Kaiser-Friedrich-Ring 65


Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Das ehemalige Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 heute
Eigene Aufnahme
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Lage des ehemaligen Judenhauses
Belegung des Judenhauses Kaiser-Friedrich-Ring 65

 

 

 

 

 


Otto und Anna Frank, geborene Scheidt

Auch das Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 65 zählt heute aus künstlerischen und städtebaulichen Gründen zu Wiesbadens Baudenkmälern. Wie bei vielen Gebäuden am Ring besteht die „pittoresk gotisierende Fassade“ aus drei vertikalen Zonen, von denen die mittlere durch ihre besondere Gestaltung betont ist: „Auch hier“ – so die Autoren des Standartwerks über die Kulturdenkmäler in Wiesbaden – „führt der Einfluss des Jugendstils zur Verfremdung der Historismen, teilweise mit dem Ergebnis durchaus originärer Formfindung, wie vor allem im oberen Abschnitt des besonders vielgestaltigen mittigen Altans.“[1] Allein wegen seiner mit roten Ziegeln verblendeten Fassade sticht das vierstöckige Mietshaus aus der Reihe der um die Jahrhundertwende entstandenen übrigen Ringbebauung hervor. Wenn man heute das Innere des Gebäudes, das mit Marmor gestaltete Treppenhaus mit einem wunderschönen Jugendstil-Rankengeländer betritt und vor den repräsentativ gestalteten Wohnungstüren steht, dann ahnt man nicht, welchen Zweck dieses Haus einmal hatte und welche Dramen sich zumindest in einigen der dahinter liegenden Wohnungen Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts abspielten. Noch liegen vor dem Haus auch keine Stolpersteine, die an das Schicksal seiner früheren Bewohner mahnen würden.

Stammbaum der Familien Frank und Scheidt
GDB

Die Immobile, für die 1902 der Bauantrag gestellt worden war, wurde 1906 in das Grundbuch der Stadt Wiesbaden aufgenommen und im Juli 1919 von dem Ehepaar Otto Frank und seiner Frau Anna, geborene Scheidt, erworben.[2] Wie viele andere wohlhabende Bürger versuchten angesichts der wachsenden Nachkriegsinflation vermutlich auch sie eine sichere Anlage für ihr Vermögen zu finden. Otto und Anna Frank gehörten nämlich zu den eher vermögenden jüdischen Einwohnern Wiesbadens, die aber letztlich nahezu alles verloren und durch ihre Flucht nur ihr nacktes Leben retten konnten.

Wenngleich beide Familien, denen das Ehepaar entstammte, nicht zu den alteingesessenen Bürgern der Stadt zählten, so konnten sie dennoch jeweils auf eine lange Familientradition zurückblicken, die zumindest, was die der Franks betrifft, bis weit in das frühe 18. Jahrhundert zurückreicht.

Die Vorfahren von Otto Frank

Die ersten nachweisbaren Vorfahren von Otto Frank waren ein Nathan Frank und dessen Frau Boulen, geborene Wolf, die einen Sohn namens Simon hatten, der, 1744 geboren, am 26. Dezember 1816 in dem kleinen Weinort Osann an der Mosel verstarb.[3] Dieser Simon war zweimal verheiratet. Während in seiner zweiten Ehe drei Kinder geboren wurden,[4] war Nathan Frank, geboren am 10. Juli 1783, vermutlich das einzige Kind aus seiner ersten Ehe mit der 1746 in Ürzig geborenen Gella Israel.
Am 10. Februar 1800 heiratete Nathan Frank in seinem Heimatort die aus Aach bei Trier stammende achtzehjährige Vogel Levy.[5] Sie gebar ihm vier Kinder, starb aber selbst kurz nach der Geburt des letzten Kindes, der Tochter Fanny im Jahr 1812.[6]

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Abraham Israel und Amalie Frank
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Der älteste von insgesamt 13 Nachkommen des Nathan Frank, Abraham Israel, geboren am 15. Dezember 1804 in Osann, wurde das erste prominente Mitglied der Familie. Nach einem mehrjährigen Studium in Bonn wurde er 1835 zum Rabbiner für die Kreise Wittlich und Bernkastel ordiniert. Ende des gleichen Jahres heiratete er Amalie Malkay Isay aus Schweich, mit der er zusammen acht oder sogar zehn Kinder hatte. Nachdem seine Bewerbung zum Oberrabbiner für den Bezirk Trier 1941 gescheitert war, zog er um das Jahr 1844/45 mit seiner Frau und den ersten vier noch in Osann geboren Kindern in das geschäftlich interessantere Wittlich.

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Das spätere Geschäft der Franks in Wittlich
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Dort gründete das Paar ein Textilgeschäft, das so erfolgreich war, dass Abraham Frank sich auch als Geldverleiher betätigen konnte. Aber nicht nur in der bürgerlichen Gemeinde genoss er hohes Ansehen. Die jüdische Gemeinde, deren Rabbi er war, wählte ihn, der sich im aufbrechenden Richtungsstreit innerhalb des Judentums zum konservativ orthodoxen Flügel zählte, zu ihrem Vorsitzenden.[7] Nach der Aussage seines Urenkels Helmuth Friedrich, der ebenfalls Rabbi wurde, führte sein Urgroßvater das bequeme Leben – „the easy life“ – eines Gelehrten, der sich mehr oder weniger den ganzen Tag in seine heiligen Schriften vertiefen konnte, während seine Frau nicht nur die zehn Kinder groß ziehen, sondern als Geschäftsfrau auch den Laden führen musste.[8]
Der älteste Sohn, Simon Frank, geboren am 21. Juni 1836 noch in Osann, war der Vater des späteren Wiesbadener Judenhausbesitzers Otto Frank.[9] Simon Frank hatte am 3. Juli 1865 in Eisenschmitt in der Eifel die von dort stammende Therese Müller geheiratet.[10] Zu dieser Familie, ihre Eltern waren Heyum und Ester Müller Hartmann, geborene Fribourg, scheint es eine enge Bindung gegeben zu haben, denn nicht nur Simon selbst, sondern auch sein jüngerer Bruder Isaak wählte mit Rosalie Müller eine Tochter aus diesem Haus.[11]

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Simon Frank
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Therese Frank, geb. Müller

Wie man aus dem Geburtseintrag von Friedericke, dem ersten Kind von Simon und Therese Frank, erkennen kann, waren die Eltern noch vor der Geburt ihrer insgesamt fünf Kinder in die Moselstadt Trier verzogen, wo Kaufleute sicher bessere Geschäfte machen konnten als in Wittlich, zumal dann, wenn man sich auf den Handel mit Wein, dem wohl einträglichsten Produkt der Region, spezialisiert hatte. Während die Vorfahren in den Akten zumeist allgemein als Handelsleute geführt wurden, ist Simon Frank im Heiratseintrag seines Sohnes Otto im Jahr 1872 als Weinhändler ausgewiesen.[12] Aber auch schon zuvor in Wittlich, wo er noch als Fruchthändler galt, der hauptsächlich die gängigen Produkte der Region anbot, muss er sich von den übrigen Geschäftsleuten durch seine innovativen Aktivitäten abgehoben haben. Als erster soll er Anzeigen in der Wittlicher Lokalpresse geschaltet haben, jeweils im Frühjahr und im Herbst, in denen er die neuesten Errungenschaften der Leipziger Messe feilbot.[13] Gleichwohl – so sein Enkel Helmuth – zählte er sich in religiöser Hinsicht eher zum orthodoxen Judentum. Von seinen Kindern forderte er – allerdings vergeblich -, dass diese ihre eigenen Kinder strenger nach den Geboten der jüdischen Traditionen erziehen sollten.[14]
Nach dem Umzug nach Trier war dem Paar am 22. September 1866 zunächst die Tochter Friedericke geboren worden. Zwar entsprach es sicher den Traditionen, dass ihr späterer Ehemann aus der Familie der Mutter stammte, aber dass deren Bruder Emanuel, somit der Onkel der Braut, ausgewählt wurde, der, geboren am 19. November 1852, zudem immerhin 14 Jahre älter war, ist schon außergewöhnlich.[15] Bekannt ist, dass beiden am 26. Mai 1909 ein Sohn namens Ernst geboren wurde, über dessen Schicksal aber nichts bekannt ist. Seine Eltern verstarben beide noch vor dem Ersten Weltkrieg in Trier.[16]

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Todesanzeige von Meier Weil
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Auch über die andere ältere Schwester von Otto Frank, die am 21. November 1879 geborene Florentine Ida, liegen nur wenige Lebensdaten vor. Sie heiratete am 15. August 1893 in Trier den aus dem saarländischen Merzig stammenden Kaufmann Meier Weil, mit dem sie drei Kinder hatte. [17] Alle drei wurden dort geboren, Mathilde am 7. Juli 1894, Alfred am 30. Dezember 1898 und Friedrich Raphael, dessen Lebensdaten nicht bekannt sind.[18] Der gesamten Familie hätte es beinahe geschafft, die NS-Zeit lebend zu überstehen. Wie ihr das gelang, konnte nicht im Detail geklärt werden. Einzig der Vater, Meier Weil, erlebte das Ende der NS-Zeit nicht mehr. Er verstarb am 28. Januar 1945 im Alter von 82 Jahren in Limoges, im bereits befreiten Frankreich, nur wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation. Dort lebte damals auch seine Witwe und der jüngste Sohn Frederic / Friedrich, über dessen weiteren Lebensweg nichts in Erfahrung gebracht werden konnte. Wann die Familie nach Limoges gelangt war und wie sie die Jahre der Verfolgung überstand, ob sie sich versteckt hielt oder anderweitig beschützt wurde, konnte nicht geklärt werden.
Auf ähnliche Weise muss auch die Tochter Mathilde, verheiratete Vredenburg, in Holland vor dem ihr zugedachten Schicksal bewahrt worden sein.

Herta Weil, Alfred Weil
Herta und Alfred Weil
Die Bilder entstammen ihrem Einbürgerungsantrag

Alfred Weil war mit seiner Frau Herta, geborene Blum, die er am 29. Juli 1928 in Merzig geheiratet hatte, am 18. Mai 1937 mit dem Schiff ‚Normandie’ in New York angekommen. Das Paar hatte zuvor ebenfalls in Frankreich, in Dijon, gewohnt. Ebenfalls auf dem Schiff war ihr siebenjähriger Sohn Paul.[19]

Das Schicksal der übrigen Kinder von Simon und Therese Frank ist – abgesehen von Isidor, dem Zwillingsbruder von Moses Max, der vermutlich bei der Geburt verstarb – auf verschiedene Weise mit der Stadt Wiesbaden verbunden. Das schlimmste Los hatte die jüngste Tochter Johanna, genannt Jenny, zu tragen, denn sie wurde mit ihrem Mann Felix Kaufmann in der Shoa ermordet. 1937 waren beide nach Wiesbaden gezogen, um dort das Haus in der Adolfsallee 30 zu übernehmen, das ursprünglich ihrer Tochter Dorothea und ihrem Ehemann, dem Wiesbadener Juristen Arnold Kahn, gehört hatte. Beide waren 1937 in die USA ausgewandert. Die Hoffnung der Eltern, in der Kurstadt ihren Lebensabend noch in Ruhe verbringen zu können, erwies sich schnell als großer Irrtum. Das Haus in der Adolfsallee wurde Ende 1939 ebenfalls zum Judenhaus erklärt, in dem insgesamt zehn jüdische Bewohner lebten und auf ihre Deportation warteten. Felix Kaufmann und seine Frau Jenny, geborene Frank, wurden am 1. September 1942 nach Theresienstadt verbracht und ermordet.[20]

 

Gebr. Simon, Wiesbden
Briefkopf der Firma ‚Gebr. Simon‘ aus dem Jahr 1936
HHStAW 685 714a (7)

Den beiden Brüdern Moses Max und Israel Otto Frank gelang es dagegen nach schwierigen Jahren der Verfolgung in Wiesbaden mit ihren Familien noch rechtzeitig vor den Deportationen Deutschland zu verlassen. Beide waren nicht nur verwandtschaftlich, sondern auch durch ihr gemeinsames Weinhandelsunternehmen miteinander verbunden. Ursprünglich war es der ältere Max, der diese wirtschaftliche Basis für die beiden aufgebaut hatte. Geboren am 8. August 1869 in Trier hatte er in seiner Schulzeit zuletzt das dortige Kaiser-Wilhelm Gymnasium bis zur Mittleren Reife besucht und anschließend eine kaufmännische Lehre in einer Darmstädter Getreidegroßhandlung absolviert. Nach deren Abschluss war er in die Firma ‚Simon & Co.’ als „Weinreisender“, also als Vertreter, eingetreten.
Die Firma war ursprünglich 1886 als ‚Gebr. Simon’ in Wiesbaden in der Nikolasstraße, der heutigen Bahnhofstraße, von den beiden aus Wehen im Taunus stammenden Brüdern Leon und Louis Simon gegründet worden. 10 Jahre später wurde das Unternehmen neu aufgestellt. Die alte Firma übernahmen damals die beiden Söhne von Louis Simon, nämlich Oskar und Ernst Simon, während Leon Simon die Weinhandelsfirma ‚Simon & Co’ neu gründete.[21]

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Heiratseintrag für Max und Anna Frank, geb. Simon
Heiratsregister Wiesbaden 686 / 1896

Wann genau Max Frank bei ‚Simon & Co.’ angestellt wurde, ist nicht bekannt, aber mit Blick auf seine Biographie müsste es etwa um das Jahr 1890 gewesen sein. Abgesehen von einem Dienstjahr beim Militär, das er wieder in seiner Heimatstadt Trier verbrachte, bekam er von seinem Arbeitgeber auch die Möglichkeit ein Jahr in Belgien zu arbeiten, um dort seine französischen Sprachkenntnisse zu verbessern. Ganz offensichtlich, gab es schon damals im Benelux-Raum besonders gute geschäftliche Beziehungen, die später auch noch weiter ausgebaut wurden.
Am 27. November 1896 heiratete er in Wiesbaden Anna Simon, die älteste, am 5. März 1877 geborene Tochter seines Chefs Leon Simon und dessen Frau Lina, geborene Homburger.[22] Vier Wochen später, am 21. Dezember wurde er dann als Teilhaber in die Firma aufgenommen, die nun den rechtlichen Rahmen einer OHG erhielt. Leon Simon verstarb Ende April 1898,[23] dem Jahr, in dem Max Frank erstmals mit einer eigenen Anschrift, Goethestr. 5 parterre, im Wiesbadener Adressbuch aufgeführt wird. Anna Frank blieb in den folgenden fünf Jahren als stille Teilhaberin in der OHG.
Erst danach wurde Max am 21. November 1903 alleiniger Inhaber der Firma. Damals wechselte er durch seinen Umzug in die Oranienstr. 13 für etwa zwei Jahre auch noch einmal die Wohnung. Am 1. Januar 1904 stieg dann sein jüngerer Bruder Otto als gleichberechtigter Partner und Gesellschafter in die neue OHG ein, an der beide jeweils 50 Prozent der Einlagen hielten.[24] Mit dem Umzug von Otto Frank nach Wiesbaden war auch für Max erneut ein Wohnungswechsel verbunden. Beide Brüder wohnten nun für die folgenden rund zehn Jahre gemeinsam im Haus Rüdesheimer Str. 16, Otto im zweiten, Max im dritten Stock.

Wie sein Bruder hatte auch der am 19. Dezember 1872 in Trier geborene Otto bis zum Abschluss der Mittleren Reife das dortige Gymnasium besucht, war aber anschließend als Lehrling gleich in das Weingeschäft eingestiegen. Seine kaufmännische Ausbildung führte ihn schon damals nach Wiesbaden in die sehr renommierte Weinhandlung ‚Hirsch & Kleemann’, die auch ein eigens Weingut betrieb.[25] Nach Abschluss seiner Lehre kehrte er aber zunächst noch einmal nach Trier zurück, um dort in die Weinhandlung seiner Eltern einzusteigen. Nach Wiesbaden ging er erst zurück, als Max ihn in seine Weinhandlung als Teilhaber aufnahm.[26] Der elterliche Betrieb blieb aber all die Jahre bis zur Aufgabe des Wiesbadener Unternehmens als Dependance erhalten.

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Heiratseintrag für Otto und Anna Frank, geb. Scheidt
Heiratsregister Frankfurt a.M. 2459 / 1904

Derart finanziell abgesichert, konnte Otto Frank noch im gleichen Jahr, am 28. Oktober 1904 in Frankfurt eine Ehe eingehen.[27] Wann und wo er seine Frau Anna, die am 4. Mai 1882 geborene und damit jüngste Tochter von Bernhard und Rosa Scheidt, kennen gelernt hatte, ist nicht bekannt. Aber auch sie stammte aus einer traditionsreichen und betuchten Kaufmannsfamilie, deren Genealogie, ähnlich wie die der Franks, sehr gut erforscht ist, allerdings nicht bis ins 18., sondern bisher nur in das frühe 19. Jahrhundert zurückreicht.[28] Zudem ist auch in deren Familie das Schicksal mehrerer Mitglieder mit der Stadt Wiesbaden verwoben.

