Bertha Straus, die am 31. Oktober 1940 zusammen mit Selma Ebbe in das Judenhaus Lortzingstr. 7 einzog, dort sogar mit ihr das Zimmer teilte, war erst in den dreißiger Jahren nach Wiesbaden gekommen. Anders als ihre Mitbewohnerin stammte sie nicht aus Osteuropa, war keine Ostjüdin, wie die von dort zugezogenen Juden abfällig bezeichnet wurden, sondern sie kam ursprünglich von der hessischen Bergstraße.
Die Familien Altstädter und Straus
In Weinheim, wo die Familie Altstädter seit Jahrhunderten ansässig war, wurde sie am 19. September 1896 geboren.[1]
In dem Ort mit seiner so günstigen klimatischen Lage gab es schon im 13. Jahrhundert eine jüdische Gemeinschaft, aber möglicherweise waren sogar bereits mit der Zuwanderung der Römer die ersten Juden in die Gegend gekommen. Eine konstante jüdische Siedlungsgeschichte lässt sich allerdings erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachweisen, als der Landesherr nach den Verlusten durch den 30jährigen Krieg auch den Juden den Zuzug erlaubte. Die neue Toleranz basierte auf dem Wissen, dass mit Hilfe der jüdischen Geschäftsleute das daniederliegende Wirtschaftsleben wieder in Gang gebracht werden konnte.
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts gehörte auch die Familie Altstädter zum Kern der dortigen Judenschaft.[2] Der 1772 geborene Mordechai Max und seine Frau Besle, geborene Jäckel, sind die ersten namentlich bekannten Urahnen der später weit verzeigten Familie, die sich unter den Söhnen Jakob und Heinrich Elchanan in zwei große Linien aufteilte. Offenbar handelte es sich bei den beiden im Jahr 1785 schon in Weinheim geborenen Männern um Zwillinge.[3] Jakob, verheiratet mit Lucia Löb, wurde 87 Jahre alt und war der Vater von 7 Kindern, Heinrich, verheiratet mit Fanny Vögele Gerson, erreichte das 75ste Lebensjahr und hatte fünf Nachkommen. Soweit man die Lebensgeschichten der insgesamt acht männlichen Nachkommen der beiden kennt, waren diese fast alle Kaufleute geworden und zumeist im Handel mit Landprodukten tätig. Der wirtschaftlich bedeutendere Zweig, war allerdings der der Nachkommen von Heinrich Altstädter. Seine Söhne Marx, Lazarus und Jakob gründeten die Firma „Gebrüder Altstädter“, die mit Sitz in der Heidelberger Straße 1856 in das Handelsregister eingetragen worden war.[4] Später ging sie in die Hand von Marx Altstädters Sohn Nathan über, aber auch alle anderen blieben in dieser Branche. Mal bezeichneten sie sich als Spezereienhändler, mal als Frucht- oder Mehlhändler. Andere vertrieben Futtermittel und wiederum andere hatten sich auf die Dörre von Obst spezialisiert. Neben der noch bedeutenderen jüdischen Familie Hirsch, die mit der Produktion und dem Handel von Pferdeleder internationale Bedeutung erlangte, prägten auch die verschiedenen Geschäfte der Altstädters bis ins 20. Jahrhundert das Wirtschaftsleben von Weinheim.
Auch Levi Altstädter, der Vater von Bertha Straus und Enkel von Jakob Altstädter, wird in den Quellen als Mehl- und Getreidehändler bezeichnet. Sein Geschäft lag in der Hauptstr. 45, wo auch viele andere jüdische Geschäfte angesiedelt waren.[5] Über den Umfang seines Geschäfts und ob es in irgendeiner Weise mit denen seiner Verwandten verbunden war, liegen keine Informationen vor.
Levi Altstädter war das zweite von insgesamt vier Kindern von David und Friedericke Altstädter, geborene Oppenheimer. Sein älterer Bruder Zacharias, geboren 1860, war schon mit 22 Jahren verstorben. Das Schicksal des jüngeren Bruders Simon ist nicht bekannt. Seine Schwester Sophia, geboren am 20. Februar 1869, heiratete Sigmund Kaufmann.[6]
Er war der Bruder von Babette, bzw. Pauline oder Perle Kaufmann, die Levi Altstädter am 2. September 1891 in ihrem Heimatort Leutershausen geehelicht hatte.[7] Babette, geboren am 11. November 1865,[8] verstarb bereits am 29. August 1897 mit etwa 31 Jahren in Weinheim. Zuvor hatte sie ihrem Mann noch drei Kinder geschenkt, zunächst am 24. Dezember 1892 den Sohn Ludwig.[9] Ihm folgte am 25. Juni 1894 ein weiterer Sohn namens Julius Jakob.[10] Bertha, die spätere Judenhausbewohnerin, wurde am 19. September 1896 geboren.[11] Am 17. April 1900 ging Levi Altstädter die zweite Ehe mit Rosa Hessel ein[12] und am 23. Januar 1901 kam in Weinheim die gemeinsame Tochter Lucie zur Welt.[13] Eineinhalb Jahre später, am 16. August 1902, wurde dann noch ein weiterer Sohn geboren, der den Namen Alfred erhielt.[14]
Welchen schulischen und beruflichen Werdegang Bertha hinter sich hatte, als sie am 23. März 1922 in Weinheim den aus dem rheinhessischen Göllheim stammenden jüdischen Kaufmann Eugen Straus heiratete,[15] wissen wir nicht. Auch in dem Heimatort des Ehemanns gab es seit dem 16. Jahrhundert jüdisches Leben, zunächst wohl vereinzelt, dann aber vermehrt, sodass im 17. Jahrhundert sogar ein Judenfriedhof angelegt werden durfte. Im 19. Jahrhundert war in Göllheim, zu dem verschiedene kleine Siedlungen gehörten, die Zahl der Juden auf knapp 100 angestiegen, die ihren Lebensunterhalt zumeist im Klein- und Hausierhandel verdienten. Die Familie Straus stellte eine der größten jüdischen Familien im Ort dar. Als gemeinsamer Urahn der verschiedenen Familienmitglieder gilt ein Jud Gabriel, der 1727 zwei Gulden für „Wasser und Weid“ zahlen musste.[16] Seit 1739 besaß er in der heutigen Hauptstr. 52 ein Haus, das von seinem 1722 geborenen Sohn Jud Samuel übernommen wurde. In der Mitte des 19. Jahrhunderts werden in einem Kataster von Göllheim schon sieben Hausbesitzer mit dem Namen Straus aufgeführt. Darin sind auch die Berufe der Haushaltsvorstände festgehalten, zumeist Händler, die sich auf die typischen Produkte des ländlichen Bedarfs spezialisiert hatten, aber auch Metzger oder Seifensieder waren darunter.[17] Wie die genaue genealogische Verbindung zwischen den Urvätern der Straus-Familie und den Eltern von Eugen Straus aussieht, konnte bisher nicht geklärt werden. Aber auch Eugens Eltern, Heinrich und Bertha Straus, geborene Weinmann, gehörten dem Kaufmannsstand an.
Ihr Sohn Eugen war am 23. Juni 1887 als zweitletztes von insgesamt sieben bekannten Kindern des Paares in Göllheim geboren worden.[18]
Die erste Tochter Clara, geboren am 4. August 1877, wurde nur zwei Wochen alt und verstarb am 18. des gleichen Monats.[19]
Die am 24. Juni des folgenden Jahres geborene zweite Tochter erhielt den gleichen Namen wie ihre verstorbene Schwester. Sie erreichte allerdings das Erwachsenenalter und heiratete am 24. Dezember 1904 in Göllheim den Kaufmann Moritz aus Mommenheim, inzwischen wohnhaft in Kirchheimbolanden. Er war am 7. September 1876 als Sohn des jüdischen Händlerpaars Bernhard und Philippine Löw, geborene Koch, zur Welt gekommen.[20]
Ein Jahr nach der zweiten Clara wurde mit Hermann am 3. Januar 1880 erstmals ein Sohn in der Ehe von Heinrich und Bertha Straus geboren. Aber auch er verstarb am 3. August 1881 bevor er das zweite Lebensjahr erreicht hatte.[21]
Am 18. Januar 1882 kam mit Leo ein weiterer Sohn zur Welt,[22] der allerdings im Ersten Weltkrieg fiel.[23] Auch Eugen hatte damals, wie viele Einträge in diversen Kriegsranglisten belegen, seinen Dienst – angeblich – zur Rettung des Vaterlandes, dem sich auch die Göllheimer Juden tief verbunden fühlten, geleistet. In der Synagoge war in Bittgottesdiensten vergebens für den deutschen Sieg gebetet worden, vergebens war aber langfristig auch der Einsatz der Juden für ihr Vaterland. Gedankt hat man ihnen die Opferbereitschaft nicht. Aber Eugen war zumindest körperlich unbeschadet von den Schlachtfeldern wieder nach Hause zurückgekehrt.[24]
Mit der um 1883 geborenen Rosalia, genannt Rosa, hatte Eugen noch eine weitere ältere Schwester. Sie wurde am 8. Mai 1883 geboren und heiratete am 31. Mai 1911 in ihrer Heimatstadt den Kaufmann Alexander Friedberger. Er stammte aus dem etwa 30 km südöstlich von Heidelberg gelegenen Neidenstein, wo seine Eltern Wolff Benjamin und Berta Friedberger, geborene Mayer, ein Fruchthandelsgeschäft betrieben. Dort war Alexander am 22. April geboren worden. Er übernahm später den Betrieb der Eltern, war Getreidehändler und Besitzer des örtlichen Lagerhauses. Zudem engagierte er sich als Synagogenrat in der Jüdischen Gemeinde.[25]
Von dem zuletzt geborenen Sigmund, der am 29. Januar 1891 in Göllheim zur Welt kam, wissen wir nur durch den Eintrag in der Kriegsrangliste bzw. Kriegsstammrolle des Königreichs Bayern für den Ersten Weltkrieg. Auch er diente damals an der Front und muss Schlimmes durchgemacht haben, wie man aus der Aufzählung der vielen Schlachten in seinem Eintrag schließen kann. Im November 1917 wurde er verletzt in ein Lazarett eingeliefert. Ein Jahr später galt er als vermisst, war aber laut Korrekturvermerk in Wirklichkeit in Gefangenschaft geraten, aus der er erst am 23. April 1919 wieder freikam.[26] Wie lange er in seiner Heimatgemeinde gewohnt hat, ist nicht bekannt, aber auf der Stammrolle ist als Wohnort zunächst Göllheim, dann Dreisen in der Pfalz angegeben.
