Nathan Jacobsohn und seine Frau Clara, geborene Weiß


Lanzstr. 6 heute
Das ehemalige Judenhaus Lanzstr. 6 heute
Eigene Aufnahme
Lage Lanzstr 6
Lage des ehemaligen Judenhauses Lanzstr. 6
Belegung des Jugendhauses Lanzstr. 6

 

 

 

 

 


So wenig wie ihre Vermieter Albert und Lucia Mayer gehörte auch das Ehepaar Jacobsohn zu den alteingesessenen jüdischen Familien Wiesbadens. Wie viele andere waren sie erst nach dem Ende ihres Arbeitslebens in die Stadt gekommen, um hier ihren Lebensabend zu verbringen. Über ihr vorheriges Leben ist bisher leider nur wenig bekannt.[1]

Stammbaum der Familien Jacobsohn – Weiß – Nathansohn
GDB

Nathan Jacobsohn war am 14. März 1865 in der früheren pommerschen Kreisstadt Greifenhagen, dem heute polnischen Gryfino, wenige Kilometer südlich von Stettin gelegen, geboren worden.[2]
Zwar hatte es in der Gemeinde schon im 15. Jahrhundert vereinzelt Juden gegeben, aber erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts ließen sie sich dort dauerhaft nieder. Die Zeit, in der Nathan geboren wurde, kann man als Blütezeit des dortigen jüdischen Lebens bezeichnen, denn nie gab es dort mit etwa 200 mehr Bewohner mosaischen Glaubens als in diesen Tagen. Die meisten Familien wanderten in den folgenden Jahren in die größeren Städte ab, besonders Stettin, aber auch das weiter entfernte Berlin waren bevorzuge Städte der Abwanderer.

Womit die Eltern von Nathan, Wolf und Eveline Jacobsohn, geborene Paechter, ihren Lebensunterhalt verdienten, ist nicht bekannt, auch nicht, ob sie selbst schon in Greifenhagen oder der näheren Umgebung geboren wurden.

Vermutlich stammte Nathan aus einer eher großen Familie. Zwar ist nicht bekannt, wie viele Kinder insgesamt geboren wurden, aber die Spanne der Geburten der bekannten Kinder lässt den Schluss zu, dass zumindest auch in einigen Jahren, für die keine Geburten überliefert sind, Kinder zur Welt kamen. Der erste namentlich bekannte Spross des Ehepaars war David, geboren am 12. November 1857.[3] Die Tochter Rosa kam dann sechs Jahre später am 26. Oktober 1863 zur Welt.[4] Bei ihrer Hochzeit im Jahr 1918 war als Trauzeugin eine ledige Emma Jacobsohn zugegen. Sie war damals 66 Jahre alt, muss also etwa um 1858 geboren worden sein. Bei ihr könnte es sich um eine jüngere Schwester von David und eine ältere Schwester von Rosa handeln, aber dafür liegt bisher kein amtlicher Beleg vor. Nach Rosa gibt es eine geschlossene Folge von drei weiteren Kindern, von denen Nathan das erste war. Nach ihm wurde der Bruder Max am 26. November 1866 [5] und ein weiterer Bruder Gustav am 29. Juli 1868 geboren.[6] Eine Schwester namens Martha hat dann noch 1872 das Licht der Welt erblickt.[7]

Die Eltern müssen wohl recht begütert gewesen sein, sonst wäre es nicht möglich gewesen, dass ihr Sohn Nathan die höhere Schule und sogar ein Studium hätte absolvieren können. Anlässlich einer reichsweiten Tagung der Philologenversammlung im Jahr 1881 in Stettin, brachte das dortige Stadtgymnasium eine Festschrift heraus, in der auch die gesamte damalige Schülerschaft namentlich aufgeführt ist. Als Schüler der Klasse „Unter-Secunda 2“ ist auch ein Nathan Jacobsohn gelistet,[8] mit großer Wahrscheinlichkeit identisch mit dem späteren Bürger Wiesbadens, denn der hatte im Jahr der Stettiner Philologenversammlung gerade das 16te Lebensjahr erreicht. Die Eltern waren aber selbst nicht in das nahe Zentrum verzogen, sondern in Greifenhagen geblieben. In der Heiratsurkunde ihrer Tochter Rosa aus dem Jahre 1918 heißt es, dass die Eltern inzwischen dort verstorben seien.[9] Da man aber kaum annehmen kann, dass der Sohn den etwa 25 Kilometer langen Weg nach Stettin täglich zwei Mal bewältigten konnte, wird er vermutlich in der Stadt, vielleicht bei Verwandten, untergebracht worden sein und nur die Wochenenden und Ferien in seiner Heimatstadt verbracht haben.

Wo Nathan Jacobsohn sein Jurastudium absolvierte und abschloss, konnte bisher nicht ermittelt werden. Aber möglicherweise hatte er in dieser Zeit seine zukünftige Ehefrau Clara Weiß kennen gelernt. Am 21. Oktober 1901 wurde in der Heimatstadt der Braut, in Halle an der Saale, die Ehe geschlossen.[10] Zu dieser Zeit hatte er sein Studium schon abgeschlossen und lebte als Rechtsanwalt in Stettin.

Heiratseintrag von Nathan und Clara Jacobsohn,
Heiratseintrag von Nathan und Clara Jacobsohn, geb. Weiß, in Halle / Saale

Seine 15 Jahre jüngere Frau entstammte ebenfalls einem jüdischen Elternhaus. Sie war am 12. Oktober 1880 als Tochter des Kaufmanns Salomon Weiß und seiner Ehefrau Fanny in Halle an der Saale zur Welt gekommen.[11] Fanny, ebenfalls geborene Weiß, war die aus Sulmierzyce bei Posen stammende Cousine von Salomon Weiß.[12] Neben dem Brautvater war auch Claras Onkel, der 43jährige Kaufmann Hermann Weiß, als Trauzeuge bei der Zeremonie anwesend.[13]

Kaufhaus Weiß Halle
Der Markplatz in Halle um 1900 mit dem damals im Bau oder Umbau befindlichen Kaufhaus der Familie Weiß

Die Familie Weiß besaß im Zentrum von Halle Am Markt 3 ein bedeutendes Textilwarengeschäft. In dem Haus hatten sie früher auch ihre Wohnung eingerichtet und dort waren auch die insgesamt fünf Kinder geboren worden. Theodor, der älteste, war am 4. Juni 1876 zur Welt gekommen.[14] Ihm folgte am 6. Oktober 1877 die Schwester Elsbeth Johanna.[15] Der Bruder Leo, geboren am 1. September 1878, fiel am 6. November 1914 im Ersten Weltkrieg in Polen.[16] Nach Clara folgte mit Hedwig, geboren am 11. September 1883, noch ein weiteres Mädchen.[17]

 

 

 

 


Fassade und Innenhof des arisierten Kaufhauses Weiß in Halle um das Jahr 1940

Mit Genehmigung des Stadtarchis Halle

Das ehemalige Kaufhaus Weiß heute

1908 wurde das Geschäft in ein neues, im damals modernen Jugendstil errichtetes Gebäude verlegt, das nicht minder günstig in der Leipziger Str. 105/106 unmittelbar neben dem Rathaus gelegen war und heute zu den Kulturdenkmälern der Stadt gehört.[18] Spezialisiert war es auf Herrenmodeartikel, hatte aber auch als das größte Fachgeschäft für Knabenartikel in ganz Preußen einen besonderen Ruf.[19] Das Unternehmen war als O.H.G organisiert. Gesellschafter waren ursprünglich die beiden Brüder Hermann und Salomon Weiß, später dann auch manche ihrer jeweiligen Kinder. Die Immobilie selbst gehörte nach dem Tod von Salomon Weiß einer Erbengemeinschaft, die testamentarisch verpflichtet war, das Gebäude der O.H.G. zu vermieten. Auch wenn über die damaligen Umsätze keine Informationen vorliegen, so kann man sicher allein aus der Lage und dem Ruf des Geschäfts schließen, dass die Familie Weiß zum angesehen Kreis der Haller Geschäftswelt zählte.[20]

Adressbuch Stettin 1915

Nach der Eheschließung nahmen Nathan und Clara Jacobsohn ihren Wohnsitz in Stettin, wo am 12. November 1902 ihr einziges Kind, der Sohn Kurt, geboren wurde.[21] Die Familie hatte damals noch in der Kaiser-Wilhelm-Str. 98 gewohnt, muss aber bald danach zunächst in die die Friedrich-Karl-Str. 3, dann ab 1912 in der gleichen Straße in das Haus mit der Nummer 42 umgezogen sein.[22] Dort blieb sie auch die folgenden Jahre bis zu ihrem Umzug nach Wiesbaden wohnen.[23]

Kanzlei Jacobsohn
Briefkopf der Kanzlei von Nathan Jacobsohn in Stettin aus dem Jahr 1922
HHStAW 685 330a (14)

Die Kanzlei von Nathan Jacobsohn, der sowohl am Amts- wie auch am Landgericht zugelassen und dem 1912 der Titel eines Justizrats verliehen worden war, lag am Heumarkt 4 im zweiten Stock. Erst im Jahr 1926 ist als Adresse des Büros, das seit 1921 auch als Notariat fungierte, die Augustastr. 15 angegeben.[24]

Heumarkt Stettin
Der Heumarkt in Stettin heute mit dem Haus, in dem die Kanzlei angesiedelt war.

Mit den Einnahmen aus seiner Rechtsanwaltspraxis, die in den zwanziger Jahren zwischen 60.000 RM und 80.000 RM lagen,[25] gehörten Jacobsohns ganz sicher zu den eher wohlhabenden Bürgern der alten Hansestadt. Auch die Ehefrau trug zum gemeinsamen Einkommen bei. Zwar war sie nicht Gesellschafterin der O.H.G., war damit auch nicht am Gewinn des Unternehmens beteiligt, aber sie gehörte nach dem Tod des Vaters am 28. Oktober 1920 [26]zur Erbengemeinschaft, die die Immobilie an die O.H.G. vermietete. So konnte sie z. Bsp. im Jahr 1927 6.000 RM als Mieteinnahme verbuchen.[27] Im Oktober 1928 schied sie dann allerdings aus der Erbengemeinschaft aus, woraus ihr Forderungen an die übrigen Mitglieder über einen Betrag von 200.000 RM erwuchsen. Sie verzichtete jedoch bis Ende 1939 bei einer Verzinsung von 8 % auf die Auszahlung dieser Summe, es sei denn, das Geschäftshaus samt Grundstück würde vorher verkauft werden.[28] In diesem Fall hätte sie Anspruch auf diese Summe.

Nathan Jacobsohn bezieht auch nach seinem Umzug nach Wiesbaden noch Einkommen aus der Stettiner Kanzlei
HHStAW 685 330a (157)

Wie man einem Schreiben des Finanzamts Stettin an die Kollegen in Wiesbaden vom 12. Oktober 1929 entnehmen kann, war das Paar im Herbst 1929 nach Wiesbaden verzogen.[29] Nathan Jacobsohn war knapp 65 Jahre alt und glaubte vermutlich in der Kurstadt trotz der drohenden Wirtschaftskrise noch einen einigermaßen ruhigen Lebensabend verbringen zu können. Seiner beruflichen Tätigkeit ging er hier nicht mehr nach, wie er dem Finanzamt Wiesbaden am 11. Februar 1930 ausdrücklich mitteilte. Das war auch die Begründung für seine Bitte, ihm die Einkommensteuervorauszahlung herabzusetzen.[30] Allerdings erhielt er noch nicht unbeträchtliche Summen aus seiner früheren Tätigkeit in Stettin. Vertraglich war wohl festgelegt worden, dass ihm, der sicher das Renommee der Kanzlei wesentlich geprägt hatte, auch weiterhin Anteile an deren Einnahmen zustehen würden. So erhielt er zwischen 1929 und 1931 jeweils Beträge zwischen 10.000 RM und 20.000 RM.[31]

Aber nicht nur das Einkommen, sondern auch das Vermögen des Paares war beträchtlich.
Vor dem Krieg hatte er das gemeinsame Vermögen beim Finanzamt mit rund 400.000 RM angegeben.[32] In den ersten Nachkriegsjahren waren die Werte ganz sicher zunächst inflationär aufgebläht und wenig aussagekräftig, aber 1927 bezifferte Nathan Jacobsohn des Vermögen des Paares auf immerhin 230.00 RM und im folgenden Jahr sogar auf fast 350.000 RM.[33]
Angesichts solcher finanzieller Ressourcen ist es nur zu verständlich, dass die beiden sich als Ruhesitz in Wiesbaden ein Haus in bester Lage ausgesuchten. Am 7. Juni 1930 wurde die repräsentative Villa im Nerotal 11a, die 1935 einen Einheitswert von 20.800 RM besaß,[34] im Grundbuch auf den Namen von Clara Jacobsohn eingetragen.[35] In den Wiesbadener Adressbüchern findet man das Paar ab 1930 als alleinige Bewohner des Hauses. Im Jüdischen Adressbuch von 1935 ist eigenartigerweise nur Nathan Jacobsohn, nicht aber seine Frau als Bewohnerin der Villa, nicht einmal als Bewohnerin der Stadt, eingetragen, obwohl ja sie sogar allein die formale Eigentümerin war.

