Martha und Albert Kleeberg sowie seine Geschwister


Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Das ehemalige Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 heute
Eigene Aufnahme
Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Lage des ehemaligen Judenhauses
Belegung des Judenhauses Kaiser-Friedrich-Ring 65

 

 

 

 

 


Als Albert und Martha Kleeberg sich am 11. März 1935 in dem Ruhrgebietsstädtchen Castrop ab- und in Wiesbaden anmeldeten, kamen sie nicht in eine für sie gänzlich fremde Stadt ohne jegliche Anlaufstelle. Aus dem engeren Familienkreis lebte dort seit etwa vier Jahren Julius Rothschild mit seiner Frau Alma. Martha Kleeberg, geborene Rothschild, war die ältere Schwester von Julius Rothschild, der somit der Schwager von Albert Kleeberg war.[1] Beide Familien stammten aus dem heutigen Nordrhein-Westfalen, dem Sauerland und Ruhrgebiet, die damals beide noch zu Preußen gehörten. Martha Kleeberg war am 10. Juli 1881 als Tochter von Moses und Lina Rothschild in Brilon geboren worden,[2] ihr Mann kam in dem damals noch selbstständigen Castrop, dem heutigen Castrop-Rauxel, zur Welt.

Stammbaum Kleeberg
Stammbaum der Familie Kleeberg
GDB

Laut einer Abschrift des Familienregistereintrags war er am 10. November 1873 in Castrop als Sohn von Simon Kleeberg und seiner Frau Julie geboren worden.[3] Julies Mädchenname ist hier mit Kosmann angegeben, aber in den Akten lassen sich auch verschiedene andere Schreibweisen des Namens finden, etwa Cosmann oder Cossmann. Auch ist ihr Vorname mitunter in der Variante Julia angegeben.[4] Sie selbst war im Jahr 1836 in dem wenige Kilometer nördlich von Castrop gelegenen Horneburg geboren worden. Auf dem Grabstein ihres Ehemanns, der auf dem Jüdischen Friedhof in Castrop-Rauxel beerdigt wurde, kann man lesen: „Simon Kleeberg zu Castrop, geb. am 9. Juni 1938, gest. am 13. November 1904“.[5]

Seiner Sterbeurkunde können weitere Angaben zum familiären Hintergrund der Familie Kleeberg entnommen werden. Simon Kleeberg stammte aus der kleinen Ortschaft Boffzen bei Holzminden und war der Sohn von Abraham und Caecilie Kleeberg, geborene Katz.[6] In Boffzen gab es im 18. und 19. Jahrhundert nur eine sehr kleine jüdische Gemeinde, die anfangs nur aus vier Familien bestand. Einer dieser frühen jüdischen Bürger war ein Cohen Chajim, sozusagen der Stammvater der Kleebergs. Vier seiner Söhne sind namentlich bekannt. Neben Mordechai, geboren 1793, Simon, geboren 1794, Jehuda, genannt Levi, geboren 1801, gab es auch einen Abraham, der 1799 geboren wurde und 1856 verstarb.[7] Er soll drei Frauen und mit diesen insgesamt acht Kinder gehabt haben. Zwar kann es nicht als gesichert, aber dennoch als wahrscheinlich angesehen werden, dass dieser Abraham der im Sterbeeintrag genannte Vater von Simon war. Er wäre bei der Geburt des Sohnes noch keine 40 Jahre alt gewesen und es ist eher unwahrscheinlich, dass es innerhalb der Familie in der ersten Generation nach Cohen Chajim mehrere Söhne mit diesem Namen gegeben haben wird. Abraham war als Schlachter in Boffzen geblieben, hatte die Metzgerei aber seinem älteren Sohn Moses überschrieben. Von Henriette Kleeberg, eine Schwester der beiden, ist bekannt, dass sie in Castrop verheiratet war.[8] Ob die Schwester oder er selbst als erster den Weg nach Castrop gefunden hatte, ließ sich nicht mehr klären.

Auch wenn nicht sicher ist, wann Simon Kleeberg nach Castrop kam, so gehörte er in jedem Fall nicht zu den jüdischen Bewohnern, die sich schon vor vielen Generationen in der seit der Industrialisierung aufstrebenden Stadt niedergelassen hatten. Seit 1902 waren die kleineren Ortschaften der Umgebung eingemeindet und seit 1926 war durch die Zusammenlegung von Castrop und Rauxel eine Stadt geschaffen worden, die um die Jahrhundertwende fast 10000 Einwohner hatte. Zwar war durch den Zuzug auch die absolute Zahl der jüdischen Bürger gestiegen, aber ihr Anteil war von mehr als 5 Prozent auf knapp 1,5 Prozent zurückgegangen.[9] Es waren primär andere Berufe gefragt, als diejenigen, die Juden traditionell besetzten. Aber vor dem Hintergrund der hohen wirtschaftlichen Dynamik konnten auch die jüdischen Gewerbetreibenden mit ihren althergebrachten Berufen als Händler und Metzger erfolgreich am Wirtschaftsleben teilhaben, sich sogar zunehmend in ihrer Erwerbsstruktur ausdifferenzieren.[10] Der Stadtteil Castrop blieb trotz der starken Bevölkerungsfluktuation das eigentliche Zentrum jüdischen Lebens, wo sie weitgehend auch in den vertrauten Straßen wohnen blieben.

In den Listen jüdischer Bürger von 1849 und von 1890 taucht der Name Kleeberg noch nicht auf.[11] Bei der zweiten Liste handelt es sich allerdings um die Liste der Wahlberechtigten Gemeindemitglieder für den Synagogenvorstand, vermutlich sind darin aber nur die Namen derjenigen mit passivem Wahlrecht aufgeführt. Denn zu diesem Zeitpunkt muss Simon Kleeberg mit seiner Frau längst in Castrop wohnhaft gewesen sein. Hier war schon am 20. Februar 1865 als erstes Kind des Paares die Tochter Cäcilie geboren worden.[12] Ein Jahr später, am 12. Mai 1866 folgte eine weitere Tochter mit Namen Bella, die aber fast ausschließlich mit ihrem Rufnamen Bertha in den Akten erscheint.[13] Am 22. März 1871 kam eine weitere Tochter zur Welt, die den Namen Sophie erhielt.[14] Möglicherweise war Julie Kleeberg – der zeitliche Abstand legt das nahe – zwischen der Geburt von Bella und Sophie von einem weiteren Kind entbunden worden, das aber sehr bald nach der Geburt verstorben sein muss. In der Geburtsurkunde von Albert, geboren am 10. November 1873, heißt es nämlich ausdrücklich, er sei das fünfte Kind des Paares gewesen.[15] Albert blieb auch der einzige männliche Nachkomme, denn die letzten beiden Kinder waren wieder zwei Mädchen. Am 20. April 1877 kam Helene,[16] dann am 29. Juni 1880 Jeannette, genannt Jenny, zur Welt.[17]

Über die meisten der Kinder liegen bisher nur wenige Informationen vor. Abgesehen von den Eckdaten, Geburt und Tod, ist auch über deren Vater Simon Kleeberg fast nichts bekannt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass auch er ein Kaufmann war, der vielleicht sogar schon das Geschäft gegründet hatte, dass sein Sohn Albert später in Castrop noch über eine Reihe von Jahren führte. Auch über ihn selbst, über seine Kindheit, Jugend und seinen beruflichen Werdegang, weiß man wenig, obwohl sogar zwei dicke Entschädigungsakten über ihn vorliegen. Der größte Teil befasst sich aber mit einer Erbschaftsauseinandersetzung, in der es um die Rechte an dem ehemaligen elterlichen Haus in ihrer Heimatstadt ging. Über das Leben der Familie in Castrop oder Wiesbaden lassen sich darin nur sporadische Hinweise finden.[18]

Albert Kleeberg scheint nach seiner Geburt aber nicht immer in Castrop-Rauxel gewohnt zu haben, denn seine Meldekarte von Castrop enthält den Vermerk „Am 13.4.1893 von Hagen zugezogen“.[19] Vermutlich hatte der damals knapp 20jährige zuvor seine Berufsausbildung als Kaufmann in einer fremden Stadt abgeschlossen und war dann in den elterlichen Betrieb eingetreten. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters – wann die Mutter verstarb, ist nicht bekannt – gründete er am 15. Januar 1906 mit Martha Rothschild eine eigene Familie in Castrop-Rauxel.[20] Ernst, geboren am 25. November 1908, sollte ihr einziges Kind bleiben.[21]

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Meldekarte der Familie Kleeberg in Castrop
Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Castrop-Rauxel

Im Todeseintrag von Simon Kleeberg ist als Anschrift des Verstorbenen noch die Münsterstr. 17 angegeben. Das Haus, das später im Besitz des Sohnes Albert war, lag dagegen in derselben Straße, hatte aber die Nummer 21. Ob dies einer Neunummerierung der Straße oder einem realen Umzug geschuldet ist, war nicht mehr feststellbar. In jedem Fall beherbergte das Haus neben der Wohnung für die Familie auch ein Ladengeschäft für Herrenbekleidung.

Die ersten überlieferten Zahlen über die Geschäftstätigkeit stammen aus den Jahren unmittelbar nach der großen Inflation zu Beginn der Weimarer Republik. Das Haus ist in einer Aufstellung des Vermögens mit einem Wert von etwa 35.000 Goldmark angegeben, der des Betriebs sogar mit 44.000 Goldmark. Ob dieser Wert aber tatsächlich ein fluktuierendes Gewerbe oder nur einen hohen unverkäuflichen Lagerbestand indiziert, lässt sich nicht sagen. Einiges spricht eher für eine eher negative Sicht, denn das private Vermögen in Form von Wertpapieren betrug nur wenig mehr als 6.000 Goldmark.[22] Schon im Februar 1926, zu Beginn der eigentlich stärksten Konjunkturphase der Republik, bat Albert Kleeberg um Stundung fälliger Steuern: „Das Geschäft ist derartig schlecht, dass ich vorläufig nicht in der Lage bin, die obige Steuer zu bezahlen“, schrieb er dem zuständigen Finanzamt in Dortmund.[23]

Albert Kleeberg bittet das Finanzamt 1929 um Stundung von Steuerschulden
HHStAW 685 403a (76)

Die Lage scheint sich auch in den folgenden Jahren nicht wesentlich verbessert zu haben, denn noch bevor die Weltwirtschaftskrise Deutschland mit voller Macht ergriff, musste Albert Kleeberg das Finanzamt erneut um Steuerstundung bitten. Er habe „im letzten Vierteljahr 3762 Mk umgesetzt, also kaum 42,- Mk Tagesumsatz“ gehabt, erläuterte er seine Bitte. Ob der Antrag damals abgelehnt worden war, ist nicht klar erkennbar,[24] aber ein Jahr später beantragte der Magistrat von Castrop-Rauxel am 20. September, man möge Albert Kleeberg die fälligen Steuern erlassen, weil „die wirtschaftlichen Verhältnisse“ bei Kleebergs „nicht besonders“ seien. Er habe nur noch zwei Lehrmädchen als Angestellte und habe auch die erste Etage seines Hauses inzwischen vermieten müssen.[25]

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Niedergang des Geschäfts auch Folge der politischen Entwicklung war, aber konkrete Anhaltspunkte gibt es dafür nicht. Sicher ist aber, dass die Welle des Antisemitismus im Gefolge der Dolchstoß-Legende auch in Castrop-Rauxel viele Anhänger fand und sich diverse Organisationen und Verbände mit nationalistisch-rassistischen Zielen bildeten.[26] Ein weiterer Grund mag Albert Kleeberg dazu bewogen haben, mit nicht einmal 60 Jahren seine berufliche Tätigkeit und das Geschäft aufzugeben. Sein Sohn Ernst scheint kein Interesse an einem kaufmännischen Beruf gehabt zu haben, er war vielmehr künstlerische aktiv. Sein Beruf ist auf der Meldekarte mit „Musiker“ angegeben. Welche Art von Musik er machte, welches Instrument er spielte und welche Ausbildung er absolviert hatte, ist nicht bekannt. Aber die Liste der Wohnungswechsel, die auf seiner Meldekartei eingetragen sind, lassen darauf schließen, dass er immer wieder über mehrere Wochen oder sogar Monate Engagements in verschiedenen Städten Deutschlands hatte. So lebte er zwischen 1928 und 1929 zwei Monate in Brilon, dann in Gelsenkirchen, Münster, Lübeck und Essen. Zwischendurch kam er immer wieder in das Haus seiner Eltern nach Castrop-Rauxel zurück. Als letzte Station ist im Jahr 1932 Hamburg Altona eingetragen.[27]

Bald darauf, noch vor Hitlers „Machtergreifung“, verließen Kleebergs mit ihrem Sohn das Ruhrgebiet und zogen nach Wiesbaden. Für das Haus und das Geschäft fanden sie damals noch einen nichtjüdischen Pächter, der es gut mit ihnen meinte und allem Anschein nach sogar mit der Familie befreundet war. Am 28. März 1932 war zwischen Albert Kleeberg und Ernst Kirsch ein Pachtvertrag über das Geschäft vereinbart worden, der eigentlich auch schon den Verkauf des Hauses vorgesehen hatten. Einem Schreiben ist zu entnehmen, dass bereits 1931 ein solches Vorkaufsrecht für den Pächter vereinbart wurde, ein unmittelbarer Verkauf nur deshalb nicht schon damals zustande kam, weil Ernst Kirsch zu dieser Zeit noch nicht über die dafür nötigen finanziellen Mittel verfügte.[28]

Das Haus in der Taunusstraße, in dem Kleebergs nach ihrem Umzug nach Wiesbaden wohnten
Eigene Aufnahme

Die erste Wohnung die Kleebergs in Wiesbaden bezogen lag im ersten Stock des wunderschönen Hauses Taunusstr. 37,[29] das inzwischen Martha Rudolfine Haymann gehörte, nachdem ihr Mann, der jüdischen Arzt Dr. Alfred Haymann, 1927 verstorben war. In Wiesbaden nahm Albert Kleeberg keine berufliche Tätigkeit mehr auf, sondern lebte als Privatier von seinem Ersparten und den Pachterträgen. Aber sehr viel war das nicht. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1935 und 1936 gab er ein Einkommen von jeweils 2.600 RM an, d.h. es waren nicht viel mehr als 200 RM, mit denen die Familie auskommen musste.[30] Gegen den Steuerbescheid des Jahres 1936 hatte Albert Kleeberg „Berufung“, eigentlich wohl Widerspruch, eingelegt, weil unberücksichtigt geblieben war, dass sein Sohn seit Januar 1936 arbeitslos sei und mit seiner Frau im gemeinsamen Haushalt lebe.[31]

Wann und wo Ernst Kleeberg seine Frau Ilse Osten kennen gelernt und geheiratet hatte, ist nicht bekannt. Sie stammte aus Wismar – aus welchem der verschiedenen Orte mit diesem Namen, konnte ebenfalls nicht ermittelt werden -, wo sie am 23. März 1914 geboren worden war.[32] Wenn sie im Unterschied zu den übrigen Familienmitgliedern im Jüdischen Adressbuch von 1935 nicht zu finden ist, dann bedeutet das nicht notwendigerweise, dass die Ehe erst danach geschlossen worden sein muss. Sie wurde in das Verzeichnis schon deswegen nicht aufgenommen, weil sie keine Jüdin, sondern eine evangelisch getaufte Christin war.

Erneute Bitte um Steuerreduzierung
HHStAW 685 403b (97)

Im Februar 1938 bat Albert Kleeberg das Finanzamt Wiesbaden erneut um eine Steuerreduzierung, wieder mit dem Verweis auf den arbeitslosen Sohn und dessen Frau, die weiterhin im gemeinsamen Haushalt leben würden. Weiterhin gab er an, dass er seit mehr als zwei Jahren krank sei, zu wenig rote Blutkörperchen habe und sich deshalb auf Dauer einer kostenintensiven Behandlung unterziehen müsse.[33]

Einen Monat, nachdem er vermutlich erfolglos seinen Brief abgeschickt hatte, musste die Familie zum ersten Mal in Wiesbaden selbst umziehen. Alle vier, Albert und Martha sowie Ernst und Ilse, bezogen am 2. März 1938 eine Wohnung im zweiten Stock des Hauses Friedrichstr. 51, Ecke Kirchgasse, das der Schwägerin ihrer bisherigen Vermieterin gehörte.[34] Von daher kommt eine Kündigung aus antisemitischen Motiven nicht in Betracht, aber ein erzwungener Umzug durch die kommunalen Behörden ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wenig wahrscheinlich. Die Wohnung in der Friedrichstraße wird auch kaum kostengünstiger gewesen sein, sodass die Hintergründe offen bleiben müssen.

In der neuen Unterkunft erlebten Kleebergs die Novemberereignisse, die, obwohl selbst nicht unmittelbar von roher Gewalt bedroht, auch für ihr Leben eine Zäsur bedeuteten: Angesichts der finanziellen Forderungen, die der NS-Staat zynischerweise von seinen Opfern forderte, waren auch Kleebergs genötigt, ihr noch vorhandenes Vermögen flüssig zu machen, sprich ihr Haus in Castrop-Rauxel zu verkaufen. Als Judenvermögensabgabe wurde den Eheleuten insgesamt ein Betrag von 10.250 RM abverlangt, zahlbar in fünf Raten.[35] Da es sich bei diesem Betrag um ein Viertel des Gesamtvermögens handelte, muss das damals etwa 41.100 RM betragen haben, was so ziemlich dem Einheitswert des Hauses entsprach.[36]

Es blieb ihnen somit gar nichts anderes übrig, als sich von dem Haus zu trennen, von dessen Pachteinkünften sie bisher aber weitgehend gelebt hatten. Das Pächterehepaar Kirsch war aber finanziell nicht so gestellt, dass es den gesamten, am Einheitswert orientierten Kaufpreis von 45.000 RM hätte mit einem Mal zahlen können. Am 17. November 1938 wurde ein Vertrag geschlossen, der die Interessen beider Partner berücksichtigte. Nach Übernahme einer auf dem Grundstück lastenden Hypothek von 4.500 RM, sollte bei Vertragsabschluss der Verkäufer 500 RM erhalten, die übrigen 40.000 RM wurden als verzinsliche Hypothek neu im Grundbuch eingetragen. Diese sollte dann in monatlichen Raten von jeweils 400 RM an Albert und Martha Kleeberg abgezahlt werden. Auf diese Weise war, so glaubten sie wohl, ihr Lebensunterhalt auf eine absehbare Zeit gesichert und auch Kirschs konnten das Geschäft weiter betreiben. Obwohl der Vertrag noch nicht von den Behörden genehmigt worden war, war Kirsch sofort seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen, hatte sogar im Dezember 1938 und im Februar 1939 insgesamt 3.000 RM zu Begleichung der Judenvermögensabgabe bereitgestellt. Danach konnte Albert Kleeberg die geforderte Abgabe aber nicht mehr in voller Höhe aufbringen, weshalb die Hälfte der jeweils monatlich überwiesene Betrag von 400 RM behördlicherseits gepfändet wurde und Kleebergs somit für ihren monatlichen Lebensbedarf nur noch 200 RM zur Verfügung standen.[37] Albert Kleeberg hatte seine Situation gegenüber der Devisenstelle in Frankfurt beschrieben, um zu verhindern, dass ihm auf Grund des formal recht großen Vermögens – die Hypothekenforderung an Kirsch – die Führung eines Kosten verursachenden Sicherungskontos auferlegt würde. Die Stelle konnte tatsächlich davon überzeugt werden, dass Albert Kleeberg kaum die Möglichkeit hatte, sich eines solchen Vergehens „schuldig“ zu machen.

