Max und Martha Bacharach, geborene Weiß


Jacob Heymann, Gütchen Simon Heymann, Julius Heymann Heuer, Emma Culp Heymann Heuer, Elsa Heuer, Julius Hirsch, Hermann Heymann Johanna Levitta Heymann, Franz Josef Heymann, Frank Joseph Heyman, Fritz Karl Heymann, Rosa Heymann, Sophie Heymann, Moritz Heymann, Elisa Cahn Heymann, Betti Heymann Frank, Ernst Friedrich Frank, Rosi Ruth Heymann, Margarethe Grete Heymann David, Theodor David, Emil Heymann, Rosa Heymann, Melanie Heymann, Melanie Weyl, Melanie Altschul, Judenhaus Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 64, Moritzstr. 15, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Das ehemalige Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 64 heute
Eigene Aufnahme
Jacob Heymann, Gütchen Simon Heymann, Julius Heymann Heuer, Emma Culp Heymann Heuer, Elsa Heuer, Julius Hirsch, Hermann Heymann Johanna Levitta Heymann, Franz Josef Heymann, Frank Joseph Heyman, Fritz Karl Heymann, Rosa Heymann, Sophie Heymann, Moritz Heymann, Elisa Cahn Heymann, Betti Heymann Frank, Ernst Friedrich Frank, Rosi Ruth Heymann, Margarethe Grete Heymann David, Theodor David, Emil Heymann, Rosa Heymann, Melanie Heymann, Melanie Weyl, Melanie Altschul, Judenhaus Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 64, Moritzstr. 15, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Lage des ehemaligen Judenhauses
Belegung des Judenhauses Kaiser-Friedrich-Ring 64

 

 

 

 

 

 

 


Wiesbaden, die Kurstadt zwischen Taunus und Rhein, an der Pforte zum Rheingau gelegen, übte im Besonderen in der Wilhelminischen Ära, aber auch noch danach eine besondere Attraktivität auf betuchte Privatiers, gerade auch auf vermögende jüdische Ruheständler aus: Heiße Quellen, wunderschöne Kuranlagen, ein vom Historismus geprägtes, fast schon kitschig-schönes Straßenbild, herrschaftliche Villen, gute Restaurants und nur kurze Wege in den Rheingau mit seinen erlesenen Weinen. Die Industrie, der man seinen Reichtum zumeist zu verdanken hatte, lag mit ihren sozialen Problemen im alltäglichen Leben eher unsichtbar, außerhalb der Stadt in den Vororten wie Biebrich oder Amöneburg. Es war der ideale Ort, um den erworbenen Reichtum in den letzten Jahren des Lebens noch einmal in vollen Zügen zu genießen. All das wird auch Max und Martha Bacharach, ein ebenfalls sehr vermögendes jüdisches Ehepaar, dazu bewogen haben, sich hier niederzulassen, wenngleich auf alle diese Vorzüge durch den politischen Machtwechsel auch in Wiesbaden zum Zeitpunkt ihres Umzugs ein dunkler Schatten gefallen war, besonders für Juden.

Schon bei den Reichstagswahlen 1930 war die NSDAP zur stärksten Partei geworden und in der Wählergunst lag sie in Wiesbaden immer deutlich über dem Reichsdurchschnitt. Und auch der Niedergang der Kurindustrie, der nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr aufzuhalten war, stürzte die Stadt zunehmend in finanzielle Probleme, die durch die wachsende Verelendung vieler, die vormals in diesem Sektor Lohn und Brot verdient hatten, noch weiter verschärft wurden.

Das ‚Palast-Hotel‘ in Wiesbaden
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Vermutlich wehte auf dem Rathaus auch schon die Hakenkreuzfahne, als das Ehepaar Bacharach im Lauf des Jahres 1933 nach Wiesbaden kam und zunächst im Hotel Kaiserhof [Bild] logierte, bis es am 11. Dezember 1933 ihre erste angemietete Wohnung in der Parkstr. 7. beziehen konnte.[1] Aber auch die stellte nur eine kurzfristige Zwischenlösung dar. Am 4. April des folgenden Jahres zogen die beiden in die Sonnenberger Str. 17 auf der gegenüberliegenden Seite des Kurparks, wo ihnen die Erdgeschosswohnung der unmittelbar am Park gelegenen wunderschönen Villa in den folgenden Jahren zum neuen Zuhause wurde, bis die Nazis sie daraus vertrieben.[2]

Max Bacharach um 1910
Archiv Aktives Museum Spiegelgasse

Wie groß das Vermögen von Max und Martha Bacharach war, lässt sich nur noch grob rekonstruieren, da es immer wieder umgelagert wurde. Wertpapiere wurden veräußert, Immobilien verkauft und andere erworben, Bürgschaften und Kredite wurden gewährt, aber man war andererseits mit Hypotheken oder anderen Verschreibungen auch finanzielle Verpflichtungen eingegangen. In seiner Vermögensteuererklärung des Jahres 1924, die Max Bacharach noch in Augsburg abgegeben hatte, bezifferte er sein damaliges Vermögen auf 62.000 Goldmarkt, die neu eingeführte Währung, die nach der Hyperinflation der vergangenen Jahre eine realistische Sicht auf den tatsächlichen Warenwert ermöglichen sollte. Das Finanzamt Augsburg kam damals bei seinen Berechnungen sogar auf ein steuerlich zu veranlagendes Vermögen von 92.000 GM.[3] In den folgenden eineinhalb Jahrzehnten konnte Max Bacharach, trotz der Weltwirtschaftskrise und der folgenden politischen Restriktionen sein Vermögen noch einmal beträchtlich vermehren. 1938 soll es rund 260.000 RM betragen haben, [4] und die Entschädigungsbehörde war nach dem Krieg auf einen berechtigten Anspruch des überlebenden Erben Werner Stadthagen in der Höhe von 276.000 DM (!) gekommen.[5]

Stammbaum Bacharach
Stammbaum der Familien Bacharach – Bergmann und Waitzfelder
GDB

Dieser Reichtum gründete vor allem auf der Firma ‚Bacharach & Waitzfelder’, die vermutlich schon in den vorherigen Generationen in Augsburg gegründet worden war. In dieser alten bayrischen Stadt war Max Bacharach am 7. Juni 1872 als Sohn von Salomon und Jette Bacharach, geborene Bergmann, zur Welt gekommen.[6] Seine Eltern, die beide ursprünglich aus Fellheim bei Memmingen stammten, waren 1862 in die süddeutsche Handelsmetropole gezogen. Salomon Bacharach ist zusammen mit seinem Partner David Loeffler, bzw. ursprünglich Levinger, bereits im Handelsregister des Königreichs Bayern aus dem Jahr 1871 als Eigentümer einer Ledergroßhandlung in Augsburg eingetragen.[7]

Handelsregistereintrag aus dem Jahr 1871

David Loeffler, geborenen am 17. Juni 1817 im bayrischen Hürben, war der Schwager von Salomon und Jette Bacharach.[8] Er hatte zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Salomons ältere, am 26. August 1849 ebenfalls in Fellheim geborene Schwester Emilie Mina geheiratet.[9]
In der Ehe von David und Emilie Mina Loeffler war am 26. August 1849 ebenfalls in Fellheim die Tochter Käthe geboren worden, über die die Verbindung zur Waitzfelder-Familie zustande kam. Käthe heiratete am 23. März 1871 den am 26. Oktober 1844 in Mönchsdeggingen geborenen Jakob Waitzfelder.[10] Max Bacharach war somit der Cousin von Jakob Waitzfelders Frau Käthe. Diese verstarb allerdings schon am 26. Mai 1872 in Augsburg mit nur 22 Jahren, ohne dass ein Kind aus dieser Beziehung hervorgegangen wäre.

Obwohl Jakob Waitzfelder später eine weitere Ehe mit Deborah Oettinger einging, scheint die unternehmerische Zusammenarbeit der beiden Familien Bacharach und Waitzfelder davon unberührt geblieben zu sein. In dieser zweiten Ehe von Jakob Waitzfelder wurde am 22. Mai 1875 ein Sohn geboren, der im Andenken an seinen Großvater den Namen Bernhard erhielt und nach dem Tod seines Vaters am 13. November 1903 dessen Stelle in der Firma einnahm. Bereits 1907 hatte Salomon Bacharach die unternehmerische Verantwortung in seiner Familie an die nächste Generation, d.h. seinen Sohn Max, übergeben. Salomon Bacharach verstarb am 21. Oktober 1915, seine Frau Jette drei Jahre später am 12. November 1918.[11]. Bernhard Waitzfelder und Max Bacharach, beide in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts geboren, waren – obwohl im Stammbaum unterschiedlichen Generationen zugeordnet – etwa gleich alt und beide mussten gegen Ende ihres Lebens mit ihren jeweiligen Ehefrauen noch die Machtübernahme der Nazis erleben, mehr noch, sie fielen alle vier dem Rassenwahn des NS-Systems zum Opfer.

Aus der Ehe von Bernhard Waitzfelder mit der 1882 in Augsburg geborenen Karoline Levy gingen drei Kinder hervor, von denen die beiden Söhne rechtzeitig aus Deutschland fliehen konnten. Die Tochter Elsa verstarb, bevor die Nazis zur Macht kamen.[12] Ihre Eltern dagegen wurden im Herbst 1941 aus ihrem Haus in der Hermannstr. 5 vertrieben und in eines der auch in Augsburg eingerichteten Judenhäuser eingewiesen. Aus diesem Haus in der Hallstr. 14 wurden sie nach etwa einem halben Jahr am 1. April 1941 in das Ghetto Piaski deportiert. Niemand hat danach noch etwas von ihnen gehört.[13]

Jacques und Martha Stadthagen, später verheiratete Bacharach
Archiv Aktives Museum Spiegelgasse