Nur wenige Jahre konnten die beiden ihre Villa und das schönen Ambiente im Nerotal genießen. Nach sechs Jahren wurde es wieder veräußert. Zwar gibt es keine konkreten Informationen darüber, wie sie seit 1933 durch die veränderten politischen Verhältnisse in Mitleidenschaft gezogen wurden, auch nicht darüber, ob sie planten, Deutschland zu verlassen.

Geburtseintrag für Kurt Jacobsohn aus Stettin

Ihr Sohn, der nicht mit nach Wiesbaden gezogen war, blieb nach seinem Studium und der Promotion – er belegte die außergewöhnliche Fächerkombination Chemie und Jura – in Berlin. [36] Auf der Basis seiner Doppelqualifikation ließ er sich dort als Patentanwalt nieder – zumindest war das die Absicht. Bei einem Dr. Warschauer, ebenfalls Patentanwalt, hatte er gerade seinen Vorbereitungsdienst begonnen,[37] als ihm mit der Machtübernahme der Nazis seine anwaltliche Tätigkeit untersagt wurde. Seit dem 1. April 1933 war er somit ohne eigenes Einkommen. Er muss sich dann sehr bald in die französische Hauptstadt Paris begeben haben, wohl schon mit der Absicht, von dort aus weiter nach Palästina zu auszuwandern.[38] Von Paris aus beantragte er im September beim Finanzamt Wilmersdorf eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, die nach längeren Querelen um eine angebliche läppische Steuerschuld aus dem Jahr 1932 dann auch erteilt wurde.[39] Im März 1935 gab der Vater dann im Namen seines Sohnes, der inzwischen in Haifa lebte, eine Steuererklärung für das Jahr 1934 ab.[40] Über sein weiteres Leben dort ist nur wenig bekannt, abgesehen davon, dass er seine erworbenen juristischen Qualifikationen dort offenbar kaum einbringen konnte. Zum einen hatte er diese in Deutschland wegen des erzwungenen Abbruchs des Referendariats nicht abschließen können, zum anderen war es auch für andere emigrierte Anwälte auf Grund des meist anderen Rechtssystems fast unmöglich eine entsprechende Anstellung zu finden. Im Rahmen seines Entschädigungsverfahrens gab er an, dass er in Israel als Chemiker angestellt sei. Seit Februar 1935 war er –so ist seinen Steuerakten zu entnehmen – verheiratet. Wer die Partnerin war, ist den Unterlagen nicht zu entnehmen, aber die Ehe müsste in Palästina geschlossen worden sein. [41]

Das Haus des Ehepaars Jacobsohn im Nerotal 11aEigene Aufnahme
Das Haus des Ehepaars Jacobsohn im Nerotal 11a
Eigene Aufnahme

Vielleicht hatten gerade auch die Probleme des Sohnes in Palästina die Eltern dazu bewogen, in Deutschland auszuharren und auf eine Verbesserung der Lage zu hoffen. Andererseits könnte die Entscheidung, das Haus im Nerotal wieder zu verkaufen, auch ein Indiz dafür sein, dass man eine Emigration zumindest in Erwägung zog, zumindest so flexibel sein wollte, um sehr schnell einen solchen Schritt gehen zu können. Im Rückerstattungsverfahren ließ der Anwalt von Kurt Jacobsohn allerdings verlauten, dass „die Verkäufer als Juden ihr Grundstück nicht mehr halten zu können glaubten und deshalb das Grundstück unter dem bestehenden Druck verkauften.“[42] Die damaligen Käufer dagegen meinten, der Vertrag sei wie jeder andere Kaufvertrag ohne irgendwelchen Druck zustande gekommen. Man habe die Wohnung eigentlich nur mieten wollen, da aber das Ehepaar Jacobsohn auf einem Kauf bestanden habe, sei es überhaupt erst zum Eigentumswechsel gekommen. Am 11. Juni 1936 wurde das Haus auf den neuen Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Immerhin wurde ein relativ günstiger Verkaufspreis von 35.000 RM ausgehandelt, wovon aber nur 20.000 RM sofort gezahlt werden mussten, die Restsumme sollte erst in den folgenden Jahren beglichen werden. Sie gelangte dann aber nur noch auf ein gesichertes Konto, auf das die Inhaber keinen freien Zugriff mehr hatten.[43]

Auszug von Nathan und Clara Jacobsohn aus ihrem ehemaligen Haus im Nerotal
HHStAW 685 328a (o.P.)

Schon am 17. Dezember 1935, also schon ein halbes Jahr vor der Umschreibung, teilte Nathan Jacobsohn dem Finanzamt mit, dass sie ab dem 27. des Monats im ‚Haus Dambachtal’ Am Neuberg 4 wohnen würden.[44] In der von der Jüdin Stephanie Rabinowicz geführten Pension lebten in diesen Jahren viele eher vermögende Jüdinnen und Juden – etwa Julie Stern, der Arzt Gustav Meyer oder August Mohrenwitz, die auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft waren, nachdem sie – aus welchen Gründen auch immer – ihre bisherige Bleibe verlassen mussten.

Ludwig Baruch, Lilly Baruch, Judenhaus
Haus Sonnenberger Str. 22
Mit Genehmigung M. Sauber

Auch die nächste Station von Nathan und Clara Jacobsohn, etwa ein Jahr später, war wieder eine Pension: Ab September 1936 wohnten sie im ‚Haus Eden’ in der Sonnenberger Str. 22 im zweiten Stock.[45] Es handelte sich auch hier um eine Luxuspension, die ursprünglich 1908 als ‚Sendig’s Eden Hotel’ gegründet worden war, eine ganze Reihe von Luxusappartements und auch eine große Zahl von bestens ausgestatteten Zimmern besaß. Sogar ein eigenes Thermalbad stand den Gästen zur Verfügung. Noch fanden Juden offenbar, wenn sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügten, in dieser Phase vor 1938 in solchen Häusern noch eine Aufnahme.
Bis zum 31. Mai 1938 blieben sie dort, dann zogen sie in das Haus, in dem sie die letzten Jahre ihres Lebens in Wiesbaden verbringen sollten: in das spätere Judenhaus Lanzstr. 6, das dem jüdischen Ehepaar Mayer gehörte.[46] Um eine Zwangseinweisung handelte es sich zu diesem Zeitpunkt aber mit Sicherheit nicht. Die Konzeption einer gezielten antijüdischen Wohnungspolitik nahm erst im Herbst 1938 Gestalt an und wurde erst am 30. April des folgenden Jahres in ein Gesetz gegossen.

Jacobsohn Lanzstr. 6
Umzug des Ehepaars Jacobsohn samt Hausangestellte in das Haus Lanzstr. 6, das damals noch keine Judenhaus war
HHStAW 685 329b (59)

Welche Beweggründe das Ehepaar Jacobsohn zu dem erneuten Umzug veranlasste, ist schwer zu sagen. Sicher bot das Haus ihnen dort mehr Platz, vielleicht hatte sich aber auch das Klima in der Pension inzwischen zu Ungunsten der jüdischen Bewohner verändert. Möglicherweise spielten auch die durch die bisherige Unterbringung verursachten hohen finanziellen Belastungen eine Rolle. Entscheidend wird Letzteres aber kaum gewesen sein, denn obwohl Nathan Jacobsohn kein Arbeitseinkommen mehr bezog, gehörte das Ehepaar weiterhin zu den sehr begüterten Bürgern der Stadt.

Zollfahndung Mainz
Die Zollfahndung Mainz erlässt eine Sicherungsanordnung gegen Nathan Jacobsohn
HHStAW 519/3 3652 (1)

Ein Vierteljahr nach dem Umzug forderte die Zollfahndungsstelle Mainz von der Devisenstelle in Frankfurt, eine Sicherungsanordnung gegen das Ehepaar zu erlassen. Begründet wurde diese mit dem großen Vermögen der beiden einerseits und dem Aufenthalt des Sohnes in Palästina. Es sei damit zu rechnen, dass auch die Eltern unter Umgehung der geltenden Devisenbestimmungen Deutschland mit ihrem Kapital verlassen wollten.
Im Einzelnen führte sie die Vermögensanteile auf. Der größte Teil, rund 250.000 RM waren in Wertpapieren angelegt, weitere 200.000 RM standen als gestundete Forderung an die  Erbengemeinschaft in Halle zwar nicht unmittelbar zur Verfügung, stellten aber dennoch einen Vermögenswert dar. Eine weitere offene Forderung in der Höhe von 10.000 RM bestand noch gegen den Käufer des Hauses im Nerotal. Der Rest setzte sich aus kleineren Beträgen auf verschiedenen Konten oder weiteren Außenständen zusammen.[47]

Jacobsohn Reichsfluchtsteuer
Nathan Jacobsohn muss Wertpapiere zur Sicherung der Reichsfluchtsteuer hinterlegen
HHStAW 685 329c (9)

Obwohl es keine konkreten Hinweise auf eine Auswanderungsabsicht gab, erließ das Finanzamt Wiesbaden eine Anordnung, durch die Nathan Jacobsohn verpflichtet wurde, eine Summe von 96.000 RM zu verpfänden.[48] Er kam dieser Verpflichtung am 31. Oktober 1938 durch die Hinterlegung entsprechender Wertpapiere nach.[49]

Im November beantragte Nathan Jacobsohn über seine Devisenbank, die Deutsche Bank, ihm einen monatlichen Freibetrag von 1.200 RM zu genehmigen, was dann auch bewilligt wurde.[50]

Inzwischen hatte sich nach dem Novemberpogrom auch in Wiesbaden die Situation grundlegend verändert, was auch für das Ehepaar Jacobsohn erhebliche finanzielle Konsequenzen hatte. Am 25. Januar 1939 wurde die Judenvermögensabgabe für Jacobsohns berechnet und auf insgesamt 65.600 RM festgesetzt, zahlbar in zunächst vier Raten von jeweils 16.400 RM. Dabei war ein Vermögen von 328.000 RM zu Grunde gelegt worden, d.h. die hinterlegte Reichsfluchtsteuer war nicht mehr in Betracht gezogen worden.[51] Insgesamt war ihnen damit aber ein Betrag von rund 160.000 RM entzogen worden. Da ihnen für die Zahlung der „Sühneleistung“ kein Geld zur Verfügung stand, waren sie gezwungen auch diese Sondersteuer durch Abgabe entsprechender Wertpapiere aus ihrem Depot zu begleichen, was wiederum die Erträge der Papiere reduzierte. Betrug ihr Einkommen 1938 noch 20.000 RM, so sank es im folgenden Jahr auf 15.000 RM, dann auf nur noch 5.600 RM, stieg dann im Jahr 1941 noch einmal auf etwa 10.000 RM an.[52] 1940 wurde dann nach den erheblichen Kapitalverlusten auch die Reichsfluchtsteuer auf „nur“ noch knapp 63.000 RM herabgesetzt.