 

Die Familie Scheidt

Die ältesten, bekannten Ahnen von Anna Scheidt sind deren Großeltern Salomon und Jeanette Scheidt, geborene Kuhn,[29] die beide aus dem fränkischen Mainstockheim stammten.[30] Salomon Scheidt war dort 1802, seine Frau am 21. August 1804 geboren worden. Das Paar, das am 18. Juli 1833 in Würzburg die Ehe eingegangen war, hatte insgesamt neun Kinder, von denen allerdings das erste vermutlich eine Todgeburt und namenlos war. Von den lebend geborenen war das dritte Kind, der am 27. Januar 1838 geborene Bernhard, von Bedeutung für Wiesbaden, denn es waren mehrere seiner Kinder, die die Verbindung zur Kurstadt im Rheingau herstellten. Wie alle seine Geschwister war auch er in Mainstockheim zur Welt gekommen. Dort verstarb auch sein Vater am 8. Dezember 1871. Nach seinem Tod war die Witwe in das nur wenige Kilometer entfernte Kitzingen verzogen, wo auch einige ihrer Kinder sich inzwischen niedergelassen hatten, unter anderen ihr Sohn Bernhard. Nachdem 1861 Juden im gesamten Königreich Bayern die Niederlassungsfreiheit zugestanden worden war, hatte auch er im März 1862 die Genehmigung erhalten, sich in Kitzingen anzusiedeln und sich dort als Tuchhändler zu betätigen. Ähnlich wie Simon Frank schaltete auch er damals in der Lokalpresse schon Anzeigen, in denen er die neuesten Produkte von der Leipziger Messe bewarb. Er muss so geschäftstüchtig gewesen sein, dass er zusammen mit seinem Bruder Louis ein Bankhaus gründen und wie auch andere aus der Familie in das Finanzzentrum Frankfurt übersiedeln konnte.

Wann Bernhard Scheidt die am 10. November 1843 in Bayreuth geborene Rosa Fechheimer, Tochter von Simon und Mindte Fechheimer, heiratete, ist nicht bekannt. Vermutlich wird es aber nicht allzu lange vor der Geburt ihres ersten Kindes gewesen sein. Jenny kam am 27. April 1864 zur Welt. Sie heiratete später Abraham August Mohrenwitz, mit dem sie sich in Frankfurt, wo auch ihre drei Kinder geboren wurden, niederließ. Nach ihrem Tod im Jahr 1935 zog der Witwer nach Wiesbaden. Seine letzten Wochen verbrachte er im Judenhaus in der Adolfsallee 30. Trotz aller Bemühungen seiner bereits geflohenen Kinder war es diesen nicht gelungen, ihn noch aus Deutschland herauszuholen. Kurz bevor die ersten größeren Deportationen aus Wiesbaden begannen, verstarb er dort am 9. Mai 1942 im Alter von 87 Jahren wahrscheinlich eines natürlichen Todes.[31]

Jennys jüngerer Bruder Moritz, geboren am 10. November 1865, wurde nur wenige Wochen alt. Er verstarb am 13. Januar des folgenden Jahres.

Die danach am 9. Januar 1867 geborene Tochter Minna gehörte zu den Kindern von Bernhard und Rosa Scheidt, die unmittelbar Opfer der Shoa wurden. Auch sie hatte zuletzt in Frankfurt gelebt, nachdem sie schon mit nicht einmal 30 Jahren zur Witwe geworden war. Ihr Ehemann, der um 1862 in Darmstadt geborene Bankier Isaak Kahn war am 5. April 1896 in seiner Geburtsstadt verstorben,[32] sodass die Mutter ihre beiden noch sehr kleinen Töchter alleine aufziehen musste. Frieda Leontine war am 3. Mai 1891 und Paula Helene am 26. Mai des folgenden Jahres geboren worden.[33]
Über das Leben der Mutter mit ihren beiden Kindern ist nur wenig bekannt. Frieda heiratete am 29. April 1911 in Frankfurt den dort ansässigen Kaufmann Sally Wolf.[34] Sowohl die Familie Wolf, als auch Minna Kahn wohnten zu diesem Zeitpunkt bereits in Frankfurt. Minna Kahns jüngere Tochter Paula ehelichte am 7. März 1918 ebenfalls in Frankfurt den am 21. November 1885 in Darmstadt geborenen Julius Kassel.[35] Auch er war von Beruf Kaufmann.
Während die Mutter die Zeit der Verfolgung in Frankfurt blieb, konnten die beiden Töchter mit ihren Ehemännern rechtzeitig das Land verlassen und auf Umwegen die Vereinigten Staaten erreichen.

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Emigration von Sally und Frieda Wolf
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Der Fluchtweg von Frieda und Sally Wolf ist nicht mehr genau zu rekonstruieren, aber es muss schon ein sehr schwieriger und gefahrvoller Weg gewesen sein, bevor sie sich am 31. Mai 1941 von Lissabon aus auf dem Schiff ‚Excambio’ auf den Weg nach New York machten, wo sie am 9. Juni ankamen.[36] Als Ziel hatten sie die Adresse ihrer Tochter Lotte in St. Louis angeben, die dort mit Ludwig Marx verheiratet war und mit dessen Schwester Line dort zusammen lebte.[37]

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Das Grab von Frieda und Sally Wolf in St. Louis
https://de.findagrave.com/memorial/98896439/sally-wolf

Auch Frieda und Sally Wolf ließen sich für die folgenden ihnen noch verbleibenden Jahren in der Hauptstadt von Missouri nieder, wo Sally schon am 31. Januar 1949, seine Frau zehn Jahre später am 27. Mai 1959 verstarben.[38]

 

Paula und ihr Mann Julius Kassel hatten sich vor ihrer Überfahrt in die USA zunächst in England aufgehalten. Schon im November 1939 erhielten sie als ‚enemy aliens’ den Bescheid, von einer Internierung verschont zu bleiben.[39] Einen Monat später bestiegen sie in Southampton die ‚Pennland’ der ‚Holland-American-Line’, um in die USA zu gelangen. Mit ihnen reiste auch ihre siebzehnjährige Tochter Ilse Betty, die am 16. April 1922 noch in Frankfurt geboren worden war und noch eine Ausbildung als Schwester absolviert hatte. Die Familie blieb in den folgenden Jahren in Chicago, wo ihnen ein Cousin aus der Familie Fechheimer, der Familie der Großmutter, als Anlaufpunkt diente.[40] Später zog sie dann nach Los Angeles in Kalifornien.[41]

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Einbürgerungsantrag von Paula Kassel, geb. Scheidt
https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61196/images/007786459_01743?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=451556729
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Einbürgerungsantrag von Julius Kassel
https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61196/images/007786459_01739?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=451556729

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paula war diejenige, die 1955 den Antrag auf Entschädigung für ihre Mutter Minna einreichte, die alleine in Frankfurt zurückgeblieben war.[42] Allerdings gab es nicht viel Materielles, was zu entschädigen war und alles andere konnte nicht entschädigt werden.

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Erstattung des nicht verwendeten Tickets in die Freiheit
HHStAW 519/3 3294 (4)

Vielleicht hatte Minna Kahn sogar noch versucht selbst aus Deutschland herauszukommen und in Amerika auf ihre Töchter zu treffen. Zumindest legt eine kleine Notiz in ihrer Devisenakte diese Vermutung nahe. Dort heißt es: „Gegen die Überweisung des umstehend [?] genannten Betrages für nicht benutzte Passage auf Ihr b.w.S. [?] = Konto bestehen keine Bedenken. Diese Verfügung gilt als Freigabenachweis gegenüber der Hamburg-Amerika-Linie.“ Datiert ist diese Notiz mit dem 20. September 1940.[43] Ob das Schiff nicht fuhr, ob das Visum ungültig geworden war oder auf einmal – wie so oft – eine andere bürokratische Hürde auftauchte, die den Weg in die Freiheit verschloss, ist nicht bekannt. Minna Kahn blieb in Frankfurt, wo sie zuletzt in der Eschersheimer Landstr. 20 wohnte.

In den letzten Jahren lebte sie von einer schmalen Rente, monatlich 100 RM, die ihr halbjährlich in zwei Raten ausgezahlt wurde. Zusätzlich erhielt sie von ihrer Schwester in der Schweiz monatlich 100 RM. Zwar ist deren Namen in dem Dokument nicht genannt, aber es muss sich dabei um ihre jüngere Schwester Emma gehandelt haben.[44] Auch besaß Minna Kahn noch zwei kleine Sparkonten in Höhe von insgesamt rund 1.300 RM.[45] Obwohl sie ihren finanziellen Bedarf für den monatlichen Lebensunterhalt im Oktober 1940 mit 280 RM angegeben hatte, wurde ihr nur ein Freibetrag von 200 RM zugestanden.[46] Auch als die Devisenstelle im April 1942 erneut über ihre finanzielle Lage unterrichtet werden wollte, gab sie auf der Habenseite nahezu die gleichen Zahlen an. Nur ihre Ausgaben hatte sie auf die des Freibetrags reduziert, der in der bisherigen Höhe auch beibehalten wurde.[47]

Als im Entschädigungsverfahren die Frankfurt Sparkasse, bei der Minna Kahn ihr Sparkonto geführt hatte, um Auskunft über die dortigen Kontenbewegungen gefragt wurde, schrieb diese zurück, dass man „keine auffälligen Bewegungen“ habe feststellen können. Insbesondere seien keine „Judenabgaben“ (!) davon abgeführt worden. Davon war Minna Kahn tatsächlich nicht betroffen gewesen, da ihr Vermögen unter dem festgelegten Limit von 5.000 RM gelegen hatte. Es gibt nur zwei Überweisungen, die allerdings vorgenommen wurden, als die Eigentümerin des Kontos schon nicht mehr in Frankfurt oder Deutschland lebte. Sie lebte zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr. Mit dem Transport vom 1. September 1942, dem auch mehrere Hundert Wiesbadener Jüdinnen und Juden zugeordnet waren, wurde Minna Kahn nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte das Ghetto nur zwei Wochen. Am 14. September starb sie dort laut Todesfallanzeige an einer Nierenentzündung.[48]

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Todesfallanzeige für Minna Kahn, geb. Scheidt aus Theresienstadt
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Exakt an ihrem Todestag wurden 1.848, 14 RM von ihrem Konto an die Jüdische Kultusgemeinde überwiesen, im März des folgenden Jahres auch das Restguthaben ihres Kontos von 344 RM. Hier ist zumindest ein Buchungsanlass genannt. Angeblich sollte mit dem Geld ein Heimeinkaufsvertrag in Theresienstadt bezahlt worden sein.[49] Dass das eher für den ersten größeren Betrag zutreffen könnte, nicht aber für den zweiten, ist letztlich gleichgültig. Keiner, der einen solchen Vertrag im guten Glauben geschlossen hatte, kam in Theresienstadt in den Genuss der versprochenen Leistungen.

 

 

Eine völlig andere Lebensgeschichte – er wird von Heinz and Thea Ruth Skyte als „black sheep of the family“ bezeichnet –[50] ist mit dem am 10. September 1868 geborenen Sohn von Bernhard und Rosa Scheidt, der den Namen Julius trug, verbunden. Er hatte 1902 die Bankierstochter Miriam Frank geheiratet und das Bankhaus des Vaters nach dessen Wegzug von Kitzingen übernommen. Als wegen Veruntreuung von erheblichen Einlagen gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden, setzte er sich – vermutlich – nach Argentinien ab und blieb somit immerhin von der rassistischen Verfolgung in Europa verschont. Wie sein weiteres Leben in Südamerika verlief, ist nicht bekannt. Sein Vater Bernhard kam für den angerichteten Schaden auf, auch um den guten Namen der Familie zu rehabilitieren.

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Familienblatt der Familie Kaufmann
Stadtarchiv Mannheim

Mehr Informationen ließen sich über Julius’ jüngerer Schwester Luise Scheidt bzw. über das Schicksal von deren Nachkommen finden. Die am 31. Juli 1871 in Kitzingen Geborene, hatte die Zeit des Nationalsozialismus selbst nicht mehr erlebt. Sie war mit dem aus Ladenburg stammenden Handelsmann Abraham Kaufmann verheiratet und mit ihm 1892 nach Mannheim verzogen, wo auch die beiden Kinder Frieda, genannt Friedel, und Hugo Max zur Welt kamen.[51]
Abraham Kaufmann war nur 44 Jahre alt geworden und 1905 in seiner Geburtsstadt Ladenburg verstorben. Daraufhin war seine Witwe wieder nach Frankfurt gezogen, wo viele andere Verwandte aus der Familie Scheidt lebten. Zwar fast zehn Jahre später als ihr Mann, verstarb aber auch sie dort noch recht jung am 19.Februar 1918 im Alter von nur 46 Jahren.[52]
Auch ihre Tochter Friedel und deren zukünftiger aus Bad Ems stammender Ehemann Louis Oppenheimer wohnten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in Frankfurt. Am 15. Juni 1914 hatten sie dort die Ehe geschlossen.[53] Im folgenden Jahr, am 20. März 1915, war ihr Sohn Alfred Siegfried, am 15. August 1919 ihre Tochter Lora geboren worden, die später in den USA den Namen Eleanor annahm.[54]

Louis, Frieda, Alfred und Lora Oppenheimer 1937 in Frankfurt

Louis Oppenheimer war ein sehr erfolgreicher Kaufmann in der Textilbranche. Er versorgte die Schneider mit Stoffen und anderen Materialien, besuchte die verschiedenen Messen und hatte auch Beziehungen zur Modemetropole Paris, Beziehungen, die später noch sehr von Nutzen sein sollten.
Der Machtantritt der Nazis wurde in der Familie zunächst nicht sehr ernst genommen, mehr als drei Monate gab man dem schreienden und polternden „Führer“ nicht. Zwar vergingen drei Monate und immer wieder drei Monate, ohne dass Hitler verschwand, aber – zumindest in der Wahrnehmung von Lora Oppenheimer – veränderte sich bis 1938 nur wenig in ihrem Alltagsleben in Frankfurt. Es seien die Beamten, Mediziner und Rechtsanwälte und dergleichen Berufe von den Einschränkungen betroffen gewesen, nicht aber die Händler. Noch konnte sie die Höhere Schule besuchen, ihren Beruf als Näherin erlernen und ihr Bruder durfte studieren. Allmählich aber wurde die wachsende Gefahr auch von Louis Oppenheimer erkannt, immer wieder hörte er zum Erschrecken seiner Tochter illegal russische Sender ab, um etwas über die tatsächlichen Vorgänge in Deutschland zu erfahren.

Hugo Oppenheimer
https://photos.geni.com/p13/17/2f/7c/32/5344485e26727b53/hugo_large.jpg
Hugo Oppenheimer, Helga Oppenheimer Siemon, Yvonne Oppenheimer
‚Page of Testimony‘ für Helga Kaufmann in Yad Vashem

Friedas Bruder Hugo Max, der damals in Berlin lebte und dort am 25. Juni 1937 Helga Simon geheiratet hatte, war noch im selben Jahr aus Deutschland emigriert und über Lissabon in die USA eingereist.[55] Seine am 3. April des folgenden Jahres geborene Tochter Yvonne hat er nie kennen gelernt. Eleanor Morris meinte, die Frau ihres Onkels habe nicht auswandern wollen, weil sie ihre Eltern nicht habe alleine lassen wollen. Helga Kaufmann gehört deshalb mit ihrer 4jährigen Tochter zu den Opfern des Holocaust. Sie wurden am 3. Februar 1943 mit dem 28sten Transport von Berlin aus mit dem Zug Da 15 nach Auschwitz deportiert und ermordet.[56]

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Ausreise von Alfred Oppenheimer 1937
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Der erste, der in der Familie die Zeichen der Zeit richtig deutete, war Alfred Siegfried. Er verließ Deutschland bereits im Juni 1937. Die ‚Aquitania’ brachte ihn am 29. von Cherbourg aus nach New York.

Schon im Vorfeld des 10. November 1938 habe man in Frankfurt gespürt – so Eleanor Morris -, dass sich etwas zusammenbraute. Louis Oppenheimer, der sich gerade wieder einmal geschäftlich in Paris aufhielt, sei trotz Warnungen zurückgekommen, um die Familie in dieser Situation nicht alleine zu lassen. In der Nacht sei dann zwar ihr Geschäft, weil es im ersten Stock lag, unbehelligt geblieben, aber ihr Vater sei wie viele tausend andere Juden verhaftet und nach Buchenwald verbracht worden. Erst später offenbarte er seiner Tochter, was er dort zu erleiden gehabt hatte: Ständige Schläge, stundenlanges Sitzen auf spitzen Steinen, die Kleidung, von Schweiß und Blut durchtränkt habe er vier Wochen nicht wechseln können, sodass sie bei seiner Entlassung fest am Körper klebte. Als man ihn Mitte Dezember 1938 entließ, damit er sein Geschäft ordnungsgemäß liquidieren konnte, wurde er von seiner Tochter zunächst nicht erkannt, so sehr hatten ihn die vier Wochen verändert.