Die am 24. Oktober 1912 in Berlin Charlottenburg geschlossene Ehe von Max Bacharach und Martha Weiß blieb dagegen kinderlos. Martha war die Tochter des Kaufmanns Zacharias Weiß und dessen Frau Johanna / Chaje, geborene Callomon, aus Breslau, die sich aber inzwischen in Berlin niedergelassen hatten.[14] Für Martha Weiß war es bereits die zweite Ehe. Laut Heiratsurkunde war sie zuvor mit dem jüdischen Kaufmann Jacques Stadthagen verheiratet, über den ansonsten nichts bekannt ist. Aber ein Bild der beiden ist immerhin erhalten geblieben. Sicher ist, dass aus dieser Beziehung am 22. August 1888 in Berlin der Sohn Werner hervorgegangen war.[15] Die Trennung muss aber sehr bald nach dessen Geburt erfolgt sein, denn Werner war zum Zeitpunkt der Neuverheiratung seiner Mutter gerade mal drei Jahre alt. Er wuchs somit in der neu gegründeten Familie mit seinem Stiefvater in Augsburg auf, wo sie in der Karlstr. 79 im zweiten Stockwerk des Firmensitzes ihre Wohnung hatten.[16] Auch die Eltern von Max Bacharach wohnten bis zu ihrem Tod mit in diesem Haus. Salomon Bacharach verstarb am 21. Oktober 1915, seine Frau Jette drei Jahre später am 12. November 1918.[17] Im Laufe der Jahre war aber Max Bacharach mit seiner Familie aus der Karlstraße ausgezogen, war zunächst in die Schaetzlerstr. 19, dann vor seinem Umzug nach Wiesbaden noch in die Frölichstr. 8 umgezogen. 1924/25 – die Hintergründe dafür konnten nicht in Erfahrung gebracht werden – wurde dann auch das Firmengrundstück in der Karlstr. 79 für 150.000 RM an einen L. Gabler veräußert, wovon Max Bacharach die Hälfte erhielt.[18] Dafür erwarb er nun in Berlin zwei Anwesen, einmal in der Roelckestr. 18, dann noch das Haus in der Spichernstr. 22, allerdings nur mit einem halben Anteil.[19] Die andere Hälfte hatte sein Schwager Gerhard Meyer übernommen. Gerhard Meyer war seit dem 18. März 1919 in Berlin mit Martha Bacharachs Schwester Hertha Erna Weiß verheiratet.[20]

Der nur noch in einer schlechten Kopie erhaltene Studentenausweis von Werner Stadthagen aus Lyon
HHStAW 518 39589 (81)

Die Investition von Kapital in Berliner Immobilien hatte vermutlich schon etwas mit dem allmählichen Rückzug von Max Bacharach aus der Firma in Augsburg zu tun. Offensichtlich hatte auch der Stiefsohn Werner eigentlich andere als unternehmerische Interessen, denn er widmete sich nach seinem Schulabschluss dem Erlernen von verschiedenen Sprachen. Zumindest hielt er sich in den Jahren 1928 / 29 in Lyon auf, wo er Latein und Griechisch studierte. Den Sommer des folgenden Jahres verbrachte er in England, um dort seine englischen Sprachkenntnisse zu verbessern. Ob er tatsächlich einen Abschluss als Dolmetscher für die Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Schwedisch abgelegt hatte, wie er in seinem Entschädigungsverfahren angab, wurde wegen fehlender Abschlusszeugnisse von der zuständigen Behörde in Frage gestellt.[21]

Als er dann nach seiner Rückkehr aus England in Deutschland keine Stelle als Dolmetscher fand, gründete er in Stuttgart ein eigenes Lederhandelsgeschäft. Das erfährt man aus einer Eingabe der ‚Vereinigung Wiesbadener Lederhändler’ beim Finanzamt Wiesbaden, in dem diese Max Bacharach beschuldigte, ohne Anmeldung Geschäfte mit Leder zu betreiben und dafür auch keine Steuern abzuführen. Obwohl damals die Nazis seit fast drei Jahren die Behörden mit ihrer antisemitischen Propaganda durchsetzt hatten, wurde die Verleumdung offenbar nach gründlicher Untersuchung ein halbes Jahr später als unbegründet zurückgewiesen. Max Bacharach unterhalte – so hieß es – für seinen Stiefsohn in Stuttgart ein kleinen Lederlager in Wiesbaden. Er besuche in dessen Namen verschiedene Kunden, nehme Aufträge an und beliefere diese – ohne selbst jegliche Provision zu erhalten – auf Rechnung von Werner Stadthagen, der die Einkünfte auch vorschriftsmäßig versteuere. Max Bacharach betreibe somit kein umsatzsteuerpflichtiges Gewerbe.[22]

Max Bacharach war spätestens mit seinem Umzug nach Wiesbaden aus dem operativen Geschäft seines ehemaligen Unternehmens ausgestiegen, hatte aber wie man den Steuererklärungen entnehmen kann, noch Einlagen in der Firma und war auch weiterhin durch eine Bürgschaft in der Höhe von rund 45.000 RM  mit ihr verbunden.[23] Als Gesellschafter hatte er sich aber bereits 1931 zurückgezogen. Seine Stelle nahm damals ein Friedrich Wiedemann ein, der 1938 im Zuge der Arisierung des Unternehmens alleiniger Inhaber wurde.[24]

Das Haus in der Sonnenberger Str. 17, in dem die Bacharachs die Hochparterre bewohnten
Eigene Aufnahme

Die Einkünfte, die Bacharachs auch nach dem Umzug weiterhin – trotz aller antisemitischer Anfeindungen im Alltagsleben, von denen sie ganz sicher nicht verschont blieben – ein relativ sorgenfreies Leben ermöglichten, flossen jetzt primär aus ihrem Immobilienbesitz in Berlin und aus den Wertpapieren. Bei der Spichernstr. 22 handelte es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus in Berlin mit einem Gesamtwert von 185.000 RM im Jahr 1938, wovon auf Max Bacharach der halbe Anteil entfiel, der Wert des Wohnhauses in der Roelckestr. 18, das in seinem alleinigen Besitz war, belief sich auf 110.000 RM.[25]
So wurden ihm im Jahr 1937 aus den Einkünften der Grundstücksgemeinschaft Spichernstraße, die Immobilie, die er zusammen mit Gerhard Meyer besaß, nach Abzug aller Kosten 50 Prozent des Gesamtgewinns von rund 7.000 RM gutgeschrieben.[26] Insgesamt belief sich das jährlich zu versteuernde Einkommen des Ehepaars in den Jahren 1933 bis 1938 zwischen 9.600 RM und 13.4000 RM, wobei die Tendenz bis zu diesem letzten Jahr sogar immer nach oben zeigte. Aber schon 1938 stagnierten die Einkünfte dann doch, waren sogar um 1.000 RM niedriger als im Vorjahr. Danach fielen sie dann deutlich ab: 1939 noch 8.6000 RM, dann 6.100 RM und im Jahr 1941 nur noch etwas weniger als 6.000 RM.[27]

In diesen letzten Zahlen spiegelt sich schon der dreiste Raub wider, der von allen früheren Sonderbelastungen der Juden im Steuerrecht abgesehen, spätestens im Jahr 1938 begann. Schon im September dieses Jahres waren die Konten der Bacharachs per Sicherungsanordnung gesperrt worden, sodass Ausgaben nur noch mit Genehmigung der Devisenstelle getätigt werden durften.[28] Grund für diese Maßnahme war angeblich die Befürchtung, Bacharachs könnten mit ihrem Vermögen von damals etwa 260.000 RM Deutschland verlassen. Deshalb wurde umgehend auch eine Reichsfluchtsteuer gefordert, die auf 25 Prozent der Vermögenswerte, d.h. auf 64.700 RM, festgelegt wurde.[29] Die Sicherheit dafür war innerhalb von einer Woche zu hinterlegen, d.h. es blieb den Steuerpflichtigen gar nichts anderes möglich, als Wertpapiere in größerem Umfang zu veräußern oder zugunsten des Deutschen Reiches zu sperren.[30] Auf den Antrag seines Steuerberaters wurde ihm damals noch ein außergewöhnlich hoher Freibetrag von 1.500 RM monatlich gewährt,[31] das Zehnfache von dem was ärmeren Juden zu Verfügung stand.

Offensichtlich stand diese frühe Kontensperrung im Zusammenhang mit der Inhaftierung ihres Sohnes bzw. Stiefsohns in Stuttgart durch die Gestapo. Schon am 16 Januar 1937 war er als „politischer Jude“ in Schutzhaft genommen und zunächst nach Dachau verbracht worden. Nach eineinhalb Jahren, am 22. September 1938, überführte man ihn dann in das Konzentrationslager Buchenwald und hielt ihn dort bis zum 15. April 1939 fest.[32]
Als er in Buchenwald ankam – er war mit der Häftlingsnummer 8833 im Block 3 einquartiert worden -, brachte er neben dem, was er auf dem Leib trug, nur ein kleines Bündel mit Ersatzkleidung mit, das er in der Effektenkammer abgeben musste. Zwar liegen nur die Geldverwaltungskarten von Buchenwald vor, aber auch schon in Dachau werden ihn die Eltern soweit als möglich mit Geld unterstützt haben, sodass er sich in diesem korrupten KZ-System die allernötigsten Sachen zum Erhalt des Lebens hat besorgen können.

Karte von Martha Bacharach an die Kommandatur in Buchenwald
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0765/52287234/001.jpg

Abgesehen von dem alltäglichen Terror, hatte er sich durch die harte Arbeit einen Bruch zugezogen, der im Lager nur notdürftig operiert werden konnte und seine Gesundheit auf Dauer beeinträchtigte. Besonders die Mutter war in größter Sorge, als sie, die seit acht Wochen keine Nachricht mehr von ihrem Sohn erhalten hatte, Mitte Januar 1939 an den Lagerleiter von Buchenwald schrieb. Ob sie eine Antwort auf ihre Anfrage erhielt, ist ungewiss. Aber einen Monat später scheint seine Entlassung konkretere Formen angenommen zu haben. Die Eltern hatten alle notwendigen Papiere – Geburtsurkunde, Atteste, Visa und Leumundszeugnisse – ins Lager geschickt, um die letzten Formalitäten für seine Freilassung und anschließende Auswanderung zu erledigen.[33]

Werner Stadthagen Buchenwald
Vorbereitung auf die Auswanderung von Werner
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0765/52287235/001.jpg

Werner Stadthagen hatte nie verstanden, weshalb gerade er so früh und so lange verhaftet worden war, „ohne (sich) jemals politisch gegen die Nazi Regierung betätigt“ zu haben.[34] Diese Aussage machte er in seinem Entschädigungsverfahren, in dem es eher opportun gewesen wäre, sich als aktiver Nazigegner darzustellen. Er vermutete, ohne aber eine konkrete Person benennen zu können, dass er unter den führenden Nazis einen persönlichen Feind gehabt haben musste, der für dieses Leid verantwortlich war. Er sei als „starker, kräftiger Mann“ in das KZ eingeliefert worden und als „ein an Leib und Seele gebrochener Mensch“ entlassen worden.[35]

Nach seiner Entlassung kehrte er nicht nach Stuttgart zurück, sondern kam nach Wiesbaden und zog bei seinen Eltern in der Sonnenberger Straße ein, um von dort aus seine Ausreise nach Afrika anzutreten. Rhodesien war damals eines der wenigen Länder, die noch bereit waren, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Aber auch dort in Afrika erwartete ihn nach seiner gelungenen Flucht eine schwere Zeit.