Auch ihm gelang in der Zeit des Nationalsozialismus die Flucht nach Amerika. Am 21. Juni 1937 kam der 46jährige von Rotterdam aus mit 46 Dollar in der Tasche in New York an. Als seinen letzten Wohnort in Deutschland gab er noch immer Dreisen an. Als Kontaktperson im Ankunftsland nannte auch er einen familiären Kontakt, nämlich einen Bruder der Mutter, der in der Passagierliste mit Louis Weinmann, wohnhaft in Chicago, angegeben ist.[27] Als seinen Beruf trug er damals in die Liste „Merchant“ ein, bei der Volkszählung 1940 gab er an, im Büro einer Aufzugsfirma angestellt zu sein.[28] Die 1937 erfolgte Überfahrt hatte er noch alleine unternommen, vermutlich um zu eruieren, welche Möglichkeiten es für ihn und seine Familie in den USA gab. Er kam aber offenbar wieder zurück, denn im Mai des folgenden Jahres konnte er dann mit seiner Frau Mina, geborene Sichel, 43 Jahre alt, und seiner 10jährigen Tochter mit dem Schiff ‚Hansa’ von Hamburg aus nach New York fahren.[29] Die Familie ließ sich in Havana, Illinois, also in der Nähe des Onkels nieder. Mina Straus verstarb am 20. November 1949 im Alter von nur 55 Jahren, ihr Ehemann am 24. Mai 1976 im hohen Alter von 85 Jahren.[30]
Das Schicksal von Eugen Straus, seiner geschiedenen Frau Bertha und des gemeinsamen Sohnes Hans
Wenige Tage nachdem am 26. März 1922 die Eheschließung von Eugen Straus und Bertha Altstädter in Weinheim gefeiert worden war,[31] zogen die frisch Vermählten in den Heimatort des Ehemanns. Dort war knapp zwei Monate zuvor der Vater von Eugen, Heinrich Straus, am 30. Januar im Alter von 71 Jahren entschlafen.[32] Auch die Mutter, die am 13. Dezember 1924 in Göllheim verstarb,[33] erlebte die Geburt ihres Enkels Hans, der genau ein Jahr später am 13. Dezember 1925 das Licht der Welt erblickte, nicht mehr.[34]
Wahrscheinlich ging Eugen Straus dort seinen Geschäften nach, aber welche das genau waren, welches Geschäft sein Vater geführt hatte, ließ sich nicht mehr feststellen.[35]
Als die Nazis 1933 an die Macht kamen veränderten sich die Verhältnisse auch in Göllheim sehr schnell. Zwar war der „Siegeszug der NSDAP hier weniger glänzend als andernorts. Und selbst bei der Reichstagswahl 1933 konnten die Nationalsozialisten nicht den Erfolg verbuchen, den sie ansonsten in der Nordpfalz im protestantisch – agrarischen Milieu erreichten. Als braune Aktivisten können in Göllheim weniger als zehn Männer bezeichnet werden. Allerdings scharte ihr Engagement eine Masse zustimmender Mitmacher hinter sich, der ganz wenige Verweigerer gegenüber standen.“[36]
Man sah wohl auch – vielleicht sogar ein wenig betroffen – zur Seite, als am 1. April 1933 zum Boykott gegen die jüdischen Geschäfte, darunter explizit auch gegen Eugen Straus, aufgerufen wurde.[37] Aber das war erst der Anfang. Im August 1935 beschloss der Gemeinderat, keinen weiteren Zuzug von „Nichtariern“ zu genehmigen, Juden den Erwerb von Grundbesitz zu verbieten und bedürftigen Juden Zuwendungen aus der Gemeindekasse zu versagen. Kommunalen Beamten und Angestellten wurde der Kauf in jüdischen Geschäften untersagt und arische Geschäftsleute, die weiterhin mit Juden Handel betrieben, wurden bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Schilder mit der bekannten Aufschrift „Juden sind hier unerwünscht“ bezeugten am Ortseingang, welcher Geist im Ort nun herrschte.[38]
Als während der Reichspogromnacht auch in Göllheim die Synagoge geschändet wurde, lebte die Familie von Eugen Straus allerdings nicht mehr dort. Die Ehe war inzwischen gescheitert. Bereits 1936 hatte sich Bertha von dort abgemeldet und war nach Wiesbaden gezogen, während ihr Mann zunächst noch geblieben war. Erst am 23. April 1937 verließ dann auch er seine Heimatstadt und zog nach Neidenstadt,[39] wo seine Schwester Rosalia mit ihrem Mann Alexander Friedberger lebte.[40] In der in der Nähe gelegenen Stadt Mosbach wurde am 10. Oktober 1937 vom Landgericht nach 15 Jahren Ehe die Scheidung des Paares dann auch formal vollzogen.[41] Aus einem Briefwechsel, der sich im Zusammenhang mit der Einführung der Zwangsnamen Sara und Israel Ende 1938 ergab, erfährt man weitere Details zu dieser Trennung.
Am 17. Januar 1939 hatte Bertha Straus dem Bürgermeister in Göllheim mitgeteilt, dass ihr Sohn gemäß der Verordnung den zusätzlich den Namen Israel führe. Der Bürgermeister reagierte darauf mit der Nachfrage, ob sie überhaupt die gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes sei. Auch Eugen Straus war offenbar in dieser Angelegenheit aktiv geworden. Das Israelische Waisenhaus Mannheim schickte ihm ein Schriftstück, das dieser damals an den Bürgermeister in Göllheim mit einem Begleitschreiben weiterleitete. Darin heißt es:
“Das vom Israel. Waisenhaus Mannheim erhaltene Schreiben sende Ihnen (sic!) einl. zur gefl. Erledigung zurück.
Laut Beschluss vom 27. Juli 1937 wurde mir mein Sohn Hans vom Landgericht Mosbach i/B. gesetzlich zugesprochen.“[42]
Dokumente des Gemeindearchivs Göllheim, die belegen, dass Hans Straus dem Vater zugesprochen und er zumindest längere Zeit im Jüdischen Waisenhaus in Mannheim untergebracht war
Die Dokumente wurden veröffentlicht in ‚Jüdisches Leben in Göllheim‘, S. 56, und durften mit freundlicher Genehmigung der Autoren hier gezeigt werden
Verwunderlich an dem Vorgang ist nicht nur, dass nicht die Mutter, sondern der Vater das Sorgerecht erhielt, verwunderlich ist zudem, dass Hans als Nichtwaiser in einem jüdischen Waisenhaus untergebracht wurde und er vermutlich die folgenden Jahre nach der Trennung dort auch blieb. Offenbar war keiner der Eltern in der Lage, sich um den damals etwa elf Jahre alten Jungen zu kümmern. Ob der Vater, der zunächst weiterhin in dem etwa 50 Kilometer entfernten Neidenstein wohnte, seinen Sohn wenigstens regelmäßig besuchen konnte, ist nicht bekannt. Viel gemeinsame Zeit war ihnen ohnehin nicht mehr gegeben.
Auch in Neidenstein hatte die SA im November 1938 gewütet, die Synagoge geschändet und die Kultgegenstände entwendet. Bald danach wurde das ehemalige Gotteshaus verkauft und als Kuhstall genutzt. Im Gefolge des Novemberpogroms wurde Eugen Straus dort verhaftet und nach Dachau überführt.[43]
Am 22. Dezember 1938 entließ man den Häftling mit der Häftlingsnummer 22326 wieder.[44] Er ging wohl zunächst zurück zu seiner Schwester nach Neidenstein, meldete sich aber dann 27. März 1939 „von Neidenstein kommend“ in Mannheim in der Hafenstr. 2 bei einem „Privatier M. Löw“ an.[45] Mit großer Sicherheit handelt es sich dabei um die Adresse seiner mit Moritz Löw verheirateten älteren Schwester Clara, die nach der Eheschließung offenbar nach Mannheim gezogen war, wo sie dem Entlassenen nun vorübergehend Unterschlupf gewähren konnte. Zum 1. August 1940 meldete er sich in den Gebäudekomplex D 7, 24 um, wenige Wochen bevor er dann zum Opfer der als ‚Wagner-Bürckel-Aktion’ bekannt gewordenen ersten Massendeportation aus dem „Altreich“ wurde.
Mit dieser Aktion wollten sich die beiden Gauleiter bzw. Statthalter aus Baden und der Saarpfalz bei Himmler und Hitler als konsequente Verfechter eines judenfreien Deutschland andienen. Mehr als 6500 Jüdinnen und Juden aus diesen Gauen waren am 22. Oktober 1940 in Züge verfrachtet und über die Grenze nach Frankreich abgeschoben worden. Aus Mannheim waren es alleine fast 2000, darunter auch Eugen Straus, der auf der Liste der dort festgenommenen stand. „Es war eine sterbende jüdische Gemeinde, die am Morgen des 22. Oktober 1940 völlig unvorbereitet die Deportation aus ihrer Heimat traf“, resümierte später einer der ebenfalls betroffenen Juden aus Mannheim die Ereignisse dieses Tages.[46] Innerhalb von einer halben bis zu zwei Stunden mussten sich alle Jüdinnen und Juden, gleich welchen Alters, zum Abtransport bereit machen, 100 RM, die später in Franc umgetauscht werden mussten, durften sie mitnehmen, dazu 50 kg Gepäck. Das Ziel der dreitägigen Fahrt war das unbesetzte Frankreich, dessen Behörden von den anrollenden Zügen selbst nicht informiert worden waren. Es war Eichmann persönlich, der den Transport mit der Deutschen Reichsbahn organisiert hatte und selbst zugegen war, als die Wagen die Demarkationslinie zwischen dem besetzten und dem Vichy-Frankreich überfuhren.