Der Brief, datiert auf den 8. März 1940, wurde geschrieben in der Bahnhofstr. 46, einem späteren Judenhaus, wo Martha und Albert Kleeberg mit ihrem Sohn laut Gestapokarteikarte seit dem 1. April 1939 wohnten. Die näheren Umstände lassen vermuten, dass es sich damals noch um keinen erzwungenen Umzug handelte, denn das neue für Juden diskriminierende Mietgesetz war erst Ende April 1939 verabschiedet worden und das Haus war diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell als Judenhaus ausgewiesen. Dennoch muss es auch damals in der Stadt schon eine starke Fluktuation unter den jüdischen Mietern gegebenen haben und viele befanden sich damals schon auf der Suche nach einer neuen Bleibe.

Judenhaus Wiesbaden Bahnhofstr. 46
Die Bahnhofstr. 46, damals noch Nikolasstr. 16, in den zwanziger Jahren
HHStAW 1183 20

Das Haus gehörte Sebald und Hedwig Strauss, einem ehemaligen Weinhändler. In einem der vielen erhaltenen Briefe zwischen den Eltern und ihrem nach Bolivien ausgewanderten Sohn Alfred, dem späteren Landgerichtsdirektor Dr. Alfred Strauss, wird der Einzug der Familie Kleeberg kurz erwähnt. Es heißt im Brief von 9. Mai 1939: „Habe ich dir schon geschrieben, dass der Reichskraftwagen-Betrieb ausgezogen ist. Die Wohnung ist aber gleich wieder an einen Herrn Kleeberg, anscheinend nette Leute, vermietet worden. Kaum war sie vermietet, als sich das Finanzamt als Reflectant anstellte. Es kam leider zu spät.“[38] Wenngleich nicht nachvollziehbar ist, wieso Sebald Strauss trotz des positiven ersten Eindrucks das Finanzamt als Mieter bevorzugt hätte, so wird doch deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt beide Mietparteien noch sehr eigenständig in ihren Entscheidungen waren. Und als sich in der folgenden Zeit, in der das Haus zu einem tatsächlichen Judenhaus wurde, immer mehr jüdische Mieter dort einfanden, entwickelte sich trotz mancher Konflikte untereinander doch so etwas wie eine Hausgemeinschaft, mit der man das gemeinsame Leid, aber auch die wenigen Freuden des Alltags teilte. Mehrfach berichten Sebald oder Hedwig Strauss, dass die Männer, darunter auch Albert Kleeberg, abends zusammen gesessen und Skat gespielt, die Frauen Musik gehört hätten.[39] Kleebergs teilten sich den zweiten Stock mit Hertha und  Bernhard Eis, die nur wenige Tage später eingezogen waren.[40] Auch erfährt man aus diesen Briefen ein weiteres Detail aus dem Leben von Ernst Kleeberg. Hedwig Strauss informierte ihren Sohn immer sehr genau über die gesellschaftlichen Ereignisse in ihrem jüdischen Bekannten- und Familienkreis, wer jeweils gerade seine Ausreise vorbereitete, wer krank oder sogar verstorben war, aber auch welche Menschen zueinander gefunden oder sich gerade getrennt hatten. So ließ sie am 26. Dezember 1940 unter Bezugnahme auf einen Brief, den sie zwar geschrieben, aber dann doch nicht abgeschickt hatte, verlauten: „Das wesentliche (sic), was Dich darin interessiert haben könnte, ist die Verheiratung von Dr. Herrmann Wolffs Gattin mit dem Nachf. von Rosenthal & David, Blumenartikelgeschäft Wilhelmstraße & die Scheidung von Dr. Ernst Hirsch & Ruth Guthmann. Er sei in Holland, sie in Berlin, um von da nach Shanghai zu wandern, zu einem anderen. Die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn! [Wahrscheinlich eher ironisch gemeint – K.F.]
In unserem Hause wohnt ein 31 jähr. Herr, dessen kleine christliche Frau aus Wissmar hat sich auch nach 3 oder 5 jähr. ‚glücklicher’ Ehe scheiden lassen.“
[41] Wann die Ehe geschieden wurde, ist nicht bekannt.[42] Wie man der Ummeldung von der Friedrichstraße in die Bahnhofstraße entnehmen kann, war Ilse Kleeberg noch mit umgezogen. Möglicherweise war die Umwandlung des Hauses in ein Judenhaus für sie der Anlass zur Trennung von ihrem Ehemann und den anschließenden Auszug gewesen. Die formale Scheidung wurde ja bereits ein halbes Jahr nach dem Einzug – so kann man aus dem Brief von Hedwig Strauss schließen – in die Wege geleitet.

Der Umzug der Familie Kleeberg in das Judenhaus Bahnhofstr. 46
HHStAW 685 403b (104)

Während der Zeit, die die Familie im Judenhaus Bahnhofstr. 46 lebte, war ihr Einkommen kontinuierlich zurückgegangen. Hatten sie 1938 noch über ein steuerpflichtiges Einkommen von mehr als 3.000 RM verfügen können, so war das bis 1941 auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Laut Auskunft des Finanzamts Wiesbaden vom März 1958 betrug es 1940 noch 1.500 RM, im folgenden Jahr 1941 dann nur noch 1.200 RM.[43] Die einzige Vermögenserklärung, die aus dieser Zeit erhalten geblieben ist, stammt vom März 1940. Albert Kleeberg gab darin sein Vermögen mit 33.700 RM an – der Betrag, der noch nicht zurückgezahlten Hypothek aus dem Hausverkauf. Offen war aber damals auch die noch nicht vollständig gezahlte „Sühneleistung“ in Höhe von 5.368 RM, sodass er ein nominales Vermögen von 28.332 RM besaß. Die von ihm angegeben monatlichen Ausgaben in Höhe von knapp 360 RM, 73 für die Wohnung, 285 RM für den Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie, waren mit den genannten Einkünften in jedem Fall nicht zu bezahlen.[44] Man wird sich weiter eingeschränkt haben müssen.

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Heiratseintrag von Ernst und Flora Kleeberg, geb. Schad vom 3.1.1942
Heiratsregister Wiesbaden 3 /1942

Noch in der Bahnhofstr. 46 kam es zu einer erneuten Eheschließung von Ernst. Am 3. Januar 1942 ging er in Wiesbaden eine Ehe mit der in Mainz geborenen Flora Schad ein. Sie war am 18. Juli 1917 als Tochter von Philipp Jakob und Frida Schad, geborene Kaiser, zur Welt gekommen.[45] In einem Brief von Albert Kleeberg kurz vor seiner eigenen Deportation erwähnte dieser, dass Flora einer Mischehe entstamme, somit nach Nazi-Jargon ein „Mischling ersten Grades“ war.[46] Es waren erstaunlich viele Ehen, die in diesen für Juden schon völlig perspektivlosen Jahren 1941 und 1942 noch geschlossen wurden. Sicher ging es den Partnern kaum mehr um eine gemeinsame Zukunft, sondern primär darum, das erwartete oder zumindest erahnte kommende Leid gemeinsam durchstehen zu können.

Der tatsächliche Aufenthaltsort von Ernst Kleeberg in dieser Zeit ist nicht sicher. In dem Heiratseintrag ist als sein Wohnsitz zwar noch das Judenhaus in der Bahnhofstraße angegeben, laut einer nach dem Krieg erstellten Liste, die sich im Arolsen-Archiv befindet, hielt er sich aber vom 27. Oktober 1941 bis zum 10. März 1942 in Idstein auf. Anders als bei anderen dort gelisteten jüdischen Bürgern aus Wiesbaden, ist bei ihm bei Heimatort „unbekannt“ angegeben. Ganz sicher leistete er damals Zwangsarbeit in Idstein, vermutlich im Rahmen einer kommunalen Arbeit, wie man aus der Zuordnung „Art der Arbeit: Ziv.Arb.“ schlussfolgern kann.[47] Es kann sein, dass er damals in Idstein kaserniert war und vielleicht nur an den Wochenenden nach Hause kam, es kann aber auch sein, dass er, wie andere auch, die Fahrt dorthin täglich machen musste. In jedem Fall wird er mit seiner Frau nur noch wenig gemeinsame Zeit verbracht haben können, bevor beide zusammen den Zug „nach dem Osten“ besteigen mussten.

Die Planung für diesen und weitere Transporte im März 1942 waren unmittelbar nach der Wannsee-Konferenz aufgenommen worden, waren somit die ersten Transporte, die, im Unterschied zu denen von 1941, als Teil der systematischen Ermordung des europäischen Judentums, der Endlösung, angesehen werden müssen.[48] Im Hinblick auf das Altreich ging man von etwa 132000 Jüdinnen und Juden aus, in der Ostmark sollten knapp 44000 und im Protektorat Böhmen-Mähren weitere rund 75.000 leben. Mit dem Runderlass vom 31. Januar 1942 aus dem RSHA, unterzeichnet von Adolf Eichmann, wurden die grundlegenden Bestimmungen über das organisatorische Verfahren der Aktion an die unteren Staatspolizeileitstellen und deren untergeordnete Dienststellen weitergegeben. Es galt in diesem Rahmen auch den aktuellen „Bestand“ der Jüdinnen und Juden zu erfassen, um die entsprechenden Kapazitäten für die Transporte und natürlich für Unterbringung im Osten bereitstellen zu können. In diesem Zusammenhang wurde auch in Wiesbaden schon am selben Tag, dem 31. Januar, eine Art Bilanz eröffnet, in der Ist-Zustand, die Zu- und Abgänge von Juden systematisch erfasst wurden. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Wiesbaden demnach insgesamt noch 1006 Jüdinnen und Juden, 360 waren männlichen Geschlechts, 646 weiblich.[49] Die erste Veränderung ergab sich durch den Zuzug von zwei Jüdinnen, dann folgten im Februar und März acht Todesfälle natürlicher Art. Der erste Name dieser Liste, hinter dem „evakuiert“ zu lesen ist, ist der von Ernst Kleeberg. Man kann somit sagen, dass er tatsächlich das erste Wiesbadener Opfer der sogenannten „Endlösung“ war.

Er wurde allerdings nicht von Wiesbaden, sondern von Mainz aus deportiert. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob er, der zu diesem Zeitpunkt noch in Idstein arbeitete, von dort oder von Wiesbaden nach Mainz geeilt war, als er von der anstehenden Deportation seiner Frau hörte oder ob er damals zumindest zeitweise bei ihr wohnte.

Die Deportation von Ernst Kleeberg Stadtarchiv Wiesbaden WI/2 2225
Die Deportation von Ernst Kleeberg
Stadtarchiv Wiesbaden WI/2 2225

Wie die anderen Transporte in dieser Phase, sollte auch der „Gesellschaftssonderzug zu Beförderung von Arbeitern“ mit der Nummer ‚Da 14’ in den Raum Lublin gehen. Es handelte sich um Züge, die aus dem Osten Zwangsarbeiter in das Altreich und auf der Rückfahrt Juden in die dortigen Ghettos brachten. Für etwa 700 Arbeitskräfte waren die Güterzüge, in die provisorisch Bänke eingebaut worden waren, konzipiert, Juden sollten aber zu etwa 1000 hineingepfercht werden. Offizieller Abfahrts- und Sammelort war Darmstadt, Ziel das Ghetto von Piaski, das man zur Aufnahme der deutschen Juden extra „freigemacht“ hatte, d.h. man hatte die bisher dort lebenden jüdischen Bewohner am 16. März in das nahe gelegenen Belzec verbracht und ermordet. Vorgesehen waren für den Transport Jüdinnen und Juden aus dem ehemaligen Volksstaat Hessen, Rheinhessen und den Landkreisen Worms und Starkenburg. Am 17. März waren die Betroffenen davon unterrichtet worden, dass sie sich mit einem gepackten Handkoffer für die Evakuierung bereitmachen sollten.[50] Am 19. wurde ein Ausgehverbot erlassen und am folgenden Morgen wurden die zu Deportierenden von Gestapobeamten in ihren Wohnungen abgeholt und zunächst in die lokale Sammelstelle, die Turnhalle der Mainzer Feldbergschule, geführt. In der folgenden Nacht brachten Lastwagen die Menschen an den Güterbahnhof in der Mombacher Straße, von wo sie dann zunächst per Zug nach Darmstadt, dann am 25. von dort weiter über Frankfurt, Leipzig, Lodz und Lublin zur Bahnstation Trawniki gebracht wurden, was am 27. erreicht wurde. Unterwegs sollen viele der vermutlich 411 Männer und 589 Frauen, darunter auch viele Kinder – das jüngste war nicht einmal ein Jahr alt -, bereits umgekommen sein. Piaski, das einzige Ghetto in diesem Gebiet, besaß allerdings keine Bahnstation, sodass die völlig Erschöpften die letzten zwölf Kilometer auf der Landstraße zu Fuß bewältigen mussten. Aus dem Ghetto gelangten noch einige Briefe und Postkarten in die Heimat, in denen über die dortigen Lebensumstände knapp berichtet wurde. Auch völlig verzweifelte, gleichwohl illusionäre Hilferufe erreichten die Zurückgebliebenen: „Sorgt für die Rückfahrt, wenn’s geht schnell!“ Eine solche gab es nicht mehr. Wer die Zeit im Ghetto überlebte, wurde spätestens im Februar 1943 bei seiner Auflösung in eines der umliegenden Vernichtungslager, vermutlich Bezec, gebracht und ermordet.

Straße im Ghetto von Piaski
https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/photo/deserted-street-in-sighet-marmatiei

Wie lange Ernst Kleeberg und seine Frau Flora sich noch am Leben halten konnten, ist unbekannt, ebenso, ob sein Vater noch eine Nachricht von ihm erhalten hatte. Man könnte fast diesen Eindruck haben, denn Albert Kleeberg schrieb kurz vor seiner eigenen Deportation noch an den Käufer seines Hauses und Geschäfts in Castrop, zu dem offenbar ein Vertrauensverhältnis vorhanden war:
„Werter Herr Kirsch.
In letzter Stunde möchten wir nicht versäumen uns von Ihnen und Ihrer werten Familie zu verabschieden. Wir kommen Dienstag den 1. September nach Josephstadt-Theresienstadt in Böhmen. Samstag sammeln wir uns und bleiben erst drei Tage in einem Betsaal. Sollten wir diese schwere Zeit nicht überleben, so denken Sie, werter Herr Kirsch, an unseren Ernst, der seit 20. März mit seiner Frau (=Mischling) in Piaski Kr. Lublin deutsche Post als Schwerarbeiter sein Leben fristet. Hoffentlich lässt der Friede nicht allzu lange auf sich warten. Grüßen Sie Ihre Gattin, sowie Familie Assessor Leisten und bleiben Sie alle gesund.
Albert Kleeberg und Frau“
[51]

Der Brief war etwa ein halbes Jahr nach der Deportation von Ernst und Flora geschrieben worden. Bevor dann auch Albert und Martha Kleeberg im September diesen schweren Weg gehen mussten, waren bereits zwei Deportationszüge von Wiesbaden aus gestartet worden, ein kleinerer im Mai, ein weiterer im Juni 1942. Von beiden waren auch Kleebergs insofern betroffen, als durch sie die bisherige Gemeinschaft in der Bahnhofstraße zerstörten. Bei der Deportation vom 23. Mai waren mit Bernhard Bodenheimer, Frieda Kahn, Helene Schreiber und Suse Vyth die ersten vier Mitbewohner „evakuiert“ worden, Babette Weil und ihre Tochter Frieda folgten bei der Deportation am 10. Juni. Danach wurde das Judenhaus geräumt und die noch vorhandenen jüdischen Bewohner wurden auf andere Judenhäuser verteilt bzw. waren bereits kurz zuvor umquartiert worden. So auch Albert und Martha Kleeberg, die einen Tag vor der zweiten Deportation, also am 9. Juni, in das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 umziehen mussten. Wenige Tage später folgten ihre bisherigen Mitbewohner Adele Bonné und Recha Abraham, die alle im ersten Stock des Haus einquartiert wurden. Albert und Martha Kleeberg stand dort ein Zimmer zur Verfügung.[52]

Über die letzten drei Monate in dem Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 liegen keine weiteren Dokumente oder anderweitige Informationen mehr vor. Sicher hatten sie all die Jahre engen Kontakt mit ihren Verwandten, der Familie Rothschild gehabt, die, von einer kurzen Unterbrechung abgesehen, seit Februar 1940 ebenfalls im Kaiser-Friedrich-Ring gewohnt hatte. Rothschilds waren aber genau zu dem Zeitpunkt als Kleebergs einzogen, mit dem Transport vom 10. Juni in das Vernichtungslager Sobibor deportiert worden.