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Eleanor Oppenheimers Passbild auf ihrem Einbürgerungsantrag
https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61200/images/47293_302022005448_1957-00689?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=81850

Nach dem Novemberpogrom galt die Sorge der Eltern zuallererst Lora, die von ihrer Mutter im März 1939 zunächst an die Grenze bei Straßburg gebracht wurde, von wo sie dann mit dem Zug weiter nach Paris zu Geschäftsfreunden ihres Vaters fuhr. Eine Woche später bestieg sie in Le Harve das Schiff ‚President Harding’ und erreichte noch im selben Monat die USA, wo ihr Bruder sie im New Yorker Hafen abholte.[57]

Die Eltern konnten im Mai 1939 dann zunächst nach England ausreisen, aber erst 1941 erhielten sie die Erlaubnis zur Einreise in die USA, wo die Familie dann wieder zusammenfand. Eine Erfahrung, die wohl für viele Familien gültig ist, deren Kinder, wie üblich, vor ihren Eltern in die Neue Welt gekommen waren, erwähnt auch Eleanor Morris. Innerhalb weniger Jahre oder sogar Monate fand faktisch ein Rollentausch statt. Es waren jetzt die Kinder, die den Eltern die ganz andere, eben neue Welt erklären mussten, ihnen helfen mussten sich im Alltag zurechtzufinden und sich zu verständigen.

Friedel Oppenheimer
Das Grab von Friedel Oppenheimer, geb. Scheid, in Rosedale, Maryland
https://images.findagrave.com/photos250/photos/2011/178/35865428_130930087760.jpg

Es ist zwar nicht bekannt, woran Eleanors Vater Louis Oppenheim starb, aber die Frage, ob sein schneller Tod nach der Einwanderung in die USA am 1. Januar 1942 nicht auch eine Flucht aus dieser für ihn fremden Welt war, ist zumindest berechtigt.[58] Seine Frau Friedel Oppenheimer, geborene Kaufmann, verstarb am 25. Juli 1967.[59]
Eleanor Oppenheimer heiratete 1946 den in Baltimore Maryland, geborenen Moses Morris. Ihr gemeinsamer Sohn Ralph Leonard, geboren am 4. Februar 1951 in Baltimore verstarb dort am 6. Dezember 2005. Sein Vater war nur wenige Monate zuvor am 7. Februar 2005 im Alter von 87 Jahren, seine Mutter im gleichen Alter im folgenden Jahr am 8. Oktober verstorben.[60] Beide hatten im Rahmen des Besuchsprogramms, das die Stadt Frankfurt für ehemalige jüdische Bewohner veranstaltete, Deutschland noch einmal besucht. Es war anders als für viele andere, für sie kein freudiges Wiedersehen, sondern eine sehr bedrückende Erfahrung. Auf die Frage, welche Absicht die Stadt Frankfurt mit dieser Einladung wohl verfolgt hätte, antwortete sie „They wantet to show the nice people they are now.“[61]

Emma Essinger, Rolf Essinger, Julius Essinger
Essinger im Stuttgarter Adressbuch von 1930

Emma, geboren am 6. Januar 1874 war die drittjüngste Tochter von Bernhard und Rosa Scheidt. Sie heiratete 1895 den Stuttgarter Julius Essinger, Inhaber der Firma ‚Gebr. Essinger’, einem alteingesessenen Geschäft für Seidenwaren und Bänder. Julius Essinger hatte das Geschäft zunächst zusammen mit seinem Bruder Arthur geführt, dieser war allerdings bereits 1901 aus dem Unternehmen ausgeschieden.[62]
Nach der Heirat wurden dem Paar drei Kinder geboren, zunächst am 1. September 1899 der Sohn Rolf, am 17. März 1902 ein weiterer Sohn Otto und zuletzt noch die Tochter Anna.[63] Rolf, vermutlich auch die anderen Geschwister, erhielten eine gymnasiale Ausbildung, sodass er, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in dem er als Soldat Kriegsdienst leistete, 1918 ein Studium der Medizin aufnehmen konnte, das er 1923 mit einer Promotion abschloss.

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Rolf Essinger

Nicht klar ist, wieso er aber dann 1926 in den väterlichen Betrieb einstieg.[64] Möglicherweise ist der Grund darin zu suchen, dass der Vater schon damals erkrankt war und seine berufliche Tätigkeit reduzieren musste. Julius Essinger verstarb am 23. Oktober 1932 in Stuttgart.[65] Im Jahr 1926 hatte Rolf Essinger nicht nur seine berufliche Zukunft neu ausgerichtet, er ging im gleichen Jahr auch eine Ehe mit Hilde Levi ein.[66] Formal leitete nach dem Tod ihres Mannes Emma Essinger die Firma als Alleininhaberin, aber ihr Sohn Rolf, seit Januar 1933 mit Prokura ausgestattet, übernahm vermutlich das eigentliche Tagesgeschäft. Vielleicht hatte die reichsweite Boykottaktion der Nazis Anfang April 1933 die Familie veranlasst, noch im selben Monat Deutschland zu verlassen und sich in der Schweiz niederzulassen. Die Mutter Emma und Rolf blieben in Vevey, Otto in Basel. Allerdings war ein Otto Essinger 1939 von der Schweiz aus nach Australien gereist, vielleicht um eine Lebens- und Berufsperspektive dort zu erkunden. Es liegt nahe, dass es sich hierbei um den zweiten Sohn von Emma Essinger handelte, zumindest stimmt das Alter mit dem ihres Sohnes überein.[67] Nach Kriegsende war er 1946 aber wieder nach Europa zurückgekehrt. Als Ziel hatte er damals Vevey angegeben, den Wohnort seiner Mutter.[68] Rolf Essinger hatte bereits 1935 für sich und seine Familie die Schweizer Staatsangehörigkeit erworben.

Der Mutter und ihren beiden Söhnen war es somit durch ihre frühzeitige Flucht gelungen, die Zeit der NS-Diktatur zu überleben. Emma Essinger verstarb 1947 in ihrem schweizer Exil. Ihr Sohn Rolf verlor am 20. Mai 1960 sein Leben durch einen tragischen Autounfall. Otto Essinger hatte sich nach seiner Rückkehr aus Australien wohl dauerhaft in der Schweiz niedergelassen, denn während der Entschädigungsverfahren für seinen Onkel Siegmund Scheidt lebte er noch immer dort im Kanton Waadt.[69]

Dieses Entschädigungsverfahren für Siegmund Scheidt war im März 1958 von dessen Neffen Dr. Stefan Mohrenwitz, einem Sohn von August und Jenny Mohrenwitz, geborene Scheidt, im Namen aller erbberechtigten Verwandten angestrengt worden.[70] Der am 25. April 1881 in Kitzingen geborene Siegmund Scheidt war ledig geblieben und hatte selbst keine Kinder. Seit 1910 wohnte er laut Adressbuch in Frankfurt a. M. im Gärtnerweg. 6, zusammen mit seinen Eltern Bernhard und Rosa Scheidt. Beide verstarben in dieser Wohnung, sein Vater am 24. Mai 1912, seine Mutter zwölf Jahre später am 1. April 1925.[71]

Siegmund Scheidt im Frankfurter Adressbuch von 1910

Siegmund Scheidt verdiente seinen Lebensunterhalt ähnlich wie Louis Oppenheimer als Handelsvertreter für Stoffe, im Besonderen für Futterstoffe von Kleidung.[72] Bereits 1935 hatte der vierundfünfzigjährige Siegmund Scheidt in seiner Steuererklärung angegeben, Kleinrentner zu sein und kein Erwerbseinkommen mehr zu beziehen. Der Grund dafür ist vermutlich nicht primär in dem beginnenden Boykott jüdischer Händler, sondern in seiner Erkrankung, dem Grünen Star, zu suchen, der ihn schon sehr früh allmählich erblinden ließ.[73]
In den Jahren zuvor muss er aber einen recht guten Verdienst gehabt haben, wie ein Zeuge im Entschädigungsverfahren angab. Sein Jahreseinkommen soll um die 5.000 RM betragen haben. Da er keine Familie zu ernähren hatte, habe er sich sogar ein Rennpferd leisten können.[74] Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten und der fortschreitenden Krankheit musste er aber mit weit weniger Geld, nämlich mit rund 1.000 RM im Jahr auskommen.[75] Und dabei handelte es vermutlich weitgehend um die Erträge, die sein kleines Vermögen von etwas mehr als 12.000 RM abwarf, angelegt in Wertpapieren.[76] Diese waren es dann auch, die die Aufmerksamkeit der Devisenstelle erregt hatten. Am 16. Januar 1940 war eine Sicherungsanordnung gegen ihn erlassen worden, die ihm nur noch die Verfügung über 250 RM pro Monat zubilligte.[77] Zu diesem Zeitpunkt war sein kleines Vermögen durch die Zwangsabgabe, der sogenannten Sühneleistung, zu der er mit 800 RM pro Rate herangezogen worden war,[78] schon erheblich geschrumpft. Die Bitte, ihm die zusätzliche 5. Rate wegen seiner Erkrankung zu erlassen, wurde ihm verweigert.

Siegmund Scheidt gehörte zu den mehr als 1000 Juden, die am 19. Oktober 1941 mit dem ersten großen Transport von Frankfurt aus deportiert wurden. An diesem Sonntagmorgen zwischen 6 und 7 Uhr klopften etwa 700 NSDAP-Parteigenosen mit Unterstützung von 250 zu Hilfspolizisten ernannten SA-Männern an die Türen der willkürlich ausgewählten jüdischen Familien und überreichten ihnen die folgende Aufforderung der Gestapo: Es wird Ihnen hiermit eröffnet, daß sie innerhalb von 2 Stunden Ihre Wohnung zu verlassen haben. Die beauftragten Beamten sind gehalten, bis Sie Ihre Koffer gepackt und Ihre Wohnung ordnungsgemäß hergerichtet haben, bei Ihnen zu bleiben und Sie alsdann zum Sammelplatz zu bringen (…). Außerdem haben Sie sich selbst ein Schild um den Hals zu hängen, auf dem Ihr Name und Geburtstag angegeben sind, sowie Kennummer.[79] Zudem hatten sie eine Vermögenserklärung abzugeben, damit dieses nach der vollzogenen Deportation von den Finanzbehörden zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen werden konnte. Bei Siegmund Scheidt waren das genau 2.778,91 RM, die der Fiskus als Restguthaben auf das eigene Konto überschrieb.[80]

Deportationen Frankkfurt, Hedwig Loeb, Dora Hirschbrand, Judenhaus Wiesbaden
Die Großmarkthalle in Frankfurt – Ort der organisierten „Judenevakuierung“
HHStAW 461 30983 (160)

Anschließend wurden die Menschen in einer Kolonne durch die Stadt in Richtung Großmarkthalle getrieben, die wegen ihres Gleisanschlusses und der im Keller vorhanden Räumlichkeiten als geeignete Sammelstation ausgewählt worden war. Dort fanden auf brutalste Weise – es gab schon dort die ersten Toten – die letzten Durchsuchungen der Personen und ihres Gepäcks statt, Listen wurden angelegt, Bargeld abgenommen usw. – in jedem Fall boten sich viele Möglichkeiten die Opfer zu demütigen und zu drangsalieren. Am frühen Morgen des folgenden Tages mussten sie in die Abteile eines Personenzuges einsteigen, der sie über Berlin und Posen in das Ghetto Lodz bzw. Litzmannstadt brachte, wo der Zug am 22. Oktober in den Bahnhof einlief.

Ghetto Lodz / Litzmannstadt

Etwa 160.000 Menschen waren zu dieser Zeit im dortigen Ghetto unter schlimmsten Bedingungen zusammengepfercht. Sie litten unter Kälte und Unterernährung. Schon in den ersten Monaten waren von dem Frankfurter Transport 200 verstorben, verhungert, erfroren oder sie hatten als letzten Ausweg den Freitod gewählt. Mitte April entschied die Leitung, das Ghetto von Arbeitsunfähigen zu räumen und diese in das Vernichtungslager Chelmo zu überführen, um Platz für Neuankömmlinge zu schaffen. Diese Transporte begannen am 12. Mai 1942. Siegmund Scheidt hatte zwar den schlimmen Winter überlebt, war aber dann am 1. Mai 1942 doch ums Leben gekommen,[81] noch bevor die Räumungstransporte das Ghetto dezimierten. Auf welche Weise er den Tod fand, ist nicht bekannt.

Etwa drei Jahre nach Emma war am 23. März 1877 ihre Schwester Bertha geboren worden. Auch sie wurde ein Opfer des Holocaust, allerdings entzog sie sich zwei Tage vor der anberaumten Deportation durch ihre Flucht in den Tod am 8. Juni 1942 dem ihr von den Nazis zugedachten Leidensweg. Nach dem Tod ihres Mannes David war Bertha Blütenthal zunächst zu ihrer Schwester Anna und deren Mann Otto Frank in den Kaiser-Friedrich-Ring 65 gezogen, bevor sie dann mit diesen zusammen in das Judenhaus in der Grillparzerstr. 9 umquartiert wurde. Ihre Schwester und ihr Schwager kamen noch aus Deutschland heraus, sie selbst blieb noch länger als ein Jahr in dem Haus. Als sie Anfang Juni 1942 die Aufforderung erhielt, sich für die „Evakuierung“ bereitzuhalten, suchte sie sich einen eigenen Weg, um ihr Leben zu beenden.[82]

Die bereits erwähnte Anna, die jüngste Tochter von Salomon und Jeannette Scheidt, war diejenige, die durch ihre Ehe mit dem ebenfalls schon erwähnten Otto Frank die Beziehungen der Familie Scheidt nach Wiesbaden um eine weitere ergänzte.

 

Max und Otto Frank und ihre Familien.

In den Ehen der beiden Brüder Max und Otto Frank kamen jeweils zwei Kinder zur Welt. Anna Frank, die Ehefrau von Max, gebar am 27. November 1897 zunächst den Sohn Peter Kurt, gut zwei Jahre später, am 26. Februar 1900 noch die Tochter Leonie.[83] Die andere Anna Frank, die Frau von Otto Frank, zur Unterscheidung auch Annie genannt, wurde am 13. Juli 1905 durch die Geburt von Edith Margot erstmals Mutter. Der Sohn Helmuth Friedrich kam fast sieben Jahre später am 15. April 1912 zur Welt.[84]

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Das Haus von Max Frank in der Gustav-Freytag-Str. 1
Eigene Aufnahme

Nach dem Ersten Weltkrieg erwarben die beiden Familien jeweils eigene Häuser in Wiesbaden, in die sie auch selbst einzogen. Max Frank kaufte das Villengrundstück Gustav-Freytag Str. 1 seitlich der Bierstädter Straße und bezog am 30. September 1919 dort die erste Etage.[85] Sein Bruder erwarb damals das Haus am Kaiser-Friedrich-Ring 65, das später zum Judenhaus erklärt wurde. Es ist zwar nicht bekannt, wie viel die Brüder jeweils bezahlen mussten, aber der Einheitswert des Hauses Kaiser-Friedrich-Ring wurde 1935 auf 38.500 RM, sein Verkehrswert sogar auf 58.000 RM geschätzt.[86] Beim Villengrundstück Gustav-Freytag-Straße war allein der Einheitswert von 23.200 RM im Jahr 1935 auf 51.000 RM im Jahr 1937 angehoben worden.[87]

Der Erwerb der beiden Immobilien in den ersten Krisenjahren der Republik, in der alle unter der wachsenden Geldentwertung litten, zeigt zum einen, dass man in den Jahren zuvor eine hinreichende Summe Kapitals hatte akkumulieren können, er zeigt aber auch den Geschäftssinn der beiden, die offensichtlich wussten, wie man sein Vermögen am sichersten über diese schwierige Zeit retten konnte, ohne größere Verluste zu erleiden.

Neben den Privathäusern gehörte den beiden Brüdern seit etwa 1910 auch das Haus in der Rheinstraße 38.[88] Während im Hinterhaus die Geschäfts- und Lagerräume der Firma lagen, waren die Wohnungen im Vorderhaus vermietet, u. a. an das amerikanische Konsulat.

Einen Einblick in das innere Leben der beiden Familien gewähren die Entschädigungsakten nicht, auch das Interview mit Rabbi Frank offenbart nur wenig über das Familienleben selbst. Im Hinblick auf die jüdische Identität scheinen die Franks sehr typisch für die eher wohlhabenden und wirtschaftlich integrierten Wiesbadener Juden gewesen zu sein. Man verkehrte gesellschaftlich eigentlich nur mit Juden, man blieb unter sich und versuchte als assimilierter Jude so wenig wie möglich die religiösen Wurzeln eigener Identität offen zu zeigen.[89] Die kollektive historische Erfahrung hatte eine zweite Natur hervorgebracht, die allemal Vorsicht und Zurückhaltung gebot.