Die letzte Etappe endete an der spanischen Grenze, wo noch die Lager für die ehemaligen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien existierten, in denen nach dem Überfall der deutschen Truppen auf Belgien, Holland und Frankreich die aus Deutschland emigrierten Juden interniert worden waren. In dem jetzt völlig überfüllten Lager Gurs, das auf die Neuankömmlinge nicht vorbereitet war, herrschten schreckliche Zustände, wie aus vielen Berichten von Überlebenden hervorgeht.[47] Unzählige Menschen sind dort an Hunger, Erschöpfung oder Krankheit verstorben, manche wurden noch in andere Lager gebracht, wo das Überleben mitunter leichter war. Am 17. März 1941 kam auch Eugen Straus in das Lager Les Milles in der Nähe von Aix-en-Provence. Offensichtlich gelang ihm von dort die Flucht, denn am 2. September 1941 bestieg er in Lissabon das Schiff „Mozinho“, das ihn nach New York brachte.[48] Auf der Passagierliste hatte er eine in New York lebende „Schwester A. Friedberger“ als Kontaktperson angegeben. Vermutlich war die Angabe aber nicht ganz richtig, denn da „A“ stand sicher für den Namen Alexander, den Ehemann seiner Schwester Rosalia, die am 8. August 1939 von Hamburg aus in die USA ausgereist waren.[49] Ihr am 6. September 1912 in Neidenstein geborener Sohn Ludwig Hans, der sich in den USA Harry nannte, war schon am 9. Juli 1936 emigriert und hatte in den USA den Boden für seine Eltern bereitet.[50].
Auch die Familie seiner anderen Schwester Clara hatte inzwischen amerikanischen Boden betreten und war damit in Sicherheit. Zwar konnte ihre Flucht im gegebenen Zusammenhang nicht genauer recherchiert werden, aber erst im August 1941 bestieg sie mit ihrem Mann im spanischen Sevilla das Schiff ‚Nevemar’, das sie am 12. September nach New York brachte. Mit den Eltern, die inzwischen 65 und 63 Jahre alt waren, kamen auch die beiden Kinder, der 34jährige Chemiker Friedrich Herbert und seine ein Jahr jüngere Schwester Matilde. Ein weiterer älterer Sohn Kurt, den die Eltern als Kontakt in den USA angegeben hatten, lebte damals schon in Chicago.[51] Wie ihrem Grabstein auf dem Friedhof von Paramus in New Jersey zu entnehmen ist, konnten die Eltern die Freiheit in ihrer neuen Heimat nur noch wenige Jahre genießen. Moritz Löw / Low verstarb am 24. März 1948, seine Frau am 6. Februar 1949.[52]
Nach seiner gelungenen Flucht in die USA blieb Eugen Straus in New York. Laut Zensus von 1950 lebte er damals noch immer mit seiner Schwester Rosalia und seinem Schwager Alexander zusammen in der 157 West Street.[53] Am 24. November 1947 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.[54] Seinen Vornamen änderte er leicht in Eugene ab und bei seinem Nachnamen ließ er endgültig das zweite „s“ weg. Über seine weiteren Lebensjahre im Exil konnten keine Informationen ermittelt werden. Am 10. Juni 1959 verstarb er in New York im Alter von 71 Jahren.[55]
Ob Eugen Straus mit seiner von ihm geschiedenen Frau und dem Sohn Hans nach der Trennung, der Deportation und der Emigration noch Kontakt hatte, ist nicht bekannt. Auch ist nicht sicher zu sagen, wo sich Bertha Straus nach der Trennung aufhielt und wann genau sie nach Wiesbaden kam.[56]
Auf ihrer Karteikarte in der ab 1938 angelegten Gestapokartei ist ihr Beruf mit Hausangestellte angegeben. Frauen mit einer solchen Arbeitsstelle, die keine eigene Wohnung hatten, sondern bei ihrem Arbeitgeber wohnten, wurden nicht in die Adressbücher der Stadt aufgenommen. Deshalb ist sie auch in keinem der in Frage kommenden Ausgaben aufgeführt.
Ihre Gestapokarteikarte hat als ihre erste Wohnung die Schlichterstr. 10 vermerkt, die gleiche Anschrift, die auch als erste auf der Gestapokarteikarte von Ludwig Stern eingetragen ist, mit dem sie später in das Judenhaus Lortzingstr. 7 zog. Zwar ist auch bei ihm kein Einzugsdatum auf der Karteikarte angegeben, aber in seiner Steuerakte ist sein Ummeldungsformular von Würzburg nach Wiesbaden erhalten geblieben, auf dem als Umzugsdatum der 20. Mai 1936 eingetragen ist.[57] Gegen die geforderte Einkommensteuer für das Jahr 1936 legte er mit einem Schreiben vom 27. August 1937 Protest ein, u. a. weil seine Hausgehilfin „Bertel Straus“, die ab dem 1. Juli 1936 für monatlich 50 RM bei ihm angestellt war, bei den Kosten unberücksichtigt geblieben sei.[58] Demnach wohnte Bertha Straus spätestens seit Juli 1936 in Wiesbaden in der Schlichterstr. 10, somit schon ein Dreivierteljahr bevor die Scheidung ausgesprochen worden war. Ob sie damals mit Ludwig Stern oder vielleicht schon einige Monate oder Wochen früher allein nach Wiesbaden gekommen war und ihr Arbeitgeber sie erst hier kennen gelernt und eingestellt hatte, lässt sich anhand der wenigen Unterlagen nicht mehr exakt rekonstruieren.
Am 15. August 1940 wurde bei der Devisenstelle in Frankfurt für Bertha Straus eine ‚JS-Mappe’, eine Akte, mit der die Finanzen der jeweiligen Juden kontrolliert wurden, anlegt. Damit verbunden war in der Regel die Verpflichtung, ein kostenpflichtiges Sicherungskonto bei einer Devisenbank einzurichten. Man gewährte ihr einen vorläufigen Freibetrag von 300 DM. So viel Geld sollte ihr monatlich von ihrem Vermögen bzw. Einkommen zur Verfügung stehen, um damit ihre Lebenshaltungskosten abzudecken.[59] In ihrem Antwortschreiben teilte sie der Behörde mit, dass sie „keinerlei Vermögen besitze und bei weitem nicht über ein Einkommen verfüge, das dem mir vorläufig bewilligten Freibetrag von monatlich RM 300,– entspricht“. Sie verdiene als Hausangestellte einen „Barlohn“ von 40 RM bei Ludwig Stern in der Schlichterstr. 10, der ihr zusätzlich freies Logis gewähre.[60] Deshalb möge man ihr auch die Pflicht zur Führung eines Sicherungskontos ersparen. Das wurde ihr am 19. August 1940 auch zugestanden, auch durfte sie ihren Lohn weiterhin in bar entgegennehmen.[61]
Erst nach mehrfacher Aufforderung hatte sie am 29. November 1940, nachdem sie am 30. Oktober – vermutlich zwangsweise – in die Lortzingstr. 7 umgezogen war, dann auch das ausgefüllte Formular über ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Devisenstelle zugeschickt. 300 RM lagen auf einem Sparkonto. Das war alles, was sie besaß.
Unklar ist, in welchen Zeiträumen ihr Sohn Hans zunächst in der Schlichterstr. 10, dann in der Lortzingstr. 7 bei seiner Mutter lebte. Die wenigen Notizen auf der Gestapokarteikarte seiner Mutter werfen nur Fragen auf, für die es keine sicheren Antworten gibt. Es heißt da, dass er am 6. Mai 1940 von Wiesbaden nach Mannheim in das Israelitische Waisenhaus gegangen sei. Das klingt so, als habe er bisher zumindest eine gewisse Zeit tatsächlich bei seiner Mutter gelebt, wie lange, ist aber nicht mehr zu rekonstruieren.
Hans blieb laut Gestapokarteikarte bis zum 15. Juli 1940 dort und kehrte dann noch einmal für etwa vier Wochen nach Wiesbaden zurück, um aber schon am 11. August 1940 erneut nach Mannheim zu fahren. Es handelte sich offenbar jeweils nur um Besuche bei seiner Mutter, denn in einem Schreiben an die Devisenstelle in Frankfurt vom 27. August 1940 erwähnte sie, dass sie laufende Ausgaben für ihren in einem Mannheimer Waisenhaus lebenden Sohn aufbringen müsse. In ihrer Vermögenserklärung vom November 1940 gab sie an, sogar die Hälfte ihres Lohnes von 40 RM für die Unterbringung von Hans aufzuwenden.[62]
Im Sommer 1941 befand er sich dann in Frankfurt, wo er nach Angaben seiner Mutter eine „Lehre“ absolvierte.[63] Das ist insofern irritierend, weil zu diesem Zeitpunkt ganz sicher eine normale Lehre für einen jüdischen Jungen kaum mehr möglich gewesen sein kann, selbst in einem jüdischen Unternehmen nicht, da es solche praktisch nicht mehr gab. Wahrscheinlicher ist, dass er sich in einem von jüdischen Einrichtungen organisierten Vorbereitungskurs für eine geplante Auswanderung befand. Vermutlich war der Kurs Ende August abgeschlossen, denn laut dem letzten Eintrag auf der Gestapokarteikarte seiner Mutter kehrte er am 24. August 1941 nach Wiesbaden zurück. Zwei Tage zuvor hatte die Mutter der Devisenstelle gemeldet, dass ein in Mannheim angelegtes Sparkonto von Hans mit einem Betrag von 334 RM freigeworden sei, wovon 50 RM für seine bereits erwähnte „Lehre“ abgebucht worden waren. Es heißt in dem Schreiben explizit, dass das Konto ihrem „minderjährigen Sohn Hans, Wiesbaden,“ (Hervorhebung – K.F.) gehören würde, er also zu diesem Zeitpunkt schon wieder in Wiesbaden gemeldet gewesen sein müsste. Zwar gibt es in der Devisenakte keine weiteren Hinweise auf die Unterbringung von Hans im Judenhaus Lortzingstr. 7, aber man muss davon ausgehen, dass auch er zuletzt zu dessen Bewohnern gehörte. Nicht nur ist er auf der Deportationsliste vom 10. Juni 1942 neben seiner Mutter mit dieser Adresse eingetragen, auch auf der Liste über den freigewordenen Wohnraum nach dieser Deportation ist er zusammen mit seiner Mutter und Selma Ebbe als ehemaliger Bewohner einer Mansarde notiert.[64] Wie lange die beiden Frauen gemeinsam mit dem inzwischen sechzehnjährigen Hans unter diesen beengten Verhältnissen zusammen leben mussten, ist nicht mehr nachvollziehbar, aber abgesehen von allen anderen Beschwernissen muss allein das für alle eine äußerst schwierige Situation gewesen sein.