Todeserklärung für Albert und Martha Kleeberg
HHStAW 469/33 4348 (29)

Der Transport, der am 1. September 1942 verließ, brachte die Deportierten nach Theresienstadt. Albert Kleeberg hatte man für diesen Transport XII/2 die Nummer 748 zugeteilt, seiner Frau die 749. Nur knapp vier Wochen blieben sie in dem dortigen Ghetto, dann brachte sie der Transport ‚Bs’ am 29. September nach Treblinka. Vermutlich wurden sie bald nach ihrer Ankunft im Gas ermordet, dennoch wurde der Todestag am 2. März 1957 nach dem Verschollenengesetz amtlich auf den 31. Mai 1945 festgesetzt.[53] Dies hatte unter erbrechtlichen Gesichtspunkten seinen Grund auch darin, dass zuvor bereits der Todestag von Ernst und Flora Kleeberg ebenfalls auf dieses Datum festgelegt worden war.[54] Da somit alle vier am gleichen Tag verstorben waren, konnten die überlebenden Geschwister von Albert und Martha Kleeberg bzw. deren Nachkommen Erbansprüche geltend machen, nicht aber die Nachkommen der Großeltern von Ernst Kleeberg, was langwierige Nachforschungen zur Folge gehabt hätte.[55] Einen, vor dem Hintergrund des Schicksals der Familie Kleeberg unwürdigen Erbstreit, konnte diese Lösung aber nicht verhindern.

Die Familie von Sophie Cahen, geborene Kleeberg

Zwar gab es auch in den Familien der Geschwister von Albert Kleeberg eine große Zahl von Opfern zu beklagen, aber anders als bei ihm, wurde keine von ihnen völlig ausgelöscht. Nicht alle Schicksale der Verwandten können hier umfassend dargestellt werden, aber das seiner älteren Schwester Sophie ist allein deswegen von besonderem Interesse, weil auch sie zuletzt mit ihrer Familie in Wiesbaden wohnte, ihre Tochter sogar noch in einem der dortigen Judenhäuser.[56]

Sophie, geboren am 27. März 1871 in Castrop,[57] hatte 1896 den aus Preußisch Oldendorf stammenden Kaufmann Julius Cahen geheiratet.[58] Sie hatte damit in eine der bedeutendsten und auch vermögendsten Familien der Stadt eingeheiratet. Sie gehörte schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den Ordinarii, die im Gegensatz zu den Extraordinarii zu den wenigen „ordentlichen Schutzjuden“ der Stadt gehörten.[59] Eine hervorragende Rolle spielten sie traditionell auch als Mitglieder des Vorstands im jüdischen Gemeindeleben. Es war Jakob Levi im Haus Nr. 45, der, geboren noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts, ab 1808 den Nachnamen Cahen angenommen und deshalb von Besserer als der Stammvater der Cahens bezeichnet wird. Von seinen insgesamt acht Kindern ist im gegebenen Zusammenhang der am 23. Januar 1784 geborene Heinemann Cahen von Belang. Während sein Vater noch als Tabakfabrikant bezeichnet wurde, hatte sein Sohn Heinemann das Färberhandwerk erlernt und damit den Grundstein dafür gelegt, dass die Familie in der Textilbranche zu wachsendem Reichtum gelangte und 1820 der höchsten Vermögensklasse der Stadt angehörte. Von seiner Frau Henriette, geborene Wolfers, die er im gleichen Jahr geheiratet hatte, waren ihm elf Kinder geschenkt worden, von denen einige auswanderten, andere wohl bereits früh verstarben.[60]

Wilhelm, das am 7. oder 3. Juni 1825 geborene fünfte Kind aus dieser Ehe, war dasjenige, das das väterliche Gewerbe und auch das nach einem Brand 1847 neu erbaute Haus übernahm. Offenbar verfügte er nicht nur über soviel Kapital, dass er seine noch lebenden Geschwister auszahlen konnte, er schien auch dem Bankierspaar Nathan und Julie Meyer aus Bückeburg ein standesgemäßer Ehemann für deren Tochter Johanne, geboren am 6. Dezember 1828, gewesen zu sein. Am 20. April 1856 fand in der Geburtsstadt von Johanne die Vermählung statt. Zwei Jahre später firmierte die ehemalige Färberei unter dem Namen ‚Wilh. Cahen, Pr. Oldendorf, Manufactur- und Konfektion’.

Julius Cahen, der am 31. Juli 1861 geborene Ehemann von Sophie Cahen, war eines von sieben Kindern von Wilhelm und seiner Frau Johanne.[61] Vier der Kinder überlebten das Kindesalter nicht,[62] seine beiden Schwestern Julie und Luise wurden in der Shoa ermordet.

Julie Goldstein
Julie Goldstein

Die älteste Schwester Julie, geboren am 15. Juni 1864, war auch nach ihrer Eheschließung mit Lazarus Goldstein nach Grevenbroich verzogen. Nach der Reichspogromnacht, in der auch das Haus der Goldsteins angegriffen und demoliert worden war, verließen die Kinder Deutschland. Lazarus und Julie Goldstein blieben mit dem Argument, dass man einen alten Baum nicht mehr verpflanzen könne. Darauf nahmen die Nazis aber keine Rücksicht. Als letzte Juden aus Grevenbroich wurden sie mit einem Transport, der von Düsseldorf ausging, am 25. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ermordet wurde sie in Treblinka am 26. September des gleichen Jahres, einen Tag nachdem sie in einem weiteren Transport von Theresienstadt dorthin gebracht worden war.[63]
Die mit dem Kaufmann Emil Frank verheiratete, aber schon früh verwitwete Luise, geboren am 23. Juli 1865, lebte in Braunschweig und Hannover. Zwei Tage vor ihrer Schwester war auch sie mit dem Transport VIII/1 am 23. Juli 1942 von Hannover in die zum Ghetto umgebaute Festung in Böhmen deportiert worden. Sie kam am 27. Januar 1943 dort ums Leben.[64]

Ihr Bruder Julius war nicht nur der Erstgeborene, sondern auch der einzige männliche Nachkomme von Wilhelm und Johanne Cahen, der die Kinderjahre überlebt hatte. Somit war entsprechend den Traditionen klar, dass er das Geschäft des Vaters nach dessen Tod im Jahr 1913 übernehmen würde. Die Familie Cahen war nicht nur in das wirtschaftliche Leben des Städtchens integriert, sondern sie spielte sowohl im Vorstand der jüdischen Gemeinde, als auch im kulturellen und sozialen Leben der bürgerlichen Gemeinde von Preußisch Oldendorf eine Rolle. Julius gehörte zu den Gründungsmitgliedern sowohl der Freiwilligen Feuerwehr als auch zu denen des örtlichen Gesangvereins, in dem auch seine beiden, später deportierten Schwestern im gemischten Chor mitsangen. Als 1909 ein Kegelclub ins Leben gerufen wurde, eigentlich ein Gesellschaftsverein für die Honoratioren der Stadt, gehörte auch da Julius Cahen zu den Gründungsmitgliedern.[65]

Das Grab von Wilhelm Cahen in Preußisch Oldendorf

Etwa ein Jahr nach der Eheschließung, das genaue Datum ist nicht bekannt, wurde Sophie und Julius Cahen das erste Kind geboren: Am 18. November 1897 kam in Preußisch Oldendorf die Tochter Hilde Agnes zur Welt.[66] Die zweite Tochter Grethe, folgte am 16. Mai 1899.[67] Der einzige Sohn Hugo, der im Dezember 1901 geboren wurde, starb schon kurz nach der Geburt. Mit Johanna Luise, genannt Hanna, wurde dem Paar zuletzt am 10. Oktober 1906 noch einmal eine Tochter geschenkt.[68] Zumindest von Grete ist belegt, dass sie in Preußisch Oldendorf eine Privatschule besuchte, aber vermutlich waren auch den anderen Töchter in den Genuss einer ordentliche Bildung gekommen.

Noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte man mit dem Bau eines neuen Wohn- und Geschäftshauses auf dem bisherigen Grundstück begonnen, nicht ahnend, mit welchen ökonomischen Verwerfungen man bald konfrontiert sein würde. Denn mit dem Krieg und den darauf folgenden Krisen der Republik geriet allmählich auch das Textilkaufhaus zunehmend in wirtschaftliche Probleme. Im Jahr 1925 konnte das Paar noch rund 4.500 RM an Einkommen versteuern, davon stammten aber 1.000 RM schon aus Mieteinnahmen und Zinserträgen. In den folgenden Jahren vor der Weltwirtschaftskrise gingen diese dann noch weiter zurück.[69] Das Vermögen belief sich 1925 auf etwa 36.000 RM. Betrachtet man dieses Vermögen aber genauer, dann muss man erkennen, dass ein luxuriöses Leben damit kaum mehr möglich war. Mit etwa 11.000 RM hatte Julius Cahen den Warenbestand beziffert, der Wert des Hauses betrug 15.600 RM und der einer Scheune weitere 3.000 RM. Daneben gab es noch landwirtschaftliche Grundstücke in der Umgebung im Wert von knapp 4.000 RM. Nicht mehr als 2.000 RM waren relativ flexibel nutzbar, wobei unklar ist, ob das auch für einen Schuldschein über 1.000 RM zutrifft.[70]

Als Julius Cahen am 27. Februar 1931 mit knapp 70 Jahren nach schwerer Krankheit stirbt, ist die Wirtschaftskrise schon in vollem Gange. Seine Witwe, die zunächst versuchte, das Geschäft alleine weiterzuführen, schrieb 1932 mit Bezug auf das Steuerjahr 1931 an das Finanzamt Preußisch Oldendorf:
“Infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise und der mir durch den Preisrückgang der von mir geführten Waren entstandenen Verluste ist mein Einkommen seither erheblich zurückgegangen und hat für das gesamte Jahr 1931, ausweislich meiner bereits abgegebenen Steuererklärung, nur noch einen so geringen Betrag erbracht, dass ich für 1931 keine Einkommensteuer zu zahlen haben werde. In den ersten beiden Monaten 1932 ist eine weitere Einkommensverringerung eingetreten.“[71]

Das Einkommen 1931 betrug tatsächlich nur noch etwas mehr als 2.000 RM und im folgenden Jahr sogar nur noch etwa 1.000 RM.[72] In diesem Jahr gab sie die Führung des Geschäfts an ihren Schwiegersohn Paul Erich Dalberg ab, der am 29. März 1932 Johanna Luise, die jüngste Tochter von Sophie und Julius Cahen, geheiratet hatte.[73] Dem Paar war am 27. Mai 1933 ihr einziges Kind, die Tochter Hella, geboren worden.[74] Sophie Cahen lebte im Weiteren von einer kleinen Rente und den Miet- bzw. Pachteinnahmen ihres Hauses. Aber auch unter der Leitung des Schwiegersohns war der Niedergang des traditionsreichen Geschäfts, das noch immer unter dem Namen des Großvaters von Johanna Dalberg firmierte, nicht mehr aufzuhalten. Erich Dalberg hatte zwar noch einmal nahezu seine gesamten Ersparnisse in eine Neuausstattung des Ladens investiert, musste aber dann dem Finanzamt melden, dass seine Einnahmen so gering seien, dass er nicht einmal mehr die Miete und die Gehälter bezahlen könne.[75]
Wann genau er das Geschäft dann endgültig aufgab, konnte nicht ermittelt werden, aber im Herbst 1933 und im Januar 1934 waren in der lokalen Presse Anzeigen aufgegeben worden, in denen ein Ausverkauf der noch vorhandenen Waren angekündigt wurde. Besserer vermutet, dass das Geschäft im Mai 1934 verkauft wurde.[76]
Am 30. Juli 1934 emigrierte die Familie nach Palästina und ließ sich in dem nördlich von Haifa gelegenen Naharija nieder.[77] Über ihr weiteres Schicksal dort ist nur wenig bekannt. Zwar war auch sie nach dem Krieg in das Entschädigungsverfahren Kleeberg involviert, aber zu dieser Zeit war Johanna Luise Dalberg psychisch schon so schwer erkrankt, dass sie in einem Pflegeheim bei Jerusalem untergebracht werden musste. Ihr Mann war zu ihrem Vormund bestellt worden.[78] Wann und wo Hanna und Erich Dalberg verstarben, ist nicht bekannt.

Kirchgasse 52 heute
Eigene Aufnahme

Sophie Cahen war nach der Aufgabe des Geschäfts von Preußisch Oldendorf nach Wiesbaden verzogen, wo ihr Bruder Albert mit seiner Familie bereits seit 1932 lebte. Sie selbst bezog am 1. September 1934 zunächst eine Wohnung in der Saalgasse 30, mietete sich aber ein halbes Jahr später, am 28. Februar 1935, im Haus Kirchgasse 52 im zweiten Stock ein.[79] Das Haus im Geschäftszentrum Wiesbadens – heute unmittelbar gegenüber dem Kaufhaus Karstadt gelegen – gehörte einer Grundstücksgesellschaft und beherbergte mehrere jüdische Mieter. Sophie Cahen teilte sich die zweite Etage mit Heinrich und Paula Fried, die außerdem im Parterre ein Geschäft für Putz- und Modewaren, also einen Laden für Damenhüte, führten.[80]

Die folgenden Jahre bis 1938 werden auch für Sophie Cahen, wie für alle anderen Jüdinnen und Juden, durch zunehmende Ausgrenzung und Einschränkungen in ihrer Lebensgestaltung gekennzeichnet gewesen sein, aber detaillierte Informationen liegen dazu nicht vor. 1938 wurde auch für sie zu einem in mehrfacher Hinsicht entscheidenden Jahr. In Deutschland lebten zu diesem Zeitpunkt noch ihre beiden älteren Töchter Hilde und Grete, die beide inzwischen ebenfalls verehelicht waren.

Hilde hatte am 4. Januar 1921 in Preußisch Oldendorf den Kaufmann Joseph Bachmann, geboren am 8. April 1890, aus Warburg bei Höxter geheiratet.[81] In der Ehe war am 21. Oktober 1921 in Warburg , wo das Paar sich vermutlich niedergelassen hatte, die Tochter Marianne Louise geboren worden.[82] Am 13. Februar 1938 wurde die Ehe wieder geschieden [83] und Joseph Bachmann wanderte mit der gemeinsamen Tochter Marianne, die damals noch Schülerin war, in die USA aus. Die Hintergründe für diesen Schritt sind nicht mehr nachvollziehbar, es werden sicher verschiedene Motive eine Rolle gespielt haben. Ganz offensichtlich gab es aber kein tieferes Zerwürfnis zwischen den ehemaligen Partnern und der Tochter, denn sie blieben auch weiterhin in Kontakt miteinander und Hilde gab noch Anfand der 40er Jahre ihrem geschiedenen Mann brieflich gute Ratschläge, wie er eine Erkältung am besten überwinden könne.[84]. Andererseits ging Joseph Bachmann bald nach seiner Auswanderung eine neue Ehe ein. Seine zweite Frau, Ilse Heilbrunn aus Hofgeismar, war im September 1938 ebenfalls in die USA ausgewandert. Auf der Passagierliste ist vermerkt, dass Josef Bachmann der „Financier“ der Überfahrt gewesen sei,[85] sie sich demnach wohl schon zuvor in Deutschland kennen gelernt hatten. Bei der Volkszählung 1940 wohnten Joseph, Ilse und auch Marianne zusammen in Springfield, Massachusetts.[86]

Ganz sicher hatten die Eltern auch entschieden, dass Marianne mit ihrem Vater in die USA gehen sollte, damit sie Sicherheit sein würde. Als älteste Tochter sah Hilde Bachmann es wahrscheinlich als ihre Pflicht an, bei ihrer Mutter Sophie zu bleiben. In einem Brief an die Devisenstelle aus dem Jahr 1940 erwähnt sie, dass sie seit 1936 bei ihrer kranken, fast siebzigjährigen Mutter in Wiesbaden lebe, von ihr finanziell unterhalten werde und ihr dafür den Haushalt führe.[87]. Inzwischen wohnten beide seit Mai 1938 zusammen in der Martinsthaler Str. 4, wobei nicht bekannt ist, was der Anlass für diesen Umzug war.

Noch bevor der NS-Staat nach der Reichspogromnacht begann, sich systematisch der Vermögenswerte der jüdischen Bürger zu bemächtigen, begann man in Preußisch Oldendorf mit der „Entjudung“ des noch vorhandenen Grundbesitzes jüdischer Eigentümer. Zunächst im Juli 1938 wurde das Geschäftshaus des Metzgers Georg Ehrlich arisiert und einen Monat später trennte sich auch Sophie Cahen auf starken Druck von Seiten der kommunalen Behörden bzw. Parteistellen in Preußisch Oldendorf von ihrem dortigen Besitz.
In der Zeitung ‚Westfälische Neueste Nachrichten’ vom 24. August 1938 konnte man damals folgende Meldung lesen:
“In arischen Besitz übergegangen.
Das Wohn- und Geschäftshaus, das im Besitz des Juden Cahen war, nebst dem Nebenhaus und Garten wurde durch Kauf Eigentum des Oldendorfer Spar- und Darlehenskassenvereins e.G.m.b.H. zu Pr. Oldendorf. Hiermit ist seit der Machtübernahme durch unseren Führer das dritte und letzte jüdische Geschäftshaus in unserer Stadt in arischen Besitz übergegangen.“
[88]

Der erzwungen Verkauf des Hauses mit mehr als elf Zimmern, mit dessen Mieteinnahmen Sophie Cahen und ihre Tochter Hilde bisher den gemeinsamen Lebensunterhalt bestritten hatten, bedeutete, dass sie fortan von der Substanz ihres übrig gebliebenen Kapitals leben mussten. Der Erwerber, die Spar- und Darlehenskasse, hatte 31.500 RM für die Immobilie gezahlt.[89] Das Geld wurde von Sophie Cahen auch dringend benötigt, um die im Januar 1939 berechnete Sühneleistung zu begleichen. Bei einem Gesamtvermögen von rund 37.000 RM sollte sie insgesamt 7.400 RM in vier Raten je 1.850 RM zahlen.[90] Um diesen Forderungen nachkommen zu können, aber auch hier war mit Sicherheit Druck auf sie ausgeübt worden, trennte sie sich auch von weiteren landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die von örtlichen Bauern erworben wurden.[91]
Aber die verschiedenen Transaktionen bedurften wie immer der Genehmigung der übergeordneten Finanzbehörden und des Regierungspräsidenten. Weil das aber dauerte, kam Sophie Cahen in Verzug mit den ihr auferlegten Zahlungen zur Judenvermögensabgabe, weshalb sie das Finanzamt immer wieder um Stundung bitten musste. Natürlich wurde ihr zur Auflage gemacht, das eingenommene Geld auf ein gesichertes Konto einzuzahlen bzw. die mit dem Geld erworbenen Wertpapiere in einem gesicherten Depot zu hinterlegen. Die entsprechende Sicherungsanordnung war am 23. August 1939 ergangen.[92] Aber damit nicht genug. Der Verkauf eines Ackers an einen Preußisch Oldendorfer Bauern, der vielleicht sogar seinen ehemaligen jüdischen Mitbürgern entgegen kommen wollte, wurde vom Oberpräsidenten in Münster nicht genehmigt: „Der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis von 3146 RM entspricht dem Verkehrswert. Da jedoch die landwirtschaftlich nutzbaren jüdischen Grundstücke nur zum Siedlungsverwertungswerte [Was für ein Wortungetüm ! – K.F.] veräußert werden sollen, der nach angestellten Ermittlungen im vorliegenden Fall 2272.- RM beträgt, war der Kaufpreis entsprechend herabzusetzen. Der Unterschiedsbetrag zwischen Siedlungsverwertungs- und verkehrswert ist von dem Käufer an das Reich zu zahlen.“[93] Auch wenn die Formulierung das verbirgt, faktisch hatten die jüdischen Verkäufer diese zusätzliche Abgabe zu leisten.