Die Villa in der Lanzstr. 4 war baugleich mit der im Krieg zerstörten Lanzstr. 6 Mit Dank an Herrn D. Schaller
Die Villa in der Lanzstr. 4 war baugleich mit der im Krieg zerstörten Lanzstr. 6
Mit Dank an Herrn D. Schaller

Die Verluste waren nicht allein durch die Judenvermögensabgabe verursacht, sondern auch durch die Arisierung des Kaufhauses in Halle.
Im Dezember 1939 richtete der zuständige Oberfinanzpräsident in Leipzig ein Schreiben an den Kollegen in Kassel, welches dann an das Finanzamt Wiesbaden weitergeleitet wurde. In dem Brief ging es um den Verkauf der in Halle gelegenen Immobilie, die bisher im Besitz der ungeteilten Erbengemeinschaft war.[53] Sie bestand aus Theodor Weiss und einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die sich wiederum aus drei Parteien zusammengesetzte. Gesellschafter waren der inzwischen verstorbene Bruder von Salomon Weiß, Hermann Weiß, sein Sohn Willi, der zuvor in Hamburg gelebt hatte, inzwischen aber nach Montevideo in Uruguay ausgewandert war. Weiterhin gehörte dazu Eduard Cohnheim, der Ehemann von Elsbet, der zuletzt die Geschäfte wesentlich geführt hatte.[54] Die Immobilie samt Inventar sollte für 468.000 RM an den Berliner Kaufmann Hermann Krauss verkauft werden. Davon abzuziehen waren 75.000 RM, die als Hypothek auf dem Grundstück lasteten, sodass es um die Verteilung von rund 390.000 RM ging. Diese Summe war wiederum durch drei zu teilen, da Theodor Weiß Anspruch auf ein Drittel, die GbR. auf zwei Drittel, d.h. 260.000 RM hatte. Dieser letztgenannte Anteil war aber eigentlich an die früher aus der Erbengemeinschaft ausgetretenen Kinder von Salomon und Fanny Weiß, nämlich Clara Jacobsohn und Hedwig Levy, verpfändet worden. Ihre Forderungen beliefen sich auf insgesamt 330.000 RM, 200.00 RM für Clara Jacobsohn und 130.000 RM für Hedwig Levy. Diese Beträge waren mit der der GbR. zustehenden Summe von 260.000 nicht zu decken, sodass die beiden Gläubigerinnen zum Verzicht auf einen Teil ihrer Forderungen gezwungen waren. Solange darüber aber kein Einvernehmen stattgefunden hatte, konnte der Vertrag, der zwar grundsätzlich schon genehmigt war, nicht endgültig abgeschlossen werden. Der Abwesenheitspfleger für die bereits ausgewanderten Beteiligten machte dann im Januar 1940 den Vorschlag, dass die beiden Schwestern ihre Forderungen von 200.000 RM auf 140.000 RM, bzw. von 130.00 auf 90.000 RM reduzieren sollten.[55] Offenbar blieb es bei dieser Regelung, denn in der Vermögenserklärung, die Jacobsohns am 4. Juni 1940 abgeben mussten, ist als offene Forderung der Betrag von besagten 140.000 RM eingesetzt.[56] Zu den Verlusten, bzw. zu den geraubten Vermögenswerten sind somit zu der Reichsfluchtsteuer von zuletzt rund 63.000 RM, der Sühneleistung, die sich mit der zusätzlichen 5. Rate von 16.200 RM auf 82.000 RM summierte, kommen somit noch einmal 60.000 RM aus diesem Verzicht hinzu, insgesamt somit mehr als 200.000 RM.

Wenn der Preis des Geschäftsimmobilie 1938 so weit unter dem zuvor angesetzten Betrag lag, dann ist das nur dadurch zu erklären, dass es angesichts der politischen Rahmenbedingungen nicht mehr möglich war, den tatsächlichen Wert zu realisieren. Die Herabsetzung des Verkaufspreises hatte natürlich nicht zu einer nachträglichen Korrektur der Judenvermögensabgabe geführt, zu deren Berechnung noch der volle Betrag zu Grunde gelegt worden war.

Insgesamt hatte sich das Vermögen der Jacobsohns inzwischen im Jahr 1940 auf 260.000 RM vermindert und das erwartete Einkommen wurde im laufenden und im folgenden Jahr mit etwa 15.000 RM angesetzt. Seinen monatlichen Bedarf schätzte er auf etwa 750 RM, davon schlug die Warmmiete mit 190 RM zu Buche. Da er weder über sein Vermögen, noch über sein Einkommen frei verfügen konnte, musste er wieder einen Antrag stellen, ihm einen Freibetrag von 800. RM zu gewähren. Auch diesmal wurde der Betrag bewilligt.[57]

Eineinhalb Jahre später, am 29. November 1941, stellte er einen erneuten Antrag auf Erhöhung des Freibetrags, diesmal von 800 RM auf 900 RM. Interessant ist der Hintergrund, die ihn zu dieser Bitte veranlasst hatte: In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1941 war zum ersten Mal eine große, vermutlich eine 1800 kg-Bombe von einem britischen Flugzeug auf Wiesbaden abgeworfen worden und hatte in Biebrich in der Fritz Kalle Straße mehrere Häuser zerstört. Auch Menschen fielen diesem Angriff zum Opfer.[58]
Für die Geschädigten mussten, bei einem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt, nun Ersatzunterkünfte gefunden werden. Und da kamen die Herren der Partei im Rathaus auf die Idee, man könne sie doch in die seit 1940 einrichteten Judenhäuser einquartieren.

Nathan Jacobsohn Mietzahlung
Nathan Jacobsohn bittet um die Erhöhung seines Freibetrags, da er auch die Miete für eine einquartierte nichtjüdische Familie zahlen musste
HHStAW 519/3 3652 (23)

Nathan Jacobsohn schrieb allerdings erst am 29 September 1941 einen Brief an die Devisenstelle, in dem er seine Bitte um sden höheren Freibetrag wie folgt begründete: „Durch Anordnung der Geheimen Staatspolizei in Wiesbaden ist meine Wohnung, die ich am 7. Mai dieses Jahres räumen musste, zugunsten einer durch ein Kriegsereignis obdachlos gewordene Familie beschlagnahmt worden. Da ich die Miete für diese Wohnung weiter zahlen, für ein anderweitiges Unterkommen aber über 100 RM monatlich aufwenden muß, und da mir durch die notwendig gewordene Unterstützung unserer Angehörigen besondere Ausgaben entstanden sind, bitte ich, für mich einen monatlichen Freibetrag um 900 RM beantragen zu dürfen.“[59] Die Devisenstelle forderte daraufhin erst einmal seine neue Anschrift und bemängelte, dass er es versäumt habe, diese unmittelbar der Behörde mitzuteilen. Auch sei ein Nachweis zu erbringen, dass er die Miete für die bisherige Wohnung weiter zu zahlen habe.
In einem weiteren Brief musste Nathan Jacobsohn klarstellen, dass er weiterhin in dem Haus Lanzstraße wohne, man ihm dort ein möbliertes Zimmer und eine Mansarde zur Verfügung gestellt habe. Seine bisherige Wohnung samt Einrichtung habe er aber den neuen Bewohnern überlassen müssen. Auch die Heiz- und anderen Nebenkosten habe er „mangels einer anderweitigen Regelung durch die zuständige Behörde an den Hauswirt bezahlen müssen, wie das in den gleichgelagerten Fällen in Wiesbaden meines Wissens allgemein geschieht.“[60]

Man war tatsächlich auch in anderen Judenhäusern – z.B. im Kaiser-Friedrich-Ring 80 – so vorgegangen. In das Judenhaus Lanzstraße war nach dem Luftangriff die nichtjüdische Familie van Hees eingewiesen worden.[61] Während der Ehemann Dienst bei der Wehrmacht leistete, war die Frau mit ihren beiden kleinen Kindern in Wiesbaden geblieben und „musste“ sich angesichts des Wohnungsmangels die Einquartierung bei Juden gefallen lassen. Konträr zu ihrer ursprünglichen rasseideologischen Zwecksetzung wurden die Judenhäuser quasi als Wohnreserve für ausgebombte Volksgenossen genutzt. Das ganze ideologische Gerede von der wahren Hausgemeinschaft, in der man Juden auf keinen Fall dulden könne, war auf einmal vergessen. Juden sollten die Geschädigten aufnehmen, und dafür noch enger zusammenrücken. Den Volksgenossen versüßte man die „Zumutung“ damit, dass sie die jeweiligen Wohnungen möbliert und mietfrei würden nutzen dürfen.
Immerhin wurde Nathan Jacobsohn die Erhöhung seines Freibetrags um 100 RM genehmigt.[62] Die Auseinandersetzung darüber setzte sich aber bis in den Sommer 1942 fort. So wurde Jacobsohns mehrfach der Freibetrag gekürzt, weil angeblich der Nachweis fehle, dass sie tatsächlich die Miete für die nichtjüdische Familie zahlte.

Mayer Mietzahlung Jacobsohn
Vermieter Mayer bestätigt gegenüber der Devisenstelle die doppelte Mietzahlung der Jacobsohns
HHStAW 519/3 3652 (33)

Erst durch eine schriftliche Bestätigung des Hausbesitzers Albert Mayer vom 15. März 1942 wurde dieser Konflikt beigelegt.[63] Von da an musste Nathan Jacobsohn vierteljährig neu beantragen, dass er neben dem zuletzt auf 450 RM abgesenkten Freibetrag zusätzlich 170 RM für die Mietzahlung der Familie van Hees von seinem gesicherten Konto abheben dürfe. Vor diesem Hintergrund, dem Nichtwissen der Devisenstelle um diese Praxis, stellt sich die Frage, ob man ausschließlich in Wiesbaden dies Praxis anwendete oder ob auch in anderen Städten Bombengeschädigte in Judenhäuser kostenfrei eingewiesen wurden.

Zwar liegen keine Informationen darüber vor, wie sich das gemeinsame Leben in dem Haus im Weiteren gestaltete, aber man kann sicher davon ausgehen, dass es nicht spannungsfrei war. Der Schutzraum, den die Judenhäuser zumindest ansatzweise auch boten – bisher war man unter sich gewesen -, war in jedem Fall verloren.

In einer erneuten Vermögenserklärung aus dem März 1942 bezifferte Nathan Jacobsohn die Kosten, die für ihn monatlich durch die beschlagnahmte Wohnung anfielen, er auf 170 RM, seine monatlichen Gesamtausgaben weiterhin auf 750 RM. Sein monatliches Einkommen, das er noch immer aus der Verzinsung seiner Wertpapiere von mehr als 260.000 RM bezog, belief sich weiterhin auf etwa 10.000 RM im Monat. Trotz des massiven Eingriffs in seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse ging es dem Ehepaar nur wenige Monate, bevor es deportiert wurde, verglichen mit den vielen völlig verarmten Jüdinnen und Juden in Wiesbaden, finanziell noch relativ gut.
Sieht man die Bilder der Menschen, die am 1. September 1942 zunächst in der ehemaligen Synagoge in der Friedrichstraße, dann auf der Viehverladerampe am Hauptbahnhof zusammengetrieben wurden, dann sind diese materiellen Unterschiede nicht mehr wahrnehmbar. Wahrnehmbar ist nur noch die gleiche Sorge, die gleiche Angst, vor dem, was ihnen bevorstehen würde. Am 22. August war das Schreiben der Bezirksstelle Hessen-Nassau der ‚Reichsvereinigung der Juden’ an die jeweiligen örtlichen Vertreter ergangen, laut dem nahezu alle noch in Wiesbaden lebenden Juden, hauptsächlich alte Jüdinnen und Juden, sich für die Gemeinschaftsunterbringung in Theresienstadt bereit zu machen hätten. Genaue Instruktionen über das mitzunehmende Gepäck und wie die Wohnung zu hinterlassen sei, waren beigefügt.[64] In der Sammelstelle in der Friedrichstraße, in der sich die Menschen spätestens am 29. August, einem Shabbat, einzufinden hatten, wurde mit den sogenannten Heimeinkaufsverträgen noch einmal weiterer Raub an ihnen vollzogen – zumindest dann, wenn sie noch über ein hinreichendes Vermögen verfügten. Das wollte die SS nicht der Finanzverwaltung des Reiches überlassen, sondern in die eigene Tasche lenken. Ein solcher Vertrag, der den Menschen mit einem noch vorhandenen Vermögen von mehr als 1.000 RM aufgezwungen wurde und die Übernahme aller Kosten der Gemeinschaftsunterbringung inklusive Medikamente, Wäsche und Essen bis zum Lebensende versprach, mussten auch Clara und Nathan Jacobsohn abschließen. Am 25. September 1942 wurde vom Konto des Ehepaars ein Betrag über 100.000 RM auf ein „Sonderkonto H“ der ‚Reichsvereinigung’ beim Berliner „Bankhaus von Heinz, Tecklenburg und Co.“ überwiesen bzw. entsprechende Wertpapiere eingelöst.[65] Zugriff auf dieses Konto hatte allein das Reichssicherheitshauptamt der SS. Das restliche Vermögen ging dann durch Vermögenseinziehung an den Reichsfiskus.[66]

Dass das Versprechen des Heimeinkaufsvertrags nur Lug und Trug war, werden Clara und Nathan Jacobsohn, sollten sie es nicht schon zuvor geahnt haben, nach ihrer Ankunft in Theresienstadt sofort gemerkt haben.[67] Sie beschlossen gemeinsam ihren Leidesweg abzukürzen. Wahrscheinlich hatten sie sich schon viel früher mit dieser letzten Frage auseinandergesetzt und sich rechtzeitig die notwendigen Mittel besorgt. Die Todesfallanzeigen aus dem Konzentrationslager sagen, dass Clara Jacobsohn am 8. September nachmittags um 16 Uhr, Nathan Jacobsohn am folgenden Morgen um 10.30 Uhr durch Selbsttötung ihr Leben verloren.[68] Nur eine Woche hatten sie Theresienstadt ertragen, ertragen müssen.