Buchenwald Werner Stadthagen
Entlassungsschein von Werner Stadthagen aus Buchenwald
Buchenwald
Rückseite
HHStAW 518 39589 (8)

 

 

 

 

 

 

 

Dass es einen Zusammenhang zwischen der gegen die Eltern gerichteten Sicherungsanordnung und der offenbar schon im Sommer 1938 geplanten Ausreise des Sohnes gab, ergibt sich aus der Begründung der am 31. August 1938 von der Zollfahndungsstelle Mainz beantragten Maßnahme. Es heißt dort explizit: „Ein Sohn des Bacharach befindet sich zurzeit im Konzentrationslager in Dachau und beabsichtigt auszuwandern, sobald er aus dem Konzentrationslager entlassen ist. Es besteht der Verdacht, dass Max Bacharach auswandert und Vermögenswerte entgegen den Devisenbestimmungen ins Ausland verbringt.“[36] Allerdings dauerte es noch bis zum 18. November, bis die Devisenstelle in Frankfurt dieser Aufforderung nachkam.[37]

In diesem Zeitraum war aber vom Fiskus nicht nur die Reichsfluchtsteuer gesichert worden, es hatten auch die Novemberpogrome stattgefunden, die für die Steuerbehörde einen neuen Anlass zum Raub jüdischer Vermögen lieferte. Die sogenannte Sühneleistung war im Februar 1939 auf der Basis eines Gesamtvermögens von 310.000 RM berechnet worden, wovon etwa eine Drittel aus Immobilien, der Rest aus Wertpapieren bestand – Betriebsvermögen war nicht mehr vorhanden. Insgesamt bedeutete das die Abgabepflicht von zunächst 62.000 RM in vier Raten von je 15.500 RM. Ein Jahr später wurde dann auch die fünfte Rate in gleicher Höhe eingetrieben.[38]

Verkauf des Hauses Roelckestr. 18 in Berlin
HHStAW 685 23 b (82)

Noch bevor diese Berechnung gemacht worden war, hatte Max Bacharach sich von seinen Berliner Immobilien getrennt. Das Haus in der Roelckestr. 18 war am 24. August 1938 für 112.000 RM, etwa 10 Prozent über dem Einheitswert, an zwei Berliner Geschäftsleute verkauft worden.[39] Danach wurde am 18. Oktober 1938 auch ein Verkaufsvertrag über das Haus Spichernstr. 22 abgeschlossen. Dieser Immobilie mit einem 1935 taxierten Einheitswert von 170.000 RM wurde für 204.500 RM veräußert. Aber auch sie war mit einer Hypothek über 85.000 RM belastet, sodass insgesamt rund 120.000 RM auf die beiden bisherigen Eigentümer entfielen.[40] Max Bacharach wurde gestattet, den Betrag in Wertpapieren anzulegen, wenn diese dem gesicherten Depot zugefügt wurden.[41]

Sühneleistung Bacharach
Berechnung für die ersten 4 Raten der Sühneleistung
HHStAW 685 23 c (21)

Weshalb man sich zu diesem Schritt entschlossen hatte, ist nicht klar, denn im Sommer 1938 verfügte man noch über genügend liquide Mittel, um die Reichsfluchtsteuer zahlen zu können und die Pogrome mit ihren finanziellen Folgen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Vielleicht wollte man sich frühzeitig von unnötigem Ballast befreien und das Vermögen möglichst flexibel gestalten, um eine eigene Auswanderung gegebenenfalls relativ schnell bewerkstelligen zu können. Auch Gerhard Meyer muss in diesem Zeitraum mit seiner Familie die Ausreise nach Palästina in Angriff genommen haben und wird daher auch zum Verkauf des Hauses gedrängt haben. Meyers werden vermutlich sehr bald nach dem Verkauf des Hauses emigriert sein, denn Max Bacharach hatte ihnen dafür 10.000 RM aus dem Verkauf des Hauses vorgestreckt. Vermutlich war zu lange Zeit zwischen Verkauf und der Erteilung aller Genehmigungen vergangen, bevor die Verkäufer, die sicher eine Schiffspassage fest gebucht hatten, tatsächlich auf das Geld zugreifen konnten. Im Juli 1941 wurde der Betrag vom Auswanderersperrguthaben der Meyers auf das gesperrte Konto von Max Bacharach zurückgezahlt.[42]

Dass auch Bacharachs 1938 an eine Auswanderung gedacht hatten, aber damals auch schon mit der Möglichkeit einer zwangsweisen Umsiedlung rechneten, zeigt ein Schenkungsvertrag, den sie am 23. Dezember 1938 mit ihrer katholischen Haushälterin, der ledigen Lina Waltenheimer notariell abschlossen. Diese stand schon seit 25 Jahren in ihren Diensten, war von Augsburg mit nach Wiesbaden gezogen und wurde in all den Jahren quasi als Familienmitglied behandelt. Man hatte ihr ursprünglich zugesichert, dass sie bis an ihr Lebensende bei Bacharachs bleiben könne. Angesichts der unsicheren Perspektive, die spätestens seit den Nürnberger Gesetzen für nichtjüdische Hausangestellte in jüdischen Häusern bestand, wollten Bacharachs ihr Versprechen mittels einer Schenkung vorab einlösen. In dem Vertrag heißt es:
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Durch die inzwischen eingetretenen Verhältnisse und weil wir Juden sind kommt für uns die Frage, ob wir unseren Wohnsitz, sei es freiwillig oder durch Gesetzgebung veranlasst, in das Ausland verlegen müssen und dass es uns dann vielleicht nicht möglich sein wird, unsere treue Angestellte, Fräulein Waltenheimer, mit uns nehmen zu können.
In Anbetracht der treuen Dienste, die uns das Fräulein Waltenheimer in der Vergangenheit geleistet hat, geben wir Ihr eine freiwillige Abfindung von Rm. 8000.- in Worten: Achttausend Reichsmark – und zwar werden wir ihr diesen Betrag wie folgt geben:
a) einen Betrag von Rm. 5000.- in Wertpapieren
b) den Rest von Rm. 3000.- demnächst oder bei unserer Auswanderung und zwar behalten wir uns vor, ihr den Restbetrag in baar zu geben oder aber, falls wir bei unserer Auswanderung unsere Möbel nicht mitnehmen können, für diesen Betrag entsprechende Möbelwerte oder sonstige Hauseinrichtungsgegenstände.
4. Fräulein Waltenheimer erklärt:
Ich erkenne dankbar die freiwillige Zuwendung, die das Ehepaar Bacharach mir in dieser Urkunde gegeben hat, an und verpflichte mich solange es die Gesetze erlauben, bei dem Ehepaar Bacharach zu bleiben, zu meinem bisherigen Lohne und zwar solange, als sich das Ehepaar Bacharach in Deutschland aufhält.“[43]

Diese Schenkung war bei weitem nicht die einzige. Immer wieder findet man in den Unterlagen Formulare oder auch einfache Schreiben, mit denen Max Bacharach die Devisenstelle um die Genehmigung bat, Gelder an hilfsbedürftige Personen, Verwandte oder Bekannte, geben zu dürfen. Eine Ablehnung solcher Gesuche ist in den Akten nicht zu finden. Das Geld blieb ja auch in Deutschland und trug zudem dazu bei, mögliche wachsende soziale Spannungen zu entschärfen.
Bereits 1937 hatte Max Bacharach im Zusammenhang mit seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1936 dem Finanzamt gemeldet, dass er mehr als 2.000 RM zur „Unterstützung für verarmte Verwandte“ aufgewendet habe. Im einzelnen benannte er darin seinen Bruder Joseph, der damals in Berlin in der Hirschbergstr. 2 lebte und mit 900 RM den höchsten Betrag erhalten hatte. Bei dem „Onkel Colomon“ in Breslau handelte es sich vermutlich um einen Bruder der Mutter seiner Frau, die eine geborene Callomon war.[44] Er hatte 240 RM erhalten. Mit jeweils 250 RM waren ein Sigmund und eine Cloe bedacht worden. Das waren die Kinder von Max Bacharachs Schwester Peppi, die mit Jakob Rosenfels verheiratet war. Die Tochter Cloe war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich bereits selbst verheiratet, denn sie erscheint in der Auflistung als Cloe Neuburger. Beide Geschwister lebten damals in Hamburg, allerdings in verschiedenen Wohnungen. Auch der Stiefsohn Werner Stadthagen ist hier mit 480 RM aufgeführt.[45]

Eidesstattliche Erklärung von Max Rikoff über seine „Rassezugehörigkeit
HHStAW 519/3 1084 (29)

Einen zweiten großen Betrag erhielt der Kaufmann Max Rikoff, wohnhaft in der Friedrichstr. 16 in Wiesbaden. In diesem Fall ging es sogar um 19.000 RM, die aus dem Verkauf eines der Häuser in Berlin, vermutlich des zweiten, aufgebracht werden sollten.[46] Über den Grund für die Schenkung heißt es in dem Vertrag, dass die verstorbenen Eltern des Beschenkten, Max und Anna Rikoff, schon viele Jahre mit Bacharachs befreundet gewesen seien und sie ihnen „in vermögensrechtlicher Hinsicht zur Seite gestanden“ hätten. In dankbarer Erinnerung an diese Freundschaft wollten sie dem Sohn „zur Sicherstellung seiner Zukunft und Ermöglichung einer ausbaufähigen Selbstständigkeit“ dieses Geschenk machen.[47] Damit die Schenkung Rechtskraft erhalten konnte, bedurfte es einer eidesstattlichen Erklärung seitens des Beschenkten, in der er seine Rassezugehörigkeit offenbarte. Demnach gehörten sein Vater sowie dessen Eltern und Großeltern der jüdischen Religionsgemeinschaft an, seine Mutter hingegen war Katholikin, sodass er selbst den Status eines „Mischlings ersten Grades“ hatte.[48]

Als Max Bacharach der bisher recht hohe Freibetrag im Juli 1940 auf 800 RM monatlich gekürzt werde sollte, bat er darum, ihn wenigstens bei 1090 RM zu belassen. Die Devisenstelle verlangte daraufhin eine Aufstellung seines damaligen Vermögens und Einkommens. Ersteres belief sich noch immer auf 162.000 RM, sein gegenwärtiges Einkommen auf 8.500 RM. Seine Ausgaben bezifferte er auf die erbetenen 1090 RM, darunter laufende monatliche Zuwendungen an Nichten und Neffen in der Höhe von 100 RM und für einen Bruder, vermutlich Joseph, in Höhe von 75 RM. In einem ergänzenden Schreiben wies er noch darauf hin, dass sie beide pflegebedürftige, alte Menschen seien, seine Frau in ständiger ärztlicher Behandlung stehe und auch ihre Hausangestellte mittlerweile über 60 Jahre alt sei und „in der Lebenshaltung seit jeher vollständig gleich behandelt“ würde. Am Schluss heißt es: „Ich bitte auch zu berücksichtigen, dass ich zwangsläufig notwendige hohe Unterstützungsgelder an Verwandte und Glaubensgenossen zu leisten habe.“[49] Keine Frage, er wusste, was man von ihm erwartete. Auch die Devisenstelle gab faktisch diesen Betrag frei, wenngleich sie die Zuwendungen durch eine gesonderte Genehmigung erlaubte.[50]