Im November 1939 war auch ihr die zusätzliche 5. Rate mit noch einmal 1.850 RM aufgebürdet worden.[94] In einem Brief an das Finanzamt versuchte Sophie Cahen mit eindringlichen Worten, vergeblich die Beamten zum Verzicht auf die zusätzliche Abgabe zu bewegen:
“Ich bin Jüdin im 69. Lebensjahr, und da ich einen großen Betrag abgeben mußte, ist mein Vermögen heute ungefähr RM 25.800-, so daß ich voraussichtlich ein Einkommen von circa 1000 RM fürs ganze Jahr haben werde. Außerdem habe ich meine beiden noch hier lebenden Töchter ernähren müssen. Die Älteste ist von ihrem im Auslande lebenden Mann geschieden und wohnt jetzt bei mir. Der Ehemann meiner 2. Tochter ist Ende November 1938 in Buchenwald gestorben, ihr einziges Töchterchen starb im Febr. D. J. im Krankenhaus, und nun ist meine zweite seit Anfang Juni ausgewandert.“[95]

Gretes Ehemann, von dem hier die Rede ist, war der am 23. November 1884 in Nieheim bei Paderborn geborene Viehhändler und Landwirt Leopold Kirchheimer. Der Sohn von Nathan und Emma Kirchheimer, geborene Eisenstein, entstammte dem weiteren Verwandtschaftskreis der Cahens bzw. Kleebergs. Leopold Kirchheimers Schwester Paula war die Ehefrau von Julius Rothschild, dessen Schwester Martha wiederum mit Albert Kleeberg verheiratet war, den Großeltern von Grete.

Tod Leo Kirchheimer Buchenwald
Buchenwald meldet den Tod von Leo Kirchheimer
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Leopold Kirchheimer und Grete Cahen hatten am 23. Juli 1923 in Preußisch Oldendorf geheiratet. Gelebt hatten sie zuletzt in Braunschweig in der Roonstr. 6. Ihre Tochter Lora war im Februar 1927 geboren worden, bei ihrem Tod, den die Großmutter in ihrem Brief erwähnt, war sie also etwa zwölf Jahre alt gewesen. Im Zuge der Verhaftungen während der Reichspogromnacht war dann ihr Vater nach Buchenwald eingeliefert worden. Dort hatte man ihn unter der Häftlingsnummer 24110 geführt. Die genaueren Umstände seines Todes sind nicht bekannt. Dem Eintrag in seiner Häftlingsakte, er sei um 15.25 Uhr am 29. November 1938 nach einem Schlaganfall verstorben, wird man zumindest in Zweifel ziehen dürfen,[96] wahrscheinlicher ist doch eher ein gewaltsamer Tod.

Margarete / Grete Kirchheimer
Margarete / Grete Kirchheimer

Grete war nach dem Tod ihrer Tochter und dem ihres Mannes im Frühsommer 1939 zunächst nach England ausgewandert. Dies belegt ein Eintrag, laut dem sie am 14. Oktober 1939 im britischen Braiswick in der Region Colchester eine Arbeitsstelle hatte. Sie war in England vor einer Internierung verschont worden.[97] Im April 1949 emigrierte sie dann in die USA, wo sie seit 1952 in Kalifornien lebte. Dort beantragte sie im August die Einbürgerung.[98] Ihren Namen änderte sie, die in Amerika als Krankenschwester tätig war, in Grete Kirk. Grete Kirk verstarb am 22. September 1980 in San Francisco.[99]

Offenbar hatte zuletzt auch ihre Schwester Hilde noch gehofft, Deutschland verlassen zu können, denn am 16. August 1939 hatte sie beim Finanzamt Wiesbaden eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt und diesen Antrag mit ihrem Wunsch, nach England auswandern zu wollen, begründet. Abgesehen von einem kleinen Sparbuch habe sie kein Vermögen. Als Reisegepäck wolle sie nur eine Nähmaschine, einen Kleiderschrank und ein wenig Wäsche mitnehmen. Offensichtlich war sie bemüht, die Behörde davon zu überzeugen, dass mit ihrer Auswanderung dem Reich keine Vermögenswerte verloren gehen würden.[100] Sie plante in England als Hausangestellte zu arbeiten und wollte vermutlich auch ihre Schwester treffen. Weshalb dieser Plan nicht weiter verfolgt wurde, ist nicht klar. Es gibt zumindest keine Akteninhalte, die einen Hinweis darauf geben, dass Hilde Bachmann diesbezüglich weitere Schritte unternahm. Möglicherweise hielt sie die Verantwortung für die Mutter von einem konsequenteren Vorgehen ab. Vermutlich hat aber auch die Mutter gespürt, dass sie ihre Tochter unfreiwillig, allein durch ihr Dasein, vor der Flucht in die Freiheit abhielt.

Neben allem anderen Leid, das Sophie Cahen in den letzten Jahren hatte ertragen müssen – die Auswanderung der Töchter, der Verlust von Schwiegersohn und Enkel durch Tod und Vertreibung, die eigene Krankheit und die wachsende finanzielle Not -, war das vielleicht auch ein Grund, weshalb sie zuletzt, zermürbt und hoffnungslos, einen eigenen Fluchtweg einschlug: Die Flucht in den Tod. Am 17. Oktober 1940 nahm sie sich nachts um 3 Uhr in ihrer Wohnung in der Martinsthaler Straße mit Gas das Leben.[101] Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Jüdischen Friedhof an der Platter Straße.

Vor ihrem Tod hatte sie per Testament ihre bisher vermögenslose Tochter Hilde zur Alleinerbin gemacht.[102] Ende des Jahres 1940, nachdem die Devisenstelle die Übertragung der Erbschaft auf ihr Konto genehmigt hatte, besaß Hilde Bachmann nominal ein Vermögen von knapp 24.000 RM.[103] 300 RM standen ihr davon monatliche zur freien Verfügung. Dieses Geld benötigte sie, um die Miete in Höhe von 100 RM und den übrigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Um die noch fälligen Arztrechnungen und die Beerdigungskosten für ihre Mutter zahlen zu können, musste sie die Devisenstelle bitten, ihr den Verkauf von Wertpapieren in Höhe von 1.000 RM zu genehmigen.[104] Trotzdem wurden ihr im Jahr 1941 noch 984 RM als Zinsertrag ihrer Wertpapiere gutgeschrieben. Aus der Einkommenserklärung erfährt man, dass sie zudem seit Oktober 1941 zu einem „Arbeitseinsatz“, sprich: zur Zwangsarbeit, bei der Firma ‚Bonner Keramik A.G.’ in Bad Schwalbach verpflichtet worden war. Für die drei Monate, die sie dort gearbeitet hatte, waren ihr 106 RM ausgezahlt worden.[105] Ob sie dort noch länger tätig sein musste, ist nicht bekannt. Aber sie versuchte auch durch Hilfstätigkeiten in verschiedenen Haushalten, so auch bei Rothschilds, sich zusätzliches Geld zu verdienen.

Den Kontakt zu ihrer Tochter Marianne und auch zu ihrem ehemaligen Ehemann in den USA konnte sie trotz einiger Schwierigkeiten aufrechterhalten, wie man zwei überlieferten Briefen entnehmen kann, die Marianne Bachmann als Beleg dafür, dass ihre Mutter 1941 noch lebte, im späteren Entschädigungsverfahren vorlegte. Die beiden Briefe sollen hier vollständig wiedergegeben werden, zeugen sie doch, zumindest in Andeutungen, von den Ängsten und Nöten, die Hilde Bachmann in diesen letzten Monaten bewegten.[106] Wie lange der Kontakt möglich war, ob auch noch nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941, ist nicht bekannt.

Der erste Brief wurde am 2. Februar 1941 geschrieben:

Meine liebe Marianne,
diese Woche schrieb mir Frau Heilbrunn, dass du so lange keine Post von mir erhalten habest und besorgt seist. Zwar schrieb ich in den letzten Monaten nicht mehr wöchentlich, aber mindestens 2x im Monat und ich hoffe und wünsche von Herzen dass rückständige Briefe inzwischen angekommen sind. In meinem letzten Schreiben v. 20. I. 41 konnte ich dir endlich nach langem Warten Deine und Vaters Zeilen vom 5. 12. 40 bestätigen und freute mich herzlich, dass Ihr alle guter Dinge seid. – Mir geht es so weit auch ganz gut, d.h. ich raffe mich immer arg zu allem auf. Es gibt vieles, was mir Sorge und Kopfzerbrechen macht, besonders, wie sich die Wohnverhältnisse in Zukunft haushälterisch und doch einigermaßen menschlich zu gestalten vermögen. Es ist alles nicht einfach und allzu vieles Nachdenken hat auch keinen Zweck, weil meistens alles anders kommt, als man denkt. – Von nächster Woche ab will ich erst einmal einen Teil meiner Freizeit wieder mit meiner Stundenstelle ausfüllen, um etwas nebenher zu verdienen. – Übrigens hast Du im letzten Brief gar nichts von dir u. Deiner Beschäftigung geschrieben, was ich sehr vermisste. – Ist es dort auch kalt ? Nach einigen milderen Tagen hat hier die Kälte wieder heftig eingesetzt, leider. Ich empfinde sie so unangenehm und das große Zimmer lässt sich schwer heizen. Heute habe ich mir beim Schreiben mein kleines Rolltischchen ganz nahe an den Ofen gestellt und sitze im Sessel wie eine Omama. So sind meine dummen Kälte empfindlichen Beine zufrieden.
Diese Woche hatte ich wieder einen ganz langen Brief von der kleinen Tante Luise aus Cöln. Freudestrahlend sendet sie mir immer stets die Abschriften der Briefe aus Fortaliza (?). Lotte G. ist mit Kindern und 3 Mädchen auf einem Gut im Gebirge u. berichtet ganz begeistert  von dem idealen Aufenthalt und entsprechender Erholung. Ernst u ?? waren auch einige Tage mit dort. –
d. 4. II Es wurde dunkel und ich halte heute Fortsetzung, d.h. indem ich schnell schließe, denn ich will den Brief zur Post tragen, wo ich gerne zur bestimmten Stunde bin. Heute früh hab’ ich ersten Mal bei Rothsch[ilds]. putzen helfen. Alma R. hat viel Arbeit und Pflichten, da ihr immer noch sehr kranker Mann nach viermonatlichem Krankenhausaufenthalt vor 8 Tagen nach Hause kam. – Nächstens mehr. Ich hoffe Deine Nachricht. Grüße alle, die nach mir fragen. Dir einen Gruss u. Kuss mein feines Kind

Deine Mutter

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Brief von Hilde Bachmann an ihre Tochter Marianne in den USA
Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
HHStAW 469/33 4353

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der zweite Brief stammt vom 9. März des Jahres 1941

Liebe Marianne, lieber Klaus,[107]
ich erhielt deinen letzten Brief vom 26. I. nach einer 4wöchentlichen Laufzeit also vor ungefähr 14 Tagen und war herzlich froh, endlich mal wieder Post von Dir zu haben. Ich hatte wieder sehnsüchtig darauf gewartet, da der vorherige Brief von Anfang Dezember war. Wo mögen all die Briefe stecken, o. gesandt werden, denn aus Deinen Zeilen geht hervor, dass Du so ziemlich jede Woche schreibst- Ich hatte mich mal wieder an Klaus Mutter gewandt, um zu erfahren, ob sie glückliche Postempfängerin war, aber es ging ihr damals nicht besser als mir, und ich habe ihr dann gleich die Ankunft Deines Briefes mitgeteilt. Und nun musste ich gar erfahren, dass auch Du dort auf meine Post vergebens wartetest und Du unnütze Sorgen um mich machtest. Zwar muß ich Dir sagen, dass die letzten Briefe nur jede zweite Woche herausgingen, trotzdem müsstest du aber einiger erhalten haben und ich hoffe auch, dass das der Fall inzwischen ist. Ja ?
Ich freue mich, dass, ihr alle gesund seid, denn ich nehme an, dass Vaters Erkältung inzwischen auch ganz verschwunden ist. Bei ihm waren die Schnupfen schon früher immer hartnäckiger u. er soll sich gut in acht nehmen und ordentlich Alkohol trinken. Hoffentlich braucht Ihr zwei nicht zu ‚feiern’. Fabelhaft wie fleißig Ille schafft, man hört immer wieder, wie gesucht dort Pflegerinnen sind. Sicher werden auch große Autos gestellt, denen leider nicht jeder gewachsen ist. Ich glaube, ich könnte es kaum. Inzwischen wird die ehemalige Kälte auch in milderes Wetter umgeschlagen sein. Hier wird es langsam Frühling. Schneeglöckchen sollen blühen, ich sehe nur die ersten Crocusse u. Nußkätzchen und höre morgens die zaghaften Stimmen der Amseln und Meisen in den Gärten hier draußen. Sie tragen ein wenig Freude u. neuen Mut in das oft so schwere Herz und rütteln traurige Wellen auf. –

What are you doing now? You didn’t write anything of your Job. Ich helfe morgens in zwei Haushaltungen, nachmittags nähe ich, mache Besorgungen u. halte die Wohnung in Schwung. Die Tage vergehen rasch und das ist gut. Leider hat sich in meinen Wohnverhältnissen noch nichts geändert, wie ich dir bereits schrieb, hätte ich gerne ein Zimmer (??), aber es klappt nicht.

Von den hiesigen, d.h. den noch im Lande lebenden Verwandten höre ich von Zeit zu Zeit, d.h. von Tante Lieschen selten. Die diversen Bekannten besuche ich, wenn ich Zeit habe. Augenblicklich sind viele krank. Von Tante Grete habe ich seit Monaten keine Post. Über Grevenbroich erfahre ich, dass sie mit Werner in regelmäßigem Briefwechsel steht und gerne herüber möchte. Mein Schluß für heute. Ich will noch meinen kleinen Sonntagsspaziergang machen und denken Du wärst dabei.
Bleib gesund mein Kind, grüße die Lieben mit herzl. Kuss
Deine Mutter

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Brief von Hilde Bachmann an ihre Tochter Marianne in den US
Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
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Am 7. Mai 1942 teilte Hilde Bachmann der Devisenstelle mit, dass sie in die Rheingauer Str. 5 in das erste Stockwerk gezogen sei.[108] Das war die Adresse eines weiteren Wiesbadener Judenhauses. Etwa vier Wochen blieb sie noch dort. Am 10. Juni 1942 wurde sie mit sechs weiteren Bewohnern des Hauses zum Wiesbadener Bahnhof getrieben und an der Viehverladestation in den Zug verfrachtet, der insgesamt 371 Jüdinnen und Juden zunächst nach Frankfurt und dann weiter nach Lublin brachte. Von dort wurden diejenigen, die nicht nach Majdanek für den Aufbau des dortigen KZs ausgesondert wurden, in das nahe gelegene Vernichtungslager Sobibor gebracht und bald nach ihrer Ankunft ermordet.[109]

Josef Bachmann soll 1970 im Alter von 80 Jahren in den USA verstorben sein, seine und Hildes Tochter Marianne nur neun Jahre später im September 1979.[110]

Die Familie von Caecilie Grünewald, geborene Kleeberg

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Caecilie Grünewald, geb. Kleeberg

Auch das Schicksal der ältesten Schwester von Albert Kleeberg, das von Caecilie, ist gekennzeichnet von den Schrecken dieser Zeit.[111] Sie hatte am 24. Mai 1893 in Castrop den Kaufmann Siegmund Grünewald geheiratet,[112] mit dem sie nach Essen Katernberg zog. In der Mittelstraße, später am Markt, besaßen sie ein Geschäft für Weißwarenartikel. Am 15. Mai 1894 wurde ihnen zunächst ein Sohn namens Erich geboren, am 4. August 1898 noch die Tochter Karola.[113]
Wann deren Vater verstarb, ist nicht bekannt, aber die Witwe gab damals das Geschäft auf und zog zunächst nach Köln, dann nach Gindorf bei Grevenbroich. Dorthin war ihre am 4. August 1898 in Essen geborene Tochter Karola gezogen,[114] nachdem sie Gustav Kaufmann, ein Handelsmann ebenfalls im Textilgewerbe tätig, geheiratet hatte.[115] Gustav Kaufmann, geboren am 16. Januar 1887 als Sohn von Joseph und Brunetta Kaufmann, geborene Behr, entstammte einer dort seit Generationen ansässigen Familie, die auch auf andere Weise mit der Familie Kleeberg verbunden war.[116]
Unter dem Druck der Nazis hatten Grünewalds ihr dortiges Haus verkaufen müssen, sodass weder Karola und Gustav Kaufmann, noch die Mutter dort bleiben konnten. Letztere fand dann eine Unterkunft in einer Pension in Rheindahlen in der Stadtwaldstr. 23. Von dort wurde sie mit drei weiteren Personen als letzte jüdische Bewohner des Ortes am 26. Juli 1942 „nach dem Osten evakuiert“. Am Tag zuvor hatten diese sich mit einem Koffer, nicht schwerer als 15 kg, am Gladbacher Bahnhof einfinden müssen, von wo aus sie zur eigentlichen Sammelstelle nach Düsseldorf gebracht wurden. Es handelte sich dabei um den zweiten großen Transport aus Düsseldorf,[117] der dort mit einem aus Aachen kommenden Zug verkoppelt wurde. In ihm befanden sich knapp 1000 Jüdinnen und Juden aus Aachen und dem gesamten Bezirk der Gestapo-Leitstelle Düsseldorf, zu der auch Gindorf gehörte. Sein Ziel war Theresienstadt, das am 25. Juli erreicht wurde. Die Fahrtkosten für die 827 km in Höhe von 16,60 RM hatten die Opfer selbst aufbringen müssen, aber das war angesichts dessen, was ihnen bevorstand, letztlich egal.[118]