Todesfallanzeige Nathan Jacobsohn Todesfallanzeige Clara Jacobsohn

 

 

 

 

 

 

 

 

Todesfallanzeigen für Nathan und Clara Jacobsohn aus Theresienstadt
https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/3/0/2/49409_ca_object_representations_media_30285_large.jpg und https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/3/0/1/55100_ca_object_representations_media_30150_large.jpg.

Stolpersteine für Nathan und Clara Jacobsohn vor ihrem ehemaligen Haus im Nerotal 11a
Eigene Aufnahme

Nach dem Krieg konnte ihr Sohn, der die Jahre in Israel geblieben war, als Alleinerbe eine relativ große Entschädigung für die erlittenen finanziellen Schäden durchsetzen. Den Verlust der Eltern und der vielen Verwandten konnte damit aber genauso wenig ausgeglichen werden wie der Bruch, den die Emigration in seinem eigenen Leben herbeigeführt hatte. Zwar hatte er dort Arbeit als Chemiker gefunden, seine Doppelqualifikation konnte er aber nicht einbringen. Deshalb entschloss er sich Anfang der 50er Jahre zurück in das Land der Täter zu gehen, sicher ein schwerer Entschluss, zumal man ihm hier auch wieder Steine in den Weg legte. So wurde ihm ein im Juli 1951 gestellter Antrag auf einen Kredit über 15.000 DM zu Existenzgründung mit einer Begründung abgelehnt, die das an ihm begangene Unrecht faktisch zum Recht erhebt: „Eine Existenzgründungsbeihilfe konnte nicht gewährt werden, da Verdrängung aus einer freiberuflichen Tätigkeit nicht vorliegt. Der Antragst. wollte eine Praxis als Patentanwalt beginnen, war aber zur Prüfung nicht zugelassen.“ [69] Es ging hier nicht um eine Zuwendung, ein Geschenk, sondern nur um eine Vorauszahlung für die absehbare Entschädigungszahlung und dennoch versagte man eine solche Hilfe.
Kurt Jacobsohn war damals zeitweise nach Deutschland zurückgekommen, um zu sehen, ob es für ihn eine berufliche Perspektive als Patentanwalt gebe. Trotz aller Widerstände entschloss er sich 1953 zur Rückkehr nach Deutschland und am 27. April des folgenden Jahres wurde er eingebürgert. Die eigentlich fällige 325 DM Einbürgerungsgebühr wurden ihm erstaunlicherweise „aus Billigkeitsgründen“ erlassen.[70]

Er hatte auch schon eine Tätigkeit in einer Berliner Patentrechtskanzlei gefunden, musste aber dann eine längere Auszeit nehmen, um sich auf die Prüfung vorzubereiten, zu der er 20 Jahre zuvor nicht zugelassen worden war. Zudem waren seine Prüfungsunterlagen aus seinem Studium verloren gegangen, sodass er gezwungen war, entsprechende Qualifikationsnachweise zu erbringen. Auch war er mit den neuen Gesetzen der Bundesrepublik nicht vertraut und musste sich daher mit der entsprechenden Fachliteratur eindecken. Seine Absicht war es, sich auf internationales Patentrecht zu spezialisieren, was in seinem Alter – er war inzwischen 52 Jahre alt – eine recht große Herausforderung war.[71] Er rechnete damit, etwa zwei Jahre Vorbereitungszeit zu benötigen, in denen er ohne eigenes Einkommen sein würde, weshalb er zum Lebensunterhalt auf einen Kredit von etwa 20.000 DM angewiesen sei. Die Gelder, die ihm aus dem Entschädigungsverfahren zustanden, waren ihm bisher nicht oder auch nur zum Teil ausgezahlt worden.

Trotz aller Widerstände ist es Dr. Kurt Jacobsohn noch gelungen, eine Karriere als Patentanwalt zu machen, wobei es ihm offenbar gelang, seine Kenntnisse als Chemiker in diese juristische Tätigkeit einzubringen. So findet man im Internet z. Bsp. eine Patentanmeldung, in der es um ein “Verfahren zur Herstellung von wässrigen Gel-Sprengstoffen“ geht, die von ihm betreut wurde.[72] Eine weitere befasste sich mit der Herstellung von flächebildenden Schaumstoffen.[73] Seine Kanzlei betrieb er in München Schleissheim. Wann er verstarb, ist nicht bekannt.

 

Die Geschwister von Nathan Jacobsohn und ihre Familien

Wenige weiß man über David, den ältesten bekannten Bruder von Nathan Jacobsohn. Er heiratete mit 31 Jahren am 28. Mai 1889 in Stettin Bertha Auguste Radefeldt, eine Frau aus der schon seit 1732 dort ansässigen, ursprünglich aus Gronau in der Wetterau stammenden evangelischen Familie Radefeldt.[74] Die am 3. März 1864 in Greifenhagen geborene Braut war die Tochter des dortigen Mühlenmeisters der Bockswindmühle Carl Radefeldt und seiner Frau Auguste, geborene Meves. Nicht nur der Mühlenbesitzer Radefeldt nahm eine bedeutende wirtschaftliche und soziale Stellung im Ort ein, der Großkaufmann und nahe Verwandte Fritz Radefeldt besaß neben seinem Kaufhaus in Greifenhagen weitere Filialen in anderen Städten der Region. Wenn in diesem tief protestantischen Pommern eine evangelische Familie einem Juden die Tochter zur Frau gab, dann kann dies gewiss als Beleg für die hohe Wertschätzung der Familie Jacobsohn in diesem Raum angesehen werden. Über das weitere Leben und Schicksal des Paares liegen aber leider keine Informationen vor. Sein Name ist in den einschlägigen Listen der NS-Opfer nicht zu finden. Ob er den Holocaust dank seiner Mischehe überlebte oder schon vor 1945 verstarb, ist nicht bekannt.

Die Brüder Albert und Max Marcuse im Stettiner Adressbuch von 1935

Die übrigen Geschwister von Nathan Jacobsohn, die alle der Shoa zum Opfer fielen oder wie Martha bereits früh verstarben, waren mit ihren Familien jeweils durch die Ehen mit den anderen führenden jüdischen Familien der Region verbunden. Sie bilden damit eine große Schicksalsgemeinschaft, deren gemeinsames Leiden hier nur unzureichend dargestellt werden kann.

Marcuse
Das Haus der Familie Marcuse in Altdamm
USC-Shoah-Foundation

Nathan Jacobsohns jüngere Schwester Rosa. heiratete am 15. Dezember 1918 den Kaufmann Paul Nathansohn aus dem benachbarten Altdamm. Sowohl sie selbst, als auch ihr Bräutigam waren damals bereits verwitwet.[75] Von Rosas erstem Ehemann ist nur der Nachname Meyer bekannt, von der früheren Frau von Paul Nathansohn kennt man nicht einmal diesen. Er selbst war 25. Juli 1864 als Sohn von Alexander und Johanna Nathansohn, geborene Fabian, in Altdamm – heute Dabie, ein Stadtteil von Stettin / Szczecin – zur Welt gekommen.[76] Er betrieb damals in der Stadt Am Markt 3 ein Geschäft für Häute, Pelze und Felle, das bereits seine Eltern aufgebaut hatten. Am Ende des 19. Jahrhundert firmiert das Unternehmen als „P. Natansohn & Joel Marcuse“. Joel Marcuse, der Sohn von Markus Marcuse und seiner Frau, die den schönen Namen Liebe trug und wiederum aus der Familie Jacobsohn stammte, war durch die Heirat mit Röschen Nathansohn zu Pauls Schwager geworden. Auch in Dabie wurden – wie in vielen anderen jüdischen Gemeinden – wirtschaftliche Verbindungen durch wechselseitige Ehen gefestigt und abgesichert, sodass soziale Strukturen entstanden, die auch die Stabilität der gesamten Gemeinde begründeten. Die drei Familien Jacobsohn, Nathansohn und Marcuse waren diejenigen, die im Wesentlichen die orthodoxe jüdische Gemeinde von Altdamm, die Ende des Jahrhunderts etwa 50 Mitglieder umfasste und auch einen kleinen Betsaal besaß, prägten.[77] Paul Nathansohn war zeitweise auch ihr Vorsitzender.

Joel Marcuse
Joel Marcuse
USC-Shoah-Foundation

Aber gegen die antisemitische Gewalt der Nazihorden konnten die Gemeindemitglieder nichts ausrichten. Von dem Friedhof, der in der NS-Zeit völlig zerstört wurde, holten sich die nichtjüdischen Bewohner die Grabsteine, um – ähnlich wie in Wiesbaden Bierstadt – damit ihre Grundstücksmauern zu verstärken.[78] Auch wurden während des Pogroms 1938 der Betsaal zerstört und das Haus von Paul und Rosa Nathanson in der Breiten Str. 12, in dem auch die Familie von Joel Marcuse, bzw. die seiner Söhne lebten, angegriffen und erheblich beschädigt. Die ehemals gemeinsame Firma von Paul Nathanson und Joel Marcuse taucht in den Adressbüchern seit 1938 nicht mehr auf. Ob sie arisiert oder liquidiert wurde, ist nicht bekannt. 1939 wurden die Juden im Kreis Stettin gezwungen, auch ihre landwirtschaftlichen Flächen abzugeben. Laut den amtlichen Unterlagen besaßen Paul Nathanson etwa 5 Hektar, Joel Marcuse knapp 4 Hektar Land, das damals enteignet wurde.[79]

Aber diese Ereignisse waren nur das Vorspiel zu dem Grauen, welches ihnen noch bevorstand. Und selbst das war nur das Fanal zu dem, was dann als „Endlösung der Judenfrage“ Eingang in die Geschichtsbücher der Menschheit gefunden hat.

Noch ging es „nur“ um den Plan einer groß angelegten Völkerverschiebung, bei der „Volksdeutsche“ aus den baltischen Staaten und anderen Regionen des Ostens zurück ins Reich geholt, bzw. die seit Beginn des Krieges nach Westen strömenden Massen aufgenommen werden sollten. 500.000 kamen allein im Verlauf des Jahres 1940. Der notwendige Platz für die Rückkehrer sollte durch die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung geschaffen werden. Mit den Juden aus dem Regierungsbezirk Stettin, die man für diesen Bevölkerungsaustausch als erste ausgewählt hatte, wurde im Winter 1940 erstmals eine nahezu komplette jüdische Gemeinde aus dem sogenannten Altreich deportiert.[80]