Am frühen Morgen des 10. Juni verließ der Transport mit der Bezeichnung ‚Da 18’ das Gleis an der Viehverladestation des Wiesbadener Hauptbahnhofs, um die 371 Menschen, darunter auch Bertha und Hans Straus sowie Berthas ehemaligen Arbeitgeber Ludwig Stern und andere Mitbewohner aus dem Judenhaus Lortzingstr. 7 zunächst nach Frankfurt zu bringen, wo der Zug mit weiteren Opfern aus dem gesamten Regierungsbezirk Wiesbaden endgültig zusammengestellt wurde. Mehr als 1250 Menschen fuhren in ihm über zwei Tage, nicht – wie ursprünglich vorgesehen – nach Izbica, sondern nach Lublin. Dort machte er auf dem Nebengleis ‚Alter Flugplatz’ Halt.
Hier wurden die arbeitsfähigen Männer im Alter von 15 bis 50 Jahren gewaltsam aus dem Zug geholt und zum Arbeitseinsatz in das sich noch im Bau befindliche Konzentrationslager Majdanek beordert, darunter auch 15jährige und wenig ältere Jungen. Auch Hans Straus war einer von ihnen. Unter unmenschlichen Bedingungen mussten die Männer und Jugendlichen bei Hitze, Hunger und Durst härteste körperliche Arbeit verrichten. Ihre Lebenserwartung dort betrug im Durchschnitt ein Vierteljahr.[65] Hans Straus erreichte diesen statistischen Wert nicht. Sein Tod wurde im Totenbuch von Majdanek am 4. August 1942, also schon nach etwa acht Wochen eingetragen.[66]
Die verbliebenen mehr als 1000 Insassen des Zuges fuhren weiter nach Sobibor, einem reinen Vernichtungslager. Wer dort ankam, hatte im Allgemeinen nur noch wenige Stunden zu leben. Auch Bertha Straus wird, wie alle anderen, unmittelbar nach Ankunft des Zuges in die Gaskammern getrieben und ermordet worden sein.
Das letzte Blatt ihrer dünnen Devisenakte ist ein handgeschriebener Zettel der Behörte vom 4. Juli 1942 mit dem knappen Vermerk, dass die Sicherungsanordnung gegen Bertha Straus „erledigt“ sei und die Akte wegegelegt werden könne: In Registratur sei auf der Karteikarte noch der Vermerk „evakuiert“ einzutragen.[67]
Dieses Wort „evakuiert“ – zigtausend Mal taucht es in den Ablaufprotokollen der Vernichtung auf – ist im gegebenen Zusammenhang an Zynismus nicht zu überbieten, meint es doch eigentlich die Rettung aus einer ausweglosen Lage. Obwohl von ihm selbst nicht erwähnt, gehört das Wort doch unbedingt in das Begriffsfeld der von Klemperer so bezeichneten „LTI“, der „Lingua Tertii Imperii“, der Sprache des Dritten Reiches, mit der es den Protagonisten des Regimes gelang, eine eigene, der Realität enthobene Wirklichkeit zu erschaffen.[68]
Das Schicksal der Geschwister von Bertha Straus, geborene Altstädter
Bertha war nicht das einzige Kind von Levi und Pauline Altstädter, das dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer fiel. Der erstgeborene Ludwig wurde wie auch sein Schwager Eugen Straus am 22. Oktober 1940 mit seiner Frau Karolina im Rahmen der ‚Wagner-Bürckel-Aktion’ zunächst nach Frankreich in das Internierungslager Gurs deportiert. Anders als ihrem Schwager gelang ihnen allerdings nicht die Flucht und so wurde die Familie, als im Osten die Mordfabriken bereit zur Aufnahme waren, am 3. November 1942 über die Sammelstelle Drancy bei Paris nach Auschwitz transportiert und zu einem nicht bekannten Datum ermordet.[69]
Als ältester Sohn hatte Ludwig, bevor die Nationalsozialisten auch sein Leben und das seiner Familie zerstörten, als Mehl- und Getreidehändler im Geschäft des Vaters in der Tannenstr. 13 mitgearbeitet und es dann später auch übernommen. In diesem Stadtviertel, in dem sich Juden wie auch christliche Geschäftsleute und Handwerker angesiedelt hatten, gab es über viele Jahrzehnte ein gutnachbarliches Zusammenleben. Es handelte sich, wie auch bei dem Geschäft von Ludwig Altstädter, um durchweg kleine Betriebe, „aber sie ernährten die Familien“, wie H. Keller anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen für die Familie im Jahr 2006 schrieb.[70]
Im Ersten Weltkrieg war Ludwig Altstädter wegen seines tapferen Einsatzes für das Vaterland, das dann doch nicht seines war, das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen worden. Nach dem Ende des Krieges und wenige Wochen bevor mit der Währungsreform ein wichtiger Schritt zur Überwindung der ersten großen Wirtschaftskrise in der Weimarer Republik gemacht wurde, heiratete Ludwig Altstädter am 25. Oktober 1923 in Weinheim Karolina Hirsch.[71] Sie stammte nicht aus der dort ansässigen Fabrikantenfamilie Hirsch, sondern kam aus dem rheinland-pfälzischen Hillesheim, wo eine Familie Hirsch ebenfalls eine bedeutende Stellung einnahm.[72] Recht spät, am 19. Januar 1930, wurde in Mannheim ihr einziges Kind, der Sohn Kurt geboren.[73] Nachdem ihm nach der Pogromnacht verboten wurde, die örtliche Schule zu besuchen, musste der Achtjährige auf die jüdische Schule nach Heidelberg wechseln.
Die Familie wohnte aber auch weiterhin in ihrem Weinheimer Haus in der Tannenstr. 13, bis man sie im Oktober 1940 dort abholte. Aber schon zuvor hatte sich das Klima in der Stadt geändert. Aus Nachbarn waren Feinde, aus Freunden waren jüdische Weltverschwörer geworden. Schon am 11. März 1933, noch vor dem offiziellen Boykotttag am 1. April, hatte es Aktionen zur angeblichen Abwehr der „internationalen Greuelpropaganda“ gegeben, die sich dann im April wiederholten.[74] Während des Novemberpogroms 1938 wurden dann wie überall die Fensterscheiben der jüdischen Geschäfte zertrümmert. „In vielen Fällen musste Schutzhaft über Juden verhängt werden. Die erregte Menschenmenge drang in das Synagogengebäude in der Ehretstraße und zerstörte mit Hilfe einer Sprengladung den Judentempel“, hieß es in der örtlichen Mittagszeitung am 10. November über die Ereignisse der vergangenen Stunden.[75]
Der 22. Oktober 1940 markierte dann das Ende der Jüdischen Gemeinde in Weinheim. Die 73 dort noch verbliebenen Jüdinnen und Juden sollten den Leidensweg nach Gurs antreten.
Auch der damals 10jährige Kurt musste als Kind die Tortour der Fahrt und der Unterbringung im Lager erleiden, der schon im ersten Winter mehr als 1000 der Internierten zum Opfer fielen.
Aber durch ein Wunder konnte zumindest Kurt gerettet werden. Wie er den Weg in die – man muss unter den gegebenen äußeren Bedingungen sagen – paradiesische Oase Château Le Masgelier fand, konnte nicht ermittelt werden, aber dieses Projekt des OSE, des Oeuvre de Sécours aux Enfants, und einiger anderer Hilfsorganisationen, die eine ganze Reihe solcher Inseln der Menschlichkeit organisierten, wurde für etwa 5000 Kinder die Rettung vor dem sicheren Tod in der Gaskammer.[76] Allerdings ging der Rettung eine unglaublich schwierige Entscheidung voraus: Die Eltern mussten die schwere Entscheidung treffen, sich von ihren Kindern zu trennen und sie den Helfern der OSE anzuvertrauen.[77] Wann genau sich Kurts Eltern zu diesem Schritt entschlossen, ist nicht bekannt.[78]
Er wurde für eine kurze Zeit im Chateau Masgelier untergebracht, in dem damals insgesamt 42 Kinder lebten.[79] Es handelte sich um ein altes heruntergekommenes Schloss, das notdürftig hergerichtet worden war und in dem die Kinder auch durch ihre Mitarbeit, etwa im Garten, zur eigenen Versorgung beitragen mussten bzw. durften. Die Häuser wurden zumeist nicht als reine Bewahranstalten geführt, sondern die engagierten Betreuer versuchten den Kindern durch ihre pädagogischen Konzepte auch wieder etwas an Hoffnung und Lebensfreude zu schenken.[80] Aber auf Dauer waren die im Vichy-Frankreich gelegenen Heime kein sicherer Ort und man versuchte, gestützt auf das Netzwerk der Resistance, private Unterkünfte für die Kinder zu finden. Kurt wurde von einer Bauernfamilie bei Aix-les-Bains aufgenommen. Aber auch das blieb nur eine unsicher Zwischenstation. Im September 1943 wurde von der OSE in Nimes ein Transport zusammengestellt, der eine große Zahl der Kinder an die Schweizer Grenze brachte. In kleinen Gruppen, begeleitet noch immer von Mitarbeitern der OSE, wurden sie mit Hilfe von Fluchthelfern dann über die Grenze gebracht. Am 22. September 1943 erreichte Kurt den kleinen Ort Gy im Kanton Genf, wo er am 8. Oktober 1943 registriert wurde.[81] Nach dem Krieg erfuhr er vom Schicksal seiner Eltern. Er selbst konnte unmittelbar nach Kriegsende nach Chile auswandern, wo bereits Verwandte der Familie aus dem Zweig von Heinrich Altstädter bzw. dessen Sohn Lazarus lebten. In Santiago hatte er, wie er bei einem von der Stadt organisierten Besuch ehemaliger jüdischer Bürger Weinheims im Jahr1991, an der er mit seiner Frau Edith teilnahm, berichtete, ein Unternehmen in der Metallindustrie gegründet.[82] Kurt Altstädter verstarb in seinem zur neuen Heimat gewordenen Exil im Jahr 2011.[83]
Die beiden Halbgeschwister von Bertha, Lucie und Alfred, waren durch ihre jeweiligen Ehen mit Geschwistern aus der Ermershausener Familie Zeilberger in doppelter Weise miteinander verbunden. Lucie hatte am 12. August 1930 in Weinheim Siegfried Zeilberger,[84] Alfred im Juli 1932 dessen Schwester Martha geheiratet.[85] Aber nur dem letztgenannten Paar war noch die Flucht aus Deutschland gelungen.