Die Synagoge am Michelsberg
Stadtarchiv Wiesbaden

Natürlich war man Mitglied der Gemeinde, nicht der orthodoxen in der Friedrichstraße, sondern der eher liberalen am Michelsberg, deren Synagoge aber eher an den hohen Feiertagen besucht wurde. Über die diversen Organisationen und Vereine leisteten die Franks auch ihren finanziellen Beitrag zum Gemeindeleben. Im Hinblick auf die späteren Jahre liefert das von der Kreisleitung der NSDAP 1935 herausgegebene Jüdische Adressbuch zumindest vage Hinweise, in welcher Weise man sich dort engagierte. So waren die Männer Mitglieder im Jüdischen Lehrhaus. Otto Frank unterstützte noch den Hilfsverein der Juden in Deutschland und auch den Waisenhausverein, Max Frank den Verein zur Gründung eines jüdischen Krankenhauses. Auch ihre Ehefrauen engagierten sich in einigen sozialen Einrichtungen der Gemeinde, etwa in der Palästinaarbeit oder der Vereinigung jüdischer Frauen. Aber grundsätzlich – so Helmuth Friedrich Frank – war man zuerst Deutscher und in zweiter Linie erst Jude. Er habe, wie er in dem Interview sagte, unter der mangelnden Spiritualität oder Indifferenz in seinem Elternhaus immer gelitten. Für ihn wurden diesbezüglich daher nicht der Vater, sondern der Groß- und Urgroßvater zum Vorbild.[90] Diese Einschätzung mag gerade aus der Perspektive eines späteren Rabbis zutreffend sein, dennoch wurden auch im Haus der Franks religiöse Traditionen gepflegt und gelebt, die nachdrückliche Wirkungen hinterließen. So berichtet Klaus / Claude Springer, ein Enkel von Otto und Anna Frank, dass sie am Schabbat sich immer mit der Familie des Onkels bei den Großeltern in deren Haus am Kaiser-Friedrich-Ring getroffen, gebetet und gemeinsam bei Kerzenschein das Abendessen eingenommen hätten. Beeindruckend sei für in als Kind gewesen, wenn der Großvater ihm anschließend die Hand auf den Kopf gelegt und den Segen in hebräischer Sprache gesprochen habe.[91]
Möglicherweise trifft die angeblich eher distanzierte Haltung der Franks zum religiösen und politischen Judentum schon gar nicht für Leonie Frank, der Tochter von Max und Anna Frank, zu. Sie heiratete später Alfred Landsberg, einen der engagiertesten Vertreter des Zionismus in Wiesbaden.

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Briefkopf der Firma ‚Simon & Co.‘ aus dem Jahr 1929
HHStAW 685 714a (47)

Für das Geschäft war das unscheinbare Jüdischsein ganz sicher von Vorteil. Allein aus der Anhäufung beträchtlicher Vermögenswerte kann man schließen, wie gut sich die Firma in der Zeit des Kaiserreichs entwickelt hatte. Steuerakten aus den Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg liegen leider nicht mehr vor, aber immerhin zeigen die noch vorhandenen Zahlen aus den Jahren der Republik, dass die Firma trotz der diversen Krisen bis zur Machtübernahme der NSDAP prosperierte, sogar noch in den ersten Jahren der NS-Zeit recht gute Ergebnisse erzielen konnte.
Wegen eines Einspruchs gegen die Einkommensteuerveranlagung war es 1929 auf Wunsch der beiden Gesellschafter zu einer Steuerprüfung gekommen, bei der auch auf die Unternehmensergebnisse aus den zurückliegenden Jahren bis 1924 Bezug genommen wurde.[92]

Nach den ersten schweren Nachkriegsjahren, wo wegen mangelnder Nachfrage viel Wein verdorben war,[93] konnte der Betrieb danach mit seinen 5-6 Arbeitern und 7-8 Angestellten im Jahr 1925 wieder einen Umsatz von knapp 200.000 RM erzielen, wovon etwa ein Viertel im Auslandsgeschäft erwirtschaftet wurde. Die Weine und Spirituosen wurden primär im Einzel-, aber auch im Großhandel vertrieben. 1927 war der Gesamtumsatz sogar auf 250.000 RM gestiegen. Insgesamt wurde in den Jahren 1925 bis 1927 ein Gesamtgewinn von mehr als 100.000 RM verbucht. Das Betriebsvermögen wurde mit rund 280.000 RM bilanziert, wobei es sich dabei weniger um fixes Kapital wie Regale, Fässer und Maschinen handelte, sondern primär um den eingelagerten Wein.
Der Gewinnanteil, den die beiden Gesellschafter aus ihrem Unternehmen bezogen, steigerte sich in den genannten Jahren von etwa 15.000 RM auf 20.000 RM.[94] Zu bedenken ist, dass diese Zahlen noch nicht das jeweilige Gesamteinkommen beinhalten, weil Erträge aus Wertpapieren und die Mieteinnahmen hierin noch nicht enthalten sind.

Im Juni 1928 konnte sich ‚Simon & Co.’ sogar ein weiteres Wiesbadener Weinhandelsgeschäft einverleiben, die Firma ‚Gebr. Wagemann’, die bisher in der Luisenstr. 25 gelegen war. Die Konstruktion dieses Zusammenschlusses ist nicht ganz klar, denn die Firma bestand dem Namen nach weiter. Auch die Geschäfte, die zwar jetzt vom inzwischen in das Vorderhaus verlegten Büro in der Rheinstraße abgewickelt wurden, gingen auf eigene Rechnung. Verkauft wurden aber ausschließlich Weine der Firma ‚Simon & Co.’, die aber eigenartigerweise im bisherigen Lager der Firma in der Luisenstraße vorrätig gehalten wurden.[95]

Vom Ausbruch der Weltwirtschaftskrise war natürlich ein Unternehmen, das primär die Luxusware Wein im Angebot hatte, besonders betroffen. Entsprechend brachen die betrieblichen Erträge und auch das Einkommen der beiden Eigentümer in den folgenden Jahren deutlich ein. So belief sich bei Otto Frank, für den die entsprechenden Akten erhalten geblieben sind, das zu versteuernde Einkommen im Jahr 1931 auf 7.500 RM, wovon die Hälfte auf den Mieteinnahmen seines Hauses beruhten. 1932 waren es dann insgesamt nur noch 4.000 RM, ab 1933 konnten dann wieder leichte Anstiege – 4.800 RM auf 5.260 RM – verbucht werden.[96] Die Umsätze erreichten 1933 rund 165.000 RM.[97]

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Briefkopf der Firma ‚Simon & Co‘ aus dem Jahr 1939
HHStAW 519/3 22990 (2)

Man hat den Eindruck, als hätten die beiden Gesellschafter schon früh erkannt, welche Konsequenzen die Machtübernahme der Nazis 1933 mittelfristig für sie und ihr Unternehmen bedeuten könnte. Am 9. Oktober 1933 wurde die wenige Jahre zuvor erworbene Firma ‚Gebr. Wagemann’ nämlich wieder aus dem Unternehmen ausgegliedert und als eigenständige GmbH. mit einem Stammkapital von 20.000 RM neu etabliert. Neben Max und Otto Frank, die jeweils 4.900 RM an der Gesellschaft hielten, also keine Mehrheit hatten, traten mit Ludwig Sebastian May und Adam Coops zwei nichtjüdische Anteilseigner, mit einem Anteil von 8.000 RM bzw. 2.200 RM in das Unternehmen ein. Die neue Firma war wie schon zuvor vertraglich verpflichtet, alle verkauften Weine bei ‚Simon & Co’ zu beziehen.[98] Es sieht so aus, als habe man mit dieser Konstruktion die Gefahr einer möglichen Arisierung dadurch abwehren wollen, indem man im entscheidenden Moment die eigene Firma unter das Dach der arisch geführten hätte schlüpfen lassen. Gelungen ist das aber nicht.

Zunächst gingen in den ersten Jahren der NS-Diktatur die Umsatzzahlen nicht zurück, sie stiegen sogar tendenziell leicht an, allerdings nicht so, wie sie ohne Boykott und antijüdischer Hetze hätten ansteigen können. Aber schon 1937 war das Einkommen, das Max Frank aus dem Unternehmen bezog unter die Summe gefallen, die er im Krisenjahr 1930 noch erreicht hatte.[99] Da auch keine Einkäufe mehr im gleichen Umfang wie früher getätigt werden konnten, verminderte sich auch das Betriebskapital von rund 180.000 RM im Jahr 1931 bis 1937 auf 111.000 RM um etwa ein Drittel.[100]

Eine deutliche Zäsur bildete auch für die Gebrüder Frank das Jahr 1938, in dem die Nazis beschlossen hatten, die Juden endgültig und rigoros aus dem deutschen Wirtschaftsleben zu entfernen. Deutlich wird das allein an den Umsatzzahlen, die sich auf dem Inlandsmarkt von 1937 mit 113.000 RM auf 59.000 RM faktisch halbiert hatte. Nur beim Export, im Besonderen nach Holland, konnte 1938 das Ergebnis von 34.000 RM gegenüber 1937 fast gehalten werden. Es war nur um 5.000 RM zurückgegangen.[101] Um diese Absatzmöglichkeit auszuschalten wurden ihnen die verschiedenen Exportgenehmigungen, die bis dahin gültig waren, im Oktober 1938 entzogen.[102] Damit waren sicher auch die Geschäftsbeziehungen nach Palästina nicht länger aufrechtzuerhalten. Dort betrieb ein Franz Nothbaum ein „Deutsches Restaurant“ mit einem Konsignationslager an das zwischen 1935 und dem Sommer 1938 Weine im Gesamtwert von 1.860 RM geliefert worden waren.[103]

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HHStAW 519/3 12478 (1-2)
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Antrag auf Erlass einer Sicherheitsanordnung gegen Max Frank

Zuvor hatte die Zollfahndungsstelle Mainz im Juli bei der Devisenstelle Frankfurt jeweils eine Sicherungsanordnung für Max und Otto Frank beantragt und darin deren Vermögenswerte detailliert zusammengestellt. Sie war bei Max Frank auf eine Gesamtsumme von rund 255.000 RM gekommen, von der allerdings Hypothekenschulden in Höhe von 33.000 RM abzuziehen waren, sodass das Vermögen aus 222.000 RM bestand.[104] Der größte Teil dieses Kapitals bestand allerdings in Form von Immobilien, bei denen man statt des Einheitswerts einen geschätzten Verkehrswert eingesetzt hatte. So wurde statt des damaligen Einheitswerts der Gustav-Freytag-Str. 1 von 19.300 RM ein Betrag von 45.000 RM eingetragen und auch der Wert des Hauses in der Rheinstraße verdoppelte sich nahezu von 36.000 RM auf 60.000 RM, wovon jeweils die Hälfte den beiden Brüdern zugerechnet wurde. Der Anteil von jedem am Betriebsvermögen wurde mit knapp 70.000 RM angegeben. Festverzinsliche Wertpapiere und Aktien in Höhe von rund 88.000 RM konnten demgegenüber bei Bedarf leichter in liquide Mittel überführt werde, wenn auch unter Verlusten.

Am gleichen Tag war der entsprechende Antrag für Otto Frank bei der Devisenstelle gestellt worden.[105] Sein Haus am Kaiser-Friedrich-Ring war statt 38.500 RM Einheitswert mit 58.000 RM bewertet worden. Er besaß damals Wertpapiere und Aktien im Wert von 54.000 RM, darüber hinaus noch Hypothekenforderungen über 12.000 RM und eine Lebensversicherung, die mit 12.200 RM bewertet worden war. Noch im Oktober war die entsprechende Sicherungsanordnung für Otto Frank erlassen worden, vermutlich auch die für seinen Bruder.[106]

Wenige Wochen später ereignete sich der Pogrom, von dem auch das Geschäft der Brüder Frank unmittelbar betroffen war. Mehrere Zeugen konnten später im Entschädigungsverfahren Zeugnis über die damaligen Vorgänge ablegen. So berichtete Rudolf Ernst, ein Bewohner des Nachbarhauses, dass um die Mittagszeit des 10. November im Hof der Rheinstr. 38 zunächst „Lärm und Krachen“ zu hören waren, „sich dann über den Hof eine Flut ausgelaufenen Weins“ über einen Abfluss in die Kanalisation ergoss. „Der Hof war ganz überschwemmt und die Luft eine einzige Weinduftwolke.“[107] Der Kellermeister Jakob Wolf präzisierte die Zerstörungen.[108] Es seien drei Fässer mit jeweils 1.200 Liter zum Teil hochwertigem Niersteiner Wein, zwei Fuder mit je 960 Liter Moselwein und insgesamt etwa 3000 Flaschen mit ebenfalls besten Weinen, sogar Ausleseweinen, zerschlagen worden. Auch in das Büro sei die Horde eingebrochen und habe das dortige Mobiliar und eine wertvolle Gläsersammlung zerschlagen und in den Vorgarten geworfen. Der Gesamtschaden sei damals auf etwa 25.000 RM taxiert worden.[109]

Als der Mob in Wiesbaden Juden und Jüdinnen, jüdische Geschäfte und Einrichtungen terrorisierte, befand sich Max Frank gerade auf einer Geschäftsreise in den Niederlanden. Er sollte nie wieder in seine Heimatstadt zurückkehren. Wenige Tage vor der Pogromnacht hatte die Devisenstelle ihn noch aufgefordert, eine Vermögenserklärung abzugeben. Von den Niederlanden aus bat er darum, ihm eine Frist bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland zu gewähren, was auch genehmigt wurde.[110]

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„Schuldeingeständnis“ von Max Frank wegen eines Devisenvergehens
HHStAW 519/3 34590 (7)

Für Max Frank gab es gute Gründe in Holland zu bleiben. Spätestens seit 1935 hatte die Gestapo ein besonders Auge auf ihn geworfen.[111] Am 8. September und am 17. September 1935 waren auf dem Hauptzollamt in Frankfurt zwei Drucksachen beschlagnahmt worden, die Exemplare der Frankfurter Zeitung enthielten. In diesen Zeitungen waren jeweils Geldscheine im Wert von 100 RM und 50 RM versteckt. Zwar war der Umschlag mit einer Adresse versehen – er war an Leonie Landsberg in Tel-Aviv gerichtet -, aber er enthielt keinen Absender. Im Oktober wurde eine weitere Postsendung mit erneut 50 RM und der gleichen Adressangabe beschlagnahmt, auf der in der inneliegenden Zeitung diesmal eine mit Bleichstift notierte Adresse „Weiss Adelheidstr. 24594“ stand. Man hatte schnell herausgefunden, dass damit die Wiesbadener Adelheidstraße gemeint war, wo in der Nummer 90 der jüdische Immobilienmakler und Versicherungsagent Siegfried Weis mit seiner Schwester Anna wohnte.[112] Weis konnte zwar die Zollinspektoren davon überzeugen, dass er nicht der Absender des Briefes gewesen sei, gab aber Auskunft darüber, dass ein Rechtsanwalt Landsberg 1932 von Wiesbaden nach Palästina ausgewandert sei. Dessen Frau Leonie sei eine geborene Frank, die Tochter des Weinhändlers Max Frank. Zwar bestritt auch Max Frank bei seiner Vernehmung, dass er der Absender der inkriminierten Drucksache gewesen sei, gleichwohl wurde er sofort in das Wiesbadener Polizeigefängnis überführt und eine Hausdurchsuchung veranlasst, die aber kein weiteres belastendes Material zu Tage förderte. Bei weiteren Befragungen der Familienmitglieder gab dann Otto Frank zu, die Adresse auf der Zeitung notiert zu haben, wohl nicht ahnend, welchem Zweck sie als Versteck noch dienen sollte. Man fand dann heraus, dass bereits eine größere Anzahl von Geldbriefen in neutralen Umschlägen so ihren Weg nach Palästina gefunden hatte. Obwohl Max Frank zunächst leugnete, gegen die Devisengesetze verstoßen zu haben, gestand er dies dann im April 1936 doch ein. Am 2. Mai 1936 wurde er zu einer einmonatigen Gefängnisstrafe bzw. einer Geldstrafe von 3.000 RM verurteilt. Die Untersuchungshaft wurde in der Form angerechnet dass er „nur“ noch 2.000 RM zu zahlen hatte.[113]

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Brief von Max Frank aus dem holländischen Krankenhaus an die Devisenstelle in Frankfurt
HHStAW 519/3 12478 (6)

Jetzt, im Herbst 1938, war Max Frank eher zufällig außer Landes und erst einmal in Sicherheit, auch vor Verhaftungen und KZ-Aufenthalten, wie sie die meisten männlichen Juden in diesen Tagen in Deutschland zu erdulden hatten. Stattdessen erkrankte er ernsthaft in seinem Exil, sodass die dortigen Ärzte ihm dringend zu einer Operation rieten. Diese schwierige Entscheidung wollte er nicht ohne Ratschlag und Zustimmung seiner Kinder treffen, weshalb er die Devisenstelle um einen erneuten Aufschub für die Abgabe der Vermögenserklärung bat. Auch diesmal zeigte sich die Behörde kooperativ, erlaubte sogar seinem Bruder, ihm die nötigen finanziellen Mittel für die Operation dorthin zu überweisen. Auch die Begleichung einer Rechnung für einen Grabstein von seinem gesicherten Konto durch seinen Bruder wurde genehmigt. Zwar ist in dem Schreiben nicht gesagt, für wen der Grabstein geliefert worden war, aber man kann davon ausgehen, dass er für Anna, die am 24. Januar 1938 verstorbene Frau von Max Frank, gedacht war.[114] Ende Januar 1939 war Max Frank aus der Amsterdamer ‚Boerhaave Klinik’ entlassen worden. Noch am 10. Februar genehmigte die Devisenstelle auf Anfrage der Deutschen Bank, dass deren Kunde Max Frank monatlich 700 RM von seinem gesicherten Konto zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erhalten dürfe.[115]

Laut einem Eintrag auf seiner Gestapokarteikarte verließ Max Frank im Juli 1939 Holland, um in Palästina seine Tochter Leonie zu besuchen, wurde aber – so ist dort zu lesen – durch den Ausbruch des Krieges an der Rückkehr nach Deutschland gehindert. Man wird wohl zurecht vermuten dürfen, dass er eine solche Absicht nie gehegt hatte.