Am Abend des 12. Februar 1940, einem eiskalten Wintertag, klopften zwei oder drei SA-, SS-Männer oder Gestapobeamte an die Türen der nichts ahnenden Opfer und teilten ihnen mit, dass sie innerhalb der nächsten sieben Stunden ihre Wohnung zu verlassen und sich für ihren Abtransport bereitzumachen hätten. Das Schreiben, das ihnen eröffnet wurde, glich inhaltlich denjenigen, die in den folgenden Jahren in vielen tausend jüdischen Wohnungen verlesen wurden: Alle Vermögenswerte mussten zurückgelassen werden, Schlüssel mussten in den Schlössern stecken bleiben, Vorschriften bezüglich des Handgepäcks in den Koffern wurden angesagt. Als Kleidung sollten sie angesichts der Kälte die Unterwäsche doppelt anziehen und auch zwei Mäntel mitnehmen. Schilder mit Namen und Geburtsdatum waren um den Hals zu hängen. Bei Nichtbeachtung der Vorschriften wurden strengste Strafen angedroht. Insgesamt umfasste der Transport 1120 Menschen aus dem Regierungsbezirk Stettin, die mit Bussen zum Güterbahnhof der Stadt gebracht wurden. Zynischerweise zwang man sie noch eine Erklärung zu unterschreiben, laut der sie sich freiwillig auf diesen Transport begeben hätten. Gegen Mittag des 13. Februar fuhr der Zug bei eisiger Kälte einem für die Insassen unbekannten Ziel entgegen.
Die Aktion blieb nicht geheim, sondern wurde von Bekannten und Freunden der Familien verfolgt. Auch die ausländische Presse meldete die Vorgänge und auch der amerikanische Präsident Roosevelt war unterrichtet. In der dänischen Tageszeitung ‚Politiken’ war unter der Überschrift „Deutschland deportiert Staatsangehörige“ zu lesen: „Bereits auf der Durchfahrt durch Schneidemühl – etwa 24 Stunden nach dem Abtransport – mussten die ersten Leichen aus dem Deportationszug entfernt werden. (…) Einige andere Personen lagen im Sterben, wie Zurufe aus den Wagenfenstern des Zuges an den Stationsvorsteher des Bahnhofs besagten.“ Eine Frau und zwei Kinder waren schon auf der ersten Etappe erfroren. Die gesamte Fahrt über etwa 740 Kilometer dauerte dreieinhalb Tage. Dann war das vorläufige Ziel Lublin im Generalgouvernement erreicht. Dort wurden die Angekommenen zunächst in drei Gruppen auf die Ghettos Piaski, Glusk und Belzyce verteilt. Zu Fuß mussten sie bei hohem Schnee und Temperaturen um -20 Grad die jeweiligen Strecken von bis zu 30 Kilometern bewältigen. Da man zuvor den Wagen mit dem Gepäck vom Zug abgetrennt hatte, besaßen die Menschen nur noch das, was sie auf dem Leibe trugen oder was sie in ihrem kleinen Handkoffer verstaut hatten. Über den Transport berichtet Garbe: „Bereits auf dem Transportweg mit der Eisenbahn und auf den Wegen im Kreis Lublin waren 72 Personen verstorben. Dazu erlitten viele auf den Fußmärschen schwere und schwerste Erfrierungen, die zu mehr als 130 Amputationen führten (in der Hauptsache: Finger und Zehen). Ihr separat transportiertes Gepäck sahen die Deportierten nie wieder. Wahrscheinlich wurde es absichtlich auf dem Zielbahnhof entwendet. Infolge völliger Unterversorgung mitten im Winter waren schon innerhalb der ersten vier Wochen über zehn Prozent aller Deportierten tot. Dass dieses Schicksal nach und nach alle erreichen würde, dämmerte den Betroffenen.“[81]

Auch wenn die Ghettos damals noch nicht geschlossen waren, waren die Lebensumstände für die Eingewiesenen unmenschlich, schon allein deshalb, weil sie nichts mehr besaßen und die dort lebenden Juden das Wenige, was ihnen noch geblieben war, kaum zu teilen bereit waren. Aus dem einst typischen Schtetl Piaski, einem Ort mit knapp 4.000 Einwohnern, von denen mehr als Zweidrittel jüdischen Glaubens waren, schuf die SS 1940 ein Ghetto, in dem neben den einheimischen Juden jetzt zusätzlich etwa 560 Stettiner Juden und noch eine weitere Gruppe aus Krakau unter schlimmsten Bedingungen eingepfercht waren. Die kleinen, ärmlichen Wohnungen mussten die Alteingesessenen jetzt mit den Neuankömmlingen teilen, die zumeist eher bürgerlichen Milieus entstammten und mit den ohnehin eher primitiven Verhältnissen nicht zurecht kamen. „Das Miteinander war geprägt von unvorstellbarem Elend und brüchiger Menschlichkeit“, so Garbe.[82] Noch kamen aber für die Stettiner Juden manchmal Hilfspakete und Geldsendungen von Verwandten an, aber sicher nicht für alle und schon gar nicht genug, um das Überleben zu sichern.

Auch viele Mitglieder der Großfamilie Jacobsohn – Nathansohn und Marcuse gehörten zu den Deportierten dieses 12. Februar.
Paul Nathansohn und seine Frau Rosa, die Schwester von Nathan Jacobsohn, waren in die Elendsquartiere von Piaski geschickt worden. Wann sie dort zu Tode kamen oder ob sie noch in ein Vernichtungslager überführt wurden, ist nicht bekannt.[83]

Paul Nathansohn
Kennkarte von Paul Nathansohn
Rosa Nathansohn,
Kennkarte von Rosa Nathansohn, geb. Jacobsohn
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Gustav Jacobsohn und seine Frau Martha hatte man in das Ghetto Glusk verbracht. Über sein dortiges Schicksal weiß man nur, dass auch er entweder den dortigen Lebensumständen oder aber unmittelbarer Gewalt zum Opfer fiel. Das Leben von Martha Jacobsohn wurde am 19. März 1940 schon nach nur fünf Wochen ausgelöscht.[84]

Deportationsliste mit den Namen von Gustav und Martha Jacobsohn

Max Jacobsohn, der in das Ghetto Belyce deportiert wurde, verstarb dort vermutlich am 25. März 1940, also ebenfalls nur wenige Wochen nach seiner Ankunft.[85]

Auch viele Mitglieder der Familie von Paul Nathansohns Schwester Rose, genannt Röschen, die damals allerdings selbst schon verstorben war, wurden an diesem Tag von Stettin aus deportiert. Neben dem Witwer Joel Marcuse selbst mussten auch sein älterer Sohn Albert mit seiner Frau Philippine, geborene Lewin, und Joels zweiter Sohn Max mit seiner Frau Martha, geborene Wurst, sowie mit Horst und Alfons, die zwei jüngsten ihrer sechs Kinder, den Zug besteigen. Auch deren Großmutter mütterlicherseits, Lina Wurst, die zuletzt bei ihrer Tochter Martha in Dabie gewohnt hatte, wurde abtransportiert.

Die Familie von Max Marcuse verschwand im Ghetto von Piaski bzw. in Auschwitz. Bis in die Anfangsjahre der NS-Zeit hatte sie noch direkt in der Innenstadt von Stettin gewohnt, wo Max Marcuse auch seiner Arbeit nachgegangen war. Als dort die ersten judenfeindlichen Gewaltaktionen begannen, zog er mit seiner Frau und den vier jüngsten Kindern Ursel, Lieselotte, Horst und Alfons zurück ins Elternhaus zu seinem Bruder und Vater in Altdamm, während die beiden ältesten Töchter, Ruth und Ellen, in Stettin blieben. Später gingen diese und auch die beiden nachfolgenden Töchter Ursel und Lieselotte zusammen nach Berlin.

Max Marcuse und seine Frau Martha sowie die Kinder Horst und Alfons wurden mit dem Februar Transport des Jahres 1940 in das Ghetto Piaski südöstlich von Lublin verbracht. Wann sie dort ums Leben kamen, ist nicht bekannt. Sie gelten als verschollen und mussten für tot erklärt werden.[86]
Ihre vier Töchter, die zuletzt in Berlin Schöneberg gewohnt und gearbeitet hatten, wurde am 26. Februar 1943 zusammen mit etwa 1.000 weiteren Personen von dort aus nach Auschwitz deportiert. Bei der Selektion auf der Rampe wurden 156 Männer und 106 Frauen zum Arbeitseinsatz in das Lager geschickt, die übrigen wurden in einer der Gaskammern ermordet. Ob den vier Geschwistern noch ein Aufschub gewährt wurde, ob man ihnen die letzten Kräfte noch bei einem Arbeitseinsatz raubte, ist nicht bekannt.[87]

Als einzige der Familie von Joel und Röschen Marcuse konnten Hans Heinz, Ruth Margot und Eva, die Kinder von Albert und Philippina Marcuse, dem großen Morden entkommen. Als während des Novemberpogroms auch das Haus der Eltern in Altdamm völlig demoliert wurde, entschlossen sich die Eltern, ihre beiden Töchter in Sicherheit zu bringen.

Vielleicht hätte es auch noch eine Chance zumindest für ihre Mutter Philippina gegeben, mit Hilfe ihrer in England lebenden Schwester Käthe Rachel Lewin dorthin zu gelangen. Aber sie wollte nicht ohne ihren Mann und dieser wiederum nicht ohne seinen alten Vater gehen. So kam es dass auch sie alle drei in dem Zug saßen, der Stettin am 13. Februar 1940 verließ. Der Großvater Joel Marcuse überlebte die Strapazen des Transports nicht. Er verstarb am 13. März 1940 schon am ersten Etappenziel in Lublin.

Wo sein Sohn Albert, dessen Frau Philippine und die Kinder ums Leben kamen, ist nicht sicher zu sagen. Es gibt sogar unterschiedliche Angaben über das Ghetto, in das sie nach ihrer Ankunft in Lublin weitertransportiert wurden. War es Belzyce, wie in Yad Vashem vermerkt, oder doch Belzec, wie es im Gedenkbuch des Bundesarchivs heißt ? [88] Allerdings gibt es zum Tod von Philippine Marcuse die glaubhafte Zeugenaussage einer Cousine. Nach dem Krieg – so berichtete Ruth Hagedorn, geborene Marcuse, in ihrem Interview – habe diese ihr in einem Brief mitgeteilt, dass ihre Mutter in Belzec ermordet wurde. Die Cousine, die ebenfalls Insassin des Transports vom Februar und eine der wenigen Überlebenden war, schrieb, die Mutter sei dort am 13. Oktober 1942 vor ihren Augen erschossen worden.[89]

Albert und Philippine Marcuse, geb. Lewin
USC-Shoah-Foundation

Der erste der Familie von Albert Marcuse, der Deutschland verließ war der Sohn Hans Heinz. Er war bereits vor 1938 verhaftet worden, konnte aber mit Hilfe der in England lebenden Tante, befreit und auf die Insel geholt werden. Als emigrant alien wurde er nach Kriegsausbruch von den Briten nach Kanada gebracht und interniert. Nach dem Ende des Kriegs blieb er in Montreal, wo er am 20. Januar 1951 Virginia Alice Luce heiratete.[90] In der kanadischen Metropole wurde am 23. Juli 1952 auch ihre erste Tochter Deborah geboren. 1955 zog die Familie in den US-Staat Florida, wo in Miami Beach am 16. Februar 1958 eine weitere Tochter namens Melinda zur Welt kam.[91] Hans Heinz und Virginia Marcuse verstarben Florida, beide in Miami, er am 19. April 1988, sie am 25. Oktober 1997.[92]

Grab von Hans und Virginia Marcuse
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Die beiden Schwestern überlebten den Holocaust Dank der Vermittlung eines in Brüssel lebenden Bruders der Mutter, der dort eine Buchhandlung besaß, die in ihrem Sortiment auch eine große Auswahl an Exilliteratur offerierte.[93] Nach dem Pogrom hatten Ruth und Eva im Januar 1939 Ruth und Eva ohne ihre Eltern den Weg nach Brüssel angetreten, wo Eva bei einer nichtjüdischen belgischen Familie untergebracht wurde, während ihre Schwester Ruth bei dem kinderlosen Onkel bleiben konnte. Später wurde sie von einer befreundeten Buchhändlerin, Mme. Bonnecaze, aufgenommen, bei der sie arbeitete und die sie in den folgenden Jahren der Besatzung unter eigener Lebensgefahr beschützte. Später ging sie mit nach Paris, lebte dort dank einer gefälschten Identitätskarte zusammen mit ihrer Retterin, die noch immer als Buchhändlerin tätig war, zumeist in Hotels. Auch nach dem Krieg blieb sie bis zum Tod von Mme. Bonnecaze in Paris. Erst 1966 verließ sie Frankreich, um in den USA zu leben, wohin es den Bruder Hans Heinz und ihre Schwester Eva inzwischen verschlagen hatte. Ihr Bruder bzw. seine Frau gaben Ruth das Affidavit, das sie für ihren Antrag auf Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft, den sie 1966 stellte, benötigte.[94] Am 10. Januar 1971 heiratete sie in Amerika den aus Deutschland stammenden Fritz bzw. Fred Hagedorn, der 1937 in die USA emigriert war.[95] Beide verstarben in ihrem zuletzt gewählten Wohnort Dade in Florida, sie selbst am 19. April 1988, ihr Mann war schon knapp zehn Jahre zuvor am 27. Oktober 1979 verstorben.[96]

Anders als Ruth wollte die jüngere Eva damals unbedingt aus Deutschland raus.[97] Zu schlimm waren die Erfahrungen, die sie in der Schule oder im Alltag hatte machen müssen. Allerdings konnte sie nur vorübergehend bei ihrem Onkel bleiben. Von der Familie, die sie danach in Brüssel aufnahm, behandelte sie wenig freundlich und benutzte sie primär als billige Arbeitskraft. Zeit für die Schule hatte sie kaum. Erst später fand sie eine Familie, in der sie sich wirklich aufgehoben und geliebt fühlte. Als die deutschen Truppen im Westen die Front eröffneten musste sie mit dieser Familie kurzfristig nach Frankreich flüchten, kehrte aber bald wieder nach Brüssel zurück. Während sich die Schwestern anfangs noch öfters zusammenkamen, trafen sie, nachdem Ruth nach Paris gegangen war, nur noch ein einziges Mal zusammen. Eva lebte mit ihrer Familie, die auch Brüssel verlassen musste, in dem kleinen belgischen Ort Meise unter sehr ärmlichen Verhältnissen. Sie selbst hatte keine Arbeitserlaubnis, trug aber dennoch zum Einkommen der Familie bei, indem sie bei Bauern oder in der örtlichen Metzgerei aushalf. Geld bekam sie dafür nicht, aber immerhin etwas zum Essen. Obwohl alle im Dorf wussten, dass sie eine geflohene Jüdin war, wurde sie von keinem verraten. Das gab es tatsächlich auch!

