im Dezember 1938 beurkundet worden. 1935 wurden das Geschäft und das Lager, nicht aber das Gebäude verkauft. Das geschah dann erst 1938.
[56] Kleebergs sind erstmals im Adressbuch von 1934/35, Sophie Cahen erstmals im Adressbuch 1936/37 als Bewohner der Stadt eingetragen.
[57] HHStAW 685 686 b (o.P.).
[58] Ebd. (95).
[59] Ebd. (4, 5).
[60] HHStAW 518 866 (61). Für die Zahlung der ersten Rate konnten zwar keine Belege mehr gefunden werden, aber die Entschädigungsstelle ging zurecht davon aus, dass ein Beleg über die zweite Rate, die Zahlung der ersten logischerweise zur Voraussetzung haben musste.
[61] HHStAW 685 686 b (2). Verwirrend sind die allerdings die sich widersprechenden Angaben in den Akten zum gezahlten Kaufpreis. Im Vertrag sowie in einem Schreiben des Steuerberaters von Hausmann, in dem die Gesamtsumme und die Aufteilung der Zahlung an die Steuerbehörde und auf das Sicherungskonto von Julius Rothschild bestätigt wurden, ist der Preis mit 30.000 RM angeben. Bei der Meldung über die Veräußerung der Immobilie durch die Finanzbehörde in Brilon an das Finanzamt Wiesbaden heißt es dagegen, dass der Preis 27.000 RM betrage. Den gleichen Preis hatte auch Julius Rothschild bei seinem Antrag auf Minderung der Vermögensteuervorauszahlung im Oktober 1939 angegeben, siehe HHStAW 685 686 b (107, 108), und auch der Sohn erinnerte sich später an diesen Kaufpreis, siehe HHStAW 518 866. (156). Möglicherweise rührt die Differenz daher, dass einmal das zusätzlich verkaufte Gartengrundstück mit berechnet wurde, im anderen Fall nicht. Möglicherweise war aber tatsächlich im Nachhinein auch noch einmal der tatsächliche Preis gedrückt worden. Der Antrag auf eine Neuberechnung der Steuervorauszahlung und damit eine rückwirkende Minderung wurde abgelehnt. Man stellte ihm stattdessen anheim, im folgenden Jahr eine solche Neuberechnung beantragen zu können.
[62] Ebd. Vermögensteuer (85).
[63] HHStAW 518 866 (161).
[64] HHStAW 685 686 b (9).
[65] Ebd. (o.P.). Siehe dazu auch ebd. (107), wo er nach dem Hausverkauf auch auf den Ausfall der monatlichen Miete von jährlich 1.550 RM hinweist.
[66] HHStAW 518 866 (25). Der eigentliche Skandal besteht aber darin, dass die Entschädigungsbehörde nach dem Krieg sich zunächst weigerte diese Zahlung zu entschädigen, weil kein entsprechender Beleg vorgezeigt werden konnte. Man ging aberwitzigerweise davon aus, dass das Gesuch positiv beschieden worden sei und der Staat verzichtet habe, obwohl die „Schuldner“ noch über Wertpapiere verfügten. Erst ein Beschluss der Entschädigungskammer vom 9.2.1955 hob diesen skandalösen Bescheid auf und gewährte die entsprechende Entschädigung, siehe ebd. (59-63). Man fragt sich, ob der erste Bescheid eher von historischer Unbedarftheit oder sogar von antisemitischen Ressentiments bestimmt war.
[67] https://www.mappingthelives.org/bio/cf4fe444-0843-4b3b-b1c9-3fbe5361bb9e. (Zugriff: 10.2.2022).
[68] Siehe oben den Abschnitt Die Umsiedlung im Kapitel über die Einrichtung der Judenhäuser
[69] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4861862&ind=1. (Zugriff: 10.2.2022)
[70] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 431.
[71] HHStAW 685 686 b (104).
[72] Hilde Bachmanns geschiedener Mann war 1938 in die USA ausgewandert. Auf der Liste X2, deren Autoren so wenig bekannt sind, wie die Umstände ihrer Entstehung, die zudem unvollständig ist und ausschließlich Frauen erfasst hat, ist Alma Rothschild enthalten. Hier ist allerdings ihre Adresse mit Martinsthaler Str. 2 angeben. Das war zwar eine Judenhausadresse, dennoch scheint die auf der Gestapokarteikarte gemachte Angabe auf Grund der präzisen Namensangabe von Frau Bachmann und der verwandtschaftlichen Beziehung zu ihr, die wahrscheinlichere zu sein.
[73] Liste X3 mit der Überschrift „Freigewordener Wohnraum von evakuierten Juden am 10.6.1942“.
[74] HHStAW 519/2 2175 I (o.P.).
[75] HHStAW 518 866 (26).
[76] Ebd. (27).