Wie bereits erwähnt, hatte seine Tochter Leonie, zu der Max Frank jetzt gereist war, am 11. August 1921 in Wiesbaden den ebenfalls von dort stammenden promovierten Juristen Alfred Landsberg geheiratet, einen der Wortführer der zionistischen Bewegung in Wiesbaden.[116] Nicht nur engagierte er sich als solcher im Vorstand der Jüdischen Gemeinde, er war auch Mitglied der ‚Zionistischen Vereinigung in Deutschland – ZVfD’ und setzte sich vehement für die jüdische Besiedlung Palästinas ein. Einen Namen hatte er sich allerdings auch als Strafverteidiger in der Sozietät des bekannten Rechtsanwalts Moritz Marxheimer gemacht. Und dies besonders in politischen Prozessen, mit denen Nazis die Mitglieder der demokratischen Parteien überzogen. Insofern entsprach er in doppelter Hinsicht dem Feindbild der neuen Herren und musste ganz sicher um sein Leben fürchten. Da er im Januar 1933 gerade zu einem Besuch in Palästina weilte, um zu klären, ob und unter welchen Bedingungen er dort seinem Beruf würde nachgehen können, entschied er sich damals nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren und stattdessen seine Frau und die beiden Töchter, die am 3. Juni 1922 geborene Judith Eva und die am 16. August 1923 geborene Lea, nach Palästina in die neue Heimstatt der Juden zu holen. Dort hatte die Familie zunächst keinerlei Einkommen, allerdings konnten sie auf Mittel zurückgreifen, die Alfred Landsberg bei früheren Besuchen dort angelegt hatte. Zudem kamen ja immer wieder – wenn auch zumeist illegal – auch kleine Beträge aus Deutschland. Alfred Landsberg gelang es aber später in Israel an seine frühere juristische Karriere anzuknüpfen, nachdem er sich die notwendigen Kenntnisse im englischen, jüdischen und arabischen Rechtswesen angeeignet hatte. Im Frühjahr 1934 bestand er sein Anwaltsexamen, sodass die wirtschaftlichen Verhältnisse sicher schon stabilisiert waren, als Max Frank im Sommer 1939 völlig mittellos dort ankam. Er lebte in seinem palästinensischen Exil noch etwa fünf Jahr. Noch vor dem Ende der Naziherrschaft verstarb er am 26. April 1944 in Kfar Schmahaju, wo auch seine Tochter an einem nicht bekannten Datum und sein Schwiegersohn am 2. August 1964 ihre letzte Ruhe fanden.

Peter Kurt Frank, der Sohn von Max und Anna Frank, gehört ebenfalls zu den Überlebenden des Holocaust.[117] Er hatte nach seinem Abitur und seinem freiwilligen Einsatz im Ersten Weltkrieg, aus dem er hoch dekoriert und unverletzt zurückkehrte, wie sein Schwager ein Jurastudium aufgenommen, das er mit einer Promotion über polizeiliche Durchsuchungen 1925 abschloss.

Wie bereits erwähnt, hatte seine Tochter Leonie, zu der Max Frank jetzt gereist war,
Kriegsranglisteneintrag für Kurt Frank
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Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Registrierung von Curt Frank in England
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Nachdem er 1932 seine Zulassung zum Amts- und Landgericht Wiesbaden erhalten hatte, gründete er mit seinem Schwager eine eigene Sozietät, nachdem dieser aus der mit Moritz Marxheimer ausgeschieden war. Dies blieb jedoch nur eine kurze Episode, da Alfred Landsberg schon wenige Monate danach in Palästina blieb und aus der Anwaltsliste gestrichen wurde. Peter Kurt Frank, der sich sowohl in der Jüdischen Gemeinde, als auch im Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten engagierte, durfte als Frontkämpfer noch eine Weile seinem Beruf nachgehen. Noch vor der Reichspogromnacht verließ aber auch er Deutschland und ließ sich in England nieder. Im ersten Quartal des Jahres 1939 heiratete er dort die am 24. Dezember 1903 geborene Margarete / Grete Aronheim aus Idar.[118] Kurzzeitig waren sie wohl als Bürger eines Feindstaates interniert, wurden aber beide Ende Oktober davon befreit.[119] Beide lebten damals in West Hampstead nahe London, wo Curt Frank am 10. Oktober 1963 verstarb.[120]

 

Während die Familie seines Bruders Max Wiesbaden und Deutschland somit verlassen hatte, oblag es Otto und Anna Frank die Folgen des Pogroms zu beseitigen und alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um auch sich selbst und die eigenen Kinder in Sicherheit zu bringen.

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Otto und Anna Frank mit Tochter Edith um 1907

Da war zunächst die Tochter Edith Margot, die seit dem 17. Dezember 1925 mit dem – wie es in der Heiratsurkunde heißt – „Zahnarzt, Doktor der Medizin und Geburtshilfe“ Ernst Springer verheiratet war.[121] Er war am 18. Februar 1896 in Straßburg geboren worden, hatte aber dann mit seinen Eltern in Hassloch in der Pfalz gelebt.[122] Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er seinen Militärdienst leistete, und nach dem Ende seines Studiums war er nach Wiesbaden gezogen, wo er erstmals im Adressbuch 1924/25 mit der Anschrift Friedrichstr. 43, wo auch seine erste Praxis gelegen war, erwähnt ist. Zum Zeitpunkt der Eheschließung wohnte er in der Webergasse 4, wo das Paar dann auch seine gemeinsame Wohnung im ersten Stock nahm. Hierhin war auch die Praxis verlegt worden. Am 2. September 1929 wurde dort auch ihr einziges Kind, der Sohn Klaus Wolfgang geboren.[123] Obwohl er zumindest den bewussten Teil seiner Kindheit während der Nazizeit verbrachte, erinnerte er später diese Jahre als sehr schön und geprägt vom Gefühl der familiären Geborgenheit. Die Eltern seien oft mit Freunden, anderen Familienmitgliedern oder auch nur mit ihm alleine gewandert oder im Winter im Taunus Ski gefahren. Sie hätten, wie auch andere Mitglieder des Wiesbadener Bildungsbürgertums, ein Abonnement für das nahe gelegene Theater besessen und dort regelmäßig Schauspiele oder Konzerte besucht. Nachmittags habe man sich in Cafes und Restaurants mit Freunden getroffen und insgesamt gesehen viele Jahre ein normales Leben geführt, sogar noch in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft.

Mainzer Str. 6, Lotte Bernstein, Ida Cohn, Judenhaus Emser Str 26a
Die Gebäude in der Mainzer Straße 106 bevor sie zur Jüdischen Schule wurden
HHStAW 3008 1 (13914)

Aber als Klaus eingeschult werden sollte, hatten sich die Verhältnisse schon geändert. Er durfte keine der öffentlichen Schulen mehr besuchen, sondern musste warten, bis er in die Jüdische Schule in der Mainzer Straße eingeschult wurde. Allmählich erfuhr auch er hier im Alltag, wie sehr die scheinbare Geborgenheit der Kindheit zunehmend in die Brüche ging. Nicht nur sah auch er immer öfter Schilder, wie „Für Juden verboten“, sondern auch er wurde von Gleichaltrigen mit üblen Schmähungen beschimpft. „Guten Tag Moses“, die Begrüßung eines Busfahrers, war da eine noch eher zurückhaltende Äußerung, die von dem Jungen dennoch zurecht als bewusste Herabsetzung und Ausgrenzung wahrgenommen wurde. Eindrücklich erinnerte er sich später an den Morgen, an dem etwa die Hälfte seiner Mitschüler einfach nicht mehr in der Schule erschienen war. Zwar machte er keine zeitliche Angabe, aber das Ereignis muss sich wohl im Herbst 1938 zugetragen haben, da ausschließlich Kinder polnischer Juden fehlten, die damals im Vorfeld der Reichspogromnacht mit ihren Eltern über die Grenze geschafft worden waren.

Das Geschehen der sogenannten „Kristallnacht“ erlebte Klaus Springer als Kind noch unmittelbar selbst. Im Haus in der Webergasse 4 war unter ihrem Appartement im ersten Stock das renommierte Kleidungsgeschäft von Carl Bacharach gelegen,[124] das in dieser Nacht auch der Zerstörungswut des Nazi-Mobs zum Opfer fiel. Das Klirren der Scheiben hatte den damals neun Jahre alten Jungen gegen Mitternacht aus dem Schlaf geschreckt. Von dem kleinen Balkon konnte er mit ansehen, wie die Täter die Kleider aus dem Laden zerrten und die Schaufensterpuppen mit ihren Äxten – noch nur symbolisch – erschlugen. Der Anruf des Vaters bei der Polizei blieb ohne Reaktion.[125]

Nicht erst die Novemberereignisse hatten die Familie veranlasst, ihre Ausreise in die Wege zu leiten. Schon seit einer beträchtlichen Zeit kreisten die Alltagsgespräche immer wieder um dieses Thema. Während die Großeltern nicht glauben wollten, dass auch sie tatsächlich in Gefahr schwebten, hatte Ernst Springer die Situation schon sehr früh realistisch eingeschätzt und seit einiger Zeit illegal Geld ins Ausland geschafft. Bei den verschiedenen Urlauben in der Schweiz – normalerweise war die Familie jährlich drei Mal in die Schweiz gereist – hatte man immer wesentlich mehr Geld mitgenommen, als man ausgeben wollte und damit allmählich dort eine finanzielle Reserve angelegt. Auch in Palästina hatte man Geld deponiert, dass Schmuggler, die für ihr Risiko 30-50 Prozent der Summe einbehielten, über die Grenzen schafften. Für einen Zahnarzt gab es zudem noch die Möglichkeit echtes Gold in einem zahnärztlichen Füllmaterial zu verstecken. Insgesamt konnten Springers nach ihrer gelungenen Ausreise somit auf mehrere Tausend Dollar zurückgreifen. Schon im Mai 1938 hatte Ernst Springer zunächst noch alleine eine Reise in die USA unternommen, um dort in New York seinen Cousin Max Kaufmann zu treffen und zu eruieren, welche Berufsperspektive er als Zahnarzt in den USA haben würde.[126] Am 8. Dezember 1938 trat die Familie dann gemeinsam von Rotterdam aus auf dem Schiff ‚Nieuw Amsterdam’ die eine Woche dauernde und von Seekrankheit begleitete Fahrt in die Freiheit an.[127]

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Die Ausreise von Ernst, Edith und Klaus Springer im Dezember 1938
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In den USA musste Ernst Springer zunächst einmal über zwei Jahre erneut ein Institut besuchen, um seine Ausbildung als Zahnarzt anerkannt zu bekommen. Er war in dieser Zeit nur an wenigen Wochenenden zu Hause. Auch über eigenes Einkommen verfügte er noch nicht, sodass seine Frau Edith – abgesehen vom geschmuggelten Geld – durch ihre Arbeit mit zum gemeinsamen Unterhalt beitragen musste. Da die USA von Immigranten forderte, dass sie einen Beruf ausüben konnten, für die die englische Sprache nicht gebraucht würde, hatte sie sich zur Masseuse ausbilden lassen, ein Beruf, den sie auch in ihrem neuen Zuhause in einem der Zimmer ihrer Wohnung ausüben konnte. Sohn Klaus, der zunächst in eine besondere Klasse für Flüchtlinge kam, um sich die notwendigen Sprachkenntnisse anzueignen, besuchte bald eine normale amerikanische Schule und entwickelte sehr schnell auch eine amerikanische Identität. Entsprechend ließ er seinen bisherigen Vornamen Klaus durch Claude ersetzen. Wie sein Vater wurde auch er später Zahnarzt und gründete 1951 mit seiner in New York geborenen Frau Marcia June Schwimmer eine eigene Familie.[128] Dr. Ernst Springer verstarb am 22. April 1990 in, seine Frau Edith am 17. Juli 1999, beide in New York.[129]

Otto und Anna Franks Sohn Helmuth Friedrich war, anders als es die Tradition der Familie vorsah, nicht Händler, sondern Rabbiner geworden. Nach eigenen Aussagen war er schon von frühester Jugend an an der jüdischen Religion, ihren Traditionen und kultischen Texten interessiert.[130] Weder zu Hause, noch in der Schule fanden diese seiner Meinung nach eine angemessene Beachtung. Die Entscheidung Rabbi zu werden führte ihn nach Berlin, aber auch da empfand er die Ausbildung zu wenig in die Tiefe gehend, zu sehr der Moderne verhaftet. Geiger, der große Reformrabbiner, der auch in Wiesbaden gewirkt hatte, prägte seiner Ansicht nach zu sehr die dortige Lehre. An einer orthodoxen Ausbildungsstätte sei er nicht angenommen worden, weil er selbst nicht aus einer solchen Familie stammte und ihm dementsprechend auch von Zuhause das notwendige Vorwissen fehlte.[131]
Bevor er seine Rabbinerausbildung 1937 in Berlin abschloss, hatte er 1936 in Bonn 1936 in Philosophie promoviert.[132] Am 1. März 1938 – er war noch nicht einmal mit allen Examina fertig – übernahm er in Worms das Amt des Rabbiners, das – nachdem seine Vorgänger, darunter der seit 25 Jahren amtierende und hoch angesehene Rabbiner Dr. Isaak Holzer, Deutschland gen Palästina verlassen hatten – vakant geworden war.[133] Viele andere Mitglieder der altehrwürdigen Gemeinde waren ebenfalls schon abgewandert und es blieben nur wenige Monate, bis die alte Synagoge, die älteste in Deutschland überhaupt, ein Raub der Flammen wurde.

Die brennende Synagoge in Worms im November 1938
https://www.ph-heidelberg.de/fileadmin/_processed_/3/3/csm_Worms-3_4a24fcd59a.jpg

Über die Ereignisse am 10. November berichtete er ausführlich in seinem Interview von 1982.[134] Er sei morgens um 6 Uhr vom Vorsitzenden der Gemeinde geweckt und über den Brandanschlag informiert worden. Sofort dorthin geeilt, habe er die Feuerwehr angerufen, die sich aber geweigert habe, den Brand zu löschen. Er selbst habe dann mit einigen Schülern der jüdischen Bezirksschule und hinzugekommenen Männern mit Eimern versucht, der Flammen Herr zu werden, was sogar zunächst gelang. Er selbst wurde an diesem Morgen noch mit anderen Männern verhaftet und zu Aufräumungsarbeiten herangezogen. Inzwischen waren noch einmal Brandstifter, die – wie Helmuth Frank formulierte – „ihr Metier weit besser verstanden“ und trotz Gegenwehr einer jüdischen Lehrerin, in die Synagoge eingedrungen, um diese erneut anzuzünden. Diesmal mit dem Erfolg der weitgehenden Zerstörung der Inneneinrichtung.[135] Noch am gleichen Morgen griff der Pogrom auf die Stadt über, auf die Wohnungen der jüdischen Bürger und auf die noch vorhandenen Geschäfte. Mindestens 100 Wohnungen wurden bei dieser Aktion in Worms demoliert. Noch in der Nacht wurde er und insgesamt 87 jüdische Männer in zwei Schüben in das KZ Buchenwald gebracht.