Max Bacharach, Martha Bacharach Weiß, Salomon Bacharach, Jette Bacharach Bergmann, Regina Rosenfeld Bergmann, Siegmund Rosenfeld, Werner Stadthagen, Jakob Rosenfels, Rebekka Peppi Rosenfels, Bacharach, Josef Bacharach, Otto Bacharach Emilie Mina Bacharach Loeffler Levinger, David Loeffler, Levinger, Juden Augsburg, Judenhaus Judenhäuser Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 64, Klaus Flick
Max Bacharach unterstützt Martha und Gertrude Flörsheimer mit Geldmitteln
HHStAW 519/3 1084 (46)

Eine einmalige Unterstützung von 75 RM erhielt im Dezember 1940 Frieda Flörsheim[er] für den Besuch eines Unterrichtskurses – vermutlich zur Vorbereitung auf ihre Auswanderung, die allerdings nicht mehr gelang. Deren Mutter Martha Flörsheim[er], die mit der Tochter zusammen im Kaiser-Friedrich-Ring 20 wohnte, wollte Max Bacharach monatlich mit 30 RM unterstützen. Auch für diese Gelder erteilte die Devisenstelle ohne Umschweife die Genehmigung.[51]

Am 14. August 1941 bat Max Bacharach darum, dem „armen, sehr kranken, bedürftigen und schwer nierenleidenden“ Viktor Herzfeld in Essen monatlich mit 50 RM helfen zu dürfen.[52] Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der am 2. November 1893 in Bochum geborene Viktor Herzfeld mit Max Bacharach verwandt war, aber er, der eigentlich in Essen wohnte, pendelte möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen mehrfach zwischen Essen und Wiesbaden hin und her. In Wiesbaden wohnte er dann immer bei Bacharachs in der Sonnenberger Straße. Vielleicht beruhte die Beziehung auf einer alten Freundschaft.[53]

Bacharach Richard-Wagner-Sr. 3
Umzug in die Richard-Wagner-Str. 3
HHStAW 519/3 1084 (60)

Als Max Bacharach dieses Gesuch an die Devisenstelle richtete, hatte er nicht mehr die Sonnenberger Str. 17, sondern die Richard Wagner Str. 3 als seine Adresse angegeben. Das war der Behörde aufgefallen und weil ihr jeder Wohnungswechsel sofort mitzuteilen war, genehmigte sie zwar die Zahlungen, drohte aber auch „bei nochmaliger Zuwiderhandlung gegen meine Vorschriften Strafanzeige zu erstatten.“.[54] Laut Eintrag auf seiner Gestapokarteikarte war Max Bacharach mit seiner Frau bereits am 10. Mai 1941 in die Richard-Wagner-Straße umgezogen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Aber wahrscheinlich trifft zu, was im späteren Entschädigungsverfahren von Rechtsanwalt Dietz geäußert worden war: „Durch die damaligen Machthaber wurde das Ehepaar Bacharach aus der Wohnung [Sonnenberger Str. 17 – K.F.] herausgesetzt und fand Unterkunft im Haus Wiesbaden, Richard Wagner Straße 3.“[55]
Der Name Bacharach taucht auf zwei Meldezetteln der Blockwarte auf,[56] die in den Jahren 1940/41 die Aufgabe hatten, alle Juden zu melden, die noch nicht in Judenhäuser umquartiert worden waren und stattdessen noch in Wohnungen mit einem nichtjüdischen Umfeld wohnten, zudem in Wohnungen, in denen man wegen ihrer Größe, ihrer Lagen und ihrem Ambiente keinesfalls mehr jüdische Mieter dulden wollte. Gegen solche Mieter bzw. Vermieter, die dank des neuen Mietgesetzes problemlos ihre jüdischen Mieter hätten herauswerfen können, bisher dem Druck aber noch standgehalten hatten, sollte jetzt forciert vorgegangen werden.[57]

Meldung des Zellenwarts aus dem Juni 1940
HHStAW 483 10127 (95)
Meldung vom November 1941
HHStAW 483 10127 (46)

 

 

Möglicherweise war die erste Meldung an die Ortsgruppenleitung der NSDAP noch folgenlos geblieben, aber als dann der Druck auf den Vermieter verstärkt wurde, hat dieser sich dann offenbar doch gebeugt. Allerdings bleibt ein nicht zu lösender Widerspruch: Ganz sicher wohnte Max Bacharach seit Frühsommer 1941 in der neuen Wohnung, dennoch wird bei der zweiten Meldung aus dem November 1941 mitgeteilt, dass er noch in der Sonnenberger Str. 17 gemeldet sei. Es wird von dem Zellenwart sogar auf das relativ hohe Alter der beiden aufmerksam gemacht, was in dieser Phase der Ausgrenzung unter Umständen noch als Grund zur Schonung angesehen wurde. Auffällig ist zudem, dass der Zellenwart Roland zunächst eine „Fehlanzeige“ abgab, es also nach seinem Wissensstand keine Juden mehr in seiner Zelle gab. Der Verweis auf das Ehepaar Bacharach war erst später handschriftlich, vermutlich mit einer anderen Hand als der des ursprünglichen Schreibers, eingefügt worden und beruhte möglicherweise auf einem vagen, vielleicht auch bewusst denunziatorischen Hinweis eines Herrn Kaufmann.

Das Haus, in dem Bacharachs aufgenommen wurden, lag nur wenige Gehminuten entfernt von ihrer bisherigen Wohnung und gehörte der Jüdin Marie Strauss, geborene Eisinger. Sie war eine ebenfalls sehr begüterte Witwe, deren Mann Max Strauss kurz zuvor, vermutlich nach seiner Entlassung aus einer Gestapohaft, im Wiesbadener Krankenhaus verstorben war.[58] Dass man jetzt zusammenfand, war sicher keine Notlösung, sondern eher eine Lösung in der Not, in der Menschen, die weitgehend einem ähnlichen Milieu entstammten, sich gegenseitig stützen konnten. Auch die treue Haushälterin Lina Waltenheimer zog zunächst mit in die Richard Wagner Straße. Aber es war nicht möglich, dorthin auch alle Möbel mitzunehmen, weshalb ein Teil davon in der Sonnenberger Str. 17 bei dem Ehepaar Lehn untergestellt wurde.[59] Weitere Stücke nahm Max Rikoff, der – wie oben beschrieben – zuvor in den Genuss eines höheren Geldbetrages gekommen war, in seiner Wohnung in Gewahrsam. Allerdings ist nicht klar, ob das schon jetzt oder erst beim nächsten Umzug des Ehepaars Bacharach der Fall war. Rechtsanwalt Dietz hatte seinerzeit detailliert aufgeführt, welche Gegenstände damals wo gelagert wurden. Der größte Teil davon – hauptsächlich Wäsche, Kleinmöbel und Geschirr – hatten schon damals Bacharachs, wohl ahnend, dass sie bald keinen Nutzen mehr davon haben würden, ebenfalls ihrer Haushälterin zum Geschenk gemacht. In der Richard-Wagner-Straße waren Bacharachs im Februar noch einmal aufgefordert worden, der Devisenstelle ihre Lebenshaltungskosten mitzuteilen. Es ergab sich eine Summe von monatlich 642 RM für ihren Drei-Personen-Haushalt, zu dem auch Frau Waltenheimer zählte.

Bacharach in Kaiser-Friedrich-Ring 64
Der Umzug in das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 64
HHStAW 519/3 1084 (62)

Am 12. Juni 1942 meldete Max Bacharach der Devisenstelle – diesmal „ordnungsgemäß“ – den Umzug in den Kaiser-Friedrich-Ring 64 II.[60] Auch dort mussten sie noch einmal eine Vermögenserklärung mit einem umfassenden Fragebogen ausfüllen, in dem auch etwas zur konkreten Wohnsituation einzutragen war. Dem Ehepaar Bacharach stand in dem Judenhaus als Untermieter der Hauseigentümerin Rosa Heymann ein Zimmer im zweiten Stock zur Verfügung, für das sie 50 RM zu zahlen hatten. Auch hier ist noch einmal von Max Bacharach vermerkt, dass die Möbel laut notariellem Vertrag ihrer langjährigen Haushälterin gehören würden, die allerdings in das Judenhaus nicht mehr mit einziehen durfte. Rechtsanwalt Dietz hatte im Entschädigungsverfahren angegeben, dass die Gestapo sie mehrfach aufgefordert hatte, ihre Stellung zu kündigen, sie dies aber immer abgelehnt habe. Daraufhin hatte die Gestapo sie am 23. Februar 1942 aus Wiesbaden ausgewiesen, weshalb sie dann zu Verwandten in ihre Heimat bei Augsburg ziehen musste. Einen großen Teil der geschenkten Einrichtungsgegenstände hatte sie damals aber zurücklassen müssen.