Die Familie Zeilberger gehörte zu den alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilien der Gemeinde Ermershausen, aus der auch Karoline Zeilberger, die Großmutter des späteren amerikanischen Außenministers Kissinger, stammte.[86] Die Familie, die zu den begüterten des Ortes zählte, war gerade deshalb später besonders den Repressalien und Gewaltaktionen der Nazis ausgesetzt.[87] Ursprünglich waren die Zeilbergers in Ermershausen als Händler, aber auch als Metzger tätig gewesen. Ernst und Rosa Zeilberger, die Eltern von Siegfried und Martha und noch fünf weiteren Kindern, hatten ihren Heimatstadt verlassen und waren in das etwa 30 km entfernte wirtschaftliche Zentrum Coburg gezogen. Im Steinweg eröffneten sie ein Modehaus, das später von den drei ältesten Söhnen Heinrich, Leo und Bernhard geführt wurde. Schon in den zwanziger Jahren war es mehrfach zum Objekt gewaltsamer antisemitischer Aktionen geworden. Noch bevor die NSDAP die Macht im Staat erlangt hatte, musste es 1932 zunächst zeitweilig, nach der „Machtübernahme“ dann schon 1933 endgültig schließen. Die Brüder Leo, Heinrich und Bernhard Zeilberger wurden in das gerade errichtete KZ Dachau eingeliefert. Bernhard kam nach wenigen Tagen wieder frei, seine Brüder wurden erst 1936 wieder entlassen. Unmittelbar danach flohen sie mit ihren Familien nach Palästina. Möglicherweise war die sofortige Ausreise auch die Bedingung für ihre Freilassung gewesen. Bernhard konnte im Januar 1938 in die USA auswandern.[88]
Siegfried Zeilberger, der kein Mitinhaber des elterlichen Geschäfts war, hatte noch in den zwanziger Jahren Coburg verlassen und war auch noch vor seiner Ehe mit Lucie Altstädter nach Frankfurt gezogen.[89] Dort kam am 5. Dezember 1932 ihr Sohn Ernst zur Welt.[90] In seinem Beruf als Handelsvertreter gelang es ihm trotz aller Einschränkungen und Boykottaufrufe in den Jahren zwischen 1936 und 1938, sein Einkommen von etwa 3.600 auf fast 5.000 RM zu steigern.[91] Dennoch muss es der Familie zuletzt wirtschaftlich sehr schlecht gegangen sein. Vermögen besaß Siegfried Zeilberger keines und er gab an, bisher durch Zuwendungen seiner Mutter Rosa Zeilberger, geborene Weikersheimer, unterstützt worden zu sein.[92]
Diese war nach dem Tod ihres Mannes am 29. November 1928 ebenfalls nach Frankfurt gezogen. Möglicherweise war die alte Frau der Grund dafür gewesen, weshalb Siegfried Zeilberger solange mit der Auswanderung gezögert hatte. Aber Ende 1939 beantragte und erhielt auch er die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Ausgabe eines Reisepasses.[93] Schon im Januar 1940 reichte er die Listen mit dem Umzugsgut bei der Devisenstelle ein, um – wie seine Brüder – ebenfalls nach Palästina auszuwandern. In einem Begleitschreiben gab er indirekt Auskunft über seine damalige finanzielle Lage. Er entschuldigte sich darin, dass er die Preise der aufgeführten Güter nicht benennen könne, weil sie ihm von Verwandten und Freunden in den letzten Jahren geschenkt worden seien. Die Kleidungsstücke seien schon abgetragen gewesen, als er sie bekommen habe. Auch mit seinem letzten Satz nahm er noch einmal Bezug auf seine desolate Situation: „Ich bin krank und nicht voll erwerbstätig, bin Rentenempfänger. Ich kann mir durch meine verminderte Arbeitskraft beeinträchtigt, im Ausland voraussichtlich in den ersten Jahren nichts kaufen. Ich bitte ergebenst, diesen Umstand, sowie meine ungünstigen Vermögensverhältnisse bei Bearbeitung der Listen entsprechend berücksichtigen zu wollen.“[94]
Die in Wien gebuchte Ausreise aus Deutschland war für den 15. Februar 1940 geplant. Allerdings, so musste Siegfried Zeilberger einräumen, hatte er die Tickets noch nicht bezahlen können. Er wolle sich, so schrieb er der Devisenstelle, das Geld beim Jüdischen Hilfsverein noch besorgen.[95] Ob der Plan am fehlenden Geld scheiterte oder durch andere Ereignisse, etwa das Kriegsgeschehen, zunichte gemacht wurde, ist nicht bekannt. Das Gepäck, so ist einem Schreiben der „Abwicklungsstelle“ vom 14. März 1947 an den älteren Bruder Heinrich, der damals in Tel Aviv lebte, zu entnehmen, habe „mit Sicherheit … infolge der Kriegsereignisse keinen Verschickungshafen mehr erreicht“ und sei „späterhin durch staatliche Massnahmen verwertet worden.“[96]
Mit der ersten Massendeportation aus Frankfurt wurden am 20. Oktober 1941 Siegfried und Lucie Zeilberger sowie ihr achtjähriger Sohn Ernst mit mehr als 1100 weiteren Jüdinnen und Juden in das Ghetto Litzmannstadt / Lodz deportiert.[97] In ihren später verfassten Erinnerungen beschrieb die Frankfurterin Hilde Stern das, was auch die anderen Neuankömmlinge bei ihrer Ankunft dort zu sehen bekamen: „unaufhörliche Bilder nie geschauten Elends“. Die Kinder seien als „in Lumpen gewickelte Skelette, barfüßig, von Kot überkrustet“ durch die Straßen gewankt und hätten „neidisch auf uns noch sämtlich ausreichend, ja wohlgekleidete Ankömmlinge“ gestarrt, „uns gleichsam mit den Augen jeden Fetzen vom Leib heruntergezogen“.[98] Trotz der Massen, die in den verfallenen Gebäuden hausten und durch die Straßen irrten, gab es ein von Oskar Rosenfeld beschriebenes Phänomen: „Gleichzeitig aber machte sich eine fürchterliche Vereinsamung bei den Zugewanderten geltend, trotz der Zusammendrängung in den Lagern. Menschen schliefen, atmeten, vegetierten nebeneinander aus allen Kategorien, einer dem anderen fremd trotz gleichem Leid und gleichen Aussichten. […] Jedes intime Leben war erstickt, das Zusammenleben ward zur Qual […], Familien zerrissen. […] Wo sind jetzt meine Kinder? Mein Bruder? Meine Freunde? Meine Bücher? Und plötzlich hinaus trotz Hunger und Kälte auf die kalten Höfe, an die eingefrorenen Latrinenbretter. Und plötzlich wieder das Geschrei nach Brot, nach Wasser, nach Kartoffeln. Ja, allmählich dämmerte uns allen die unerbittliche Wahrheit des Wortes herauf, mit dem die Braunen das Lodzer Getto bezeichnet haben: der Krepier Winkel Europas!„[99]
In diesem „Krepier Winkel“ lange zu überleben hatte der kränkelnde Siegfried Zeilberger keine Chance. Er verstarb im Ghetto Lodz nach wenigen Wochen am 8. Januar 1942.[100] Wann seine Frau und sein Sohn „krepierten“ und irgendwo verscharrt wurden, ist nicht bekannt.
Wenige Tage nachdem der Transport mit ihrem Sohn, der Schwiegertochter und dem Enkel am 20. Oktober Frankfurt verlassen hatte, verstarb Siegfrieds Mutter Rosa Zeilberger am 25. Oktober 1941 im Jüdischen Krankenhaus in der Gagernstraße wohl eines natürlichen Todes.[101] Sie war 91 Jahre alt geworden.