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Registrierungskarte des KZs Buchenwald für Helmuth Frank
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Der Terror, dem sie hier unterworfen wurden, zermürbte viele, trieb manche sogar in den Wahnsinn. Der Fronteinsatz im Stellungskrieg des Ersten Weltkriegs, äußerten jüdische Kriegsteilnehmer, sei nichts im Vergleich zu Buchenwald gewesen. Natürlich gab es auch hier Unterschiede im Verhalten der Bewacher, aber auch darin kam nur die absolute Willkür des KZ-Systems zum Ausdruck.
Wie den Geldverwaltungskarten – es wurde zwei angelegt – zu entnehmen ist, versorgte ihn sein Vater von Wiesbaden aus mit ein wenig Geld.[136] Nach seiner Entlassung am 10. Dezember kehrte er nach Worms zurück, um seine Rabbinertätigkeit wieder aufzunehmen. Er blieb noch ein Dreivierteljahr bei seiner Gemeinde. Über die Zeit notierte er später:
“I tried to patch up Jewish life as well as possible. Religious Services were resumed in two classrooms which were not needed any longer due to the shrinking of the Student body, while the school itself had resumed its sessions on a limited scale. I tried with all my power and influence to help our congregants to leave Germany, coining the slogan: „Any day without work for emigration is a lost day.“ Quite a number of people were able to leave, including the writer of this article. Others, unfortunately, because of sickness, old age, lack of connections, or just bad luck had to stay behind, expecting what seemed to be unavoidable.”[137]

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Einbürgerungsantrag von Helmuth Friedrich Frank
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Helmuth Frank war noch jung, hatte durch seine Eltern auch die nötigen finanziellen Mittel und verfügte über seine Schwester über wichtige Kontakte nach Amerika. Ihren Namen hatte er als Kontaktperson in New York angegeben, als er am 22. August 1939 von Hamburg aus auf dem Schiff ‚Washington’ in die USA auswanderte und so noch wenige Tage vor dem Ausbruch des Weltkriegs dem Holocaust entkommen konnte.[138]
Ursprünglich hatte er erst im November ausreisen wollen, ergriff dann aber angesichts der wachsenden Kriegsgefahr eine sich kurzfristig bietende Gelegenheit schon im Sommer, allerdings mit der Konsequenz, praktisch kein Frachtgut mitnehmen zu können. Dies lieferte er bei seiner Verabschiedung von den Eltern in Wiesbaden ab, die die Sachen, im Besonderen die wertvolle Bibliothek, in Kisten verpackt über Holland in die USA nachsenden wollten. Der Lift blieb jedoch in Holland stehen und erst nach dem Krieg konnte Helmuth Frank seine Bücher und die anderen Einrichtungsgegenstände in Empfang nehmen.[139]

Helmuth blieb nach seiner Ankunft aber nicht bei seiner Schwester in New York, sondern zog weiter nach Philadelphia, wo er seinen Namen in Harold Frederick Frank änderte. Wie in New York gab es auch in Philadelphia mehrere Tausend jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, die sich in unterschiedlichen Gemeinden organisiert hatten, manche orthodox, andere eher liberal oder sogar reformiert. Gemeinsam war aber all diesen Menschen, dass sie in ihrer neuen Heimat nicht wirklich heimisch geworden waren, weder im alltäglichen Leben, noch im religiösen Gemeindeleben. Neben den Sprachbarrieren war für die religiösen Juden noch bedeutsamen, dass sie nicht an ihre von Deutschland her gewohnten religiösen Traditionen anknüpfen konnten. In einer kleinen Gemeinde, die zunächst nur aus etwa 200 Mitgliedern bestand, nahm er als Rabbi des Har Zion Temple sich dieser Bedürfnisse an, predigte und betete in Deutsch, lies die althergebrachten, deutschen Lieder singen und schuf den entwurzelten Menschen auf diese Weise wenigsten ein kleines Stück Heimat in der Fremde. Zudem versuchte er die Gemeinde als Einheitsgemeinde zu organisieren, in der bei aller Unterschiedlichkeit orthodoxe und liberale Juden, aber auch Reformer zusammenfinden konnten.[140]

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Hanne Julie Nathan
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Im Jahr 1943 heiratete er Hanne Julie Nathan, die es wie ihn auch aus Wiesbaden in die Neue Welt verschlagen hatte.[141] Vermutlich kannten sie sich von früher, aber sie waren noch nicht als Paar in die USA eingereist. Hanne Julie Nathan, die am 12. Mai 1921 als Tochter von Max / Marx und Elsa Nathan in Wiesbaden geborene worden war, hatte Amerika am 7. Juli 1938 von Bremerhaven aus erreicht.[142] Mit ihr auf dem Schiff waren ihre Mutter, ihr Bruder Paul und ihre Großmutter Jenny väterlicherseits.[143] Ihr Vater war bereits im Mai vorausgereist und hatte in St. Louis Kontakt mit seinem Cousin Joe Salomon aufgenommen und die Emigration der übrigen Familie vorbereitet.[144] Als sie im Januar 1940 ihren Antrag auf die US-Staatsbürgerschaft einreichte, lebte sie noch in New York,[145] Harold Frederick Frank war zu dieser Zeit schon Rabbi in Philadelphia. Er beantragte die Naturalisierung im Juli 1940.[146] Im Oktober des gleichen Jahres wurde er in die Army einberufen. Auch damals gab er als Kontaktperson noch seine weiterhin in New York lebende Schwester und nicht Hanne Julie Nathan an.[147] Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er über Edith seine zukünftige Frau kennen gelernt hatte. Das Paar hatte später zwei Kinder, deren Namen aber nicht bekannt sind. Harold Frederick Frank verstarb nach einem engagierten Leben für die Traditionen des deutschen Judentums, bei dem er sich in den USA auch aktiv in der Fürsorge für die Flüchtlinge und die Opfer des Nationalsozialismus einsetzte, am 5. Oktober 1989 in Philadelphia,[148] wann seine Frau verstarb, ist nicht bekannt.

 

Die Emigration von Otto und Anna Frank

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Spätestens im Dezember 1938 war auch bei Otto und Anna Frank die Entscheidung zur Emigration gefallen
HHStAW 519/3 2016 (22)

Nachdem somit im Jahr 1939 die Kinder von Otto und Anna Frank und auch der Bruder mit seiner Familie Deutschland verlassen hatten, musste das Ehepaar nun alleine die notwendigen Vorkehrungen treffen, um den Betrieb abzuwickeln und vielleicht noch etwas von dem ehemaligen Vermögen zu retten, auf das der Staat nach dem Pogrom mit gnadenloser Härte zugriff. Eigentlich wären gerade im Hinblick auf die Auflösung des gemeinsamen Unternehmens permanente Absprachen mit seinem Bruder notwendig gewesen, aber das war zu dieser Zeit, besonders nach dem Ausbruch des Krieges, kaum mehr möglich.

Nicht einmal drei Wochen nach dem Novemberpogrom kam es bereits zum Verkauf des Weinhandelsgeschäfts als solchem, d.h. ohne die Immobilie in der Rheinstraße. Die ‚Oberseither & Richter O.H.G.’ erwarb die gesamten noch vorhandenen Weinvorräte zum Schätzpreis der Gestehungskosten in Höhe von 35.000 RM. Hinzu kam noch ein kleinerer Betrag von 5.000 RM für das noch brauchbare Inventar. Nach Abzug der Abwicklungskosten blieben somit knapp 36.000 RM, die auf das gesperrte Firmenkonto bei der Deutschen Bank einzuzahlen waren.
Zwar hatten Max und Otto Frank laut Vertrag noch das Recht, bis zum 1. April 1939 als Reisende für die neuen Inhaber tätig zu sein und dafür entsprechende Provisionen zu beziehen, aber von diesem Recht hat keiner der beiden noch Gebrauch gemacht. Das Büro der alten, sich nun in Liquidation befindlichen Firma verlegte Otto Frank nun in seine Wohnung am Kaiser-Friedrich-Ring.[149] Zwar hieß es in dem Prüfbericht, dass Max Frank bereits im Januar 1939 aus der Firma ausgestiegen sei, laut Handelsregistereintrag geschah dies offiziell aber erst am 14. Juli 1939. Die Gesellschaft wurde damals aufgelöst und Otto Frank blieb juristisch alleiniger Inhaber der Weinhandlung bis diese dann am 2. Februar 1942 „von Amtswegen gelöscht“ wurde.[150] Zu diesem Zeitpunkt hatte auch er Deutschland längst verlassen und ein weiteres, über Jahrzehnte erfolgreiches Handelsunternehmen war der Arisierungspolitik zum Opfer gefallen.
Ob die im Entschädigungsverfahren 1955 abgegeben Einschätzung des Gutachters Blum, Otto Frank soll es „auf Grund seiner Tüchtigkeit und seines guten Ansehens gelungen sein, ohne große Verluste die ganze Angelegenheit (!) abzuwickeln“ zutreffend war, muss in Hinblick auf den zweiten Teil der Aussage angesichts der damaligen Situation doch sehr bezweifelt werden.[151] Noch übler, aber wohl symptomatisch für die Haltung, die die Bevölkerung damals gegenüber diesen Verfahren einnahm, waren allerdings die Einlassungen der Käufer der Weinhandlung in dem Verfahren, die sich wegen der Entschädigungsforderungen der Nachkommen als die eigentlichen Opfer betrachteten. Man habe damals nicht die Firma gekauft, sondern nur die Weinbestände zu dem von den Verkäufern selbst festgelegten Preis, die Kellerräume seien nur angemietet worden. „Trotzdem steht die Firma Oberseither & Richter heute, nach 10 Jahren, noch in dieser Sache unter Vermögenskontrolle. Frank Erben wurden allerdings in 1. Instanz abgewiesen, nach erfolgtem Einspruch aber läuft die Sache heute noch. Es wurde dadurch erreicht, dass wir das Geschäft nach dem Tode meines Mannes am 29. März 1950 infolge des sehr hohen Anspruches der Erben Frank nicht verkaufen konnten, es wurde alles lahmgelegt, die Weine sind überaltert und fast unverkäuflich. Wir also haben durch die Judengeschichte den grössten Schaden erlitten, ganz abgesehen von den Prozess- und Treuhändergebühren. Dies wollen Sie bitte bei Erledigung der Ansprüche Frank Erben berücksichtigen, denn wir hoffen zuversichtlich, dass auch unsererseits eine gerechte Wiedergutmachung seitens des Bundes erfolgt, ja gerechterweise erfolgen muss. Wäre das nicht der Fall, so wäre einem jedes Gefühl für Recht und Anstand seitens seines eigenen Vaterlandes für alle Zeit zerstört.“[152]

Das Geschäftshaus in der Rheinstraße 38 heute
Eigene Aufnahme

Dennoch war die Arisierung des Handelsbetriebs damals problemlos über die Bühne gegangen. Anders verhielt es sich mit der Arisierung der Immobilie Rheinstr. 38. Auch hier zeigt das Datum des Kaufvertrags, der 6. Dezember 1938, in welcher Drucksituation sich Otto Frank nach dem Pogrom befand. Abgeschlossen wurde ein Vertrag mit dem bisherigen Mieter der ersten Etage des Geschäfts- und Wohnhauses, der ‚Süddeutschen Cementverband GmbH.’ mit Sitz in Heidelberg. Der vereinbarte Preis inklusive einiger Einrichtungsgegenstände belief sich auf insgesamt 65.000 RM.[153] Diesem Vertrag verweigerte diesmal aber der Regierungspräsident seine Zustimmung, da er nach seiner Meinung zu hoch angesetzt gewesen sei. Er legte den Preis stattdessen auf 60.900 RM fest. Ob der Verband, eigentlich ein gewachsenes Konglomerat der verschiedensten deutschen Zementunternehmen, die die Krisen der Weimarer Republik nur durch diese Organisationsform überlebt hatten und in den dreißiger Jahren völlig in die Hand nationalsozialistischer Betriebsführer geriet, 1937 den Titel „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ erhielt und zudem zu den regelmäßigen Inserenten des „Stürmer“ zählte, durch seine Kontakte zu den entsprechenden Parteistellen Einfluss auf die Preisgestaltung genommen hatte, ist anhand der vorliegenden Dokumente nicht zu beweisen, unwahrscheinlich ist es gleichwohl nicht.[154]

So kam dann ein neuer Verkaufsvertrag zustande, nach dem die Immobilie samt eingebautem Inventar gemäß der Vorgabe des Regierungspräsidenten für 60.900 RM zum 1. Juli 1939 an den Käufer übertragen werden sollte.[155] Demgemäß wurde diesmal die erforderliche Genehmigung am 16. Mai 1939 erteilt.[156] Nach Ablösung einer Hypothek über 25.000 RM blieben den Verkäufern noch 35.900 RM, die auf drei verschiedene, aber gleichermaßen gesperrte Konten der Brüder eingezahlt wurden.[157]

Im Sommer 1939 war noch ein weiterer Verkauf getätigt worden. Otto Frank als verbliebener Inhaber der Firma ‚Simon & Co‘, verkaufte den eigentlich der Firma gehörenden Weinberg in Winkel für 1.756 RM an eine dort ansässiges Ehepaar. Wie häufig bei solchen Transaktionen beanspruchte der klamme Staat auch hier eine sogenannte „Ausgleichsabgabe“ in Höhe von 10 Prozent des vereinbarten Kaufpreises, d.h. 175 RM. Die wurde vom vereinbarten Preis abgezogen und dem Verkäufer somit vorenthalten. Aber auch auf den Restbetrag von rund 1580 RM hatte Otto Frank keinen Zugriff, denn das Geld musste selbstverständlich auf ein gesichertes Konto eingezahlt werden.[158]

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Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses für Otto Frank
HHStAW 519/3 2016 (31)

Vermutlich in der Absicht mit seinem Bruder die Lage und das weitere Vorgehen bei der Auflösung des Betriebes zu besprechen, hatte Otto Frank bereits im März 1939 einen Reisepass beantragt, der – so hatte er den Antrag begründet – dem Besuch holländischer Kunden dienen sollte. Dies wurde auf Intervention der Zollfahndungsstelle Mainz mit dem Argument verweigert, dass noch etwa 16.000 RM Außenstände in Holland vorhanden seien und man daher mit einer Flucht auch des zweiten Bruders rechnen müsse. Erst als der entsprechende Betrag bei der Reichsbankstelle verpfändet und zudem zugesichert wurde, dass seine Frau Anna im Inland bleiben würde, erhielt Otto Frank damals seinen Reisepass und durfte vom 17. Mai bis zum 3. Juni 1939 die Reise in das Nachbarland und zu seinem Bruder machen. Einen Belegt dafür, dass er die Reise tatsächlich antrat, liegt aber nicht vor.[159]

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Otto Frank unterstützte seine Schwägerin Bertha Blütenthal auch finanziell
HHStAW 685 166a (98)

Inzwischen, laut ihrer Gestapokarteikarte am 1. März 1939, war Anna Franks Schwester Bertha in die Wohnung am Ring eingezogen. Nach dem Tod ihres Mannes David Blütenthal am 10. Februar 1934 und der Auswanderung der beiden Söhne mit ihren jeweiligen Familien hatte sie zunächst alleine in Frankfurt, ihrem bisherigen Wohnort, gelebt. Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Situation wuchs vermutlich das Bedürfnis, im Kreis von vertrauten Menschen zu sein. Entscheidend für den Umzug waren aber wohl finanzielle Gründe, denn anders als ihre Wiesbadener Brüder war sie nicht sehr begütert. Das einst florierende Textilgeschäft in Frankfurt war bereits in der Weltwirtschaftskrise in die Verlustzone geraten und inzwischen längst aufgegeben worden. Am 17. März 1939 teilte sie dem Finanzamt Frankfurt mit, dass sie „gänzlich mittellos“ und von Verwandten aufgenommen worden sei.[160] Auch weiterhin war sie, wie sie der Devisenstelle schrieb, auf die Unterstützung ihrer Verwandten angewiesen. Gemeint war damit sicher in erster Linie Otto Frank, der in seiner Vermögenserklärung vom 4. März 1940 angab, seine „mittellose Schwägerin Frau Berta Sara Blüthenthal“ monatlich mit 100 RM zu unterstützen.[161] Aber auch die Schwester Emma Essinger bzw. deren Sohn Otto gehörten zu denjenigen, die ihr bis in den Herbst 1941 finanzielle Zuwendungen zukommen ließen.[162] Ihre Söhne versuchten weiterhin alles nur Mögliche, um sie zu sich in das sichere Ausland zu holen, leider vergeblich.

Aber auch für Otto Frank wurden angesichts der Forderungen des NS-Staates die finanziellen Spielräume immer enger. Der Verkauf der Weinhandlung und der Immobile erfolgte nicht nur angesichts der 1938 bekannt gewordenen Pläne des Staates, die Juden völlig aus dem Wirtschaftsleben auszuschalten, die Brüder benötigten auch flüssige Mittel, um die finanziellen Forderungen begleichen zu können, die nach der Pogromnacht vom Regime mit einer am Vermögen orientierten Sondersteuer, der Sühneleistung, erhoben worden waren. Bei der Bestimmung der Höhe der Abgabe wurde im Allgemeinen Bezug auf die Vermögensverhältnisse genommen, wie sie 1938 hatten offen gelegt werden müssen. Diese Unterlagen sind für Max Frank nicht mehr vorhanden und auch die Entschädigungsbehörde musste feststellen, dass die Höhe der Zahlung in seinem Fall nicht mehr exakt feststellbar sei.[163] Aber bereits im Sommer 1938 hatte die Zollfahndungsstelle Mainz mit Hinweis auf die laufenden Verkaufsverhandlungen das Vermögen von Max Frank feststellen und sichern lassen. Die Behörde kam auf ein Gesamtvermögen von etwa 220.000 RM, von dem aber Hypothekenschulden in Höhe von 33.000 RM noch abzuziehen waren.[164] Da die Judenvermögensabgabe zunächst 20 Prozent des Gesamtvermögens betrug, entspricht die im Entschädigungsverfahren vom Finanzamt Wiesbaden festgestellte Summe von 41.800 RM, die Max Frank in vier Raten zu zahlen hatte, in etwa diesem Anteil.[165] Die Zahlung erfolgte wohl zum größten Teil durch die Übertragung von Wertpapieren.[166] Nicht klar ist allerdings, wie die Zahlungen bzw. Übertragungen abgelaufen sein könnten, da sich der Eigentümer ja außerhalb des Landes befand. Möglicherweise hatte aber sein Bruder Otto entsprechende Vollmachten und konnte in seinem Auftrag handeln.