In dem Fragebogen wurde auch die Frage gestellt, welche Familienangehörigen bereits wohin ausgewandert seien. Max Bacharach gab diesbezüglich die folgende Auskunft:
“Stiefsohn Werner Israel Stadthagen nach Rodesien (sic), Aufenthalt unbekannt;
Bruder Otto Israel Bacharach & Frau nach Argentinien,
Bruder Josef Israel Bacharach nach Theresienstadt,
Schwager Gerh. Israel Meyer mit Frau nach Palästina.“
[61]

Nach ihrem Einzug in das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 64 blieben Max und Martha Bacharach noch ein halbes Jahr in ihrem Zimmer wohnen, dann mussten auch sie dem Bruder bzw. Schwager nach Theresienstadt folgen. Nachdem sie die entsprechende Aufforderung, sich für die Evakuierung bereitzumachen, erhalten hatten, benachrichtigten sie noch Frau Waltenheimer, damit sie die ihr überlassenen Einrichtungsgegenstände noch vor dem Zugriff der Gestapo und der Finanzbehörden sichern konnte. Vergeblich – obwohl ihr Brief mit der Mitteilung, dass sie ihren Besitz abholen wolle, noch einen Tag vor der Deportation bei den Ämtern eingegangen war. Die im Judenhaus, wie auch die in anderen Wohnungen untergestellten, Einrichtungsgegenstände wurden nach der Abschiebung ihrer ehemaligen Besitzer vom Finanzamt abgeholt und „verwertet“, d.h. versteigert.[62]

Am Schabbat vor der für den 1. September 1942 angesetzten Deportation mussten sich Max Bacharach und seine Frau sowie weitere rund 350 Wiesbadener Jüdinnen und Juden in der Synagoge in der Friedrichstr. 33 einfinden. Dort wurden die letzten Formalitäten der Abschiebung quasi als Vorspiel auf das, was allen im Osten bald in einem noch viel grausameren Ausmaß bevorstehen sollte, in demütigender Weise von den SS und Gestapoleuten vollzogen. Es galt zudem aus Sicht der SS sich ihren Anteil an der finanziellen Beute vor dem Zugriff des Fiskus zu sichern. Diesem Zweck galten die sogenannten Heimeinkaufsverträge, die hier in letzter Minute abgeschlossen wurden. Man versprach den Unterzeichnern einen angenehmen und umsorgten Lebensabend im Altersghetto von Theresienstadt. Manche werden den Trickbetrügern sogar geglaubt haben, die meisten aber haben quasi mit der Pistole auf der Brust ihre Unterschrift unter diese letzte Überweisung gesetzt, mit der sie ihre gesamte restliche Habe, es handelte sich bei Max Bacharach um 25.919, 54 RM auf das Konto der Tecklenburg Bank in Berlin übertrugen,[63] die das Raubgut für die SS sammelte und verwaltete. Auch Bacharachs hatte einen solchen Vertrag abgeschlossen, bzw. abschließen müssen.

Als der Zug am 2. September 1942 mit seiner Ladung von mehr als 1100 Menschen seinen Zielort erreichte, musste den Neuankömmlingen sehr schnell klar geworden sein, dass Theresienstadt kein relativ behaglicher Altersruhesitz, sondern ein ganz gewöhnliches KZ war, in dem es tagtäglich um Leben und Tod ging. Viele der Alten hatten nicht mehr die Kraft und den Willen, diesen Kampf aufzunehmen und gaben sich auf. Aber selbst dieses Dahinsterben ging den Nazis angesichts der „großen Aufgabe“, das gesamte europäische Judentum zu vernichten, nicht schnell genug. Immer wieder rollten im August und September 1942 Züge mit 1000 bis 2000 Insassen in die Vernichtungslager Maly Trosinec oder Treblinka. In Maly Trostinc wurden die Insassen, ohne erst in das dortige Lager gebracht zu werden, direkt nach dem Verlassen des Zuges in den nahe gelegenen Wald geführt und erschossen, in Treblinka trieb man sie zumeist direkt in die Gaskammern. So auch Max und Martha Bacharach. Nur vier Wochen waren sie in Theresienstadt geblieben, dann, am 29. September, mussten auch sie im Transport ‚Bs, nr. 1632’ diese letzte Fahrt nach Treblinka antreten, wo sie im Gas ihr Leben verloren.[64]

Rechnung der 'Reichsvereinigung der Juden' HHStAW 685 23 b (52)
Rechnung der ‚Reichsvereinigung der Juden‘
HHStAW 685 23 b (52)

Schon am 14. September, also noch vor ihrem Tod,  hatte das Finanzamt Wiesbaden mit Verweis auf das Gesetz über die „Einziehung kommunistischen Vermögens“ bzw. der „Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ die noch vorhandene Habe von Max Bacharach an sich gerissen und dabei die bisher nur gesicherte Reichsfluchtsteuer in Höhe von 46.100 RM eingezogen.[65] Es grenzt an Zynismus, dass am 25. Januar 1943 die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, noch eine Rechnung in Höhe von 166,40 RM ausstellte, in der verschiedene Beraterleistungen, z.B. für den Abschluss des Heimeinkaufvertrags, aufgeführt sind. Unterzeichnet ist die Rechnung von dem „Konsulenten“ Berthold Guthmann, dem langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Wiesbadens, der nach der letzten großen Deportation zunächst von Wiesbaden aus die hiesige Gemeinde und dann von Frankfurt aus die Bezirksstelle der Reichsvereinigung abwickeln musste.[66]

Stolpersteine Bacharach
Stolpersteine für Max und Martha Bacharach in der Sonnenberger Str. 17
Archiv Aktives Museum Spiegelgasse

Am 22. August 1947 erging der amtliche Beschluss, dass das Paar spätestens am 31. Dezember 1943 umgekommen sein müsse, allerdings wurde auf Grund der Aussagen von durchreisenden, ehemaligen KZ-Insassen noch immer davon ausgegangen, dass Martha Bacharach in Auschwitz ermordet worden sei, bezüglich des verschollenen Max Bacharach heißt es allgemein, er sei verstorben, nachdem er „nach dem Osten“ „evakuiert worden“ sei.[67] Inzwischen sind die Todesdaten der beiden im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz auf den Tag des Transports nach Treblinka, dem 29. September 1942, festgelegt worden. Zur Erinnerung an die beiden ehemaligen jüdischen Bürger wurden im Mai 2011 in der Sonnenberger Straße vor dem Haus, in dem sie über viele Jahre in Wiesbaden gewohnt hatten, zwei Stolpersteine eingelassen.

 

Möglicherweise hatte Max Bacharach in Theresienstadt zuvor noch seinen sechs Jahre älteren Bruder Joseph getroffen, der dort am 6. Juli 1942 mit einem Transport aus Berlin eingeliefert worden war. Es können nur wenige Tage gewesen sein, die sie sich noch einmal haben sehen können, denn auch er wurde mit einem anderen Transport, in dem ebenfalls um die 2000 Menschen eingepfercht waren, bereits am 19. September nach Treblinka gebracht und ermordet.[68]

Wie sein Bruder Otto, geboren am 27. Mai 1876, hatte auch Joseph Bacharach zuvor in Berlin gelebt.[69] Aber anders als ihm war es Otto Bacharach und seiner Frau rechtzeitig gelungen, aus Deutschland zu fliehen. Er war mit der am 20. April 1888 in Kattowitz geborenen Gertrud Schlesinger verheiratet. Sie wohnten im Jahr 1939 vor ihrer Flucht aus Deutschland im Berliner Stadtteil Schöneberg in der Heilbronner Str. 30.[70] Auf einer Passagierliste von Hamburg nach London aus dem Jahr 1924, auf der die beiden verzeichnet sind, wird der Beruf von Otto Bacharach als Fabrikdirektor angegeben, aber das war er inzwischen mit Sicherheit nicht mehr.[71] Offenbar hatten die Brüder spätestens bis 1939 noch Kontakt miteinander, denn sonst hätte Max Bacharach nicht wissen können, dass die beiden nach Südamerika ausgewandert waren. Ihr Ziel soll ursprünglich Bolivien gewesen sein, möglicherweise waren sie dann später weiter nach Argentinien gezogen, wie Max Bacharach in dem Fragebogen angab. Vielleicht wusste er aber auch nicht so genau, wo die beiden letztlich gestrandet waren, schon gar nicht, wie es ihnen dort in ihrem lateinamerikanischen Exil ergangen war.

 

Andere Geschwister von Max Bacharach waren bereits verstorben, bevor die Nationalsozialisten ihre Herrschaft über Deutschland errichteten. Sowohl im Jahr 1865 als auch im Jahr 1871 waren die Eltern Salomon und Jette Bacharach mit dem Schicksalsschlag konfrontiert gewesen, dass ihre beiden Neugeborenen tot zur Welt kamen oder unmittelbar danach verstarben. Ein weiteres Kind, die 1870 geborene Clementine, wurde nicht einmal ein halbes Jahr alt und der am 1. August 1868 geborene Ludwig verstarb am 24. April 1877 in Augsburg mit nur acht Jahren.[72]

Auch die Schwester  Rebekka, genannt Peppi, war schon 30 Jahre tot, als Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde. Die am 5. Mai 1859 in Fellheim geborene Peppi hatte am 16. Juli 1881 Jakob Rosenfels geheiratet. Der am 27. April 1855 in Dormitz geborene Ehemann, war das vierte von insgesamt sechs Kindern von Sigmund Rosenfels und seiner Frau Regina Bergmann.[73] Regina Bergmann, geboren 1929 als Tochter von Lazarus und Klara Bergmann in Dittenheim in Mittelfranken, war – wie oben bereits geschrieben – wiederum die Schwester von Jette Bergmann, der Frau von Salomon Bacharach und somit die Tante von Max und Rebekka / Peppi Bacharach.[74] Offensichtlich waren Jakob und Peppi Rosenfels ihrem Onkel Heinrich Bergmann nach Südafrika gefolgt, denn im dortigen Rouxville kamen deren beide Kinder Cloe und Sigmund Rosenfels zu Welt, Cloe am 7. Juni 1885 und Sigmund am 20. Dezember 1887.[75] Nicht ausgeschlossen ist aber auch, das Peppi alleine nach Südafrika gegangen war und erst dort ihren Mann kennen lernte. Jakob Rosenfels war angeblich, vielleicht nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland, sogar mit der Funktion des Konsuls für den Oranje-Freistaat betraut worden.[76]

Die beiden Kinder lebten 1937 in Hamburg,[77] aber finanziell scheint es beiden nicht gut gegangen zu sein, sonst hätte sie ihr Onkel in Wiesbaden nicht finanziell unterstützen müssen. Sigmund Rosenfels wohnte damals in dem heute wegen seiner Backsteinarchitektur berühmten Sprinkenhof, einem Kontorhaus in der Nähe des noch bekannteren Chilehauses. Vielleicht hatte er in dem Kontorhaus aber auch nur sein Büro. Diese Adresse ist in jedem Fall auf dem Schreiben von Max Bacharach an das Finanzamt Wiesbaden handschriftlich notiert. Immerhin scheint Sigmund Rosenfels noch rechtzeitig den Weg ins Ausland gefunden zu haben und dorthin zurückgekehrt zu sein, wo er die ersten Jahre seines Lebens verbracht hatte.[78] Vermutlich ist er der Sigmund Rosenfels, der am 9. August 1965 auf dem jüdischen Friedhof in Johannesburg in Südafrika seine letzte Ruhestätte gefunden hat.[79]

Liste aus dem Ghetto Litzmannstadt / Lodz
https://www.ushmm.org/online/hsv/wexner/cache/1642671429-1279368-RG-15.083M.0203.00000514.jpg