Zunächst hatten die beiden Töchter noch Kontakt zu ihren Eltern, sie erhielten sogar hin und wieder noch Postkarten von ihnen, nachdem diese aus Stettin deportiert worden waren. Über das Schicksal ihrer Eltern und engsten Verwandten, mit denen sie zuvor in einem Haus zusammen gelebt hatten, ahnten sie nichts. Davon erfuhren sie erst nach dem Ende des Krieges.

Nicht mit Sicherheit konnte der Onkel in Brüssel, der wesentlich zur Rettung von Eva und Ruth Marcuse beigetragen hatte, identifiziert werden. Es handelte sich eigentlich um einen Halbonkel, einen Sohn aus der zweiten Ehe von Max Lewin mit einer Hedwig,[98] deren Mädchenname nicht bekannt ist. In dieser zweiten Ehe waren noch einmal vier Kinder, darunter drei Söhne geboren worden. Einer dieser Söhne muss der Retter der beiden Töchter seiner Halbschwester Philippine gewesen sein. Er konnte mit seiner Familie noch rechtzeitig nach Argentinien auswandern.

 

Die Geschwister von Clara Jacobsohn, geborene Weiß, und ihre Familien

Von den fünf Kindern von Salomon und Fanny Weiß überlebte nur die älteste Tochter Elsbeth, geboren am 6. Oktober 1877 die NS-Zeit.[99] Sie hatte am 3. September 1900 in Halle den aus Halberstadt stammenden Kaufmann Eduard Cohnheim geheiratet. Er war, geboren am 21. März 1871, das zweitälteste von vier Kindern des Ehepaars David und Anna Cohnheim, geborene Ephraim.[100] 1903 kam in Halle am 16. Oktober 1903 ihre Tochter Hilda zur Welt.[101]

Eduards Vater war in der gleichen Branche tätig wie seine Schwiegereltern. Während diese sich allerdings auf Herren und Knappenkleidung spezialisiert hatten, betrieb der Brautvater in Halberstadt ein Geschäft für Damenmoden.
Mit diesen Vorkenntnissen gab es für den Schwiegersohn kein Problem, in das Geschäft in Halle einzusteigen. Schon 1906 hatte er dort die Stellung eines Prokuristen inne [102] und im Adressbuch im Jahr 1909 sind er und seine Frau als Mitinhaber des Geschäfts im Haller Adressbuch notiert. Das blieb auch in den folgenden Jahren so und 1934, zu Beginn der NS-Zeit, ist neben den Miteigentümern Hermann Weiß und dessen Sohn Willi aus der Familie von Salomon Weiß nur noch Eduard Cohnheim als Inhaber eingetragen. Nach der Arisierung des Unternehmens zogen Cohnheims zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt nach Leipzig, wo sie 1939 bei der Volkszählung mit der Adresse Funkenburgstr. 25 registriert wurden. Am 9. Januar 1941, als nur noch sehr wenige Türen zur Flucht offen waren, brachen sie nach Shanghai auf. Über die zum Teil unmenschlichen Bedingungen in dem jüdischen Ghetto, das die Japaner nach ihrer Okkupation des chinesischen Festlandes dort eingerichtet hatten, liegen hinreichend grauenhafte Berichte vor. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Eduard Cohnheim bald nach Kriegsende am 4. April 1948 dort verstarb. Vergeblich hatte er auf eine Ausreisemöglichkeit gewartet, die seine Witwe zwei Jahre später antreten konnte. Offenbar hatte die IRO, die International Refugee Organization der UNO, ein Schiff organisiert, das im Herbst 1950 882 Menschen von Shanghai zur Repatriierung in die von ihnen gewünschten Länder brachte.

Elsbeth Cohnheim geht von Shanghai nach Palästina
https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61704/images/0015_81718943_1?pId=890672

Nur einer wollte zurück nach Deutschland, 386 hatten den neuen Stadt Israel gewählt.[103] Dorthin war bereits früher, vermutlich schon vor 1939, ihre Tochter Hilde / Hildegard emigriert, die dort den Namen Chana angenommen hatte. Mutter und Tochter lebten bis zu ihrem Tod in diesem Land. Elsbeth Cohnheim verstarb dort im südlich von Tel Aviv gelegenen Rechovot am 10. Oktober 1964, ihre Tochter am 10. September 1989 in Haifa.[104]

 

Theodor Weiß
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Theodor, der am 4. Juni 1876 geborene ältere Bruder von Elsbeth,[105] gehörte, wie auch seine Frau Charlotte, zu den Opfern der Shoa. Der Kaufmann hatte Charlotte Hirsch, geboren am 27. März 1891 in Halle, am 23. September 1913 in ihrer beiden Heimatstadt geheiratet.[106] Ihre Eltern, ebenfalls Kaufleute, waren Jacob und Seraphine Hirsch, geborene Walthausen.[107] Die Ehe des Paares blieb offenbar kinderlos. Ob und inwieweit Theodor Weiß selbst im Familienunternehmen tätig war, lässt sich nicht mehr sagen, aber zumindest ist er in den ersten Jahren des 20sten Jahrhunderts in den Adressbüchern noch als Mitinhaber der O.H.G. verzeichnet. Später war das allerdings nicht mehr der Fall.[108]

Nach der Reichspogromnacht wurde auch Theodor Weiß inhaftiert, vermutlich im KZ Sachsenhausen.[109] Wie lange er dort festgehalten wurde, ließ sich nicht ermitteln, aber in einem Schreiben vom 13. Januar 1940 des in den Verkauf der Firma involvierten Rechtsanwalts Holzhausen an den Oberfinanzpräsidenten in Kassel erwähnt dieser, dass sich Theodor Weiß zur Zeit in Halle in „Schutzhaft“ befände.[110] Was der Grund für diese erneute Inhaftierung war und wie lange sie dauerte, ist nicht bekannt.

Theodor Weiß
Theodor und Charlotte Weiß auf der Deportationsliste nach Sobibor
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Sein Name und der seiner Frau tauchen dann erst wieder zwei Jahre später auf der Deportationsliste Haller Juden vom 1. Juni 1942 auf.[111] Ursprünglich war dieser Zug schon für den 28. April geplant, musste aber dann aus nicht bekannten Gründen verschoben werden. Auch das Ziel, ursprünglich Trawniki, wurde auf das Ghetto Izbica umgeändert. Der Transport diente primär dazu, die noch vorhandenen Jüdinnen und Juden aus Nord- und Osthessen nach Polen zu deportieren, weshalb der Zug in Kassel zusammengestellt wurde. Mehr als 500 Menschen mussten ihn hier schon besteigen. Weitere 500 kamen aus den Bezirken Halle und Chemnitz hinzu, sodass sich zuletzt insgesamt etwa 1.000 Menschen darin befanden. 131 kamen unmittelbar aus der Stadt Halle, darunter mit den Nummern 125 und 126 auch das Ehepaar Weiß. Halt machte der Zug am Bahnhof Lublin, wo wohl etwas mehr als 100 Männer in das Konzentrationslager Majdanek abkommandiert wurden, die übrigen gelangten dann aber nicht mehr nach Izbica, sondern wurden vermutlich direkt in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und ermordet.[112] Als Todestag von Theodor und Charlotte Weiß wird der 3. Juni 1942 angenommen. Sie mussten amtlich für tot erklärt werden.[113]

Auch Hedwig, die am 8. September 1883 in Halle geborene jüngste Schwester von Clara Jacobsohn wurde Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Am 24. März 1910 hatte sie in Halle den Kaufmann Heinrich Joseph Levy geheiratet, der am 29. September 1873 in Breslau als Sohn von Siegfried und Henriette Levy, geborene Krakau, zur Welt gekommen war. Zum Zeitpunkt der Eheschließung lebte er aber in der Reichshauptstadt Berlin, der Vater war bereits verstorben und die Mutter in Wien wohnhaft.[114]

Vermutlich ließ sich das neu vermählte Paar nach der Hochzeit gemeinsam in Berlin nieder, denn dort wurde am 11. Februar 1911 ihre Tochter Ruth geboren.[115] Am gleichen Tag, aber neun Jahre später, kam mit Irmgard Henriette eine weitere Tochter zur Welt.[116] Sie blieb die einzige in der Familie, die ihr Leben retten konnte.
Welcher kaufmännischen Tätigkeit Heinrich Levy damals in Berlin nachging, ließ sich aus den wenigen zugänglichen Unterlagen nicht ermitteln. Nur wenige Wochen vor der Machtübertragung der Regierungsgewalt an die NSDAP heiratete am 22. Dezember 1932 in Berlin die ältere Ruth Tochter, die als Sekretärin angestellt war, den Kaufmann Herbert Julius Born.[117] Schon bald muss er mit den neuen Machthabern in Konflikt gekommen sein, was darauf schließen lässt, dass er eher als politischer Gegner, denn als Jude, der er auch war, verfolgt wurde.

Herbert Born
Beleg für die Inhaftierung von Herbert Born 1935
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Ein Schreiben des Lagerkommandanten des frühen Schutzhaftlagers Sachsenburg vom 14. März 1935 belegt die damalige Inhaftierung von Herbert Born.[118] In dem Lager, das von 1933 bis 1937 bestand und für viele SS-Leute ein Sprungbrett für ihre Karriere im KZ-System wurde, waren mehrer Tausend Gefangene untergebracht, die unter unmenschlichen Verhältnissen zur Zwangsarbeit, z.B. im nahegelegenen Steinbruch, gezwungen waren. Die meisten Häftlinge wurden später nach Sachsenhausen oder Buchenwald verlegt. Für Herbert Born war offensichtlich – von wem, ist nicht bekannt – ein Entlassungsantrag gestellt worden, der aber vom Kommandanten mit folgenden Worten abgelehnt wurde:
“Der Schutzhaftgefangene Born hat sich bis jetzt im Lager noch nicht so geführt, daß eine Entlassung von hier aus befürwortet werden kann. Sein Benehmen gibt des öfteren Anlaß zu Klagen. Als jüdischer Emigrant hat er noch nicht gezeigt, dass er würdig ist, das Gastrecht in Deutschland zu genießen.“[119]

Blick auf das KZ Sachsenburg in der ehemaligen Spinnfabrik (1933)

Wenn Herbert Born hier als jüdischer Emigrant bezeichnet wird, dann hat das wahrscheinlich seinen Grund darin, dass der am 9. Mai 1904 geborene Sohn des Fabrikantenehepaars Siegfried und Katharina Born,[120] zwar in Berlin zur Welt gekommenen war, sich später aber mit seiner Frau in Jugoslawien und dann auch in Palästina aufgehalten hatte.[121] Da es in Jugoslawien Vorbereitungslager für die Alija, die Einwanderung nach Palästina gab, muss man vermuten, dass sich beide der zionistischen Bewegung angeschlossen hatten, dann aber, vielleicht angesichts der realen Verhältnisse von dort, wieder zurückgekehrten und Herbert anschließend – aus welchen Gründen auch immer – verhaftet wurde.
Wann er wieder frei kam, ist ebenfalls nicht bekannt, aber er scheint anschließend mit seiner Frau nach Prag geflohen zu sein. Dort wohnten sie in der Innenstadt, in der Blanicka 27, als sie am 3. August 1942 erneut verhaftet und nach Theresienstadt deportiert wurden. Nur einen Monat blieben sie dort. Am 6. September wurden sie dann nach Auschwitz überstellt, wo sie an einem nicht bekannten Tag zu Tode kamen.[122]