Bei Otto Frank war das Finanzamt bei der Berechnung der Sühneleistung von einem Vermögen von zunächst 185.000 RM ausgegangen und verlangte am 20. Januar 1939 RM vier Raten von jeweils 9.200 RM, zusammen 36.800 RM. Diese Berechnung wurde dann im Mai korrigiert und die Raten auf 7.750 RM herabgesetzt.[167] Angesichts dieser Beträge erscheint der Zwangsverkauf von Edelmetallen im Juli 1939, für die er knapp 300 RM erhielt, geradezu vernachlässigbar.[168]

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Der „steuerlich unzuverlässige Jude“ Otto Frank
HHStAW 685 166b (o.P.)

Weitere Forderungen wurden erhoben, als auch Otto und Anna Frank ihre Emigrationsabsichten den Behörden mitteilten. In einem Formular des Finanzamtes vom 7. November 1940, das zur Berechnung der Reichsfluchtsteuer diente, heißt es unter dem Punkt „Beurteilung des Antragstellers bezw. des Falles“: „Der St.Pfl. [Steuerpflichtige – K.F.] ist insofern als steuerlich unzuverlässig zu betrachten, als er Jude ist.“[169] Dies, obwohl in den gesamten Steuerakten es nicht einen Hinweis darauf gibt, dass er jemals seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen war.

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Vermögenserklärung von Otto Frank im März 1940
HHStAW 519/3 2016 (51)

Bereits zwei Jahre zuvor, am 23. August 1938, war bei einem damaligen Vermögen von 165.000 RM ein Betrag von 41.300 RM als Sicherung für die Reichsfluchtsteuer in Beschlag genommen worden.[170] Allerdings war das Vermögen durch die Zerstörungen während der Novemberereignisse und die Erhebung der Judenvermögensabgabe inzwischen erheblich dezimiert worden. Laut einer Vermögenserklärung vom 4. März 1940 betrug es zwar nominal noch 113.000 RM, dem standen aber – leider nicht konkretisierte – finanzielle Verpflichtungen von 55.000 RM gegenüber, sodass er auf ein Reinvermögen von 58.000 RM kam. Aber auch dieser Betrag ist von fremder Hand noch einmal auf rund 70.000 RM nach oben korrigiert worden.[171] Angesichts verschiedener, sich widersprechender Zahlen, wobei auch die Bewertung des Firmenkapitals eine Rolle spielte, ist eine sichere Rekonstruktion der Zahlungsverpflichtung kaum mehr möglich. Entschädigt wurde letztlich eine Reichsfluchtsteuer in der Höhe von 22.800 RM.[172]

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Quittung für die erhaltene Auswandererabgabe
HHStAW 518 8827 (25)
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„Rechtsgrundlage“ der Auswandererabgabe
HHStAW 518 8827 (26)

Nicht nur der Fiskus, sondern auf perfide Weise auch die SS bzw. das Reichssicherheitshauptamt verlangten ihren Anteil am Vermögen der Emigranten.[173] Sie forderten diese jedoch nicht unmittelbar, sondern getarnt als „Auswandererabgabe“ ein, die zwar von der Jüdischen Gemeinde eingezogen wurde, dann aber über die ‚Reichsvereinigung der Juden in Deutschland’ auf den Konten der SS landeten. Die Höhe der Abgabe war nicht festgelegt, sondern der Prozentsatz selbst war je nach Größe des Vermögens progressiv gestaffelt. Bei Otto Frank wurde ein Prozentsatz von 20 zugrunde gelegt, sodass er insgesamt 13.800 RM zu zahlen hatte.[174]
Am Schluss musste noch die geradezu bescheidene Dego-Abgabe in der Höhe von 150 RM für neuwertige Güter gezahlt werden,[175] mit der quasi der „Raub“ am deutschen Volksvermögen ausgeglichen werden sollte – so die Legitimation für diese weitere Sondersteuer.

Abgesehen von den geforderten Zahlungen, mussten Franks auch erheblich Werte bei ihrem letztlich dann doch überstürzten Aufbruch zurücklassen. Nicht mehr wirklich nachzuvollziehen ist, welche Wertpapiere zuletzt noch im Depot der Bank lagen, welche zur Begleichung der Forderungen übergeben worden waren und wie viel Geld noch auf anderen Konten war. In den Ausreiseunterlagen gab Otto Frank selbst an, das zum Zeitpunkt seiner für den Juni 1941 geplanten Ausreise er insgesamt noch ein Vermögen von rund 145.000 RM habe, davon etwa 100.000 angelegt in Wertpapieren und 45.000 waren für den Wert des Hauses Kaiser-Friedrich-Ring 45 angesetzt. Von der Summe seien aber 95.000 RM an Verpflichtungen, darunter auch die Reichsfluchtsteuer, abzuziehen, sodass ein Gesamtvermögen von 50.000 RM bleibe.[176] Man muss davon ausgehen, dass dieser Wert, der im Groben dem des Hauses entsprach, nach Zahlung aller anderen Verbindlichkeiten in Deutschland verblieb.

Zurücklassen mussten Otto und Anna Frank auch eine, wie er formulierte, „hochherrschaftliche 7 Zimmereinrichtung“, zumeist aus edlem Holz wie Mahagoni oder schwarzer Eiche, wertvolle Gemälde und Teppiche sowie den gesamten Hausrat samt Wäsche. Insgesamt hatte er deren Wert auf 25.000 DM – nicht RM – geschätzt.[177] Was mit den Möbeln geschah, ist nicht klar. Vermutlich wurden sie vom Finanzamt nach der Auswanderung der Eigentümer verwertet d.h. versteigert. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Eigentümer das selbst noch veranlassten, zumindest liegen dafür keine Belege vor. Allerdings waren sie nicht unmittelbar aus ihrer bisherigen Wohnung am Ring ausgewandert. Sie mussten diese mehrere Wochen vor ihrer Abreise räumen und noch einmal innerhalb von Wiesbaden umziehen. Am 16. Mai 1941 wechselten sie zusammen mit Bertha Blütenthal aus „ihrem“ Judenhaus in das Judenhaus Grillparzerstr. 9.[178] Ganz sicher hat dieser Umzug nicht auf eigene Initiative stattgefunden. Der Grund für diesen auf den ersten Blick völlig sinnlosen Umzug lässt sich vermutlich einem Schreiben entnehmen, das der Hauverwalter Beckhaus am 21. November 1942 an das Finanzamt Wiesbaden richtete. Er beklagt sich darin über die verschiedenen Mietausfälle, die es ihm nicht ermöglichen würden, notwendige Reparaturen am Haus in Auftrag zu geben. Konkret verweist er auf die Tatsache, dass er „seit dem 9.5.1941 die Erdgeschoss-Wohnung des inzwischen abgewanderten Hauseigentümers Otto Israel Frank für Fliegergeschädigte zur Verfügung stellen musste“.[179] In der Nacht zum 6. Mai 1941 war in Biebrich eine recht große, aber einzelne Bombe der Royal Air Force mit einer Sprengkraft von1800 kg niedergegangen und hatte dort nicht unerhebliche Schäden an Gebäuden hervorgerufen.[180] Offenbar hatte das Wohnungsamt den Besitzer des Judenhauses, von dem man wusste, dass er die Koffer bereits für seine Ausreise gepackt hatte, ohne Rücksicht auf die Straße gesetzt bzw. in ein anderes Judenhaus einquartiert. Eine nichtjüdische Mitbewohnerin in einer der oberen Etagen hatte später im Entschädigungsverfahren über den Auszug der Franks folgende eidesstattliche Versicherung abgegeben:
“Etwa im Jahr 1941 mussten Franks ihre Wohnung verlassen, weil verschärfte Massnahmen gegen Juden ergriffen wurden. Sie durften dabei nur den notwendigsten Bedarf an Leibwäsche und Kleidung mitnehmen. Sie mussten alle übrigen Stücxke zurücklassen.“[181]
Die im Haus am Kaiser-Friedrich-Ring untergekommenen, ausgebombten Volksdeutschen werden die wertvolle Wohnungseinrichtung zumindest vorübergehend, wenn nicht sogar auf Dauer als die ihre angesehen und sie entsprechend genutzt haben.

Steinberg Judenhaus Wiesbaden Jude
Grillparzerstr. 9 heute
Eigene Aufnahme

Otto und Anna Frank blieben in Grillparzerstr. 9 unter sehr beengten Verhältnissen noch ein Vierteljahr wohnen, bevor sie dann tatsächlich ausreisen konnten, allerdings ohne ihr Schwester bzw. Schwägerin. Ein Jahr später, wenige Tage, bevor sie deportiert werden sollte, nahm Bertha Blütenthal sich im Judenhaus Grillparzerstr. 9 das Leben.

Nur dank bester Beziehungen von Familienmitgliedern, die schon wesentlich früher in die USA gelangt waren, konnten Otto und Anna Frank am 16. August 1941 Deutschland verlassen und von Lissabon aus am 27. September 1941 mit dem Schiff ’Nyassa’ den Hafen von New York ansteuern. Wer genau letztlich den Weg geebnet hatte, ist nicht bekannt, aber Claude Springer und auch Helmuthh Frank berichteten, dass sich Schwestern ihrer Mutter bzw. Großmutter, vielleicht auch deren Kinder, sich nach ihrer Übersiedlung in die USA in der republikanischen Partei engagiert hätten, wodurch eine sehr enge Verbindung zu dem damals prominenten und führenden konservativen Senator Robert Taft aus Ohio entstanden sei. Taft selbst habe ein Telegramm an den amerikanischen Konsul in Stuttgart geschickt und ihn beauftragt, sich darum zu kümmern, dass dem Ehepaar Frank sofort Visa für die Einreise in die USA ausgestellt würden, was der Konsul dann auch tatsächlich in die Wege leitete. Nach der ihnen ursprünglich in Stuttgart zugeteilten Nummer hätten sie erst Jahre nach Kriegsende diese Möglichkeit gehabt, aber da wären sie vermutlich schon längst tot gewesen.

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Quittung für den Kauf der Tickets für die Passage in die USA
HHStAW 519/3 27462 (5)

Die Eltern lebten nach ihrer glücklichen Rettung im Haus der Springers, wo Anna Frank nun die Führung des Haushalts übernahm – eine Aufgabe, mit der sie sich zuvor in Deutschland dank ihrer Angestellten nie hatte befassen müssen. Eigenes Einkommen hatten Franks in den USA nicht mehr. Sie waren, bis ihnen die ersten Entschädigungszahlungen vom deutschen Staat gewährt wurden, auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen.[182] Otto Frank hat das aber nicht mehr erleben dürfen. Wie sein Anwalt Meyerhoff in einem Schreiben an die Entschädigungsbehörde mit einigem Zynismus formulierte, konnte der „uralte Mann (…) den Ausgang des Verfahrens nicht länger abwarten und ist bereits verstorben“.[183] Sein Tod war am 25. September 1950 in New York eingetreten.[184] Seine Frau Anna lebte noch vier Jahre, als im April 1955, zehn Jahre nach dem Ende der Verfolgung, die erste Entschädigungszahlung angewiesen wurde.[185] Sie verstarb ebenfalls in New York am 6. Juli 1959.[186]

Tochter Edith und ihr Mann Dr. Ernst Springer konnten trotz allem erlebten Leid am Ende auf ein sehr langes Leben zurückblicken. Sie verstarben hochbetagt im Alter von fast einhundert Jahren, Ernst Springer am 22. April 1990,[187] seine Frau am 17. Juli 1999.[188]

Die Verwertung des Hauses Kaiser-Friedrich-Ring 65

Auszug aus dem Mietkontenbuch der Hausverwaltung über die Einnahmen, die nun dem Finanzamt Wiesbaden zufielen
HHStAW 519/2 I (o.P.)

In ihr Haus in Wiesbaden waren in den Jahren 1939 bis Herbst 1942, als die letzte große Deportation die Stadt verließ, neben Bertha Blütenthal weitere 18 jüdische Bewohner ein- und wieder ausgezogen – entweder in andere Häuser oder aber um von dort aus die Reise in den Tod anzutreten. Aber wie in nahezu allen anderen Wiesbadener Judenhäusern wurden auch im Kaiser-Friedrich-Ring 65 nicht alle Wohnungen umfunktioniert. Tatsächlich waren es nur zwei Etagen, die als Ghettowohnungen dienten, die Wohnung der Eigentümer im Erdgeschoss und die im darüber liegenden Stockwerk. Die dritte und vierte Etage und auch die Mansardenräume waren zum Teil schon seit Jahren von nichtjüdischen Mietern bewohnt, die die Ereignisse in den Stockwerken unter ihnen unzweifelhaft hatten wahrnehmen müssen. Wie die Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bewohnern sich gerade in der Phase von 1939 bis 1942 gestalteten, wie man sich etwa im Treppenhaus begegnete, wie man übereinander sprach – für all das liegen keine Quellen vor. Zumindest die Mieterin Klara Winterott, die seit 1933 in dem Haus wohnte, scheint eine engere Beziehung zu den Vermietern gehabt zu haben. In einer eidesstattlichen Erklärung im Rahmen des Entschädigungsverfahrens, bei der es um die Bewertung des Mobiliars ging, gab sie an, dass sie „mit diesen bekannt war“ und oft die Gelegenheit gehabt habe, die Wohnungseinrichtung zu sehen, was wohl bedeutet, dass sie sich auch mehrfach in der Wohnung aufgehalten haben muss.[189] Ob das aber noch nach 1939 geschah, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Immerhin hat die Frau mit dazu beigetragen, dass Franks eine Entschädigung für die verlorene Einrichtung erhielten. Ob es diese Form der Solidarisierung auch in der Zeit der Verfolgung gab, ist nicht bekannt. In jedem Fall mussten die Bewohner der oberen Stockwerke wahrgenommen haben, wie sich die unteren Etagen mit Juden füllten und sie müssen auch mit angesehen haben, als die letzten jüdischen Mitbewohner aus dem Haus geholt und zur Sammelstelle gebracht wurden. Erst „feindliche“ Bomben vertrieben sie dann aus dem Haus, das den eigentlichen Eigentümern Otto und Anna Frank zu diesem Zeitpunkt schon längst geraubt worden war.

Die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 umhüllte den Entzug des Eigentums mit dem Mantel der Legalität. Darin war festgelegt, dass „ein Jude, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, nicht deutscher Staatsangehöriger sein (kann)“. Das Vermögen eines Juden, dem aus diesem Grund die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, verfiel dann automatisch dem Deutschen Reich. Am 1.Januar 1943 wurde dieser Akt an Otto und Anna Frank förmlich vollzogen.[190]

Zwar wurde das Hausgrundstück erst am 28. August 1943 im Grundbuch der Stadt Wiesbaden auf das Deutsche Reich umgeschrieben,[191] die Verwertung war aber praktisch mit dem Vermögenseinzug nach der Ausreise des Ehepaars Frank eingeleitet worden. Zuständig dafür war die Liegenschaftsabteilung im Finanzamt Wiesbaden unter Leitung des Finanzbeamten Schreck. Er wiederum hatte den Hausverwalter Beckhaus mit dieser Aufgabe betraut, der nun die Wohnungen gemäß den Vorgaben des Wohnungsamtes, aber zugleich möglichst gewinnbringend für den Reichsfiskus vermieten musste.