Weshalb seiner Schwester dieser Weg versperrt blieb, ist nicht mehr zu sagen. Cloe Rosenfels, die an einem nicht bekannten Datum den ebenfalls aus Augsburg stammenden Fritz Neuburger geheiratet hatte und spätestens ab 1937 diesen Nachnamen trug, wurde zusammen mit ihrem Mann von Hamburg aus am 25. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt / Lodz deportiert.[80] 1937, das Datum, das auf dem Schreiben von Max Bacharach festgehalten ist, wohnte das Paar in Hamburg in der Hansastr. 62 unter der gleichen Adresse, mit der sie auch bei der Volkszählung 1939 noch registriert wurden. In diesem Zeitraum zwischen 1937 und 1939 hatte Fritz Neuburger schon eine längere Haftzeit erleiden müssen. Vom 1. Januar 1938 war er bis zum 10. November zunächst in das berüchtigte Gefängnis Fulsbüttel eingeliefert worden, unmittelbar anschließend – im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom – hatte man ihn dann in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt, aus dem er am 23. November 1938 wieder entlassen wurde.[81] Drei Jahre blieben Fritz und Cloe Neuburger noch in relativer Freiheit, bis sie dann gemeinsam nach Litzmannstadt im ehemaligen Polen deportiert wurden. Zu den Tausenden jüdischer Frauen, die im dortigen Ghetto in Zwangsarbeit mit dem Nähen von Uniformen für die deutsche Wehrmacht und diverse NS-Organisationen beschäftigt waren, gehörte sicher auch Cloe Neuburger. Auf der Liste aus dem Ghetto ist ihr Beruf mit Näherin angegeben, der ihres Mannes mit Vertreter.
Im Mai 1942 wurden beide von Litzmannstadt in das Vernichtungslager Chelmno / Kulmhof im Wartheland überstellt und ermordet.[82]

Wie bereits dargestellt, konnte auch Werner Stadthagen, der Stiefsohn von Max Bacharach und Sohn von Martha Bacharach dank seiner frühen, erzwungenen Auswanderung nach der Inhaftierung in Dachau und Buchenwald der Mordmaschinerie entkommen. Aber in Afrika, in Nord-Rhodesien, erwarteten ihn schon wegen des dortigen Klimas äußerst schwierige Lebensbedingungen. Zudem musste er mit einem fundamentalen Kulturbruch in dem fast ausschließlich von Schwarzen besiedelten Gebiet zurecht kommen. Aber am Schlimmsten waren die körperlichen und psychischen Folgen der langen Haftzeit, die er unweigerlich mit nach Afrika gebracht hatte und ihm einen Neubeginn nahezu unmöglich machten.

Nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald und dem kurzen Aufenthalt in Wiesbaden war er am 8. Mai 1939 mit der ‚Wangoni’ der ‚Deutsch-Afrika-Woermann-Linie’ nach Beira im heutigen Mozambique gelangt und von dort mit der Bahn weiter nach Lusaka in der damaligen portugiesichen Kolonie Nord-Rhodesien, dem heutigen Sambia, gefahren. „In diesem ‚dunklen’ Teil von Zentral Afrika, der zu jener Zeit noch wenig von Kultur beleckt war“,[83] so schrieb er – sei es aussichtslos gewesen, einen seiner erlernten Berufe auszuüben. Es sei ihm „im sogenannten Busch“ nur die Möglichkeit geblieben, eine sehr einfache und schlecht bezahlte Beschäftigung aufzunehmen. Er arbeitete dort seit August 1939 zunächst bei einem Transportunternehmer und Viehhändler, konnte dann aber ab 1942 in Lusaka eine bessere Stellung als Buchhalter finden. Fünf Jahre blieb er dort.[84] In dieser Zeit muss er seine Frau kennen gelernt haben, die ursprünglich auch aus Deutschland stammte. Wilfriede Strauss war am 8. Mai 1915 in Büdesheim in der Eifel geboren worden.[85] Im Dezember 1943, dem Jahr in dem er auch eingebürgert wurde, hatten die beiden in Lusaka geheiratet und am 1. März 1945 war dort ihr einziges Kind, die Tochter Eleonore geboren worden.[86] Der Versuch, sich mit einer Bäckerei und einem Cafe in Lusaka selbständig zu machen, scheiterte. Die Familie zog noch einmal innerhalb des damaligen Rhodesien um und versuchte in Bulawayo, etwa 800 km südlich von Lusaka, erneut – etwa ab 1950 – mit einer Bäckerei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Geld von deutschen Behörden hatten sie bis zu diesem Zeitpunk im Rahmen der Entschädigungen kaum erhalten, einzig kleinere Beträge aus einem Härtefond. Man bezweifelte in Deutschland zum einen, dass Werner Stadthagen überhaupt seine Dolmetscherausbildung abgeschlossen hatte, zum zweiten fragte man sich, ob er tatsächlich ein so geringes Einkommen wie angegeben hätte.[87] Es waren die typischen Zweifel und Fragen, mit denen die deutsche Bürokratie die Überlebenden aufs Neue demütigte und drangsalierte. Sogar ein Konsul wurde bei Stadthagens vorbeigeschickt, der die Angaben überprüfen sollte. Sein Bericht lieferte sicher ein recht realistisches Bild der damaligen Lebensumstände von Werner und Wilfriede Stadthagen:
“Die Emereld Bakery liegt in der Mafeking Road in Bulawayo außerhalb des Stadtkerns. Als ich sie am 5.5.1959 gegen 7.45 Uhr besichtigte, befanden sich in dem Verkaufsraum ausser Herrn Stadthagen und seiner Frau nur noch Afrikaner. es scheint sich um einen Familienbetrieb zu handeln. Das Ehepaar bediente. Er machte einen überarbeiteten, nervösen Eindruck. Mir schien, als ob das Geschäft nur betrieben wird, um den notwendigsten Lebensunterhalt zu verdienen. Wie mir Herr Stadtnahen erklärte, ist er seit längerem gezwungen, mit Defizit zu arbeiten und seine Ware zu verschleudern, um konkurrenzfähig zu sein. Die vor einiger Zelt in Bulawayo eröffnete maschinelle Bäckerei von Lobele mache es den kleinen Bäckereien schwer, sich zu behaupten. So seien in der letzten Zeit etwa 1/2 Dtz. der kleineren Bäckereien in Konkurs getreten.“[88]

Sterbeurkunde von Werner Stadthagen aus Südafrika
HHStAW 518 III 39589 (104)

Zwar kamen dann doch allmählich Gelder aus Deutschland auch in Afrika an, aber die Frage, ob die finanzielle Entschädigung auch nur ansatzweise die erlittenen  materiellen Verluste, gar das zugefügte Leid durch den eigenen KZ-Aufenthalt und den Verlust der Eltern aufwiegen konnte, kann nur verneint werden.

Werner Stadthagen verstarb am 20. August 1988 in Kapstadt,[89] wann seine Frau verstarb ist nicht bekannt. Die Eltern hatten der Tochter mit der Entschädigung immerhin noch eine gute Ausbildung ermöglichen können. Zuletzt lebte sie in Großbritannien.

 

Veröffentlicht: 25. 01. 2022

 

 

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Anmerkungen:

 

1] Im Augsburger Adressbuch von 1933 sind sie noch als Bewohner des dortigen Hauses in der Frölichstr. 8 II aufgeführt. Die Antwort auf ein Scheiben von Max Bacharach an das Finanzamt Augsburg, in dem er am 14.11.1933 um eine Steuerstundung gebeten hatte, war von Wiesbaden aus abgeschickt worden, die Rückantwort von August war an das besagte Hotel gerichtet. Darunter war aber schon handschriftlich die neue Adresse Parkstr. 7 vermerkt. Siehe HHStAW 685 23 Einkommensteuer (1). Im Wiesbadener Adressbuch erscheint Max Bacharach erstmals in der Ausgabe 1936/37. Er war aber definitiv bereits seit 1933 Bewohner der Stadt.
Das Aktive Museum Spiegelgasse hat zum Gedenken an das Ehepaar Bacharach 2012 ein Erinnerungsblatt veröffentlicht, sie https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Bacharach-Max.pdf. (Zugriff: 20.1.2022). Nicht zu verwechseln sind Max und Martha Bacharach mit dem Ehepaar mit Carl und Anna Bacharach, die in Wiesbaden ein bekanntes Textilgeschäft betrieben. Auch für sie liegt ein Erinnerungsblatt vor, siehe https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Bacharach.pdf. (Zugriff: 20.1.2022). Es deutet aber nichts auf eine Verwandtschaft der beiden Familien hin.

[2] Ebd. (11).

[3] HHStAW 685 23 (1).

[4] HHStAW 519/3 1084 (3).

[5] HHStAW 518 51751 (55).

[6] Heiratsregister Berlin Charlottenburg 469 / 1912, siehe auch Abschrift des Geburtsscheins von Max Bacharach vom Distrikts-Rabbinat Augsburg in HHStAW 469/33 2146 (17). Salomon Bacharach war am 13.6.1832, Jette Bergmann am 24.10.1835 dort geboren worden. Angaben nach dem Gräberverzeichnis des Jüdischen Friedhofs Haunstetter Straße in Augsburg, siehe https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/CEM-AUG-GRAVELIST-GERMAN.pdf. (Zugriff: 20.1.2022).

[7] https://opacplus.bsb-muenchen.de/Vta2/bsb10982753/bsb:BV020231468?queries=Bacharach&language=de&c=default. (Zugriff: 20.1.2022) Handelsregister des Königreichs Bayern 1871. Nach Auskunft des Stadtarchivs Augsburg gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere Max Bacharach in der Stadt, darunter einer, der 1830 ebenfalls in Fellheim geboren worden und um 1857 auch als Lederhändler nach Augsburg gezogen war. Dieser ging dann aber nach München. (Quelle: StadtAA, Meldebögen, Bacharach, Max, 1830). Ein weiterer aus Fellheim zugezogener Max Bacharach trat in Augsburg als Zigarrenhändler in Erscheinung. (Quelle: StadtAA, Meldebögen, Bacharach, Max, 1840). Bei einem dieser beiden MAX Bacharach könnte es sich – so die Auskunft des Stadtarchivs – um einen Bruder von Salomon handeln, der dann zum Namensgeber des späteren Wiesbadener Max Bacharach wurde.

[8] Jette Bergmann war die Tochter von Lazarus und Klara Bergmann aus Dittenheim im heutigen Main-Tauber-Kreis und eines von insgesamt fünf Kindern. Die Geschichte ihres Bruders Heinrich Bergmann, der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Südafrika auswanderte, ist unter dem Titel ‚Aliwal’, geschrieben von Adam Yamey, als Roman verarbeitet worden. In diesem Roman wird auch knapp über einen Besuch von Heinrich, jetzt Henry Bergmann, bei seiner Schwester Jette und ihrem Mann Salomon in Augsburg berichtet, der sich angesichts des weltmännischen Auftretens des reich gewordenen Schwagers zumindest in dieser literarischen Fassung sehr distanziert verhält. Siehe Yamey, Aliwal, S. 177 ff.