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Todesfallanzeige für Cäcilie Grünewald, geb. Kleeberg aus Theresienstadt
https://www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/dokument/83531-gr-newald-c-cilie-todesfallanzeige-ghetto-theresienstadt/

Im September und Oktober 1942 wurden 357 Personen aus diesem Transport in das Vernichtungslager Treblinka verbracht. Ob Caecilie Grünewald ebenfalls dafür vorgesehen war, ist nicht bekannt. Sie verstarb am 20. September 1942 im Alter von 77 Jahren noch im Ghetto an Herzschwäche und einem Darmkatarrh, so zumindest die dort ausgestellte Todesfallanzeige.[119]

Ihrer Tochter Karola gelang es mit ihrem Mann und ihrer am 11. Juni 1925 in Gindorf geborenen Tochter Inge [120] sowie anderen Mitgliedern der Familie Kaufmann 1939 nach Shanghai zu entkommen. Vermutlich hatte Inge in Shanghai ihren Ehemann Heinz Frankenstein kennen gelernt und geheiratet. Nach dem Ende des Krieges konnten zuerst die Eltern Karola und Gustav Kaufmann im Dezember 1947 in die USA ausreisen und sich in Kalifornien niederlassen.[121]

Passage Kaufmann
Überfahrt von Karola und Gustav Kaufmann von Shanghai nach San Francisco
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1017448:7949?tid=&pid=&queryId=311dcde01b198d2b7c1aa2ad299e7b1e&_phsrc=Ekt5258&_phstart=successSource
Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Der Aufbau meldet die Ankunft der Kaufmanns in den USA
‚Aufbau‘ vom 13.8.1948
Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Glückwünsche zur Silberhochzeit für Gustav und Karola Kaufmann im ‚Aufbau‘

Ihre Tochter Inge blieb damals zunächst noch in China zurück. Ihr Name mit dem Nachname Frankenstein – sie war demnach bereits verheiratet – ist auf der Passagierliste als Kontakt der Eltern in dem Land angeben, von dem das Schiff kam.[122] Inge Frankenstein folgte den beiden dann mit ihrem Mann und den Schwiegereltern Julius und Martha im Juli 1948,[123] gerade noch rechtzeitig, um am 22. August 1948 ihren Eltern über eine Anzeige im ‚Aufbau’ zur Silbernen Hochzeit gratulieren zu können – sicher ein freudiges Ereignis, gehörten doch wenigstens sie zu den Überlebenden der Familie.

Caecilie Grünewald, Karola Grünewald Kaufmann, Gustav Kaufmann
Gustav und Karola Kaufmann versuchen auf der Suche nach Caecilia Grünewald
http://viewer.yadvashem.org/viewer/remote/207.232.26.150/documentation2/5/9807190_03270132/00055.JPG?width=700.

1946 hatte Gustav Kaufmann in Yad Vashem noch versucht, etwas über das Schicksal von Caecilie Grünewald zu erfahren, – damals sicher noch nicht ganz ohne Hoffnung, die sich aber bald zerschlagen sollte.[124] Ihm selbst blieben auch nicht mehr viele Jahre im amerikanischen Exil. Er verstarb am 13. März 1953 in San Francisco,[125] Karola Kaufmann selbst ebenfalls dort am 21. Februar 1974.[126] Ihre Tochter Inge konnte auf ein langes Leben zurückblicken, als sie am 26. Juli 2006 im Alter von 81 Jahren ebenfalls in der kalifornischen Stadt verstarb.[127]
Inges Großmutter Cäcilie Grünewald blieb aber nicht das einzige Opfer in diesem Familienzweig der Kleebergs. Anders als der Familie von Karola Kaufmann gelang es auch der Familie ihres Bruders Erich nicht, den Nazi-Schergen zu entkommen, obwohl diese vermutlich bereits 1938 in die Niederlande ausgewandert war und zuletzt in Amsterdam in der Roerstraat wohnte, wo die Kinder sogar in die Schule gegangen zu sein scheinen.

Erich Grünewald Caecilie Vyth
Erich Grünewald und seine Familie im holländischen Exil
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Mit seiner Frau Cäcilie Vyth, geboren am 22. November 1909 in Kalkar,[128] hatte er die beiden Kinder Lieselotte und Anita Marie, die beide noch vor der Machtübernahme der Nazis und vor der Flucht nach Holland geboren worden waren.[129] Die genauen Abläufe der Inhaftierung und Deportation der Familie konnten nicht mehr exakt rekonstruiert werden, aber es scheint so, als ob Erich Grünewald zunächst alleine gefasst und zunächst in das KZ Oranienburg verbracht worden sei.[130] Seit wann er dort inhaftiert war, konnte nicht festgestellt werden, aber am 20. Juni 1941 ist er beim Abendappell im dortigen Krankenbau erstmals registriert, am 5. Juli dann wieder unter den Abgängen verzeichnet worden. Vermutlich blieb er dann noch bis zum 7. August im Lager, denn er erscheint mit diesem Datum auf einer Transportliste, bei der allerdings kein Ziel genannt ist. Vermutlich ging dieser Transport aber nach Ravensbrück, denn in einer Todesliste dieses Konzentrationslagers ist er, der Häftling mit der Nummer 670, mit dem Todesdatum 20. Oktober 1941 aufgeführt.

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Todesliste ds KZs Ravensbrück mit dem Eintrag von Erich Grünewald
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Man hatte damals auch eine Sterbeurkunde ausgefertigt, in der als Todesursache die üblichen Gründe wie Herzmuskelentzündung und Kreislaufschäden genannt werden.[131] Die Urkunde enthält zudem in nachträglich eingefügten Randbemerkungen zum einen Korrekturen einiger falscher Angaben der Urkunde, aber auch weitere Informationen. So wird sein früherer Beruf mit Bücherrevisor und Steuerberater angegeben. Interessanter ist aber, dass Erich am 18. Januar 1936 vom jüdischen zum katholischen Glauben übergetreten war. Ob die ganze Familie diesen Schritt machte oder ob es sich um seine individuelle Entscheidung handelte, ist so wenig bekannt, wie die Motive, die ihn zu diesem Schritt bewogen hatten: Handelte es sich um einen letztlich wirkungslosen Versuch der Tarnung oder geschah die Konversion aus Überzeugung? Man wird es nicht mehr erfahren können.
Seine Frau und die beiden Kinder waren – das genaue Datum ist nicht bekannt – in Westerbork interniert worden. Von dort wurden sie am 8. Juni 1943 in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und nach ihrer Ankunft am 11. Juni sofort in den dortigen Gaskammern ermordet.[132] Lieselotte ging mit vierzehn, Anita Maria mit elf Jahren in den Tod.

Anita Maria Grünewald in ihrer holländischen Schulklasse
Anita Maria Grünewald in ihrer holländischen Schulklasse
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Die Familie von Bertha Gumprich, geborene Kleeberg

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Bertha Gumprich, geb. Kleeberg

Auch Albert Kleebergs Schwester Bella, genannt Bertha, konnte dem Holocaust entkommen und in ihrem lateinamerikanischen Exilland Uruguay überleben.[133] Sie war mit Gustav Gumprich verheiratet, dem am 10. Juni 1861 geborenen Spross einer in Borghorst in Westfalen alteingesessenen jüdischen Familie. Der Viehhändler und Metzger hatte neben diesem, seinem eigentlichen Beruf auch ein Geschäft für Textilwaren eröffnet. Sein Vater Selle Salomon Gumprich war der Vorsteher der dortigen Gemeinde und Gustav selbst leitete über viele Jahre bis zu seinem Tod am 11. März 1932 die Gottesdienste in der Borghorster Synagoge.[134] Durch seinen Tod unmittelbar vor der „Machtergreifung“ der Nazis, blieben ihm die Leiden erspart, von denen seine Familie bald darauf betroffen wurde. Und die Familie war recht groß. Sechs Kinder wurden in der Ehe geboren, deren Schicksal hier nur in groben Zügen rekapituliert werden kann.
Ihr ältester Sohn war der am 9. Januar 1891 geborene Emil, der mit der aus Duisburg-Hamborn stammenden Else Lublinski verheiratet war. Auch er war als Textilkaufmann tätig, seine Frau als Organistin in der Synagoge in Münster. Nach Münster, wo auch ihre beiden Kinder Gisela und Manfred 1928 bzw. 1930 zur Welt gekommen waren, zog 1937 auch Bertha Gumprich, nachdem sie sich in Vorbereitung auf eine gemeinsame Ausreise mit der Familie ihres Sohnes Emil von ihren Grundstücken in Borghorst getrennt hatte. Am 8. Dezember 1939 traten sie alle die gemeinsame Fahrt nach Südamerika an. Bertha Gumprich verstarb bald nach dem Ende des Kriegs am 31. Dezember 1953 in Montevideo.[135] Ihr Sohn, vermutlich samt der Familie, war zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in das Nachbarland Argentinien weitergewandert, wo er am 17. Oktober 1956 verstarb.[136]

Albert Gumprich und seine Familie, die ebenfalls in Münster lebten,[137] betrieben dort eine Viehhandlung, die ursprünglich seinem Schwiegervater Levy Nathan gehört hatte. Dessen Tochter Irma, geboren am 1. Mai 1898, gebar nach der Hochzeit im Jahr 1922 insgesamt fünf Kinder: Rudolf, Ruth-Marianne, Sonja-Emma und die Zwillinge Uri und Dan.[138] Durch Boykott, Inhaftierung und andere Schikanen, wie etwa dem Entzug des Wandergewerbescheins, wurden die Lebensgrundlagen der Familie weitgehend zerstört und sie verarmte zusehends. Zuletzt wurde die Familie im Judenhaus in der Hermannstr. 44 untergebracht und Albert musste sich als Arbeiter im Tiefbau verdingen.
Am 27. Januar 1942 wurde die gesamte Familie nach Riga deportiert, wo Albert Gumprich nach nur einem halben Jahr an Unterernährung und einer Lungenentzündung verstarb. Als das Ghetto im November 1943 liquidiert wurde, brachte man Irma Gumprich mit den jüngeren Kindern nach Auschwitz, wo sie am 15. November ermordet wurden. Nur ihr Sohn Rudolf, der in Riga verblieben war, wurde am 10. August 1944 zunächst in das KZ Stutthof, dann eine Woche später nach Buchenwald verlegt. Hier setzte man ihn im Außenlager Bochum als Zwangsarbeiter in der Kriegsindustrie ein. Anfang März kam er zurück nach Buchenwald, wurde dort sofort in den Krankenbau eingeliefert, wo er vier Wochen später, somit noch kurz vor der deutschen Kapitulation am 11. April 1945 verstarb. Mit seinem Tod war eine weitere jüdische Familie vollständig ausgelöscht worden. Heute erinnert in Borghorst neben den dort verlegten Stolpersteinen auch die Benennung einer Straße mit ihrem Namen an das Schicksal dieser Familie.[139]

Stolpersteine Gumprich
Stolpersteine für die Familie Gumprich in Borghorst
https://wiki-commons.genealogy.net/images/7/74/Borghorst_Stolpersteine_Nikomedesstr1.jpg

Die eineinhalb Jahre jüngere Schwester von Albert Gumprich, die am 9. September 1893 geborene Sophie, konnte, wie ihre Mutter und ihr ältester Bruder nach der Reichspogromnacht mit ihrem Mann Simon Terhoch und ihren beiden Kindern Inge und Werner noch rechtzeitig nach Uruguay auswandern. Sie hatten ihren Heimatort Drensteinfurt bei Münster verlassen müssen, in dem die Familie Terhoch früher einen sehr gut gehenden Viehhandel betrieben hatte.[140] Aber das schützte sie nicht vor zunehmender Diskriminierung, worunter aber im Besonderen die Kinder litten. Schon im Frühjahr 1938 hatte die Familie mit der Vorbereitung für die Emigration begonnen. Nach den schrecklichen Ereignissen während des Novemberpogroms, wo die Horden auch in dieser Kleinstadt wüteten und Geschäfte und Privatwohnungen der jüdischen Mitbürger demolierten, konnten Simon und Sophia Terhoch und die 15 bzw. 17 Jahre alten Kinder dann noch im Dezember 1938 unter Zurücklassung nahezu ihrer gesamten Habe die Ausreise antreten.

Simon Kleeberg, Julie Kosmann, Cosmann Kleeberg, Caecilie Grünewald Kleeberg, Siegmund Grünewald, Bertha Bella Kleeberg Gumprich, Gustav Gumprich, Sophie Sofie Kleeberg Cahen, Julius Cahen, Albert Kleeberg, Martha Rothschild Kleeberg, Helene Kleeberg Herz, Gustav Herz, Jenny Johannette Kleeberg Elkan, Max Elkan, Heinz Elkan, Trude Elkan, Josef Elkan, Oskar Herz, Martha Herz Vasen, Emil Philipp Vasen, Friedericke van der Weyden, Ernst Kleeberg, Flora Schad Kleeberg, Hilde Agnes Cahen Bachmann, Josef Bachmann, Grete Cahen, Hugo Cahen, Johanne Luise Cahen Dalberg, Sophie Sofie Gumprich Terhoch, Simon Terhoch, Erna Gumprich Simon, Leopold Simon, Julius Gumprich, Gertud Gumprich Strauß, Inge Terhoch, Werner Terhoch, Hella Simon, Ursula Simon Rosenfeld, Peter Rosenfeld, Marianne Luise Bachmann, Albert Gumprich, Irma Nathan Gumprich, Rudolf Gumprich, Ruth Gumprich, Sonja Emma Gumprich, Uri Gumprich, Emil Gumprich, Else Lublinski Gumprich, Gisela Gumprich, Manfred Gumprich, Karola Carola Grünewald Kaufmann, Ingeborg Kaufmann, Caecilia Vyth Grünewald, Erich Grünewald, Anita Maria Grünewald, Lieselotte Grünewald, Klaus Flick, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Juden Grevenbroich, Juden Castrop
Erna Simon, geb. Gumprich
https://namesfs.yadvashem.org//yadvashem/photos4/hon/14235397.JPG

Über das Leben der folgenden Schwester Erna Gumprich liegen sehr viele Informationen vor, da deren Tochter Ursula im Rahmen der Zeitzeugenbefragungen durch die US-Shoah-Foundation ein mehrstündiges und sehr persönliches Interview gegeben hat, in dem zwar primär ihr Leben und das ihrer Schwester Hella im Vordergrund stand, in dem sie aber auch sehr viel über das immer bedrückender werdende Leben in ihrer Heimatgemeinde Quakenbrück berichtete.[141] Die beiden Schwestern waren Töchter von Erna und Leopold Simon, einem Zimmermann, der am 18. Juli 1890 in Berge bei Quakenbrück als Sohn von Sally und Lina Simon geboren worden war. Am 12. November 1923 waren Erna und Leopold Simon zunächst die Tochter Hella, dann am 20. Februar 1925 die weitere Tochter Ursula geboren worden. Beide erlebten schon bald die Ausgrenzungen, mit denen jüdische Kinder privat und in der Schule zurecht kommen mussten, etwa Geburtstagsfeiern, zu denen keine Mitschülerinnen kamen oder eine Sportlehrerin, die Ursula beim Kastensprung bewusst ohne Hilfestellung ließ, damit diese vor allen anderen zu Boden stürzte. Die sogenannte „Kristallnacht“ bedeutete die endgültige Zäsur. Der Vater, eigentlich sehr patriotisch gesonnenen und im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, konnte nicht begreifen, wie sich die Stimmung im Ort immer deutlicher gegen seine und die anderen jüdischen Familien richtete. Am Morgen des 9. November drang der Mob in die Synagoge ein, legte Feuer, warf alle Kultgegenstände auf die Straße und SA-Leute trieben mit den Thorarollen ihre entwürdigenden, blasphemischen Scherze. Und dann geriet Ursula selbst ins Visier der Horde: “And then they saw me, and they said, well, there’s another Jew. Let’s throw her into the flames, too. And it was– it was a moment in my life I shall never forget. It was altogether, you know, almost sort of– you couldn’t imagine the– the atmosphere and the burning and the– the– I don’t know– sort of hysteria of– of– of people.”[142]

Kennkarte von Ursula Simon
USC Shoah Foundation

Wie überall an diesem Tag wurden die Männer verhaftet und bald darauf in ein KZ verbracht. Ursula sah ihren Vater zum letzten Mal, als er auf einem Lastwagen stehend abtransportiert wurde. Im Konzentrationslager Buchenwald wurde er zwei Tage nach seiner Einlieferung am 14. November 1938 erschlagen.[143] Hella und Ursula wurden daraufhin nach Hamburg in ein jüdisches Waisenhaus geschickt, damit sie sich dort in der Jüdischen Schule auf ihre baldige Ausreise aus Deutschland vorbereiten konnten. Ein Bruder des Vaters, der bereits über Holland nach Südafrika geflohen war, arrangierte die notwendigen Formalitäten und steuerte die geforderten Geldmittel bei. Am 18. Juli 1939 verließen die Geschwister mit einem Kindertransport Deutschland von Hamburg aus, um in England ein neues Leben zu beginnen. Beide machten trotz aller schwierigen Situationen, die sie durchstehen mussten, insgesamt sehr positive Erfahrungen, engagierten sich in politischen Gruppen und gründeten später eigene Familien. Während Ursula in England blieb, ging Hella nach dem Krieg nach Ostdeutschland, in der Hoffnung dort beim Aufbau eines antifaschistischen Staates mitwirken zu können.