Heinrich Levy
Transportliste nach Theresienstadt mit dem Namen von Heinrich Levy
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Die Eltern von Ruth wurden von Berlin aus, wo sie zuletzt in der Sybelstr. 62 lebten, ebenfalls zunächst nach Theresienstadt deportiert. Der Zug, der Berlin am 6. November 1942 verließ, gehörte zu einer Reihe von kleineren Transporten mit jeweils etwa 100 Personen, die in gesonderten Wagen einfach an die fahrplanmäßigen Züge angehängt wurden. Der Zug mit der Bezeichnung „I/77“ ereichte noch am gleichen Abend die zu KZ umfunktionierte Festungsanlage in Böhmen.[123]

Heinrich Levy
Todesfallanzeige für Heinrich Levy aus Theresienstadt
https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/2/1/51167_ca_object_representations_media_42113_large.jpg

Laut einer Todesfallanzeige vom 30. Januar 1943 erlag Heinrich Levy dort im Gebäude 605, im Zimmer 04 einem Darmkatarrh.[124] Seine Frau Hedwig überlebte das Elend und die Not in dem Lager noch weitere lange Monate. Als sich im Frühjahr 1944 eine Rot-Kreuz-Delegation zur Inspektion von Theresienstadt angesagte, war sie eine von insgesamt 7.500 Gefangenen, die man zur „Entleerung“ des KZs innerhalb von drei Tagen“ mit drei Großtransporten nach Auschwitz brachte. 3.000 bis 3.500 von ihnen wurden von dort aus in andere Arbeitslager verteilt, die übrigen starben unmittelbar nach der Selektion im Gas. Die etwa 60 Jahre alte Hedwig Levy gehörte mit großer Sicherheit zu den Ermordeten.[125]

Wann ihre Tochter Irmgard Henriette Deutschland Richtung Großbritannien verlassen hatte, ob vielleicht allein mit einem Kindertransport, ist nicht bekannt. 1944 nahm sie unter dem Namen Irmgard Heriette Rubin, geborene Levy, in London an einem Krankenpflegerinnenkurs am St. Olave’s Hospital teil. Die Ehe mit Alf Rubin war im gleichen Jahr geschlossen worden.[126] Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Sie verstarb am 30 Juli 2008 im hohen Alter von 88 Jahren London.[127]

Wie bereits bemerkt, war Leo Weiß, der etwa zwei Jahre ältere Bruder von Clara, im Ersten Weltkrieg in Polen gefallen. Allerdings war er zu diesem Zeitpunkt schon zehn Jahre mit Auguste Victoria Katharina Riesenfeld verheiratet, die am 16. November 1882 in Breslau geboren worden war.[128] Am 3. November 1908 war in dieser Ehe eine Tochter namens Lotte geboren worden, die nun als Halbwaise aufwachsen musste.[129] Als ihr Großvater Salomon Weiß 1920 starb, bedachte er seine Enkelin in seinem Testament mit 48.000 RM.[130] Die Mutter heiratete nach dem Ersten Weltkrieg in zweiter Ehe den aus Uslar stammenden promovierten Rabbi Dr. Albert Kahlberg und bekam mit ihm am 23. Dezember 1917 noch in Halle den Sohn Josef Heinz, der später nach Palästina bzw. Israel emigrierte.[131]

Altschul
Auswanderung von Lotte, Hans und Gert Altschul
https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61596/images/tna_r39_0247_0247f_004?pId=7146280

Lotte heiratete mit knapp zwanzig Jahren am 24. April 1928 den Kaufmann Hans Moritz Altschul, der am 6. Juni 1904 in Hannover geboren worden war und dort zum Zeitpunkt der Eheschließung auch noch wohnte.[132] Wo das Paar in den folgenden Jahren lebten, konnte nicht ermittelt werden. Am 10. April 1930 wurde ihnen noch in Deutschland ein Sohn geschenkt, der den Namen Gert erhielt. Mit ihm zusammen verließen sie im Frühsommer 1939 noch rechtzeitig das Land ihrer Verfolger. Offenbar hatten sie geplant nach Cuba auswandern, sind aber dann durch den Kriegsausbruch in England hängen geblieben. Bei der Registrierung in Großbritannien – vermutlich im Oktober 1939 – gab Hans Altschul an, arbeitsloser Radiotechniker zu sein.[133] In England wurde dem Paar noch ein weiterer Sohn namens Allen geboren. Die Familie blieb wohl in ihre weiteren Lebensjahre in England, wo Lotte am 5. März 1982 verstorben sein soll.[134]

 

Veröffentlicht: 26. 01. 2024

 

 

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Anmerkungen:

[1] Bisher gibt es nur zwei, fast gleich lautende Artikel über das Paar, die beide allerdings nur wenige Zeilen umfassen und auch zum Teil fehlerhaft sind. Der wohl ursprüngliche Artikel ist der Karin Rönsch in dem Band ‚Wiesbadens jüdische Juristen’, S. 106, eine gekürzte Fassung davon ist im Band 3 Stolpersteine in Wiesbaden 2011-2013, S. 99 zu lesen.
Da die Familienverhältnisse sehr kompliziert sind, ist es ratsam, beim Lesen des Artikels den abgebildeten Stammbaum mit der rechten Maustaste in einem eigenen Tab zu öffnen, damit man zur Orientierung zu jeder Zeit problemlos darauf zurückgreifen kann, ohne wieder an den Seitenanfang gehen zu müssen.

[2] Heiratsregister Halle / Saale 660 / 1901.

[3] Heiratsregister Stettin 395 / 1889.

[4] Heiratsregister Altdamm 50 / 1918.

[5] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de887831, auch https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/446:60804?tid=&pid=&queryId=f479f56f-36d0-4e81-9f5f-2e0e6a7f13d0&_phsrc=svo2891&_phstart=successSource. (Zugriff: 30.1.2024).

[6] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/442:60804. (Zugriff: 30.1.2024).

[7] Siehe https://www.geni.com/people/Martha-Lewin/6000000177438565828. (Zugriff: 30.1.2024), die aber nicht durch amtliche Belege verifiziert werden konnte.

[8] https://kpbc.umk.pl/Content/243682/PDF/2228_Stettin_programm_des_stadtgymnasiums_1881_001.pdf. (Zugriff: 30.1.2024).

[9] Heiratsregister Altdamm 50 /1918.

[10] Heiratsregister Halle / Saale 660 / 1901. Wie üblich ist die Schreibweise des Nachnamens nicht konsistent, oft ist er auch in der Form ‚Weiss’ zu lesen und Clara findet man immer wieder auch mit ‚K’  geschrieben.

[11] Geburtsregister Halle / Saale 2095 / 1880.

[12] http://www.gedenkbuch.halle.de/gbdatensatz.php?num=225. (Zugriff: 30.1.2024). Sie war am 18.1.1854 geboren worden, ihr Ehemann Salomon Weiß am 4.11.1845 in Halle.

[13] Ebd.

[14] Geburtsregister Halle / Saale 1128 / 1876.

[15] Geburtsregister Halle / Saale 2006 / 1877.

[16] Geburtsregister Halle / Saale 1699 / 1878 und Sterberegister Halle / Saale 1303 / 1915.

[17] Geburtsregister Halle / Saale 2095 / 1880.

[18] Während der DDR-Zeit lief es unter dem Namen ‚Kaufhaus Aktivist’; heute beherbergt es eine Filiale der ‚New Yorker’-Kette und bietet im Hinblick auf die Qualität mit Sicherheit keine Waren mehr an, wie die, die es dort zu Zeiten der Gründerfamilie zu kaufen gab.

[19] Mitteldeutsche Zeitung vom 14.3.2016.

[20] Ein weiteres, sogar noch größeres  jüdisches Kaufhaus für Produkte des täglichen Bedarfs, das Kaufhaus Lewin, war auf der anderen Seite des Rathauses gelegen.

[21] Geburtsregister Stettin 1897 / 1902.

[22] Möglicherweise handelt es sich auch nur um eine Neunummerierung der Straße.

[23] Das letzte online verfügbare Adressbuch Stettins stammt aus dem Jahr 1926.

[24] Er betrieb die Kanzlei zusammen mit den Rechtsanwälten Cron und Rößler, siehe HHStAW 685 328 (Einbanddeckel innen).

[25] Siehe dazu HHStAW 685 330 a (passim).

[26] http://www.gedenkbuch.halle.de/gbdatensatz.php?num=225. (Zugriff: 30.1.2024).

[27] Ebd. (96).

[28] Ebd. 146.

[29] Ebd. (150).

[30] Ebd. (153). Eine solche weiter Tätigkeit nimmt Rönsch dagegen an, da er Altanwalt gewesen sei, hätte er bis 1938 noch tätig sein dürfen. Siehe Faber / Rönsch, Wiesbadens jüdische Juristen, S.  106. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber N. Jacobsohn hatte von diesem „Privileg“ keinen Nutzen gemacht.

[31] 1930 belief sich die Überweisung auf etwas mehr als 20.000 RM, 1930 waren ihm 18.000 RM und 1929 etwa 10.000 RM zugegangen, siehe ebd. (153, 175).

[32] HHStAW 685 329 a (24).

[33] Ebd. (117, 130).

[34] Ebd. (153). Stadtarchiv Wiesbaden WI/3 983.

[35] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 93 Bl. 1703.

[36] Er wurde 1929 in seinem naturwissenschaftlichen Fachgebiet mit einer Arbeit „Über Taktosole“ promoviert, siehe HHStAW 518 17599 (62).

[37] HHStAW 685 328 a (46).

[38] Ebd. (29).

[39] Der Vater hatte von Wiesbaden aus sich bereit erklärt, für etwaige Steuerschulden aufzukommen, wobei es sich aber nur um einen Betrag von 20 RM handelte. Ebd. (33, 34, 46).

[40] Die Erklärung betraf nur die Vermögenssteuer. Kurt Jacobsohn besaß zwei Hypotheken, Forderungen an seine Eltern über etwa 18.000 RM, die durch Grundbucheintrag auf das Haus im Nerotal abgesichert waren. Ebd. (43, 44, 53).

[41] HHStAW 685 328 b (87). Ihr Vorname war Ilona, ihr Mädchenname ist aber nichtbekannt.

[42] HHStAW 427 Wi-WsB-A 427 2 (35).

[43] Ebd., dazu Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 93 Bl. 1703. Der damalige Käufer veräußerte die Immobilie, die durch den Krieg beträchtlich beschädigt war, 1947an einen Bauunternehmer in Wiesbaden, der dann aus der ehemaligen Einfamilienvilla ein Dreifamilienhaus machte. Im Rückerstattungsverfahren wurde letztlich 1951 ein Vergleich getroffen, laut dem der neue Besitzer das Haus behalten durfte, dem Alleinerben Kurt Jacobsohn aber noch eine Ausgleichszahlung von 12.000 DM zu leisten hatte, HHStAW 427 Wi-WsB-A 427 2 (35) (o.P.). Einig war man sich darin, dass es sich bei dem früheren Verkauf um keine schwere Entziehung gehandelt hatte, also kein unmittelbarer Druck durch die Käufer ausgeübt worden war, sondern nur der Druck der Verhältnisse den Verkauf verursacht hatte.

[44] HHStAW 685 329 b (51).

[45] Ebd. (57)

[46] HHStAW 685 330 a (79).

[47] HHStAW 519/3 3652 (1). In der Akte ist eine falsche Adresse des Ehepaars Jacobsohn angegeben, nämlich statt der Lanzstr. 6 ist die Langgasse 6 genannt.

[48] HHStAW 519/3 12774 (1).

[49] HHStAW 685 330 a (o.P.) und HHStAW 685 330 b (1).

[50] HHStAW 519/3 3652 (7).

[51] HHStAW 685 329 c (3).

[52] HHStAW 685 330 (4, 8, 17, 20).

[53] Siehe zu dem gesamten Vorgang der Arisierung HHStAW 519/3 3652 (9, 12).

[54] Zur Zusammensetzung der GbR, siehe HHStAW 685 329 c (5).

[55] HHStAW 519/3 3652

[56] Ebd. (18). Am 2.3.1939 hatte Clara Jacobsohn einem Preis von 155.000 RM zugestimmt, aber offensichtlich konnte sie sich mit diesem Kompromiss nicht durchsetzen, siehe HHStAW 685 329 c (8).