[9] Laut GENI waren die Eltern von Emilie Mina und Salomon Bacharach ein Josef und eine Jette Bacharach, geborene Loeffler. https://www.geni.com/family-tree/index/6000000006323737392. (Zugriff: 20.1.2022). Eine sichere Quelle für diese Angabe konnte nicht gefunden werden. Laut Auskunft des Stadtarchivs Augsburg sind die Eltern unbekannt. Sollte die GENI Angabe zutreffen, dann stammte mit großer Wahrscheinlichkeit David Loeffler, der Ehemann von Emilie Mina, aus der Familie von Josef Bacharachs Frau, die ebenfalls eine geborene Loeffler war.

[10] https://de.findagrave.com/memorial/223482411/jakob-waitzfelder. (Zugriff: 20.1.2022). Seine Eltern waren Bernhardt und Therese Waitzfelder, geborene Steinharder, die neben Jakob sechs weitere Kinder hatten.

[11] Gräberverzeichnis des Jüdischen Friedhofs Haunstetter Straße in Augsburg, siehe https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/CEM-AUG-GRAVELIST-GERMAN.pdf. (Zugriff: 20.1.2022).

[12] Es handelt sich um den später promovierten Wirtschaftswissenschaftler Jacque Waitzfelder, geboren am 27.6.1904, die Tochter Elsa, geboren 1906, die noch im gleichen Jahr, in dem sie sich mit Dr. Erwin Meyer aus Berlin vermählte, 1928 im Alter von etwa 22 Jahren verstarb. Zuletzt kam im Jahr 1911 noch einmal ein Sohn namens Kurt zur Welt, der später Ruth Hirschfeld  heiratete.

[13] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11649662&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11649664&ind=1. (Zugriff: 20.1.2022). Zum Judenhaus in der Augsburger Hallstr. 14 siehe den Artikel von Hausmann, Alfred Das „Judenhaus“ Hallstraße 14 in Augsburg, online unter https://erinnerungswerkstatt-augsburg.de/content/1-blog/20200307-das-judenhaus-in-der-hallstrasse-14/das-judenhaus-hallstrasse-14.pdf. (Zugriff: 20.1.2022)

[14] Geburtsregister Breslau 1508 / 1888 und Heiratsregister Berlin Charlottenburg 735 / 1912. Auch sie müssen recht wohlhabend gewesen sein, Im Berliner Adressbuch wird Zacharias Weiß als „Particulier“ bezeichnet. Zudem hatte er seinem immerhin auch wohlhabenden Schwiegersohn 1931 rund 6.000 RM geliehen, siehe HHStAW 685 23 (15).

[15]Geburtsregister Berlin Charlottenburg 590 / 1909.

[16] https://forum.ahnenforschung.net/archive/index.php/t-34228.html. (Zugriff: 20.1.2022).

[17] Für Salomon Bacharach https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/2045873:9868?tid=&pid=&queryId=64e7c39c31183718b383655d482d2861&_phsrc=Ekt4649&_phstart=successSource, für Jette Bacharach siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/4157824:9868?lang=de-DE. (Zugriff: 20.1.2022).

[18] HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (1, 20).

[19] Ebd.

[20] Heiratsregister Berlin Schöneberg II 190 / 1919. Auch für die am 12.7.1892 geborene Hertha Erna Weiß handelte es sich um die zweite Ehe. In der Urkunde wird sie als Hertha Müller, geborene Weiß, bezeichnet.

[21] HHStAW 518 39589 I (145).

[22] HHStAW 685 23 Einkommensteuer (25, 43).

[23] Am 29.6.1934 ging ein Schreiben beim Finanzamt Wiesbaden ein, laut dem Max Bacharach aus seiner Einlage bei ‚Bacharach &Waitzfelder’ für das Jahr 1933 Zinsen in Höhe von 1.600 RM gutgeschrieben worden seien. Siehe HHStAW 685 23 Einkommensteuer (12). Ebd. (15). Max Bacharach hatte durch seinen Steuerberater Werbungskosten geltend gemacht, die daher resultierten, dass sein „Mandant nach seinem Ausscheiden aus der Firma Bacharach und Waitzfelder bei dieser Fa. noch ein größeres Guthaben unterhielt und außerdem noch Bürgschaft leistet. Zur Kontrolle seiner Forderung als auch Bürgschaft ist es erforderlich, dass mein Mandant mindestens einmal im Jahr nach Augsburg fährt, wodurch ihm obige Kosten als Mindestbetrag entstehen.“

[24] Auskunft Stadtarchiv Augsburg.

[25] 685 23 c (1).

[26] HHStAW 685 23 Einkommensteuer (41).

[27] HHStAW 518 51751 (21). In einer Vermögenserklärung aus dem Jahr 1940, in der Max Bacharach auch seine Einkünfte angeben musste, trug er in das Formular für das laufende Jahr allerdings den Betrag 8.500 RM ein, das erwartete Einkommen für das folgende Jahr gab er mit 6.500 RM an, siehe HHStAW 519/3 1084 (39a).

[28] Die Dresdner Bank, ansonsten immer ein getreuer Zuarbeiter des Regimes, teilte der Devisenstelle am 28.11.1938 „der Ordnung halber mit, dass uns die im Depot des Herrn Bacharach, Wiesbaden, befindlichen Wertpapiere im Kurswert von RM 43.000.– zur Sicherung einer Bürgschaft des Herrn Bacharach zu Gunsten der Firma Biebrich &Waitzfelder, Augsburg, bis zum Höchstbetrag von RM 45.000.— dienen“. Diese älteren Rechte würden den später auferlegten Ansprüchen des Staates vorangehen, betonte die Bank noch einmal in einem weiteren Schreiben vom 24.9.1938. HHStAW 519/3 1084 (12, 16).

[29] HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (71).

[30] HHStAW 519/3 1084 (3).

[31] Ebd.

[32] HHStAW 518 39589 I (3).

[33] https://collections.arolsen-archives.org/archive/130567300/?p=1&s=Werner%20Stadthagen&doc_id=130567300,
https://collections.arolsen-archives.org/archive/7172793/?p=1&s=Werner%20Stadthagen&doc_id=7172794 und https://collections.arolsen-archives.org/archive/10758619/?p=1&s=Werner%20Stadthagen&doc_id=10758619. (Zugriff: 20.1.2022).

[34] Tatsächlich wurde ihm im Zusammenhang mit seinem späteren Ausreisebegehren am 11.2.1938 bzw. am 13.12.1938 sowohl ein Leumundszeugnis als auch ein polizeiliches Führungszeugnis ausgestellt, worin ihm bescheinigt wurde, dass er „noch nie wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden ist, soweit bekannt, sich nicht mit anarchistischen oder politischen Umtrieben abgibt und auch kein Anhänger irgend einer Gruppe ist, die sich zum gewaltsamen Umsturz bestehender Regierungsformen bekennt.“ Ebd. (6, 7).

[35] Ebd (49).

[36] HHStAW 519/3 1084 (5).

[37] Ebd. (6 f.).

[38] HHStAW 685 23 c (21, 24). Dass diese Sühneleistung tatsächlich gezahlt wurde, wurde im Entschädigungsverfahren durch ein Schreiben des Wiesbadener Finanzamts vom 21.2.1947 bestätigt, siehe HHStAW 685 23 a Einkommensteuer (o.P.). Ein großer Teil der Forderungen, mehr als 50.000 RM, wurde durch die Abgabe von Wertpapieren begleichen, siehe HHStAW 518 51751 II (32 f., 53 f.).

[39] HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (82). Die Käufer übernahmen eine auf dem Hausgrundstück eingetragene Hypothek von 44.000 RM, sodass knapp 70.000 RM zur Auszahlung kamen.

[40] Ebd. (73).

[41] HHStAW 519/3 1084 (5). Weil der Kaufpreis nicht zur freien Verfügung der Verkäufer gelangte, wurde die Immobilie 1952 den ehemaligen Eigentümern bzw. deren Erben zurückerstattet, siehe HHStAW 519 51751 (15 ff.).

[42] Ebd. (50, 53).

[43] HHStAW 519 /3 1084 (18 f.).

[44] Der Name Callomon schreibt sich eigentlich mit Doppel-„l“.

[45] HHStAW 685 23 a Einkommensteuer (17).

[46] Der Vertrag wurde am 1.6.1939 geschlossen. Falls das Geld nicht innerhalb der nächsten 30 Tage zur Verfügung stehen würde, sollte der Schenkungsbetrag in Form von Wertpapieren übergeben werden. Demnach war das Geld für den Hausverkauf seit einem halben Jahr noch nicht eingegangen, weshalb auch Gerhard Meyer mit seiner Familie nicht länger hat warten können und Max Bacharach ihm den oben erwähnten Vorschuss gab.

[47] Ebd. (28).

[48] Ebd. (29). Die Schenkung war dennoch genehmigt worden, siehe ebd. (30). Max Rikoff hat im November 1939 einen weiteren Betrag über 271,88 RM als Rückerstattung erhalten, für welchen Zweck ist unklar.

[49] Ebd. (37, 39a, 41, 44).

[50] Ebd. (42).

[51] Ebd. (46). Es gab zwar auch in Wiesbaden jüdische Bürger namens Flörsheim, aber Martha und ihre Tochter Gertrude hießen Flörsheimer. Martha Flörsheimer, geborene Oppenheimer, war am 1.9.1942 nach Theresienstadt deportiert worden, sie gehörte aber zu den Wenigen, die die Lagerzeit überlebten und im Juni 1945 nach Wiesbaden zurückkehren konnten. Ihre Tochter war zuvor am 10.6.1942 nach Lublin deportiert worden. Sie wurde in Sobibor ermordet.

[52] HHStAW 519/3 1084 (54).

[53] Viktor Hirschfeld wurde am 15.6.1942 nach Sobibor deportiert und ermordet.

[54] HHStAW 519/3 1084 (55).

[55] HHStAW 685 23 a Einkommensteuer (o.P.).

[56] HHStAW 483 10127 (46, 95).

[57] Siehe dazu oben das Kapitel Einrichtung der Judenhäuser.

[58] Für das Ehepaar Strauss hat das Aktive Museum Spiegelgasse ein Erinnerungsblatt herausgegeben, siehe http://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Strauss-Max-Marie.pdf. (Zugriff: 20.1.2022).