Hella und Ursula Simon 1941 un England
Hella und Ursula Simon 1941 un England
USC Shoah Foundation

Ihre Mutter hatten sie noch zweimal gesehen, bevor sie zur letzten Verabschiedung ihrer Töchter nach Hamburg gekommen war. Sie blieb alleine in Quakenbrück, in einer ihr völlig feindselig gesonnen Umwelt zurück. Nur die Mutter ihres ermordeten Mannes, blind und pflegebedürftig, war noch bei ihr. Aus Verantwortungsgefühl ihr gegenüber, wollte sie selbst das Land nicht verlassen. Als die Schwiegermutter dann doch noch zu ihrem Sohn nach Südafrika auswandern konnte, wenige Tage vor Kriegsbeginn, war es für Erna Simon zu spät. Sie blieb in Deutschland zurück. Eine ganze Zeit lang bestand auch noch Briefkontakt zwischen ihr und den Töchtern. Der brach ab, spätestens als sie am 10. November 1941 von Düsseldorf aus in das Ghetto Minsk deportiert wurde. Hella und Ursula haben erahnt, was mit ihrer Mutter geschehen war, aber die Hoffnung lange nicht aufgegeben, sie noch einmal wieder zusehen. Erst nach dem Krieg erhielten sie Gewissheit, dass dies nicht mehr möglich sein würde. Sie blieb verschollen und musste auf Amtswegen für tot erklärt werden.[144]

 

Julius, der jüngste, am 28.November 1896 in Borghorst geboren Sohn von Gustav und Bertha Gumprich war ledig geblieben und damit auch relativ unabhängig.[145] Er hatte wohl bis zu seiner Flucht im elterlichen Haus in Borghorst in der Nikomedestr. 1 gewohnt, wo heute auch für ihn ein Stolperstein eingelassen ist, denn trotz seiner Flucht überlebte er den Holocaust nicht. 1939 ist er zunächst nach Belgien geflohen, zu einem nicht bekannten Datum dann weiter nach Frankreich. Wo und unter welchen Umständen er die Zeit bis zu seiner Festnahme überstand, ist nicht bekannt. 1942 wurde er gefasst und zunächst im Lager Gurs festgehalten. Am 4. September des gleichen Jahres wurde er dann von Drancy aus nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ein genaues Todesdatum liegt nicht vor, sodass auch er vom Amtsgericht Münster 1949 für tot erklärt werden musste.

Nicht viel mehr weiß man über das Schicksal der jüngsten Tochter Gertrud, die am 13. Januar 1908 in Borghorst geboren wurde.[146] Verheiratet war sie seit dem 24. Juli 1930 mit Karl Strauß aus Erkelenz, dicht an der holländischen und belgischen Grenze. Möglicherweise war eine Verbindung in diese doch weit von Borghorst entfernt gelegene Stadt zustande gekommen, weil ihre Tante Helene im Jahr 1900 dort in die Familie Herz geheiratet hatte. Aus der Ehe von Karl und Trude Strauß war 1931 eine Tochter hervorgegangen, die den Namen Ruth erhalten hatte.
Gertruds Ehemann Karl Strauß war am 30. Juni 1899 als Sohn von Bernhard und Laura Strauß in Erkelenz geboren worden. In der Hindenburgstr. 46 besaßen die Eltern ein Geschäft, an dem nach dem Ersten Weltkrieg auch die Söhne Ernst und Karl beteiligt waren. Sie waren beide damals nicht nur zur vermeintlichen Verteidigung Deutschlands in diesen Krieg gezogen, sondern engagierten sich auch vielfach im Vereinsleben der Stadt, besonders in den Sportvereinen. Die Geschäfte der Firma ‚S. Strauß & Söhne’ müssen in diesen Jahren so gut gelaufen sein, dass Ende der zwanziger Jahre ein großes Areal in der Stadt erworben werden konnte, welches heute, nachdem es arisiert worden war, als Teil des Stadtparks genutzt wird. Bernhard Strauß verstarb 1934. Seine Frau Laura, die 1940 verschied, war vermutlich die letzte, die vor dem Ende der Naziherrschaft auf dem örtlichen jüdischen Friedhof begraben wurde.

Während Ernst Strauß mit seiner Frau Thea, geborene Dahlberg, und seinen zwei Kindern Helmut und Hannelore, im März 1942 nach Izbica deportiert wurden, wo alle ums Leben kamen, gelang es Karl mit seiner Frau Gertrud und Tochter Ruth Deutschland rechtzeitig zu verlassen. [147] Wann und wo sie verstarb, ist nicht bekannt. Ihre Tochter Ruth hatte in ihrem kolumbianischen Exil in Cali den aus Berlin stammenden Emigranten Rudolf Gesund geheiratet.

 

Die Familie von Helene Herz, geborene Kleeberg

Helene, geboren am 20. April 1877 in Castrop, war das zweitjüngste der Kinder von Simon und Julie Kleeberg.[148] Ihre Schulzeit hatte sie zumindest zum Teil in einem von Nonnen geleiteten katholischen Pensionat verbracht, was aber offenbar keine Distanzierung von ihrem jüdischen Hintergrund zur Folge hatte, denn am 5. Juni 1900 heiratete sie in ihrem Geburtsort den in Erkelenz lebenden jüdischen Viehhändler Gustav Herz. Sie hatte ihn bei einer Hochzeitsfeier kennen gelernt, bei der dieser ein Lied zu Ehren des Kaisers vorgetragen hatte. Ursprünglich stammte Gustav Herz aus Grambusch / Schwanenberg, heute ein Ortsteil von Erkelenz, wo er am 15. Dezember 1874 als Sohn von Marcus Hirtz (!) und seiner Frau Judith, geborene Rosendahl, zur Welt gekommen war. Die Familie war schon seit Generationen in dieser Region ansässig und Gustav Herz war als Repräsentant im dortigen jüdischen Gemeindeleben aktiv. Obwohl bereits Vater von drei Kindern und über 40 Jahre alt, hatte er noch aktiv im Ersten Weltkrieg kämpfen müssen. 1935, als die antisemitische Hetze das politische Klima schon längst vergiftet hatte, war ihm, einem Mitglied des örtlich Kriegervereins, dafür zynischerweise von Hindenburg noch das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen worden. Bereits vor 1933 war Gustav Herz und sein Viehhandelsbetrieb Angriffen rechter Gewalttäter ausgesetzt gewesen. Als danach dann der Staat systematisch gegen jüdische Händler, besonders aber gegen jüdische Viehhändler vorzugehen begann, traf es auch den Betrieb der Familie Herz, der mit einem Verfahren wegen Gewerbevergehens und Steuerhinterziehung überzogen wurde.

Oskar, der älteste Sohn von Helene und Gustav Herz, geboren am 25. August 1901, war inzwischen in die Fußstapfen des Vaters getreten und ebenfalls Viehhändler geworden.[149] Er hatte seine Schullaufbahn am örtlichen Gymnasium 1917 mit dem Einjährigen abbrechen müssen, da sein Vater damals eingezogen worden war.
Während des Novemberpogroms wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Nach seiner Freilassung im Dezember 1938 wohnte er vorübergehend in Köln, konnte dann 1939 nach Shanghai ausreisen.[150] Nicht klar ist, ob er damals die Reise alleine antrat oder zusammen mit einigen anderen Mitgliedern seiner weit verzweigten Familie. Denn auch seine am 21. September 1909 geborene Schwester Margarete, genannt Grete, wohnte nach einem einjährigen Aufenthalt in England 1939 in Köln und war von dort aus über Italien mit dem Schiff nach Schanghai ausgewandert. Zuvor hatte sie am 10. April 1939 noch den damals 30jährigen Viehhändler Max Kaufmann aus Gindorf geheiratet.[151]. Auffällig ist, dass es einer großen Zahl der Familienmitglieder damals gelang, sich vor der Verfolgung nach Shanghai zu retten, eine der wenigen Städte bzw. Staaten, die damals überhaupt noch Flüchtlinge aufnahmen. Auf dieser Flucht, die sie wohl zum Teil per Schiff bewältigten, bei der sie aber auch eine riesige Strecke durch Sibirien und China mit der Eisenbahn zurücklegen mussten, wurden Margarete und Max Kaufmann von ihren jeweiligen Eltern begleitet. Aber in diesem von vielen Tausend geflüchteten Jüdinnen und Juden bewohnten Ghetto herrschten katastrophale Zustände. Von daher hatte die Familie Herz das Glück, das Grete auf Grund ihrer in England aufgebauten Kontakte die Möglichkeit erhielt, außerhalb des Ghettos britischen Kindern Unterricht zu erteilen, später sogar mit ihrem Mann außerhalb zu wohnen. Sie war diejenige, die mit ihrer Arbeit praktisch die gesamte Familie in Shanghai ernährte.

Nachdem die Herrschaft des Nationalsozialismus über Europa gebrochen und der Krieg beendet war, kehrten Gustav und Helene Herz 1947 mit ihrem Sohn Oskar wieder nach Deutschland zurück, bezogen sogar wieder eine Wohnung in ihrer alten Heimatgemeinde Erkelenz. Nachdem sie 1949 dort noch ihre Goldene Hochzeit feiern konnten, verstarben die Eltern dort beide im Jahr 1953, Helene am 1. März und Gustav am 2. August, Oskar 1971.

Grete und ihr Mann Max Kaufmann erhielten die Genehmigung zur Einreise in die USA und blieben in der Kalifornischen Metropole San Francisco. Dort verstarb Grete am 21. Juni 2003 im Alter von 65 Jahren, ihr Mann zweieinhalb Jahre später im hohen Alter von 97 Jahren am 23. Februar 2006.

Auch die ältere Tochter Martha hatte eigentlich mit nach Shanghai ausreisen wollen. Das erlaubte der NS-Staat aber wegen ihrer persönlichen Verhältnisse nicht, bzw. eigentlich wegen ihrer Tochter Friederike nicht. Hintergrund für diese Maßnahme war ihre 1933 geschlossene Ehe mit dem katholischen Franz van der Weyden aus Mönchengladbach,[152] die zwar bereits im folgenden Jahr wieder aufgelöst wurde, aus der aber 1934 die Tochter Friederike hervorgegangen war, ein katholisch getaufter Mischling ersten Grades mit einem arischen Vater. Das Gericht hatte bei der Scheidung der Mutter zwar das Sorgerecht zugesprochen, allerdings wurde dem Kind auch ein Vormund zugeteilt, der aber seine Aufgabe eindeutig zum Wohl des Kindes ausübte, ein Wunder in dieser Zeit.[153] Dennoch wurde Friederike keine Ausreiseerlaubnis erteilt, sodass auch Martha Herz die Fluchtmöglichkeit verschlossen blieb. Eine zeitlang lebte und arbeitete sie in Mönchengladbach, dann in Eschweiler, wo sie eine Anstellung bei einem jüdischen Metzger fand. In Eschweiler heiratete sie in zweiter Ehe den dort ansässigen jüdischen Schuster Emil Philipp Vasen, mit dem sie nach Düren zog.[154] Emil Philipp Vasen wurde 1942 nach Izbica deportiert, wo er zu einem nicht bekannten Datum ums Leben kam.[155]

Martha Vasen und ihre Tochter blieben zunächst von der Deportation verschont, da nach der verqueren chauvinistischen Rassenideologie der Nationalsozialisten die rassische Qualität des Mannes gegenüber der der Frau höher gewertet wurde und Friederike somit als Spross einer privilegierten Mischehe galt. Selbst nach der Auflösung der Ehe blieb dieses Privileg zunächst erhalten, zumal die Tochter katholisch erzogen worden war und sogar eine katholische Schule besuchen durfte. Das galt aber natürlich nicht mehr für die Mutter selbst. Zunächst kam Martha Herz mit ihrer Tochter in die Gerstenmühle in Düren, einer Bauruine, die zum Judenhaus umfunktioniert worden war. Den dort einquartierten Jüdinnen und Juden war es erlaubt worden, Mobiliar für ein Zimmer mitzubringen, alles Übrige wurde versteigert. Mit dem Geld sollte angeblich ihr weiterer Lebensunterhalt finanziert werden.[156] Die etwa 8jährige Friederike, die auf Anraten des Pfarrers auch am Kommunionsunterricht teilnahm, besaß nicht nur das Privileg keinen Judenstern tragen zu müssen, sie durfte das Haus auch ohne Beschränkungen verlassen und hatte daher die Möglichkeit für die übrigen Bewohner einzukaufen oder andere Dinge zu erledigen.
Im April 1942 wurden Mutter und Tochter in ein Sammellager bei Jülich, die Villa Buth, gebracht, ebenfalls ein Judenhaus mit mehr als 100 Bewohnern.[157] Friederike wurde einen Tag vor der Deportation ihrer Mutter nach Theresienstadt dort von ihrem Vormund abgeholt und in Mönchengladbach in Sicherheit gebracht. Sie fand bei ihm und seiner Frau für etwa drei Jahre eine „liebevolle Aufnahme“, wie Rütten schreibt.[158] Als gegen Ende der Nazi-Herrschaft auch Mischehepartner und deren Kinder in den Tod getrieben wurden, versteckte das Ehepaar Lieck ihren Mündel für acht Wochen in einem Waisenhaus.[159] Friederike blieb durch diese mutige Tat von der Deportation und dem Tod in der Gaskammer verschont.
Martha Vasen selbst musste auf den Transport VII/2, der am 25. Juli 1942 von Aachen kommend knapp 1000 Juden nach Theresienstadt brachte. Zumindest zeitweise konnte sie von dort über das Internationale Rote Kreuz den Kontakt zu ihrer Tochter in Mönchengladbach noch aufrechterhalten, wie eine Karte aus dem Ghetto an Friederike belegt.[160] Dass sie die folgenden drei Jahre lebend überstand, grenzt an ein Wunder, denn zunächst arbeitete sie mit einem hohen Ansteckungsrisiko auf der dortigen Typhusstation, dann in der Produktion von Glimmerscheiben. Als wieder einer der Transporte von Theresienstadt nach Auschwitz fuhr, um der dortigen Überfüllung Herr zu werden, war eigentlich auch sie auf die Liste gesetzt worden. Es war eine tschechische Aufseherin, die das Medaillon an ihrem Hals mit dem Bild von Friederike wahrnahm und sie vor dem sicheren Tod rettete. Martha Vasen erlebte daher, wie die Rote Arme das Lager befreite und gehörte mit ihrem Onkel Karl Herz, den sie in Theresienstadt getroffen hatte, somit glücklicherweise zu den 61 Überlebenden des Transports vom 25. Juli 1942.[161] In Marsberg, wohin das Ehepaar Lieck inzwischen wegen der vielen Luftangriffe evakuiert worden war, trafen sich Mutter und Tochter wieder. Später gingen sie wieder zurück nach Erkelenz, wo ihr Elternhaus zwar von Bomben, aber nicht von den „Volksgenossen“ verschont geblieben war. Die Wohnung war völlig zerstört und geplündert und für beide begann der Start in ein neues Leben in einem ganz sicher schwierigen Umfeld.
Martha Vasen, geborene Herz, verstarb im Jahr 1976 und liegt auf dem Jüdischen Friedhof in Erkelenz begraben.[162]

 

Die Familie von Jeanette / Jenny Elkan, geborene Kleeberg

Die wenigsten Informationen konnten zur jüngsten Tochter von Simon und Julie Kleeberg gefunden werden. Jeanette, genannt Jenny, war am 29. Juni 1880 in Castrop geboren worden. Zumindest darüber gibt die Entschädigungsakte ihrer Eltern Auskunft. Sie lebte während des Verfahrens, d.h. zu Beginn der 60er Jahre, in Buenos Aires in Argentinien.[163]

Es ist bisher nicht bekannt, wann sie ihren am 8. Januar 1873 vermutlich in Brünen geborenen Mann Max Elkan kennen gelernt und geheiratet hatte. Seine Vorfahren waren ursprünglich im 18. Jahrhundert aus dem Westerwaldstädtchen Altenkirchen in Region am Niederrhein gezogen.[164] Der Handelsmann Joseph Jost, geboren 1808, ließ sich dann etwa 1835 mit seiner aus Bocholt stammenden Frau Johanna Wertheim in dem etwa zehn Kilometer nordöstlich von Wesel gelegenen Ort Brünen nieder.[165] Der am 28. Juni 1836 geborene Joseph war das älteste von insgesamt acht Kindern des Paares.[166] Seine Ehe mit Rosalie Simons, geboren am 18. August 1844, war sogar noch fruchtbarer als die seiner Eltern. Insgesamt wurden den beiden sogar zehn Kinder geschenkt, zunächst vermutlich fünf in Brünen, darunter auch Max, dann weitere fünf in Wesel, wohin die Familie 1866 gezogen war. In Wesel besaßen die Eltern ein Geschäft für „Manufaktur- und Modewaren“, das zentral in der Hohen Straße 419 gelegen war. Nach dem frühen Tod von Joseph Elkan am 22. September 1885 führte zunächst seine Witwe das Geschäft weiter, aber sicher schon mit Unterstützung ihrer Kinder. In den Adressbüchern der Stadt Wesel sind Max und sein Bruder Julius beide als „Handlungsgehilfen“ bezeichnet. Sie sind es dann auch, die 1909 beide als Inhaber des Geschäfts dort eingetragen sind.[167] Noch bevor die Mutter am 16. Dezember 1916 verstarb, war das Haus in der Hohen Straße, die später zur Hindenburgstraße wurde, an Max Elkan übertragen worden.

Hohe Str 419 bzw. Hindenburgstr. 76 mit dem Geschäft der Elkans links vorne
Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Wesel

Der hatte inzwischen mit Jenny Kleeberg eine eigene Familie gegründet und war damals bereits Vater von zwei Kindern. Wieder erhielt der Erstgeborene den Traditionsnamen Joseph / Josef. Er war am 8. September 1904 zur Welt gekommen, gefolgt von der Schwester Gertrud / Trude am 6. Februar 1907.[168] Ein weiterer Sohn namens Fritz, geboren am 10. Januar 1911, verstarb schon nach etwa einem Jahr. Über den weiteren Sohn Heinz liegt in Wesel kein Geburtseintrag vor.[169] Allen drei war es gelungen Deutschland rechtzeitig zu verlassen. Heinz war bereits um 1933 oder 1934 nach England ausgewandert, Trude und Josef gelangten beide 1937 nach Argentinien.[170] Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

Die Eltern waren wohl um schon 1935 / 36 nach Wiesbaden verzogen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie außer einer dünnen Devisenakte fast keine amtlichen Spuren in der Stadt hinterlassen haben.[171] Im Wiesbadener Adressbuch1935 / 36 sind sie mit der Adresse Nerotal 5, in dem von 1938 mit Taunusstr. 75 II eingetragen. Die letzte Adresse ist auch diejenige, von der aus sie 1938 mit der Devisenstelle in Frankfurt korrespondierten. Bei beiden Adressen handelt es sich um eine bevorzugte Wohngegend eher betuchter Wiesbadener Bürger, zu denen die Elkans unzweifelhaft gehörten.