[57] Ebd. (20, 21).

[58] Weichel, Wiesbaden im Bombenkrieg, S. 34.

[59] HHStAW 519/3 3652 (23).

[60] Ebd. (26).

[61] HHStAW 519/2 2101 III (1).

[62] HHStAW 519/3 3652 (27).

[63] Ebd. (33).

[64] Siehe das Schreiben in Bembenek / Ulrich, Widerstand und Verfolgung, S. 301 f.

[65] HHStAW Wi / Wsb./ A 427 Ia (93, 101).

[66] HHStAW 519/3 3652 (42).

[67] Zu dem Transport nach Theresienstadt siehe ausführlich Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 132-167.

[68] https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/3/0/2/49409_ca_object_representations_media_30285_large.jpg. und https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/3/0/1/55100_ca_object_representations_media_30150_large.jpg. (Zugriff: 30.1.2024).

[69] HHStAW 518 17599 (71).

[70] Ebd. (85).

[71] Ebd. (89).

[72] https://patents.google.com/patent/DE2608900A1/de. (Zugriff: 30.1.2024).

[73] https://patents.google.com/patent/DE1544901A1/de. (Zugriff: 30.1.2024).

[74] Heiratsregister Stettin 395 / 1889.

[75] Heiratsregister Altdamm 50 / 1918.

[76] Paul Nathansohn hatte neben Röschen vermutlich noch eine weitere Schwester Helene Ulrike, siehe https://www.geni.com/family-tree/index/6000000183098192851. (Zugriff: 30.1.2024).

[77] Ausführlich schildert Eva Baer, geborene Marcuse, die Tochter von Albert und Philippina Marcuse das Leben in dem Ort Altdamm in einem Interview, das sie 1996 der US-Shoah-Foundation gab. Siehe https://vha.usc.edu/testimony/18680?from=search&seg=5. (Zugriff: 30.1.2024). Auch ihre Schwester Ruth gab 1996 der Shoah-Foundation ein Interview über ihre Kindheit in Altdamm und ihre Flucht aus Deutschland. Siehe https://vha.usc.edu/testimony/18725?from=search&seg=3. (Zugriff: 30.1.2024). Die Interviews sind nur mit einer besonderen Lizenz zu sehen bzw. zu hören.

[78] Der geschändete Friedhof wurde nach dem Krieg mit Wohnhäusern überbaut.

[79] Siehe zur Familie Nathansohn aus Dabie auch https://www.facebook.com/pomorskietowarzystwohistoryczne/posts/d41d8cd9/2709519355738626/. (Zugriff: 30.1.2024)

[80] Dazu allgemein, Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S.S. 33-36 und Reitlinger, Endlösung, S. 45-54. Konkret zu den Ereignissen in Stettin und den umliegenden Ortschaften siehe die Redensammlung anlässlich des Holcaust Gedenktages im Jahr 2010 in Greifswald, Greifswalder Universitätsreden: Die erste Deportation von deutschen Juden vor 70 Jahren aus Pommern. Darin i. B. der Vortrag von Garbe, „Zur Deportation aus dem Regierungsbezirk Stettin im Februar 1940”, S. 15-20. Beeindruckend sind auch die folgenden Berichte von Augenzeugen, von denen allerdings keiner aus den hier angesprochenen Familien stammte. Siehe zu diesem Transport auch https://www.jewishgen.org/databases/Holocaust/0188_Lublin_Stettin.html. (Zugriff: 30.1.2024).

[81] Garbe, Die Deportation der Stettiner Juden, S. 17.

[82] Ebd.

[83] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de934763 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1125883. (Zugriff: 30.1.2024)

[84] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de887735. (Zugriff: 30.1.2024). Dazu https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=3127355. (Zugriff: 30.1.2024). Von Gustav Jacobsohns Frau ist der Mädchenname nicht bekannt. Geboren wurde sie am 16.11.1869.

[85] Allerdings sind die Angaben zu seinem Tod nicht eindeutig. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz nennt als Todesort Lublin, während eine weitere Quelle aus Yad Vashem das Ghetto selbst angibt. Dies erschein plausibler, da Max Jacobsohn vermutlich kaum aus dem Ghetto wieder herauskam, um sich wieder in Lublin aufhalten zu können. Siehe https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de887831 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=9447895&ind=2. (Zugriff: 30.1.2024).

[86] Für Max https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925295, für Martha https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1115716 für Horst https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925309, für Alfons https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925202. (Zugriff: 30.1.2024).

[87] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S.S. 405 f. Für Ellen https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11588712&ind=1 für Ruth https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4119960&ind=1, für Ursula https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11588712&ind=1 und für Lieselotte https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11588676&ind=1. (Zugriff: 30.1.2024).

[88] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=9566982&ind=3 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925201. (Zugriff: 30.1.2024). Die ähnlich klingenden Namen der beiden Ghettos werden leider mmer wieder verwechselt. Falsch ist in jedem Fall die Angabe, er sei am 2.8.1942 in Majdanek ermordet worden, wie in den beiden Quellen ebenfalls als Möglichkeit genannt. Bei Albert Markusa, Nr. 2685 im Totenbuch, handelt es sich eindeutig um eine andere Person, wie schon an den unterschiedlichen Geburtsdaten zu erkennen ist. Für Philippine Marcuse siehe https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=9566988&ind=4 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925220. (Zugriff: 30.1.2024).

[89] Siehe https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925201 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de925220. (Zugriff: 30.1.2024). Siehe dazu das Interview von Ruth Hagedorn mit der USC-Shoah-Foundation im Jahr 1996 https://vha.usc.edu/testimony/18680?from=search&seg=24. Tape 3.

[90] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1850/images/31894_1421012671_0044-00390?pId=450077610. (Zugriff: 30.1.2024)

[91] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/77610:1850. (Zugriff: 30.1.2024).

[92] https://images.findagrave.com/photos/2017/109/115715209_1492692644.jpg. (Zugriff: 30.1.2024).

[93] Siehe dazu im Folgenden ausführlich das Interview, das Eva Marcuse, die später in Montreal in Kanada lebte, 1996 dort gab. Siehe https://vha.usc.edu/testimony/18725?from=search. (Zugriff: 30.1.2024).

[94] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/585773:1850. (Zugriff: 30.1.2024).

[95] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/100876506/person/122496684688/facts. (Zugriff: 30.1.2024).

[96] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/100876506/person/122496684653/facts und https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/100876506/person/122496684688/facts (Zugriff: 30.1.2024)

[97] Über ihr Schicksal gab sie ausführlich Auskunft in einem Interview mit der USC-Shoah-Foundation im Jahr 1996, siehe https://vha.usc.edu/testimony/18680?from=search&seg=24. (Zugriff: 30.1.2024).

[98] Max Lewin war am 31.3.1866 in Tempelburg im heutigen Polen geboren worden. Er konnte mit seiner zweiten Frau nach Argentinien auswandern, wo er am 21.10.1944 verstarb.

[99] Geburtsregister Halle 2006 / 1877.

[100] Heiratsregister Halle 410 / 1900. Im Adressbuch von Halle aus dem Jahr 1935 ist auch ein Hermann Cohnheim eingetragen. Auch Eduard hatte einen Bruder mit diesem Namen, aber es ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um ihn handelt. Der Bruder von Eduard Cohnheim wohnte zuletzt in Leipzig, floh von dort im September 1939  nach Belgien. Dort wurde er nach der deutschen Okkupation gefasst und im südfranzösischen Saint Cyprien interniert und dann am 29.7.1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet. Siehe https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901315. (Zugriff: 30.1.2024)

[101] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/2581875/person/272373178420/facts. (Zugriff: 30.1.2024). Es sind im Stammbaum bei ancestry mit Annie und Ruth zwei weitere Kinder des Paares genannt, aber es ist sehr fraglich, ob es sich tatsächlich um deren Kinder handelt.

[102] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/553233:61531?tid=&pid=&queryId=2ab0cecc-f936-4b72-818b-0ab91c193017&_phsrc=svo2834&_phstart=successSource. (Zugriff: 30.1.2024).

[103] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61704/images/0015_81718943_1?pId=890672. (Zugriff: 30.1.2024).

[104] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/2581875/person/272373232838/facts und https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/2581875/person/272376275672/facts. (Zugriff: 30.1.2024).

[105] Geburtsregister Halle 1128 / 1876.

[106] Heiratsregister Halle 721 / 1913.

[107] Geburtsregister Halle 1054 / 1891.

[108] Im Gedenkbuch der Stadt Halle ist sein Beruf mit Apotheker angegeben. Aber in den Adressbüchern dieser Zeit ist keine Apotheke auffindbar, die einen Theodor Weiß als Inhaber nennt. Nach Auskunft des Stadtarchivs Halle vom 31.1.2024 gibt es auch keinen Hinweis darauf, dass Theodor Weiß Apotheker gewesen war.

[109] https://www.mappingthelives.org/bio/73c0517f-bb66-42e3-b9f8-b7acb585b133. (Zugriff: 30.1.2024)

[110] HHStAW 519/3 3652 (12).

[111] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/Ous_partitions/29/@Maint/ac/el/hc/001.jpg. (Zugriff: 30.1.2024)

[112] Zu diesem Transport siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 211-213.

[113] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de989664 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de989345. (Zugriff: 30.1.2024)

[114] Heiratsregister Halle 71 / 1910.

[115] Geburtsregister Berlin Charlottenburg 121 / 1911.

[116] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/174508535/person/432270129542/facts?_phsrc=svo2888&_phstart=successSource. (Zugriff: 30.1.2024).

[117] Heiratsregister Berlin Charlottenburg I 761 / 1932. Er war am 9.5.1904 in Berlin geboren worden.

[118] https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/131321635?s=Born%20Herbert&t=1075691&p=24

(Zugriff: 30.1.2024).

[119] Ebd.

[120] Geburtsregister Berlin VI 670 / 1904. Die Mutter war im Übrigen auch eine geborene Levy, ob sie mit dem Vater von Ruth verwandt war, wäre zu untersuchen.

[121] Diese Angabe machte ihre Schwester Irmgard auf einer in Yad Vashem eingereichten ‚Page of Testimony’ https://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM///15021148_236_0339/176.jpg. (Zugriff: 30.1.2024)

[122] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1531430, https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01014202/0064/131439762/001.jpg sowie https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=1440867&ind=1. (Zugriff: 30.1.2024). Die Angabe, dass auch Ruths Ehemann in Auschwitz ermordet wurde, stammt von seiner Schwägerin Irmgard Rubin, im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz ist sein Name nicht verzeichnet.

[123] Sie zu diesen Transporten allgemein Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 337 ff, zu dem vom 6.11, ebd. S.342. Auf einer nicht alphabethisch geordneten „Transportliste“ ist auch der Name von Heinrich Levy aufgeführt, eigenartigerweise ist er hier als ledig angegeben, siehe https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/127207486?s=Heinrich%20Levy&t=228858&p=3. (Zugriff: 30.1.2024).

[124] https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/2/1/51167_ca_object_representations_media_42113_large.jpg. (Zugriff: 30.1.2024).

[125] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11574933&ind=1. (Zugriff: 30.1.2024).

[126] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1349662:60423?tid=&pid=&queryId=3dda8a59-052e-4213-822c-b936f390cc2b&_phsrc=svo2882&_phstart=successSource und https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/48313821:8753. (Zugriff: 30.1.2024)

[127] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6789570:60630. (Zugriff: 30.1.2024).

[128] Heiratsregister Breslau 843 / 1904. Sie war die Tochter von Heinrich und Seraphine Riesenfeld, geborene Weiß. Die Eheschließung hatte am 10.10.1904 stattgefunden. Ob es ein verwandtschaftliches Verhältnis der Brautmutter zur Familie des Ehemanns gab, was der Name nahe legt, konnte nicht verifiziert werden.

[129] Geburtsregister Halle 1313 / 1908.

[130] HHStAW 685 329 a (100). Das Vermächtnis war als Grundbucheintrag abgesichert worden.

[131] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/118683797/person/412074399864/facts. (Zugriff: 30.1.2024)

[132] Heiratsregister Halle 345 / 1928.

[133] Leider ist das Datum der Registrierungsunterlagen auf der ersten Seite der Akte an der entscheidenden Stelle zerrissen, aber die letzten Buchstaben der Monatsangabe lauten vermutlich „ober“. Siehe

[134] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/118683797/person/412074399865/facts. (Zugriff: 30.1.2024).