[77] Ebd. (59, erneut 144). Allerdings wurde in diesem Bescheid auf ein Rückerstattungs-Ergänzungsgesetz hingewiesen, auf dessen Grundlage die Geschädigten versuchen könnten, ihre Ansprüche erneut geltend zu machen.
[78] Ebd. (99).
[79] HHStAW 467/33 6470 (46).
[80] Falsch ist die Angabe in Juden in Brilon, S. 129, wonach die Deportation am 16.10.1942 stattgefunden haben soll.
[81] HHStAW 469/33 2394 (27).
[82] HHStAW 519/3 34737 (8).
[83] https://mappingthelives.org/bio/e00d6f5e-3703-4a99-a4a0-21d9786266fb und https://mappingthelives.org/bio/139f3aa2-d4db-417b-ac47-d016bfe11d91. (Zugriff: 10.2.2022).
[84] Hesse, Jüdisches Leben, S. 253. Das Petrinum, eine der ältesten Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen, war ursprünglich einem Minoritenkloster angeschlossen, ist aber seit der Säkularisation 1804 in staatlicher Hand und seit 1858 das Gymnasium der Stadt Brilon.
[85] HHStAW 685 686 a (o.P.).
[86] Juden in Brilon, S. 128. Eine Quelle für diese Angabe ist von den Autoren allerdings nicht angegeben.
[87] Ebd. S. 38.
[88] HHStAW 519/3 34737 (8).
[89] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=3693&h=53551055&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=1732. (Zugriff: 10.2.2022).
[90] HHStAW 518 32379 I (69), dazu Hesse, Jüdisches Leben, S. 253.
[91] In einem Schulprojekt der Gesamtschule Weierheide in Oberhausen, das sich unter dem Titel „Zukunft braucht Erinnerung“ mit dem Schicksal der Oberhausener jüdischen Bürger befasste, ist auch auf dieses Kaufhaus eingegangen, siehe https://www.ge-weierheide.de/wp-content/uploads/2018/11/MAGAZIN_LVR.pdf. (Zugriff: 10.2.2022). Siehe zum Schicksal der Familie Kleemann auch https://www.gedenkbuch-detmold.de/index.php/gedenkbuch/106-die-opfer-in-alphabetischer-reihenfolge/biographien/k-biographien/735-klestadt-irma-irene-geb-katz. (Zugriff: 10.2.2022)
[92] HHStAW 518 32379 I (23).
[93],Ebd. (17, 19).
[94] In der Passagierliste mussten die beiden ihre Geburtsdaten angeben. Demnach war Karl am 19.11.1894 wie seine Schwester in Quakenbrück, seine Frau Friedericke am 20.2.1890 in Bremerhaven geboren worden. Siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/17315733:1068?tid=&pid=&queryId=de4b40096a8ef276a9956764ca784ae5&_phsrc=Ekt4926&_phstart=successSource. (Zugriff: 10.2.2022).
[95] HHStAW 519/3 34737 (23).
[96] Ebd. (6).
[97] Ebd .(10 f.).
[98] Ebd. (12, 14).
[99] Ebd.(15, 21, 23).
[100] Dem widerspricht allerdings eine Einlassung im Entschädigungsverfahren, nach dem er in den Jahren 1936 bis 1947 ganz ohne Einnahmen gewesen sei, siehe HHStAW 518 32379 I (47). Vermutlich handelte es sich um eine Arbeit im Bereich der Schattenwirtschaft, die nicht offiziell angemeldet, aber dennoch entlohnt wurde. Nur konnten darüber keine amtlichen Belege vorgezeigt werden.
[101] Ebd. (21).
[102] Ebd. (20 ff.).
[103] In Kaufkraftparitäten umgerechnet entsprach sein Einkommen 1949 knapp 15.000 DM. Betrug Anfang der 50er Jahre aber nur noch zwischen 5.000 und 6.000 DM und fiel dann sogar auf ein Jahreseinkommen von etwa 1.500 DM, siehe Ebd. (47). Den Angaben ist nicht zu entnehmen, ob es sich dabei um das Brutto oder Nettoeinkommen handelte.
[104] HHStAW 519/3 34737 (8).
[105] HHStAW 518 32379 (8, 204-206). Der deutsche Arzt wollte aber eine „verfolgungsbedingte Gesamt-Erwerbsminderung“ seit 1940 nur bei 30 Prozent ansetzen.
[106] Ebd. (134). Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Verfolgungsschicksal und Tod wurde, anders als von den Hinterbliebenen gefordert, von einem Gutachter nicht gesehen. Ebd. (206). Dennoch wurde ihnen aufgrund des verfolgungsbedingten gesundheitlichen Schaden ihres Ehemanns bzw. Vaters 1967, also 5 Jahre nach seinem Tod, jeweils eine Rente zugestanden.
[107] Ebd. (180).
[108] Ebd. (215).