Den Wert ihres Besitzes hatte die Zollfahndungsstelle Mainz im August 1938 ermittelt und war dabei auf insgesamt etwa 150.000 RM gekommen.[172] Ganz offensichtlich muss das Geschäft in Wesel einmal so gut gegangen sein, dass es ihnen möglich war, im Laufe der Jahre ein solch großes Vermögen anzuhäufen. Ein Teil davon bestand allerdings in dem Wert der Immobilien, dem Geschäftshaus in der Hindenburgstraße und einem Gartengrundstück, dass allerdings zu einem Drittel auch dem Bruder Julius gehörte.[173]
Interessant sind zwei Kapitalverbindungen bzw. Kreditvergaben, zum einen an Louis Elkan, der im Oktober 1938 selbst auch ein Schreiben an die Devisenstelle in Frankfurt richtete, in dem er diese darauf aufmerksam machte, dass ein Guthaben von Max Elkan bis zum 31. Dezember 1941 unkündbar sei. Der Zusammenhang ist nicht ganz klar, aber vermutlich ging es um eine Einlage von Max Elkan bei einer Bank, die auf das gesicherte Konto, das Max Elkan einzurichten gezwungen war, übertragen werden sollte. Um wen es sich bei dem Schreiber des Briefes handelte, konnte nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Am wahrscheinlichsten sind zwei Möglichkeiten. Max hatte einen Bruder mit Namen Louis, der 27. April 1878 in Wesel geboren worden war und dem, wie man aus dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft am 21. Mai 1940 folgern kann,[174] wohl rechtzeitig die Emigration aus Deutschland gelungen war. Es könnte allerdings auch sein – und das ist sogar die wahrscheinlichere Möglichkeit -, dass es sich bei dem Absender um den Bankier Louis Elkan handelte, der am 18. Januar 1879 ebenfalls in Wesel geboren worden war und als Cousin – er war der Sohn von Josephs Bruder Leeser und Friederika Elkan – ebenfalls in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Max Elkan stand. Er hatte vor seiner Flucht zuletzt in Düsseldorf gewohnt, von wo auch der Brief an die Devisenstelle abgesendet worden war. Seine Flucht über Holland scheiterte jedoch. Am 17. März 1943 wurde er mit seiner Frau Henriette, geborene Sander, vom dortigen Internierungslager Westerbork aus nach Sobibor deportiert, wo beide am 20. März ermordet wurden.[175]

Brief von Max Elkan an die Devisenstelle, um der seinen Umzug nach Köln mitzuteilen
HHStAW 519/3 12409 (8)

Die zweite, mit 60.000 RM noch weit größere Investition betrifft die Firma Carl Plaat, eine damals sehr bedeutende Gummiwarenfabrik in Köln-Nippes.[176] Auch die Familie Plaat gehörte ursprünglich zu den alten jüdischen Familien von Brünen.[177] Nicht nur stammten auch sie ursprünglich aus Altenkirchen im Westerwald, der Kaufmann Moses Plaat hatte zudem 1841 zusammen mit Jost Elkan eine Hauskomplex im Zentrum von Brünnen erworben. Bereits sein Vater war mit einer Tochter aus der Familie Elkan, mit Rosa Elkan, verheiratet gewesen. Es gab also seit vielen Jahrzehnten eine sehr enge Verbindung zwischen diesen drei jüdischen Familien Wertheim, Elkan und Plaat und es ist daher nicht verwunderlich, dass Kapitalien wechselseitig zum gemeinsamen Nutzen investiert wurden.

Das übrige Vermögen von Max und Jenny Elkan bestand aus Wertpapieren, Hypothekenforderungen oder Spareinlagen. Da die Kinder bereits im Ausland waren, sah sich die Zollfahndungsstelle Mainz genötigt, von der Devisenstelle in Frankfurt eine Sicherungsanordnung gegen Max Elkan zu erwirken, weil dieser möglicherweise unangemeldet und unter Mitnahme zumindest eines Teils seiner Vermögenswerte auswandern könne. Diese zielte damals noch nicht auf das gesamte Vermögen, sondern zunächst nur auf die beiden Darlehen und die Depots. Es wurde ihm auch zugestanden, über die Erträge des Kapitals frei verfügen zu können. Die Sicherungsanordnung wurde dann von Frankfurt aus am 6. Oktober 1938 erlassen. Inzwischen hatte aber Frankfurt die Zuständigkeit verloren, denn Max Elkan war am 19. September des gleichen Jahres nach Köln verzogen und hatte in der Eburonenstr. 10/12 eine Wohnung angemietet.[178] Seine transferierbaren Kapitalien waren auf dortige Konten bzw. in Depots übertragen worden, sodass jetzt der Oberfinanzpräsident von Köln für ihn zuständig war. Das Depot mit den Wertpapieren hatte schon damals für die mögliche Reichsfluchtsteuer verpfändet werden müssen. Seine Bitte, man möge ihm 3.000 RM zu freien Verfügung belassen, weil er sonst über keinerlei flüssiges Kapital verfüge, seine Frau zudem krank sei, wurde genehmigt mit der Einschränkung, dass es sich um ein einmaliges Zugeständnis handele.[179] Am 4. Juli 1939 wird die Akte Elkan in der Devisenstelle Frankfurt geschlossen, womit sich auch seine Spuren wie auch die seiner Frau in Wiesbaden verlieren. Möglicherweise waren sie im Juli 1939 schon auf dem Weg nach Argentinien und damit in ihr sicheres Exil. Sie hatten wenigstens ihr Leben retten können, vermutlich unter Zurücklassung des größten Teils ihres ehemaligen Vermögens.

Betrachtet man aber die gesamte Familie Kleeberg, die Nachkommen von Simon und Julie Kleeberg, so kommt man allein im engeren Familienkreis auf insgesamt 22 Personen, denen das nicht gelang, die sich aus Verzweiflung selbst das Leben nahmen, im Gas endeten, erschlagen wurden, in einem der Lager dem Hungertod zum Opfer fielen oder an einer der dort grassierenden Krankheiten verendeten.

 

Veröffentlicht: 29. 03. 2022

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] Zur Familie Rothschild siehe ausführlich oben.

[2] Geburtsregister Brilon 10.7.1881.

[3] HHStAW 469/33 4348 (6).

[4] Siehe z.B. ebd. (1).

[5] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e4/Castrop-Rauxel_%2CBaudenkmal_37%2C_Juedischer_Friedhof_Obere_Muensterstr_2020-04-09_4137.jpg. (Zugriff: 15.3.2022).

[6] Sterberegister Castrop 340 / 1904.

[7] http://www.jacob-pins.de/?article_id=350&clang=0, (Zugriff: 15.3.2022).

[8] Ebd.

[9] Ebd. S.43 f.

[10] Scholz schreibt, dass1907 mehr als die Hälfte der Bewohner Castrop-Rauxels in Industrie und Gewerbe, aber nur 10 Prozent im tertiären Sektor beschäftigt waren. Bei den Juden war es genau umgekehrt. 20 Prozent von ihnen arbeiteten im produzierenden und 60 Prozent im tertiären Sektor, siehe ebd. S. 49.

[11] Ebd. S.167 f. und 173

[12] Sterberegister Arolsen 599 / 1952.

[13] HHStAW 518 42784 (105).

[14] Sterberegister Wiesbaden 1914 / 1940.

[15] HHStAW 469/33 4348 (6).

[16] HHStAW 518 42784 (105).

[17] Ebd.

[18] HHStAW 518 42781 und 518 42784. Ein entfernter Verwandter namens von Lovenberg hatte das Vertrauen und die Erbansprüche der Nachkommen auf höchst fragliche Weise erworben, war aber damit letztlich gescheitert. Er war der Ehemann von Toni Helene Maria, geborene Nathan, die selbst Ansprüche geltend machen konnte, da sie die Schwester von Irma Nathan war, die wiederum die Ehefrau von Albert Gumprich, einem Sohn von Gustav Gumprich und seiner Frau Bertha, geborene Kleeberg, war. Bertha war die Tochter von Simon und Julie Kleeberg. Siehe zur Familie Gumprich unten.

[19] Stadtarchiv Castrop-Rauxel

[20] Heiratsregister Castrop-Rauxel 2 / 1906.

[21] Geburtsregister Castrop-Rauxel 870 / 1908.

[22] HHStAW 685 403 a (47).

[23] Ebd. (62). Ende des Jahres wurde dem Gesuch stattgegeben, möglicherweise waren inzwischen weitere Steuern angefallen, allerdings waren 6 % Zinsen auf die bestehenden Forderungen aufgeschlagen worden.

[24] Ebd. (76).

[25] Ebd. (83).

[26] Scholz, Wir leben in diesem schönen, reichen Lande, S. 73 ff.

[27] Siehe Meldekarte Ernst Kleeberg, Stadtarchiv Castrop-Rauxel.

[28] HHStAW 518 42781 (63) und HHStAW 518 42784 (89).

[29] HHStAW 518 42781 (3).

[30] HHStAW 685 403 b (88, 92).

[31] Ebd. (3).

[32] HHStAW 469/33 4348 (5), auch Eintrag auf der Gestapokarteikarte für Ernst Kleeberg.

[33] HHStAW 685 403 b (97).

[34] Ebd. (103). In diesem Haus hatte früher einmal die ‚Nassauische Leinenindustrie’ des inzwischen verstorbenen Joseph Baum ihren Sitz. Die bisherige Vermieterin der Kleebergs, Martha Haymann, war die Schwägerin von Joseph Baum, ihr verstorbener Mann Dr. Alfred Haymann der Bruder von Baums Frau Alice Haymann.

[35] Die originale Berechnung der Judenvermögensabgabe liegt leider nicht mehr vor, die hier angegebenen Zahlen sind der Entschädigungsakte entnommen und beruhen auf Zahlen, die das Finanzamt Wiesbaden nach dem Krieg zur Verfügung stellte, siehe HHStAW 518 42781 (8).

[36] 1935 war dieser noch mit 45.000 RM angeben worden, siehe HHStAW 685 403 a (98),

[37] HHStAW 518 42781 (65). Laut einer Mitteilung des Finanzamts Wiesbaden im Entschädigungsverfahren nach dem Krieg waren insgesamt nur die Zahlung der Judenvermögensabgabe in der Höhe von 4.700 RM nachweisbar. Das Finanzamt betonte aber, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Gesamtforderung dennoch eingetrieben worden sei, siehe Ebd. (8, 9).

[38] HHStAW 1183-1.

[39] HHStAW 1183 2 (13.1.41).

[40] Das Ehepaar Eis konnte im August 1941 noch in die USA ausreisen.

[41] HHStAW 1183-1.

[42] Auf der Gestapokarteikarte von Ernst Kleeberg ist nur knapp „geschieden“ vermerkt.

[43] HHStAW 518 42784 (187).

[44] Ebd. (188).

[45] Heiratsregister Wiesbaden 3 / 1942.

[46] HHStAW 518 42784 (90). Frida / Frieda Schad, die jüdische Mutter von Flora, wurde noch am 10.1.1944 von Mainz zunächst nach Theresienstadt und dann von dort nach Auschwitz gebracht und ermordet. Siehe Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de963104. (Zugriff: 15.3.2022).

[47] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010101/0684/1228777/001.jpg. (Zugriff: 15.3.2022). In einer anderen Liste des Archivs ist sein Heimatort aber auch mit Wiesbaden angegeben, siehe https://collections-server.arolsen-archives.org/G/wartime/02010101/0692/1221216/001.jpg. (Zugriff: 15.3.2022).

[48] Zu den damaligen Transporten und ihrer Vorbereitung siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 137 -182. wo auch Faksimiles der wesentlichen Dokumente abgedruckt sind. Zum Transport vom 25. März siehe ebd. S. 186 f., auch https://www.gedenkstaettenforum.de/nc/gedenkstaettenrundbrief/rundbrief/news/die_darstellung_der_deportation_in_zeugnissen_deutscher_juedinnen_und_juden/. (Zugriff: 15.3.2022).

[49] Stadtarchiv Wiesbaden, Wi2 2225. Sie trägt die euphemistische Bezeichnung „Wanderungsbewegung der Juden in der Stadt Wiesbaden vom 1. Januar 1934 an“. Auf der Seite 1 beginnt die Zählung aber erst mit dem 1.1.1942.

[50] Laut Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 163 waren die jeweiligen Stapo-Stellen jeweils sechs Tage vor einem anstehenden Transport unterrichtet worden.

[51] HHStAW 518 42784 (90).

[52] Siehe unbekannte Liste X1.

[53] HHStAW 469/33 4348 (29).

[54] Ebd. (20).

[55] Dass der angeheiratete Verwandte von Lovensberg, der von den Nachkommen zunächst mit der Wahrnehmung der Erbrechte betraut worden war, auf diese Lösung gedrungen hatte, mag auch damit zusammenhängen, dass er wegen seiner eigenen Interessen, eine solche schnelle Lösung favorisierte.

[56] Zu Sophie Cahen und ihrer Tochter Hilde Bachmann hat das Aktive Museum Spiegelgasse ein Erinnerungsblatt veröffentlicht, siehe https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Cahen-Sophie_Bachmann-Hilde.pdf. (Zugriff: 15.3.2022).

[57] Sterberegister Wiesbaden 1914 / 1940.

[58] Zur Geschichte der Juden in Preußisch Oldendorf siehe das Standardwerk von Besserer, Jüdisches Leben in der Stadt Preußisch Oldendorf, Preußisch Oldendorf 2014. Auf die Familie Cahen ist in dem Buch durchgängig eingegangen. Die hier relevante Zeit und der entsprechende Personenkreis werden im Besonderen auf den Seiten 226-236 behandelt. Die jeweiligen Lebensdaten sind dem Stammbaum auf S. 84 f. entnommen.

[59] Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. 45. 1842 lebten dort nur 12 jüdische Familien mit 54 Mitgliedern, ebd. S. 60.

[60] Heinemann Cahen verstarb am 9.1.1887 im Alter von 84 Jahren, seine Frau Henriette am 6.4.1868, ebd. S. 288.

[61] Wilhelm Cahen starb am 24.5.1913 in Preußisch Oldendorf kurz vor Erreichen des 88sten Lebensjahrs. Auf seinem Grabstein ist zu lesen:
›Ein lauterer und aufrechter Mann‹,
›er wandelte in Lauterkeit und wirkte Wohl‹,
gottesfürchtig all seine Tage,
›ein Gerechter, der in seinem Glauben lebte,‹,
Herr Seew, Sohn des Chajim Cahen,
gestorben ›in gutem Greisenalter‹ am 17.
Tag des Ijar 673 der kleinen Zählung
seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.“

Johanna Cahen starb am 7.4.1900. Auf ihrem Grabstein in Preußisch Oldendorf ist zu lesen:
Hier ist begraben
‎‏›die tüchtige Gattin‹, aufrecht in all ihren Taten,
Wohltat erwies sie all ihre Tage
es ist Frau Channa, Tochter des Herrn Natan,
Gattin des Seew Cahen,
gestorben am Tag 7, 8. Nissan,
und begraben 11. Nissan 660 der kleinen Zählung.
Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens
Siehe http://www.steinheim-institut.de/daten/pro_all.html. (Zugriff: 15.3.2022).

[62] Max, geboren am 17.10.1862 verstarb am 25.5.1864, Hermann, geboren am 22.12.1870 wurde zwölf Jahre, Ida geboren am 26.2.1872 wurde zehn Jahre alt, ebd.

[63] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11508180&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022). Auch https://rp-online.de/nrw/staedte/grevenbroich/das-letzte-foto-einer-juedischen-familie_aid-20809457. (Zugriff: 15.3.2022).

[64] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11498510&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022).

[65] Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. 232.

[66] Geburtsregister Preußisch Oldendorf 86 / 1897.

[67] HHStAW 518 37940 (23). Der laut Stadtarchiv Preußisch Oldendorf im Geburtseintrag festgelegte Vorname Grethe wurde in den späteren Akten i. A. auf Grete verkürzt.

[68] HHStAW 518 10032 (3).

[69] HHStAW 685 108 a (1, 7, 20).

[70] Ebd. (4).

[71] Ebd. (49).

[72] Ebd. (57, 71).

[73] Ebd. (60).

[74] Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. S. 85.

[75] HHStAW 685 108 a (61).

[76] Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. S. 234.

[77] Ebd.

[78] HHStAW 518 10032 (9, 11).

[79] HHStAW 108 a (82, 83, 84). Bei Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. 235, ist fälschlicherweise als erste Wiesbadener Adresse die Saalgasse 52 statt Saalgasse 30 angegeben.

[80] Paula Fried war laut Jüdischem Adressbuch von 1935 eine „getaufte Volljüdin“. Beide gehören nicht zu den Opfern des Holocaust.

[81] Heiratsregister Preußisch Oldendorf 1 / 1921.

[82] Geburtsregister Warburg 103 / 1921.

[83] Heiratsregister Preußisch Oldendorf 1 / 1921.

[84] HHStAW 469/33 4535 (o.P.). Siehe unten, wo die Briefe in vollem Umfang wiedergegeben sind.

[85] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6225-0639?treeid=&personid=&hintid=&queryId=1704af729d8343ae33cb75f550f42845&usePUB=true&_phsrc=Ekt5224&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=21077794. (Zugriff: 15.3.2022).

[86] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/89893435:2442. (Zugriff: 15.3.2022).

[87] HHStAW 519/3 2385 (5). Vermutlich hatte sich das Paar demnach 1936 getrennt.

[88] Zit. nach Besserer, Juden in Preußisch Oldendorf, S. 75.

[89] Nach dem Krieg stellten die Nachkommen Kleebergs Rückerstattungsansprüche. Die Spar- und Darlehnskasse zahlte im Januar 1953 die Vergleichssumme von 35.000 DM, womit alle Ansprüche abgegolten wurden. Siehe HHStAW 518 10031 (3).

[90] HHStAW 685 109 a (11).

[91] Ebd. (3).

[92] HHStAW 685 109 a (15). 500 RM sollten ihr als Freibetrag zur Verfügung stehen.

[93] Ebd. (15 – andere Paginierung).

[94] HHStAW 685 109 a (17).

[95] Ebd. (16).

[96] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0957/52633684/001.jpg. (Zugriff: 15.3.2022).