In Frankfurt wohnte zuletzt auch Levi Altstädters zweite Frau Rosa, geborene Hessel. Am 1. Juli 1936 soll sie Weinheim verlassen haben, um in die Mainmetropole zu ziehen, in der auch ihr Sohn Alfred seit etwa 1929 wohnte.[102] Zwar ist sie in den Adressbüchern nicht zu finden, aber möglicher weise war sie von Anbeginn im Jüdischen Altenheim in der Niedenau 25 untergebracht, wo sie im Mai 1941 noch lebte. Am 9. des Monats hatte die Devisenstelle eine ‚JS-Mappe’ mit der Nummer 956/41 auch für sie angelegt und ihr einen vorläufigen Freibetrag von 150 RM gewährt. Das Informationsschreiben an sie war mit der Aufforderung verbunden, ihre finanziellen Verhältnisse der Behörde mitzuteilen.[103] Mit zittriger Hand hatte sie das Formular nur unterschrieben, ausgefüllt worden war es von der Oberin des Altersheims: „Frau Rosa Altstädter ist Heiminsassin im Jüd. Altersheim Niedenau 25 auf Kosten der Jüd. Wohlfahrtspflege Seiler Str. 8. Kein eigenes Einkommen! Keine Rente! Kein Vermögen vorhanden!“[104] Die Devisenstelle verzichtete auf die Einrichtung eines gesicherten Kontos und setzte den Freibetrag auf 100 RM herab,[105] ein Betrag, den Rosa Altstädter ganz sicher nicht zu Verfügung hatte. Auch ihre dünne Devisenakte endet mit der Anweisung vom 6. September 1942 an die Registratur, auf ihrer Karteikarte „Evakuiert“ zu vermerken.[106]
„Evakuiert“ wurde sie am 18. August 1942 mit dem ersten der insgesamt drei Transporte, die im Besonderen ältere und gebrechliche Juden aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden in das Ghetto Theresienstadt brachten, insgesamt etwa 3500 Menschen. Der erste Transport umfasste etwas mehr als 1000,[107] die zu etwa 80 Prozent aus den zehn jüdischen Altersheimen der Stadt Frankfurt geholt worden waren. Das Heim im Rechneigraben 18-20 wurde als Sammelstelle bestimmt. Den Bewohnern, die noch über Vermögen verfügten, wurde mit sogenannten Heimeinkaufsverträgen, die zynischerweise eine altersgerechte Unterbringung in Theresienstadt versprachen, ihre letzte Habe geraubt – bei Rosa Altstädter war da ganz sicher nichts mehr zu holen. Aber auch die Deportation der Übrigen war für den klammen NS-Staat lukrativ. Da Zweidrittel der Deportierten von der ‚Jüdischen Wohlfahrtspflege’ finanziert wurden, die wiederum faktisch der Gestapo untergeordnet war, entfielen für die Gestapo damit nicht unbeträchtliche monatliche Versorgungsaufwendungen.
Wenige Tage vor der Abfahrt waren die Heime und ihre Bewohner über den Termin informiert worden. Einige Abschiedsbriefe, die die Betroffenen noch an ihre Verwandten schreiben konnten, sind erhalten geblieben und zeugen von der Angst der Menschen angesichts ihres drohenden Schicksals. Von Rosa Altstädter ist ein solcher Brief nicht erhalten geblieben, aber der von ihrer Mitbewohnerin in der Niedenau 25, Rosa Natt: „So ein Lebensende ohne Verschulden. Ich habe meine Pflicht nur getan; ich wollte, der Schlag würde mich treffen. Euch wünsche ich Frieden und Glück und alles Gute. Ob ich Nachricht geben kann, das weiß ich nicht. Habt Dank für alles Gute, was ihr mir getan habt, und behaltet mir gutes Andenken. Eure unglückliche Mutter und Oma.“[108]
Möglicherweise war Rosa Altstädter in den letzten Tagen noch in das Jüdische Krankhaus in der Gagernstr. 36 verlegt worden, denn auf einer der Listen, die den bürokratischen Ablauf der Deportation festhielten, ist ihre Anschrift mit der des Hospitals und nicht mit der des Altersheims angegeben.[109] Auf dem Transport verstarben schon elf der eigentlich zum großen Teil nicht mehr transportfähigen alten Menschen. Welches Elend sie in der ehemaligen Garnisonsstadt erwartete, ist allgemein bekannt. Umso erstaunlicher ist, dass Rosa Altstädter den Herbst und die ersten Wintermonate noch überstand. Ihr Tod, angeblich verursacht durch „Fussbrand“, wurde am 28. Januar 1943 von der jüdischen Ärztin Franziska Frankl festgestellt und als Todesfallanzeige aktenkundig gemacht.[110]
Ihr Sohn Alfred Altstädter, verheiratet mit Martha Zeilberger, überlebte mit seiner Frau und dem Sohn Georg den Holocaust in ihrem amerikanischen Exil.
In ihrem Entschädigungsverfahren haben beide in knapper Form schriftlich ihre Lebensgeschichte dargelegt.[111] So hatte der 1902 geborene Alfred nach seiner Schulzeit, in der er auch ein halbes Jahr die Handelsschule besuchte, 1917 eine kaufmännische Lehre aufgenommen und anschließend als Angestellter in verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Er scheint damals auch kurzeitig in Wiesbaden wohnhaft gewesen zu sein, denn laut der Meldekartei aus Weinheim hatte er sich am 10. September 1924 in die Kurstadt abgemeldet, wo er laut diesem Eintrag eine Wohnung in der Klingerstraße bezogen haben soll.[112] 1929 machte er sich als Handelsvertreter selbstständig. Drei Jahre später heiratete er am 29. Juli 1932 in Coburg Martha Zeilberger.[113] Martha hatte in Coburg das Lyzeum besucht und im Sommer 1919 an der Handelshochschule in Sonnenberg / Thüringen ihre beruflichen Qualifikationen für die Mitarbeit im elterlichen Geschäft erweitert. Bereits seit 1918 war sie dort tätig gewesen, war aber dann nach 10 Jahren zum Kaufhaus Berger in Duisburg Hamborn gewechselt. Nachdem am 20. Oktober 1932 ihr Sohn Georg zur Welt gekommen war, gab sie ihre berufliche Tätigkeit auf. Hatte Siegfried Zeilberger zuvor als Lediger in Frankfurt noch im Oeder Weg 78 gewohnt, so bezog die Familie jetzt ein Appartement im Heimatring 9.
Bis 1938 habe er seine Tätigkeit als Handelsvertreter „ungestört“ ausüben können, dann sei er im Juni 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert worden, notierte er in seiner knappen Biografie.
Die Gründe für die Inhaftierung gab er in seiner Kurzbiografie nicht an.[114] In Buchenwald wurde damals, am 24. Juni, eine Liste mit den Namen und den „Haftgründen“ der 110 Personen angelegt, die an diesem Tag dorthin überstellt wurden. Neben etwa 20 „Schutzhäftlingen“, die vermutlich aus politischen Gründen festgenommen worden waren, bestand der weitaus größte Teil aus „Arbeitsscheuen“, von wenigen Ausnahmen abgesehen fast nur Juden. Zu dieser Kategorie gehörte auch der mit der Häftlingsnummer 5042 versehene Alfred Altstädter.[115] Am 14. Juli 1938 wurde er wieder aus Buchenwald entlassen, allerdings nicht in Freiheit, sondern er wurde der Polizei in Frankfurt übergeben. Auf seiner Karteikarte des KZs Buchenwald, auf der diese Entlassung eingetragen ist, findet sich auch ein Vermerk über eine frühere Gefängnisstrafe von sechs Wochen wegen Diebstahls. Wann er diese Strafe verbüßte und was die Hintergründe dafür waren – ein tatsächliches Vergehen oder aber eine fingierte, antisemitisch motivierte Anschuldigung -, ist nicht bekannt.[116] Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, wann er wieder aus dem Polizeigewahrsam freikam. Er selbst schrieb, dass er Ende September 1938 entlassen wurde, allerdings aus Buchenwald und nicht aus dem Frankfurter Gefängnis.[117]
Im Zuge der Ereignisse während der Reichspogromnacht wurde er erneut verhaftet und auch wieder in das Konzentrationslager auf dem Ettersberg bei Weimar eingeliefert. Am 8. Dezember 1938 steht sein Name an erster Stelle auf der Liste der an diesem Tag insgesamt entlassenen 105 „Aktionshäftlinge“,[118] also der Juden, die in den Tagen um die „Kristallnacht“ inhaftiert worden waren.
Irritierend im Hinblick auf die zeitliche Abfolge ist allerdings ein an ihn gerichteter Brief der Devisenstelle vom 15. November 1939, Adresse Frankfurt Grüneburgweg 128, der mit dem Vermerk des Briefträgers „Empfänger ausgewandert“ wieder zurück an die Behörde ging.[119] Alfred Altstädter konnte zu diesem Zeitpunkt kaum ausgewandert sein, wenn er erst drei Wochen später aus Buchenwald entlassen wurde. Möglicherweise hatte seine Frau nach dem Pogrom Frankfurt bereits verlassen und die Hausbewohner hatten vermutet, dass die gesamte Familie ausgewandert sei.
Dass Alfred Altstädter „nur“ vier Wochen im KZ bleiben musste, lag daran, dass die Familie bereits vor den Ereignissen im November einen Ausreiseantrag nach Amerika gestellt und inzwischen auch die entsprechenden Visa erhalten hatte.[120]
Schon am 13. Januar 1939 erreichten sie zusammen auf dem Schiff ‚Hanasa’ von Hamburg aus den Hafen von New York. Eine erste Anlaufstätte fanden sie bei Alfreds Bruder Bernhard, der schon im Januar 1938 in die USA ausgewandert war und sich in New York niedergelassen hatte. [121] Dort blieben auch Alfred und seine Familie. Als 1940 eine Volkszählung durchgeführt wurde, gaben sie an, als „Candymaker“ ihren Lebensunterhalt zu verdienen.[122] Zehn Jahre später wurde Alfred Altstädter bereits als Manager einer „Candy Factory“ in das entsprechende Formular eingetragen.[123] In den 60er Jahren, als sie ihren Entschädigungsantrag stellten, lebten sie noch immer in New York. Martha Altstädter soll im August 1970 verstorben sein, ihr Mann Alfred im Juni des folgenden Jahres, ihr Sohn Georg im Jahre 1999.[124]
Auch der zweitälteste Sohn von Levi und Babette Altstädter, Jakob Julius, hatte noch 1939 mit seiner Familie Deutschland verlassen und in den USA eine neue Heimat gefunden. Verheiratet war er mit Erna Amalie Mayer aus Schifferstadt, wo diese am 29. Mai 1901 zur Welt gekommen war. In ihrer Geburtsstadt hatten die beiden am 9. August 1935 die Ehe geschlossen. Am 3. Mai 1936 war zwar in Mannheim ihre Tochter Ruth geboren worden, gemeldet war der kaufmännische Angestellte aber weiterhin in Weinheim, wo das Paar zunächst in der Hauptstr. 43, dann ab Oktober 1936 in der Fichtestr. 30 wohnte. Das letzte Dreivierteljahr, nach der Reichspogromnacht wohl schon auf dem Absprung nach Amerika, lebten sie zusammen mit der Familie des Bruders Ludwig in der Tannenstr. 13.[125] Auch Julius Altstädter hatten die Nazis nach Dachau eingeliefert und ihn bis zum 15. Dezember 1938 dort festgehalten.[126] Vermutlich war die Freilassung, wie so oft, auch bei ihm nur unter der Bedingung erfolgt, dass er mit seiner Familie Deutschland so schnell wie möglich verlassen würde. Bis alle Formalitäten geklärt waren, verging noch ein Dreivierteljahr.