[59] HHStAW 685 23 a (o.P.) Brief von Rechtsanwalt Dietz vom 3.9.48. Dies könnte eine mögliche Erklärung für die obige Meldung auf dem Papier des Zellenwarts sein.

[60] HHStAW 519/3 1084 (62). Das gleiche Umzugsdatum ist auch auf der Gestapokarteikarte vermerkt.

[61] HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (5).

[62] HHStAW 685 23 a Einkommensteuer (o.P.) und HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (45).

[63] HHStAW 518 51751 (39).

[64] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11460495&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11460496&ind=1,dazu https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/4708-max-bacharach/ und https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/4707-martha-bacharach/ (Zugriff: 20.1.2022).

Im Rahmen der amtlichen Todeserklärungsverfahrens hatte die Städtische Betreuungsstelle fälschlicherweise noch angenommen, dass das Ehepaar Bacharach nach Auschwitz deportiert worden sei. Man hatte sogar damals  im August 1945 geglaubt, dass „noch Hoffnungen auf eine Rückkehr (bestehen würden), da immer noch einige Häftlinge über andere Läger zurückkehren würden)“. HHStAW  (7). Auch bei Abschluss des Verfahrens war man noch der Meinung, sie seien in Auschwitz ums Leben gekommen.

[65] HHStAW 685 23 b Vermögensteuer (90). Fälschlicherweise ist das Deportationsdatum hier mit dem 26.9.1942 angegeben.

[66] Zu seiner Arbeit im Frankfurter Hermesweg siehe Opfermann, Hermesweg, zum Schicksal der Familie siehe oben das Kapitel zur Familie Guthmann.

[67] HHStAW 469/33 2146 (27).

[68] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/4704-josef-bacharach/. (Zugriff: 20.1.2022)

[69] Laut ‚Mapping the Lives’ hatte er dort 1939 im Stadtteil Lichtenberg in der Hirschberger Str. 2 im zweiten Stock gewohnt, siehe https://www.mappingthelives.org/bio/11f947fe-ff31-4ba5-95af-c8b21f1ac200. (Zugriff: 20.1.2022).

[70] https://www.mappingthelives.org/bio/b1a0a5ca-4793-44dc-a912-849bd8e94e12 und https://www.mappingthelives.org/bio/e6cdcb2c-58af-407a-957e-d6d0e09afdcd. (Zugriff: 20.1.2022).

[71] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1068/images/K_1856_080615-0409?pId=11316537. (Zugriff: 20.1.2022).

[72] https://www.ancestry.de/family-tree/tree/179017835/family/familyview?_phsrc=Ekt4750&_phstart=successSource&cfpid=252333231524&fpid=252333231524&usePUBJs=true, (Zugriff: 20.1.2022) Diese Angaben sind bisher nicht durch amtliche Quellen gesichert.

[73] Familienbuch Erlangen, http://www.lorlebergplatz.de/juden_in_erlangen_I_R-Z.pdf. (Zugriff: 20.1.2022). Da andere Angaben des Familienbuchs zur Familie Rosenfels nachweislich nicht richtig sind – der Sterbeeintrag zu Cloe ist definitiv falsch – sind auch diese und die weiteren Angaben aus dieser Quelle mit Vorsicht zu betrachten.

[74] Sie wird auch in der romanhaften Biographie von Reginas und Jettes Bruder Heinrich Bergmann, dem Afrikaauswanderer, erwähnt, als dieser seine Schwester in Augsburg besuchte:
“Henry and his parents set off for Augsburg in a horse drawn carriage. They were going to spend a night there with his sister, Jette Bacharach, before boarding a train to Frankfurt. After a few hours, they saw the twin spires of Augsburg’s cathedral glinting in the afternoon sun, and soon they were enjoying Jette’s warm clear chicken soup with dumplings and thin slices of carrot. Henry was pleased to see her again after so many years, and the sight of her baby daughter, Peppi, made him think about Jenny, and that soon they would also have children to cherirsh.” Yamey, Aliwal, S 177.

[75] Familienbuch Erlangen. Siehe http://www.lorlebergplatz.de/juden_in_erlangen_I_R-Z.pdf. (Zugriff: 20.1.2022).

[76] Ebd.

[77] Anfang der 30er Jahre gab es in Hamburg einen Zigarrenhändler Sigmund Rosenfels, der möglicherweise der Sohn von Peppi und Jakob Rosenfels war.

[78] Laut Familienbuch Erlangen war er mit Frieda Götz, geboren am 29. Mai 1871 in Nürnberg, verheiratet.

[79] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/639366:1411?tid=&pid=&queryId=bdcfaf70ad7f92898602dc978ab77389&_phsrc=Ekt4721&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.1.2022). Das Geburtsjahr des Verstorbenen ist mit ungefähr 1888 angegeben.

[80] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4597501&ind=1, dazu https://www.ushmm.org/online/hsv/wexner/cache/1642671429-1279368-RG-15.083M.0203.00000514.jpg. (Zugriff: 20.1.2022). Ihr Mann war am 6.5.1876 in Augsburg als Sohn von Albert Neuburger geboren worden, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/44917436:9866. (Zugriff: 20.1.2022). Es scheint, als seien die Eltern von Fritz auch begütert gewesen, denn Fritz hatte bereits 1895 als 19jähriger – vielleicht im Rahmen seiner beruflichen Ausbildung als Kaufmann – eine Reise nach New York angetreten. Wie lange er damals in den USA geblieben war, ist nicht bekannt. Siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/506679:1068?tid=&pid=&queryId=067796ee4d911fb4b6424cee5a7afbad&_phsrc=Ekt4732&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.1.2022).

[81] https://www.mappingthelives.org/bio/a31a85a1-bbc8-418f-8c9a-eafbac1be8c4. (Zugriff: 20.1.2022)

[82] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11599988&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4597500&ind=1. (Zugriff: 20.1.2022).
Zu Chelmno siehe Klein, Peter, Kulmhof / Chelmno – ein Todeslager im ‚Reichsgau Wartheland’, in: Im Schatten von Auschwitz, S. 45-61. Den Vorgang des dort praktizierten Massenmords beschreibt Klein folgendermaßen:
“Die erste Phase des Massenmordes in Kulmhof begann am 8. Dezember 1941. Opfer waren Juden aus den benachbarten Amtsbezirken sowie Sinti und Roma aus dem Ghetto Litzmannstadt. Damit begann auch die ‚Optimierung’ der einzelnen Schritte, die das reibungslose Morden gewährleisten sollten. Während der ersten Tötungen diente das Gutshaus nur als Umsteigestation in die Gaswagen, mit denen die Opfer zu den Gruben des Waldlagers transportiert wurden, wo dann die Vergasungen in den Wagen stattfanden. Dieser Ablauf änderte sich später. Bis zur Auflösung des Lagers am 7. April 1943 etablierte sich folgende Vorgehensweise zur Tötung der Opfer:
Bei Ankunft fuhr jeweils ein einzelner dieser Lkws durch das geöffnete Tor auf den sogenannten Schlosshof. Anschließend mussten die Männer, Frauen und Kinder aussteigen. Zuerst erklärte ihnen ein, manchmal mit einem weißen Kittel bekleidetes, Mitglied des Sonderkommandos, sie würden nun zum Arbeitseinsatz weitertransportiert. Davor jedoch müssten sämtliche Personen noch geduscht und desinfiziert werden. Dies geschähe in den Räumen des Gutshauses, in das die Menschen über eine Außentreppe kamen, wo sie sich in einem größeren Raum ausziehen mussten. Einer der polnischen Häftlinge registrierte Wertsachen und Kleidungsstücke zum Schein. Nachdem sie sich entkleidet hatten, wurden die Opfer dann zu einer Kellertreppe getrieben, wo ein Schild mit der Aufschrift ‚Zum Bad’ angebracht war. Zögerten die Menschen beim Hinabsteigen, prügelten die Bewacher auf sie ein. Durch einen Kellergang, der sich über die gesamte Länge des Gebäudes zog, wurden die Menschen weitergetrieben. Der Gang führte auf der anderen Seite zu einer Treppe wieder hinauf ins Freie auf eine Rampe, an deren Ende in gleicher Höhe der Vergasungswagen mit geöffneten Hecktüren stand. Die meiste Zeit waren drei solcher benzinbetriebenen Lastwagen, die von außen dunkel gestrichenen Möbelwagen glichen, im Einsatz. In die zwei kleineren passten etwa jeweils 60 bis 80 Personen hinein, der größere Lkw fasste etwa 100 bis 120 Personen.
Die schreienden und schlagenden deutschen Gestapo- und Polizeibeamten und der kaum beleuchtete Kellergang sorgten dafür, dass die Menschen den Flur in Panik entlanghasteten, schon weil am anderen Ende das Tageslicht und der Treppenaufgang ins Freie zu sehen waren. Diese Täuschung sorgte dafür, dass die Opfer wie von selbst in den Kastenaufbau des Mordgefährts drängten. Waren sämtliche Menschen gefangen, wurden die Hecktüren verschlossen. Unter den Wagen befand sich ein bewegliches Mittelteil des Auspuffrohrs, das abgeschraubt und in einem Loch am Wagenboden angeschraubt werden konnte. Wurde der Motor angelassen, gelangten die produzierten Abgase so in den Kastenaufbau, und die Menschen erstickten durch das Kohlenmonoxid. In der unmittelbaren Umgebung des Wagens auf dem Hof waren die Schreie der Menschen und ihr verzweifeltes Klopfen deutlich zu hören. Nach einer Leidenszeit von mehreren Minuten trat etwa sieben bis acht Minuten später Bewusstlosigkeit und nach etwa zwei weiteren Minuten der Tod ein.
Der Fahrer des Gaswagens ließ den Motor etwa 15 Minuten laufen; anschließend wurde das flexible Rohrteil wieder gelöst und mit dem eigentlichen Auspuffrohr verbunden. Nun verließ der Lkw den Hof und fuhr zum Waldlager, das nach außen hin von den Schutzpolizeibeamten bewacht wurde. Dort fuhr der Wagen an die langgestreckten Gruben heran, wo ein jüdisches Arbeitskommando die Leichen aus dem Kastenaufbau zog. Bevor es die Toten in die Gruben stapelte, musste sie das Kommando penibel nach versteckten Wertsachen untersuchen, selbst Goldzähne wurden den Ermordeten herausgebrochen.“
Ebd. S. 52

[83] HHStAW 518 39589 I (53).

[84] Ebd. III (11).

[85] Ebd. II (288). Eine Schwester von Wilfriede Strauss lebte in Kapstadt.

[86] Ebd. II (289, 301).

[87] Ebd. I (101 f, 124 f.).

[88] Ebd. I (126).

[89] Ebd. III (104).