[97] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429044-00196?pId=99803. (Zugriff: 15.3.2022).

[98] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/3998/images/005197757_01298?pId=4065068. (Zugriff: 15.3.2022).

[99] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2118/images/B019916-00116?pId=392721. (Zugriff: 15.3.2022).

[100] HHStAW 685 34 Vermögensteuer (o.P.). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde erteilt.

[101] Sterberegister Wiesbaden 1914 / 1940.

[102] HHStAW 518 10032 (18) und HHStAW 518 37940 (29).

[103] HHStAW 518 37940 (15) und HHStAW 519/3 2385 (8).

[104] HHStAW 519/3 2385 (19). Der Verkauf wurde gestattet.

[105] HHStAW 685 34 Vermögensteuer (2).

[106] Dass die Briefe von der Zensur geöffnet wurden, ist dem Aufkleber auf dem Umschlag zu entnehmen. Auf eine Korrektur von sprachlichen Fehlern wurde verzichtet

[107] Wer der genannte Klaus ist, ist nicht bekannt. Vermutlich handelt es sich um Mariannes damaligen Freund, aber das ist ungewiss. Wie sich aus dem Brief ergibt, müssen dessen Eltern aber damals auch in Wiesbaden gewohnt haben.

[108] HHStAW 519/3 2385 (19). Auf ihrer Gestapokarteikarte ist allerdings erst der 13. Mai als Umzugstag eingetragen.

[109] Ihr Todestag wurde nach dem Verschollenengesetz am 30. Juli 1958 auf den 31.12.1945 festgesetzt, siehe HHStAW 469/33 4535 (24). Als falsch erwies sich der zunächst im Todeserklärungsverfahren geäußerte Vermutung ihrer Tochter Marianne Bachmann, ihre Mutter sei bei einem Auflauf vor dem Bahnhof in Wiesbaden erschossen worden. Siehe ebd. (1).

[110] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/28819502/person/242157434709/facts?_phsrc=Ekt5229&_phstart=successSource. (Zugriff: 15.3.2022).

[111] Zum Schicksal der Familie siehe im Besonderen http://www.geschichtsfreunde-rheindahlen.de/Personen/Juden/Gr%C3%BCnewald.pdf und https://spurenimvest.de/2021/02/07/kleeberg-caecilie/. (Zugriff: 15.3.2022).

[112] Heiratsregister Castrop 76 / 1893.

[113] https://spurenimvest.de/2021/02/07/kleeberg-caecilie/. (Zugriff: 15.3.2022).

[114] HHStAW, 518 42784 (105).

[115] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/3998/images/005197748_01832?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=4029491. (Zugriff: 15.3.2022).

[116] Geburtsregister Gustorf 9 / 1887. Seine Großeltern waren Abraham Kaufmann, geboren 1793 in Gustorf und Cunigunde Schoenfeld, geboren 1798 im benachbarten Frimmersdorf. Information des Stadtarchivs Grevenbroich, siehe auch http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&tid=&sub=PublicAll&det=491299&eworec=0&bar=0&ssm=&sid=9fadfef23809dab8805258095e5e08a8&rid=&mod=&findlist=&lis=&tm=1648019725175. (Zugriff: 15.3.2022). Die Tochter von Caecilies Schwester Helene, Grete Herz, war mit Max Kaufmann verheiratet, der ebenfalls dieser Grevenbroicher Familie entstammte, wenngleich die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen noch nicht geklärt werden konnten.

[117] Zum Transport siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 302 f.

[118] http://www.geschichtsfreunde-rheindahlen.de/Personen/Juden/Juden_in_Rheindahlen.pdf. (Zugriff: 15.3.2022).

[119] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/13222-c-cilie-gr-newald/. (Zugriff: 15.3.2022).

[120] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/3998/images/005197748_01832?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=4029491. (Zugriff: 15.3.2022).

[121] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1017467:7949?tid=&pid=&queryId=f4b6acb418b4553dc5959e54c16c9580&_phsrc=ij1-1726732&_phstart=successSource. (Zugriff: 15.3.2022).

[122] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1017468:7949. (Zugriff: 15.3.2022).

[123] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1017448:7949?tid=&pid=&queryId=311dcde01b198d2b7c1aa2ad299e7b1e&_phsrc=Ekt5258&_phstart=successSource. (Zugriff: 15.3.2022).

[124] http://viewer.yadvashem.org/viewer/remote/207.232.26.150/documentation2/5/9807190_03270132/00055.JPG?width=700. (Zugriff: 15.3.2022).

[125] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3816158:5180. (Zugriff: 15.3.2022).

[126] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3816214:5180. (Zugriff: 15.3.2022).

[127] https://de.findagrave.com/memorial/15064537/inge-frankenstein. (Zugriff: 15.3.2022). Aus den Informationen zu dieser Bestattung kann man auf der Seite erfahren, dass sie mit ihrem Ehemann 28 Jahre lang eine Bäckerei in der Stadt betrieben hatte, sich außerdem in zwei Krankenhäusern ehrenamtlich engagiert hatte. Sie war die Mutter von Susan und von der bereits verstorbenen Ruth und die Großmutter von Kim, Megan, Michael und Melissa sowie die Urgroßmutter von Gabriel.

[128] https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130299161?s=C%C3%A4cilie%20Vyth&t=532846&p=1. (Zugriff: 15.3.2022). In einer ‚Page of Testimony’ sind ihre Eltern mit Oskar Moshea und Lilly Vyth, geborene Bachrach / Bacharach angeben, aber eine amtlich Bestätigung für diese Angabe konnte nicht gefunden werden, siehe https://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM///28031712_460_6114/64.jpg. (Zugriff: 15.3.2022). Demnach wäre auch ihr Vater ermordet worden, siehe https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=1486579&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022). In Kalkar gab es sehr viele Familien mit dem Namen Vyth, von denen viele nach Holland emigriert waren und von denen es einigen gelungen war, zu überleben. Auch in Mainz bzw. dann auch in Wiesbaden gab es Ableger dieser Familie. Auch Hugo Vyth, dessen Frau Suse Sara, geborene Isaacson, die nach seinem Tod wie Kleebergs Bewohnerin des Judenhauses Bahnhofstr. 46 war, gehörte zu diesem großen Familienverband. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sie und die Familie Kleeberg über diese allerdings sehr weitläufige familiäre Verbindung gemeinsam zu Bewohnern dort geworden waren.

[129] Liselotte war am 31.3.1929 und Anita Maria am 15.12.1931 geboren worden. Geburtsangaben nach Yad Vashem.

[130] Siehe zu Erich Grünewalds Inhaftierung die Dokumente im Arolsen-Archiv https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/3767069?s=Erich%20Gr%C3%BCnewald&t=1568&p=1
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4089449?s=Erich%20Gr%C3%BCnewald&t=1730&p=1
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01013801/0027/118582672/001.jpg
https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01020402/aa/cw/ea/001.jpg
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01013502/0005/113958955/001.jpg (Zugriff: 15.3.2022).

[131] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01013502/0005/113958955/001.jpg. Wenngleich die genannte Todesursache wenig überzeugend erscheint, so konnte andererseits auch für die Vermutung, Erich Grünewald habe bereits auf der Flucht nach Holland Selbstmord begangen, siehe http://www.geschichtsfreunde-rheindahlen.de/Personen/Juden/Gr%C3%BCnewald.pdf, (Zugriff: 15.3.2022), keine plausiblen Argumente gefunden werden. Dass er in Ravensbrück ums Leben kam, scheint evident. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass die Einlieferung auf die Krankenstation in Oranienburg Folge eines gescheiterten Selbstmordversuchs war.

[132] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11511694&ind=1, https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11510818&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11511677&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022).

[133] Zur Familie Gumprich siehe http://stolpersteine-steinfurt.de/dokumentationen/dokumentation-borghorst/3/. (Zugriff: 15.3.2022). Die hier vorgetragenen Daten und Ereignisse zu ihrem Schicksal beruhen, sofern nicht anders vermerkt, auf den Recherchen der Steinfurter Stolperstein-Gruppe.

[134] http://stolpersteine-steinfurt.de/dokumentationen/dokumentation-borghorst/2/. (Zugriff: 15.3.2022).

[135] HHStAW 518 42781 (26).

[136] HHStAW 518 42781 (10). In diesem Dokument ist das Todesjahr der Mutter fälschlicherweise mit 1945 angegeben.

[137] Zu diesem Familienzweig siehe ausführlich http://www.juedischer-friedhof-muenster.de/datenbankseite/?id=156#. (Zugriff: 15.3.2022).

[138] Rudolf wurde 1923, Ruth-Emma 1925, Sonja-Emma 1928 und die Zwillinge 1940 geboren. Von Letzteren verstarb Dan etwa sieben Wochen nach der Geburt.

[139] Münstersche Zeitung vom 13.3.2019.

[140] Siehe ebd., dazu http://www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/drensteinfurt/forschung-und-projekte.html und https://www.wn.de/muensterland/kreis-warendorf/drensteinfurt/flucht-nach-uruguay-2066977. (Zugriff: 15.3.2022).

[141] Um das Interview, das im Internet unter https://vha-1usc-1edu-1vd5a2vxm00b1.proxy.fid-lizenzen.de/viewingPage?testimonyID=44397&returnIndex=0 eingestellt ist, (Zugriff: 15.3.2022), hören zu können, bedarf es einer gesonderten Lizenz. Die folgenden Darlegungen, auch die Daten, beruhen im Wesentlichen auf den Angaben in diesem Interview.

[142] https://vha-1usc-1edu-1vd5a2vxm00b1.proxy.fid-lizenzen.de/viewingPage?testimonyID=44397&returnIndex=0. (Zugriff: 15.3.2022).

[143] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1226953. (Zugriff: 15.3.2022). Laut Todesnachricht soll er einem Herzanfall zum Opfer gefallen sein, dass er erschlagen wurde, berichteten andere Inhaftierte nach ihrer Freilassung Erna Simon. Ein Bruder von Leopold war bereits zuvor von betrunkenen Nazis erschlagen worden.

[144] https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&advancedSearch=true&ln_value=Simon&ln_type=synonyms&fn_value=Erna&fn_type=synonyms&mn_value=Gumprich&mn_type=synonyms&cluster=true. (Zugriff: 15.3.2022).

[145] Zu seinem Schicksal siehe http://stolpersteine-steinfurt.de/dokumentationen/dokumentation-borghorst/3/. (Zugriff: 15.3.2022). Dazu https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11512586&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=3182217&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022). Beim letzten Eintrag ist allerdings ein falsches Geburtsjahr angegeben, statt 1896 dort 1885.

[146] Umfassend hat Hubert Rütten das Schicksal der Juden im ehemaligen Landkreis Erkelenz aufgearbeitet und dabei auch das der Familien Strauß un Herz dargestellt. Viele der hier dargelegten Information verdanke ich seiner Veröffentlichung: Rütten, Lebensspuren – Spurensuche, 2008, S. 161-187 und S. 217-221. Die Angaben wurden auch aufgenommen in http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&sub=PublicAll&bar=0&rlg=&eworec=0&sid=00978e1e378989292bd311c7bfac6fb8&rid=68d5ab99be6307d8cea2358422e06bc2&print=&mod=0&winfo=&showAB=&findlist=&res=1920&tm=1647340798359&det=179194#0. (Zugriff: 15.3.2022).

[147] Laut GENI, siehe https://www.geni.com/people/Gertrud-Strau%C3%9F/6000000066451636851?through=6000000066450971821. (Zugriff: 15.3.2022).

[148] Rütten, Lebensspuren, S. 161-168.

[149] http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&tid=&sub=PublicAll&det=143311&eworec=0&bar=0&ssm=&sid=4d87347da10edae9264f64872e6cfa8e&rid=&mod=&findlist=&lis=&tm=1647429622791. (Zugriff: 15.3.2022). Siehe hier auch die Angaben, auf die in der folgenden Darstellung zurückgegriffen wird.

[150]

[151] Die beiden Familien Kleeberg und Kaufmann waren vermutlich schon zuvor in eine verwandtschaftliche Verbindung getreten, denn Margaretes Cousine Karola Grünewald hatte 1923 Gustav Kaufmann, aus Gustorf / Grevenbroich gebürtig, geheiratet. Allerdings konnten die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen bisher nicht geklärt werden, da es sich bei der dortigen Familie Kaufmann um einen sehr großen und weit verzweigten Familienverband handelt. Der Max Kaufmann, den Margarete Herz heiratete, war am 20.9.1908 als Sohn von Joseph und Elka Kaufmann, geborene Frankenthaler, zur Welt gekommen. Siehe Geburtsregister Gindorf 17 / 1908.

[152] http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=erk-25&lang=de. (Zugriff: 15.3.2022). Wie ihre Mutter hatte auch sie eine katholische Schule, sogar eine Höhere Töchterschule, besucht, die von Nonnen geleitet wurde.

[153] Es handelte sich um den Prokuristen einer Mönchengladbacher Textilfirma, der diese Funktion bei einer ganzen Reihe weiterer Kinder ausübte.

[154] Emil Vasen soll laut Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz am 27.3.1905 geboren worden sein.
Eine gewisse Unklarheit besteht im Hinblick auf den Vornamen des Ehemanns. Bei Rütten, Lebensspuren – Spurensuche, S. 164 ist der Name mit Emil Vasen angegeben, in den Entschädigungsakte des HHStAW 518 42781 (6) ist dagegen von Margarete, geborene Herz, Witwe Philipp Vasen“ die Rede. Es ist aber von größter Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die identische Person handelt, die entweder zwei Vornamen hatte oder aber in einer der Quellen versehentlich ein falscher Vorname angegeben wurde.

[155] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11648411&ind=1. (Zugriff: 15.3.2022). Rütten nennt als Zielort der Deportation von Emil Vasen das Ghetto Lodz / Litzmannstadt, allerdings mit einem Fragezeichen versehen. Siehe Rütten, Lebensspuren – Spurensuche, S.

[156] https://www.geschichtswerkstatt-dueren.de/dokumentation/juedisches-leben/a-z/94-die-gerstenmuehle.

[157] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Buth (Zugriff: 15.3.2022) und auch die Arbeit eines Kurses des ‚Heilig-Geist-Gymnasiums’ von Würselen, die sich intensiv mit diesem Haus und seinen Insassen beschäftigt haben, https://www.hgg-broich.de/faecher/gesellschaftswissenschaften/geschichte/projektkurs-villa-buth/. (Zugriff: 15.3.2022).

[158] Rütten, Lebensspuren – Spurensuche, S. 166. Er erwähnt auch, dass in Düren es weitere Familien gab, die bereit waren, das Kind bei sich aufzunehmen.

[159] Wie sehr Rosa und Heinrich Lieck sich für das Kind einsetzten, zeigt eine kleine Episode, die Rütten wiedergibt: „Bei einem Bombenangriff wurde das Wohnhaus der Familie Lieck in Brand gesetzt, die drei retteten sich auf die Straße. Hier bemerkte Friederike, dass ihre zwei Puppen noch im Haus waren. Herr Lieck lief daraufhin in das brennende Haus, wo er die Puppe von Anita Lichtenstein retten konnte.“ Ebd. Diese Puppe hatte eine besondere Bedeutung für Friederike, weil sie ihr von ihrer jüdischen Freundin geschenkt worden war, bevor diese mit ihren Eltern deportiert und in Majdanek ermordet wurde.

[160] Die Karte, in der die Mutter auf Informationen aus dem Alltagsleben ihrer Tochter reagiert, belegt, dass der Kontakt wechselseitig funktionierte. Die Karte ist abgedruckt bei Rütten, Lebensspuren – Spurensuche, S. 167,

[161] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 302 f.

[162] http://www.steinheim-institut.de/daten/picserk/xl/0025_erk_2011_jmn.png. (Zugriff: 15.3.2022).

[163] HHStAW 518 42781 (51, 62).

[164] Zur Familie Elkan siehe Heiligenpahl, Juden in Brünen, S. 130 f.

[165] Es waren drei Geschwister Wertheim, die den Kern der jüdischen Gemeinde in Brünen bildeten, Johanne wird von Heiligenpahl als die Mutter der Elkan-Linie bezeichnet, ihre Schwester Jette die der Plaat-Linie und Isaak als Stammvater der dortigen Wertheims. Siehe ebd. S. 124.

[166] Ein Bruder von Joseph war Levi Elkan, verheiratet mit Henriette Leeser. Deren Sohn Julius, ein Arzt mit einer Praxis in München war mit der Wiesbadener Nelly Hirsch verheiratet, Tochter von Heinrich Hirsch Hirsch und seiner Frau Amalie Louise, geborene Ballin. Die beiden waren Eigentümer der Villa Blumenstr. 7 in Wiesbaden, ein Haus, das später zu einem der dortigen Judenhäuser gemacht wurde. Heinrich Hirsch war bereits 1937 verstorben, seine Frau wurde am 1.9.1942 deportiert und kam in Theresienstadt ums Leben. Den vier Kindern des Paares gelang die rechtzeitige Flucht, sodass alle den Holocaust überlebten, auch Nellys Mann Julius Elkan. Siehe ausführlich zur Familie Hirsch oben.

[167] Informationen des Stadtarchivs Wesel.

[168] Geburtsregister Wesel 430 / 1904 und 63 / 1907.

[169] Informationen des Stadtarchivs Wesel. Möglicherweise war er woanders geboren worden oder aber nach 1911. Die Melderegister nach 1911 wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.

[170] HHStAW 519/3 12409 (1)

[171] HHStAW 519/3 12409.

[172] Ebd. (1 f.).

[173] Informationen des Stadtarchivs Wesel.

[174] https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=12999113. (Zugriff: 15.3.2022).

[175] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11492705&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4234455&ind=1. Zugriff: 15.3.2022). In Kalkar, wo die Familie lange lebte sind 4 Stolpersteine für die Ermordeten gelegt worden, siehe https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=12999113. (Zugriff: 15.3.2022). Auch die beiden Kinder Emma und Erich waren in Westerbork interniert, wurden aber erst 4 Monate später in die Todesfabrik Sobibor überführt und ermordet.

[176] http://wiki.archiv-koeln-nippes.de/index.php?title=Gummi-Plaat. (Zugriff: 15.3.2022).

[177] Zur Familie Plaat siehe Heiligenpahl, Juden in Brünen, S. 131 f.

[178] HHStAW 519/3 12409 (8).

[179] Ebd. (9).