Nachdem sie im August die Visa erhalten hatten, konnte die Familie am 22. Oktober 1939 von Rotterdam aus mit der ‚Statenham’ nach New York aufbrechen, das sie noch am Monatsende erreichte.[127]
In seinem schon 1940 gestellten Antrag auf Einbürgerung, der am 19. November 1945 positiv beschieden wurde,[128] gab Jakob Julius seinen Beruf mit Lederarbeiter an. Die Tochter Ruth besuchte in den 50er Jahren die Weequahic High School in Newark in New Jersey,[129] wohin die Eltern offenbar nach ihrer Ankunft in New York gezogen waren. 1963 heiratete sie den deutschen Emigranten Paul Stoll, der am 12. März 1936 in Schweinfurt geboren wurde, zuletzt mit seinen Eltern, dem Metzgermeister David Stoll und seiner Frau Regine, geborene Schwanfeld, aber in Oberlauringen gelebt hatte. Über England war die Familie im Januar 1940 in die USA eingewandert.[130]
Weder über das Leben der Eltern von Ruth, noch über das ihrer eigenen Familie in Amerika konnten weitere Informationen gefunden werden.
Letzte Revision: 18. 07. 2024
Anmerkungen:
1] Geburtsregister Weinheim 295 / 1896.
[2] http://www.juden-in-weinheim.de/de/geschichte/index.html#8. (Zugriff: 22.6.2024).
[3] Siehe auch im Folgenden http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-jakob-x.html und http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-heinrich-i.-elchanan.html. (Zugriff: 22.6.2024).
Die Lebensdaten der verschiedenen Mitglieder der Familie Altstädter sind, soweit nicht anders angegeben, der sehr guten Seite ‚Jüdische Spuren in Weinheim’ entnommen, hier dem Unterpunkt Personen http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/index.html. (Zugriff: 22.6.2024). Aber auch die verschiedenen Artikel, viele davon wurden von Heinz Keller für die Weinheimer Nachrichten verfasst, wurden zu Rate gezogen. Ein besonderer Dank geht auch an das Stadtarchiv Weinheim, das bei Unklarheiten bereitwillig Auskunft erteilte.
[4] http://juden-in-weinheim.de/de/dokumente/a/als-buerger-der-stadt-im-buergerbuch-eingetragen-familie-altstaedter.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[5] http://juden-in-weinheim.de/de/rundgang/index.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[6] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/k/kaufmann-sophia.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[7] Heiratsregister Hirschberg 14 / 1891. Fälschlicherweise wird von Horsch, Jüdische Gemeinde in Weinheim, S. 43, dieses Heiratsdatum der zweiten Ehe von Levi Altstädter mit Rosa Hessel zugeordnet.
[8] Auskunft Stadtarchiv Weinheim vom 12.6.2024. Zudem ist in den Geburtseintragungen nur der Name Babette, nicht aber Pauline oder Perle eingetragen. Ob der unter http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-levi.html, (Zugriff: 22.6.2024) genannte Name Pauline bzw. Perle falsch ist oder ob es sich dabei um Ruf- bzw. Kosenamen handelte, konnte nicht geklärt werden.
[9] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-ludwig.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[10] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-jakob-julius.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[11] Sowohl bei Horsch, Jüdische Gemeinde in Weinheim, S. 43, als auch bei GENI https://www.geni.com/family-tree/index/6000000025876290045 (Zugriff: 22.6.2024) und auch auf der Stolpersteinseite aus Weinheim https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Weinheim (Zugriff: 22.6.2024) werden die ersten drei Kinder fälschlicherweise Levi Altstädters zweiter Frau Rosa Hessel zugeordnet.
[12] Heiratsregister Weinheim 24 / 1900.
[13] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/z/zeilberger-lucie.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[14] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-alfred.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[15] Heiratsregister Göllheim 19 / 1922. Als Trauzeugen waren die jeweiligen Väter Levi Altstädter und Heinrich Straus zugegen. Letzterer war 1922 75 Jahre alt, muss also um 1847 geboren worden sein. In seinem Antrag auf Einbürgerung in die USA im Jahr 1942 hat Eugen das Heiratsdatum fälschlicherweise mit dem 16.3.1922 angegeben, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6764336:2280. (Zugriff: 22.6.2024).
Wie so oft bei diesem Namen ist die Schreibweise immer wieder unterschiedlich, er erscheint mit einfachem ‚s’, mit ‚doppel-s’ – so in Berthas Devisenakte – oder – zwar selten, aber z.B. auf ihrer Gestapokarteikarte – auch mit ’ß’. Im vorliegenden Text wird durchgängig die Variante ‚Straus’ gewählt, die Form, mit der die Familie in den Geburts-, Heirats- und Sterberegistern in Göllheim vertreten ist. In Wiesbaden war Bertha Straus allerdings in der Form Strauss bekannt. Mit dieser Namensvariante wurde sie auch auf dem Namensfries der Gedenkstätte am Michelsberg verzeichnet.
[16] Jüdisches Leben in Göllheim, S. 124.
[17] Paul, Jüdische Gemeinde Göllheim, S. 584, 590.
[18] Geburtsregister Göllheim 34 / 1887 und Heiratsregister Göllheim 19 / 1922.
[19] Geburtsregister Göllheim 48 / 1877, Sterberegister Göllheim 32 / 1877.
[20] Heiratsregister Göllheim 10 / 1904. Seine Eltern waren Bernhard und Philippina Löw, geborene Koch, wohnhaft in Mommenheim. Als Trauzeugen traten damals der 54jährige Kaufmann Isaak Straus und der 64jährige Gottfried Samuel Straus auf. Beide könnten Brüder von Heinrich Straus, dem Brautvater, gewesen sein. Isaak Straus war verheiratet mit Henriette Weinmann, vielleicht eine Schwester von Bertha Weinmann, der Frau von Heinrich Straus. Aber gesichert sind diese Vermutungen bisher nicht. Isaak Straus war Inhaber der bedeutenden Eisenhandlung A. Freiberg in Göllheim, die später von den Söhnen nach Mannheim verlegt wurde. Einer der Söhne, Siegfried Straus, lebte zuletzt mit seiner Frau Berta, geborene Aumann, in einem Wiesbadener Judenhaus, von wo beide am 1.9.1942 nach Theresienstadt deportiert wurden.
[21] Geburtsregister Göllheim 2 / 1880 und Sterberegister Göllheim 33 / 1881.
[22] Geburtsregister Göllheim 5 / 1882.
[23] Paul, Jüdische Gemeinde Göllheim, S. 592.
[24] Siehe exemplarisch https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/9751843:1631?tid=&pid=&queryId=24de4c81-b5a6-4708-9015-409670898cf0&_phsrc=svo4226&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024).
[25] Heiratsregister Göllheim 4 / 1911. Alexander Friedberger gab bei seiner Einreise in die USA den 4.6.1911 als Heiratsdatum an, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6718461:2280?tid=&pid=&queryId=8c45b73d-aa3f-4797-b32c-95e9e0df9093&_phsrc=svo4322&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024). Wolff Friedberger war am 28.5.1851, seine Frau Bertha am 7.4.1857 geboren worden. Außer Alexander hatte das Paar noch die beiden Kinder Gustav, geboren am 28.6.1878, und Betty, geboren am 15.5.1884. Wolf Friedberger verstarb am 5.6.1922 in Neidenstein, seine Frau am 18.7.1921, wo, ist nicht bekannt. Siehe Familienbuch der Israeliten aus Neidenstein, Einträge 116 und 121.
[26] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/2052965:1631. (Zugriff: 22.6.2024). Im Gemeindearchiv von Göllheim konnte der Geburtseintrag von Sigmund Straus leider nicht aufgefunden werden.
[27] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/20576967:7488. (Zugriff: 22.6.2024).
[28] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/140431626:2442. (Zugriff: 22.6.2024).
[29] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/20884714:7488. (Zugriff: 22.6.2024).
[30] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/7003749:60901?tid=&pid=&queryId=1ef53058-1a22-4678-9d1f-eb9feaf228e7&_phsrc=svo4540&_phstart=successSource und https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/7003749:60901?tid=&pid=&queryId=1ef53058-1a22-4678-9d1f-eb9feaf228e7&_phsrc=svo4540&_phstart=successSource (Zugriff: 22.6.2024).
[31] Heiratsregister Göllheim 19 / 1922.
[32] Siehe die Angabe auf dem Grabstein.
[33] Sterberegister Göllheim 28 / 1925.
[34] Geburtsregister Göllheim 44 / 1925.
[35] Im Adressbuch für die Rheinpfalz der Jahre 1907 bis 1909 ist ein Heinrich Strauß – mit ‚ß’ – als Viehhändler aufgeführt, aber ob es sich dabei um den Vater von Eugen handelt, ist ungewiss., Siehe Paul, Jüdische Gemeinde Göllheim, S. 589 f, dazu Anm.29.
[36] Ziegler, Göllheim in der NS-Zeit, S. 261 f.
[37] Paul, Jüdische Gemeinde Göllheim, S. 593.
[38] Ebd.
[39] Jüdisches Leben in Göllheim, S. 51.
[40] Familienbuch der Israeliten aus Neidenstein, Eintrag 121.
[41] Heiratsregister Weinheim 19 / 1922.
[42] Gemeindearchiv Göllheim, zit. nach Jüdisches Leben in Göllheim, S. 56.
[43] https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01010602/aa/ag/tb/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[44] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010607/0141/98381285/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[45] Auskunft Stadtarchiv Mannheim.
[46] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 38, siehe hier zu den Ereignissen insgesamt S. 37-46.
[47] Zu denjenigen, die nach ihrer Emigration nach Frankreich in Gurs interniert worden waren, gehörte auch Germaine Shafran, die nach ihrer gelungenen Flucht aus Gurs in die USA auswanderte, später aber nach Deutschland zurückkehrte und sich in Wiesbaden im Aktiven Museum Spiegelgasse in der Erinnerungsarbeit engagierte. In ihrer Biografie, „Never say die!“ hat sie ihrer Zeit in Gurs ein eigenes Kapitel gewidmet.
[48] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/51764336:2280. (Zugriff: 22.6.2024).
[49] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1006570868:7488. (Zugriff: 22.6.2024).
[50] Harry Friedberger heiratete am 5. 3.1943 in New York Else Oppenheimer, geboren am 11.7.1907 in Schifferstadt. Das Paar hat einen Sohn, James, geboren am 18.9.1944 in New York. Siehe dazu das vom Neidensteiner Pfarrer R. Krust erstellte Familienbuch der Israeliten aus Neidenstein, Eintrag 122 und 121. Das Familienbuch ist online unter https://kirche-eschelbronn-neidenstein.de/israelitisches-familienbuch-neidenstein eingestellt (Zugriff: 22.6.2024).
[51] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1006582507:7488?tid=&pid=&queryId=e76ebb05-5292-4490-b7ac-d83313639b65&_phsrc=svo4529&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024).
[52] https://images.findagrave.com/photos/2021/140/UNCEM_99920_bc0950c2-9999-4527-8e7a-56aecd8c93ea.jpeg?v=1622044704. (Zugriff: 22.6.2024).
[53] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/294487323:62308. (Zugriff: 22.6.2024).
[54] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/2591587:7733. (Zugriff: 22.6.2024).
[55] https://de.findagrave.com/memorial/211198597/eugene-straus. (Zugriff: 22.6.2024).
[56] Die Meldeunterlagen der Stadt wurden im Krieg zerstört.
[57] HHStAW 685 788b (4).
[58] Ebd. (29).
[59] HHStAW 519/3 8024 (1).
[60] Ebd. (3).
[61] Ebd. (4, 7).
[62] Ebd. (3).
[63] Ebd. (7).
[64] Es existiert nur eine Kopie dieser im Juni 1942 angelegten Liste im Archiv des Aktiven Museums Spiegelgasse, von wem die Liste angelegt wurde und wo sich das Original befindet, ist nicht bekannt.
[65] Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 107 f.
[66] https://www.majdanek.eu/en/prisoners-results?firstname=Hans&lastname=Straus&day=&month=&year=1925&place-of-birth=&prisoners-search-submit=SEARCH. (Zugriff: 22.6.2024). Hans Straus ist, obwohl sein Name auf der Deportationsliste steht, eigenartigerweise bisher nicht auf dem Namensband der Gedenkstätte am Michelsberg verzeichnet.
[67] HHStAW 519/3 8024 (8).
[68] Klemperer, Unbewältigte Sprache.
[69] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de830472. (Zugriff: 22.6.2024).
[70] Weinheimer Nachrichten vom 16.11.2006.
[71] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-ludwig.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[72] Karolina Hirsch war dort vermutlich am 2.5.1893 als Tochter von Maurice und Josefine Hirsch geboren worden, siehe https://www.geni.com/people/Karolina-Altst%C3%A4dter/6000000025875806704. (Zugriff: 22.6.2024).
[73] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-kurt.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[74] http://www.juden-in-weinheim.de/de/dokumente/a/auch-in-weinheim-wurden-heute-vor-75-jahren-geschaefte-und-praxen-boykottiert.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[75] http://www.juden-in-weinheim.de/de/dokumente/d/der-schicksalstag-auch-fuer-die-weinheimer-juden.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[76] Siehe dazu umfassend: Brändle, Brigitte und Gerhard, Jüdische Kinder im Lager Gurs – Gerettete und ihre Retter*innen. Im Gegensatz zu den bekannten Kindertransporten nach England, sind die Rettungsaktionen in Frankreich unter ungleich schwierigeren Bedingungen bisher weitgehend unaufgearbeitet geblieben. Die Autoren weisen darauf hin, dass von den damals insgesamt nach Gurs Deportierten nur 19 Prozent der Erwachsenen, aber 73 Prozent der Kinder überlebten, nicht zuletzt auf Grund der unglaublichen Arbeit dieser Hilfsorganisationen. Siehe ebd. S. 5.
[77] Diese grausame Abschiedssituation schildert zum Beispiel der Überlebende Hans Mayer, der von seinem Vater auf den Lastwagen gehoben wurde, um in ein Waisenhaus gebracht zu werden. Die Erinnerung an die Augen seines Vaters ist das Einzige was dem so Geretteten von den Eltern blieb. Siehe ebd. S. 17.
[78] Zu Kurt Altstädter siehe ebd. S. 102.
[79] Ebd. S. 19.
[80] Eine der Mitarbeiter im Chateau Masgelier war übrigens Alice Bloch, die Tochter des berühmten Historikers und Mitbegründer der Annales-Schule Marc Bloch.
[81] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/290:5499. (Zugriff: 22.6.2024).
[82] http://www.juden-in-weinheim.de/de/dokumente/a/auch-das-ek-i-bewahrte-ihn-nicht-vor-der-gaskammer-in-auschwitz-altstaedter.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[83] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-kurt.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[84] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/z/zeilberger-lucie.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[85] HHStAW 518 44916 (6, 9).
[86] 950 Jahre Ermershausen 1049-1999, S. 140f.
[87] Ebd. S. 149.
[88] https://coburger-juden.de/leo-zeilberger/. (Zugriff: 22.6.2024). Dazu https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/24881013:7488?tid=&pid=&queryId=cc8ef2cf-0d87-4ac3-9090-4a9d1c56d854&_phsrc=svo4299&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024).
[89] Nach seinen Angaben wohnte er dort seit dem 26.4.1927, siehe HHStAW 519/3 31771 (2).
[90] Ebd.
[91] HHStAW 519/3 31771 (2).
[92] Rosa Zeilberger besaß bei 1938 der Berechnung der Judenvermögensabgabe noch ein Vermögen von 23.000 RM, die „Sühneleistung“ wurde zunächst auf 4.600 RM festgesetzt. Die fünfte Rate musste sie nur noch zum Teil zahlen, siehe HHStAW 518 58143 (21).
[93] HHStAW 519/3 31771 (3, 4).
[94] Ebd. (5).
[95] Ebd. (2).
[96] HHStAW 519/3 31771 (34).
[97] Zu dieser Deportation siehe ausführlich Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 42-68, auch Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 72 f.
[98] Ebd. 54.
[99] Zitiert nach ebd. S. 58.
[100] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de996887. (Zugriff: 22.6.2024).
[101] Sterberegister Frankfurt 1354/V / 1941, dazu HHStAW 518 58143 (17). Geboren worden war sie am 13.4.1864 in Gaukönigshofen, zuletzt wohnte sie im Reuterweg 91. Ihre Eltern waren Baer und Theresia Weikersheimer, geborene Haukeritz.
[102] In Adressbuch von 1929 findet man erstmals einen Eintrag mit seinem Namen. Als sein Beruf ist „Kaufmann“ angegeben, wohnhaft in der Wittelsbacher Str. 132.
[103] HHStAW 519/3 30471 (1).
[104] Ebd. (3).
[105] Ebd. (4).
[106] Ebd. (5).
[107] Zu diesem Transport siehe umfassend Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 122-132.
[108] Ebd., S. 126.
[109] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020101/0028/133949909/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[110] https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/1/8/18860_ca_object_representations_media_41888_large.jpg. (Zugriff: 20.4.2024).
[111] HHStAW 518 44916 (6).
[112] http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-alfred.html. (Zugriff: 22.6.2024) Sein Name ist allerdings in keinem der Adressbücher zu finden und weder in den Akten des Stadtarchivs, noch in denen des Hauptstaatsarchivs hat er Spuren hinterlassen.
[113] Zu Martha Zeilberger siehe HHStAW 518 44916 (9).
[114] Auch stimmen die im Weiteren gemachten zeitlichen Angaben seiner Inhaftierungen nicht genau mit den Dokumenten des Arolsen-Archivs überein.
[115] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010501/0014/119865429/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[116] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0814/51905732/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[117] HHStAW 518 44916 (6).
[118] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010501/0014/119867645/002.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[119] HHStAW 519/3 24 (2). Die Akte selbst war erst an diesem Tag angelegt worden.
[120] HHStAW 518 44916 (6).
[121] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6720239:2280?tid=&pid=&queryId=55297c72-fc45-4654-b2d6-838c159697bc&_phsrc=svo4218&_phstart=successSource und https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1005265265:7488. (Zugriff: 22.6.2024). Zu Bernhard Zeilberger siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/24881013:7488?tid=&pid=&queryId=e0b56262-3ed7-4994-baee-17eb1603a9a1&_phsrc=svo4313&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024).
[122] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/15760666:2442. (Zugriff: 22.6.2024).
[123] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/292812276:62308. (Zugriff: 22.6.2024).
[124] https://www.geni.com/family-tree/index/6000000025877054848. (Zugriff: 22.6.2024).
[125] Zu den Angaben siehe http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/altstaedter-jakob-julius.html. (Zugriff: 22.6.2024).
[126] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010607/0036/56340395/001.jpg. (Zugriff: 22.6.2024).
[127] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1004634470:7488?tid=&pid=&queryId=9b0b6bf6-2c3e-4e57-bdf2-05e4232c3400&_phsrc=svo4329&_phstart=successSource und https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/65736:61325. (Zugriff: 22.6.2024).
[128] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/460322:61325?tid=&pid=&queryId=cdc23b1d-32a2-455d-9897-1437989b5ee5&_phsrc=svo4339&_phstart=successSource. (Zugriff: 22.6.2024).
[129] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/416262135:1265. (Zugriff: 22.6.2024).
[130] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/12192002:2280. (Zugriff: 22.6.2024). Paul Stoll verstarb am 19.8.2006 in New York, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/78351626:3693. (Zugriff: 22.6.2024).