Ein erstes Problem bei der Verwertung entstand dadurch, dass sofort der „Beauftragte für den Vierjahresplan – Haupttreuhandstelle Ost – Sonderabteilung Altreich“ in Berlin Moabit die Hand auf die Immobilie gelegt und sich für zuständig erklärt hatte. Irgendjemand – wer auch immer – war fälschlicher Weise davon ausgegangen, dass das Ehepaar Frank die polnische Staatsangehörigkeit besitze und als solche in die USA emigriert sei. In diesem Fall wäre tatsächlich dieses Sonderfinanzamt in Berlin zuständig gewesen.[192] Erst im Dezember 1942 konnte Beckhaus die zuständigen Stellen davon überzeugen, dass sowohl Otto Frank, wie auch seine Frau aus Familien stammten, die seit vielen Generationen in Deutschland ansässig waren und die Genannten schon immer die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen.[193]

Wie bereits erwähnt waren nach dem Bombenangriff im Mai 1941 in die Wohnung von Franks obdachlos gewordener Menschen aus Biebrich eingezogen. Mieteinnahmen wurden dem Verwalter von der Stadt aber verweigert. Erst im Oktober konnte er diese Etage zumindest teilweise offiziell vermieten. Auch die Wohnungen des ersten Stocks waren nach der Deportation der jüdischen Mieter noch versiegelt, sodass auch für diese keine Einnahmen erzielt werden konnten, weshalb der Hausverwalter sich – damals noch bei der Treuhandstelle – Ost in Berlin – beklagte, dass er unter diesen Bedingungen weder das Heizmaterial für den Winter, noch die fälligen Hauszinssteuern bezahlen könne.[194]

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Ein Finanzbeamter erhält die Wohnung von Otto und Anna Frank
HHStAW 519/2 2175 I (21)

Bereits im Oktober 1942 hatte sich ein Interessent für die große Wohnung im ersten Stock bei Beckhaus gemeldet. Nicht zufällig handelte es sich um einen Oberinspektor des Finanzamts Wiesbaden, der sein Gesuch über den Vorsteher des Amtes an den Hausverwalter lancierte hatte. Unzweifelhaft war es von Vorteil, wenn man direkt an der Quelle saß. Zwar versuchte er nicht mit seiner politischen Gesinnung zu argumentieren, dafür schilderte er umso eindringlicher sein persönlich erlittenes Schicksal: Seine Frau war gerade an einem Schlaganfall verstorben. Er war daher nun allein mit zwei Kindern seiner Schwägerin, die er bei sich aufgenommen hatte, nachdem deren Mutter vor wenigen Jahren der Tuberkulose erlegen war: „Ich bin deshalb gezwungen,(!) mich in absehbarer Zeit wieder zu verheiraten. Nach eingehender Überlegung beabsichtige ich, eine hiesige Geschäftsfrau zu heiraten, von der ich überzeugt bin, dass sie den gestellten, grossen Anforderungen gerecht werden wird.“ Diese Zukünftige sei aber zur Ehe nur bereit, wenn sie ihr eigenes Geschäft weiterführen könne, wozu eine große Wohnung notwendig sei, zumal dann auch noch deren Mutter einziehen müsse, um den Haushalt zu führen. Somit sollten sechs Personen und ein Geschäft in die freigestellten Räume einziehen.[195] Das Finanzamt unterstützte selbstverständlich diesen Antrag, zumal dafür zwei andere Wohnungen frei wurden.

Bevor die Wohnungen vermietet werden konnten, mussten sie allerdings renoviert werden. Zwar ist das im gegebenen thematischen Rahmen eigentlich nicht von Interesse, interessant und erwähnenswert sind allerdings die antisemitischen Klischees, mit denen die Rechnungen der Handwerker von dem zuständigen Beamten im Finanzamt kommentiert wurden, um die jeweiligen Kosten zu legitimieren. Menschen, die zum Teil vor wenigen Jahren noch in hochherrschaftlichen Villen wohnten, über Einrichtungen und Mobiliar höchster Qualität verfügten, werden so dargestellt, als seien sie bar jeder Kultur, eben Untermenschen. Gegen die Absicht des Beamten zeugen die Anmerkungen aber noch mehr von den unmenschlichen Verhältnissen, in denen die Juden in diesen Häusern damals zu leben gezwungen waren.

Die folgenden Kommentare, die für sich selbst sprechen und unterschiedlichen Rechnungen entnommen sind, sollen hier einfach nur wiedergegeben werden:

„Sämtliche Wohnräume in dem Judenhaus waren verludert. Die schweren Stuckdecken waren mit großen Putzschäden durchsetzt und die Gesimse ausgerissen.
Durch Untervermietung der einzelnen Wohnräume waren die alten behelfsmäßigen Mauerdurchbrüche ordnungsgemäß zu verputzen und neue herzustellen.“

“Durch die Untervermietung des Juden war das Bad als behelfsmäßige Küche mit Brennstellen eingerichtet.“
„Der auf dem Küchenbalkon befindliche 2. Abort wurde von den Juden nicht benutzt und war unbrauchbar und zerfallen. (…) Die elektrischen Lichtleitungen in den einzelnen Zimmern waren für die Untervermietung durch Schnur behelfsmäßig hergestellt.“
„Bei Unterbringung mehrerer Judenfamilien in die Wohnräume wurden die Licht- und Klingelanlagen getrennt und behelfsmäßig verlegt.“
“Durch die Untervermietung der einzelnen Zimmer war die Küche zur gemeinschaftlichen Benutzung mit Gasbrennstellen behelfsmäßig hergerichtet.“

„Nach Abschiebung der Juden wurden Abort, Heißwasserbereiter, Abortspülkasten instandgesetzt und die fehlenden Teile ersetzt, da bei Neuvermietung der Wohnung diese gefordert wurde.“
„Die Unterlage des Linoleumbelags, der Steinfußboden, der Judenwohnung war in Bad, Küche und Flur an mehreren Stellen durch unsachgemäße Behandlung, Aufschlagen schwerer Gegenstände, eingedrückt und brüchig geworden.“

“Die Parkettfußböden waren durch Untervermietung des Juden stark verschmutzt und infolge unsachlicher Behandlung mit Stauböl und Wachsersatzmittel verschmiert und geschwärzt.“[196]

Die „verluderten“ Judenwohnungen wurden wieder hergerichtet, aber angesichts der Probleme, mit der die Kriegswirtschaft in diesen Zeiten im Hinblick auf Material und Arbeitskräfte zu kämpfen hatte, eher provisorisch. Letztlich war das aber ohne Belang, denn der von den Nazis heraufbeschworene Krieg machte diese Arbeiten ohnehin schon bald obsolet. Nur noch wenige Monate und das gesamte Reich war ein einziges Trümmerfeld.

Luftbild des Rings aus dem März 1945. Erkennbar sind die Zerstörungen durch mehrere Luftangriffe (Bahnhof links oben, roter Punkt = Kaiser-Friedrich-Ring 65)
Stadtarchiv Wiesbaden

Bei dem schweren Luftangriff in den Morgenstunden des 12. Oktober 1944, von dem auch das gesamte Areal am Ring vom Landeshaus bis zur Scheffelstraße betroffen war, wurde auch das ehemalige Judenhaus erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Zwar wurde das Gemäuer selbst nicht zerstört, aber das Haus war faktisch unbewohnbar geworden. In einem Bericht vom 6. August 1945 gab der damals noch zuständige Verwalter Beckhaus Auskunft über die entstandenen Schäden:
Das Mauerwerk der Außenfassade ist gut erhalten. Dachschaden gering, Gebälk unbeschädigt.
Die im Inneren des Hauses entstandenen Schäden sind dagegen sehr  beträchtlich. Die einzelnen Geschosse sind fast unbewohnbar. In der Zeit von Oktober 1944 bis Ende April [1945 – K.F.] war ein Verbleiben der Mieter im Hause unmöglich. Nach Beseitigung der gröbsten Schuttmassen und Vornahme der primitivsten Notverwahrungen behelfen sich die zurückgekehrten Mieter mit Küche und Schlafraum. Der Zustand ist aber für die kalte Jahreszeit nicht haltbar.“
[197]

 

 

 

 

 

 

Zerstörungen an den Häusern am Kaiser Friedrich Ring in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Judenhauses bei verschiedenen Luftangriffen vom Sommer 1944 bis Frühjahr 1945
Stadtarchiv Wiesbaden

Angesichts der grassierenden Wohnungsnot in der Nachkriegszeit erteilte der Bürgermeister von Wiesbaden den Auftrag, die Wohnungen so bald als möglich wenigstens notdürftig wieder herzustellen. Laut einem im Oktober eingereichten Kostenvoranschlag beliefen sich die dafür zu erwartenden Gesamtkosten auf etwa 6.700 RM.

Im Oktober 1945 wurde dem bisherigen Hausverwalter Beckhaus, der all die Jahre die Interessen der Finanzverwaltung wahrgenommen hatte, seines Mandats enthoben. An seiner Stelle wurde August Heinzmann durch die Militärregierung mit der Verwaltung einer ganzen Reihe Häuser betraut, die ursprünglich in jüdischem Besitz waren. Die Wahl fiel sicher auf ihn, weil er nicht nur unbescholten war, sondern sich im „Freundeskreis Heinrich Roos“ auf lokaler Ebene sogar aktiv am Widerstand beteiligt hatte.[198]
1948 war der Antrag der ehemaligen Eigentümer des Hausgrundstücks auf Rückerstattung aus New York bei den hessischen Behörden eingegangen. Am 2. Januar 1950 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden das Haus Kaiser-Friedrich-Ring 65 im Grundbuch der Stadt Wiesbaden wieder auf den Namen seiner ursprünglichen Eigentümer Otto und Anna Frank eingetragen.[199]

Auch die Nachkommen von Max Frank erhielten nach dem Krieg das Haus ihres Vaters zurück, das zunächst auf der gleichen Unrechtsgrundlage wie derjenigen, mit der man Otto Frank sein Haus entzogen hatte, vom Deutschen Reich geraubt worden. Am 2. Februar 1943 hatte der ‚Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens’ in Berlin, der für den nach Palästina – damals noch unter britischem Mandat – ausgewanderten Hausbesitzer zuständig war, den Vermögensverfall nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz angeordnet und ebenfalls den Hausverwalter Beckhaus mit der Wahrnehmung der Interessen des Reichs beauftragt.[200] Am 10. Juni des gleichen Jahres beantragte das Finanzamt Wiesbaden, dem die Verwertung der Immobilie oblag, die Überschreibung des Hausgrundstücks auf das Deutsche Reich, was schon am 23. Juni auch geschah.[201] Das Haus wurde nicht frei vermietet, sondern blieb der Beamtenwohnungsfürsorge vorbehalten. Im Folgenden kamen mehrere Mietverträge zustande, u.a. mit einem Luftschutzsachbearbeiter Alfred vom Felde, der die oberste Wohnung im dritten Stock bezog. Selbst 1944, als durch die ersten schwereren Bombenschäden die Wohnungsnot zunahm und der Oberbürgermeister der Stadt nachfragte, ob eine leer stehende Wohnung im Haus Gustav-Freytag- Str. 1 nicht zu Unterbringung solcher Obdachloser genutzt werden könne, wurde das vom Finanzamt abgelehnt.[202]

Anfang 1944 hatte sogar noch ein in „Mischehe“ lebendes Paar in dem Haus gewohnt, das aber dann am 16. Februar zum Auszug gezwungen wurde. Es handelte sich um den aus Polen stammenden jüdischen Arzt Dr. David Feuerstein, der mit der evangelischen Frieda Würfel verheiratet war.[203] Das Schreiben, in dem der Hausverwalter Beckhaus am 21. Februar 1944 dem Finanzamt über den Auszug der Feuersteins berichtet, ist auch unter einem anderen Aspekt von Interesse. Offensichtlich hatten Feuersteins in der Wohnung von Franks gelebt, den es heißt in dem Schreiben weiter:

Kaiser-Friedrich-Ring 65 Wiesbaden, Judenhaus, Judenhäuser Wiesbaden, Bernhard Scheidt, Rosa Scheidt Fechheimer, Minna Scheidt Kahn, Isaak Kahn, Luise Scheidt Kaufmann, Abraham Alfred Kaufmann, Frieda Wolf, Sally Wolf, Paula Helene Wolf Kassel, Julius Kassel, Ilse Betty Kassel, Friedel Scheidt Oppenheimer, Louis Oppenheimer, Eleanor Morris, Hugo Kaufmann, Helga Simon Kaufmann, Emma Scheidt Essinger, Julius Essinger, Rolf Essinger, Otto Essinger, Anna Essinger, Siegmund Scheidt, Anna Scheidt Frank, Otto Frank, Helmuth Friedrich Frank, Edith Margot Frank,Bertha Berta Scheid Blütenthal, Davis Blütenthal, Simon Frank, Therese Frank Müller, Moses Max Frank, Anna Simon Frank, Leonie Frank Landsberg, Peter Kurt Frank, Judith Eva Landsberg, Lea Landsberg, Jenny Johanna Scheidt, Felix Kaufmann, Juden Wiesbaden, Klaus Flick
Verwertung des Mobiliars
HHStAW 519/2 2075 II (13)

“Schließlich teile ich Ihnen noch mit, dass durch den Wegzug der Mieterin Feuerstein nunmehr das gesamte von dem Juden Max Israel Frank zurückgelassene Mobiliar der Verwertung zugeführt werden kann. Ich bitte Sie den Abtransport des Mobiliars zu veranlassen und für die Aufnahme der Gegenstände bei Gelegenheit der Abfuhr einen Beauftragten nach dem Haus zu entsenden. Ein Klavier bitte ich mir zum Taxwert zu überlassen.“[204]
Der Brief ist insofern von Interesse, als im Entschädigungsverfahren über den Verbleib des Mobiliars angeblich nichts bekannt war. Peter Frank, der Sohn von Max Frank, hatte in dem Verfahren eine sechsseitige detaillierte Liste der zurückgelassenen Möbel und Einrichtungsgegenstände vorgelegt und versucht etwas über deren Verbleib in Erfahrung zu bringen.[205] In der gleichen Akte, die den zitierten Brief enthält, ist ein weiterer Brief aus dem Herbst 1948 von ihm zu finden ist, in dem er die gleiche Frage an den früheren Hausverwalter Beckhaus stellt. Am 23. November leitet dieser die Anfrage weiter an das Finanzamt, das diesem wiederum antwortet:
“Das Haus Gustav-Freytag-Str. 1 wurde 1945 von der Besatzungsmacht  mit allen im Hause befindlichen Möbeln aus dem Besitz der Familie Frank beschlagnahmt. Ob zu dieser Zeit noch Möbel aus dem Besitz der Familie Frank in diesem Hause standen kann nicht mehr ermittelt werden. Bei den Akten des Finanzamts befinden sich keine diesbezüglichen Unterlagen.“[206]
Es klingt nur vage an, aber könnten es nicht die Amerikaner, die Besatzungsmacht, gewesen sein, die sich die Möbel widerrechtlich angeeignet hatten? In jedem Fall wusste man nicht, wollte nicht wissen, was mit dem Mobiliar geschehen war, obwohl nur wenige Seiten zuvor explizit zu lesen war, was geschah, nämlich dass sie abgeholt und verwertet wurden und derjenige, der die scheinheilige Anfrage bei seinem ehemaligen Auftraggeber, dem Finanzamt, machte, sich quasi als Provision noch ein Klavier erbeten hatte – natürlich nach Taxpreis, aber was waren Judenmöbel schon wert.

Tatsächlich war das Haus unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner am 27. April 1945 beschlagnahmt und der Vermögenskontrolle unterstellt worden. Am 20. Juli 1947 wurde es dann von der Militärregierung gegen eine Nutzungsgebühr für eigene Zwecke konfisziert,[207] bevor es dann am 4. Oktober 1949 den beiden Erben von Max Frank, Peter Frank und Leonie Landsberg, zurückgegeben wurde.[208] Während Peter Frank in Großbritannien blieb, zog seine Schwester nach ihrer Rückkehr aus Israel wieder in das in den Familienbesitz gelangte Haus in der Gustav-Freytag-Str. 1 ein.

 

Veröffentlicht: 22. 12. 2021

 

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Anmerkungen:

 

[1] Denkmaltopographie – Kulturdenkmäler in Hessen, Wiesbaden II, Die Villengebiete, S. 437 f.

[2] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 269 Bl. 4015 Innen.

[3] Der Ort ist heute mit Monzel zur Gemeinde Osann-Monzel zusammengeschlossen und liegt im Kreis Bernkastel-Wittlich. Die folgenden Angaben zur Genealogie der Familie Frank beruhen auf den Forschungen von Wolfgang Appel, der diese in dem ‚Familienbuch der jüdischen Einwohner von Osann und der näheren Umgebung’ 2014 veröffentlicht hat. Die Arbeit ist Online abrufbar unter http://www.qoqa.de/Jewish_Heritagebook_Osann-Monzel.pdf. Die Angaben zur Familie Frank beginnen beim Eintrag 101. Daneben wurde auch auf Informationen der gängigen genealogischen Datenbanken von Ancestry oder GENI zurückgegriffen, die mitunter aber abweichende Daten enthalten. Im Zweifelsfall wurde denen von Appel vertraut. Siehe den in Ancestry veröffentlichen Stammbaum unter https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/119380228/person/162020356916/facts und den bei GENI https://www.geni.com/family-tree/index/6000000000144837934. (Zugriff: 15.11.2021).

[4] Allerdings macht Wolfgang Appell in Geneanet zurecht darauf aufmerksam, dass diese zweite Ehe, angeblich mit der um 30 Jahre jüngeren Feilgen Levy zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden müsse. Simon Frank wäre dann im Alter von 72 Jahren noch Vater von den Zwillingen Joseph und Rachel geworden, was nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, aber doch eher unwahrscheinlich ist. Appell gibt allerdings in seiner Darstellung zwei unterschiedliche Geburtsjahre für Feilgen Levy an. Im Eintrag <74> ist sie im Jahr 1780, im Eintrag <101> im Jahr 1776 geboren worden. Gestorben ist sie, hier gibt es keine Differenzen, am 29.11.1851 in Osann.

[5] Vogel Levy, deren Eltern nicht bekannt sind, war am 12.8.1781 geboren worden und am 20.5.1812 in Osann verstorben. Wann ihr Ehemann Nathan Frank im Nachbarort Brauneberg verstarb, ist nicht bekannt.

[6] In einer zweiten Ehe mit der 1786 in Merzig geborenen Sara Perl, die schon ein halbes Jahr nach dem Tod der ersten Ehefrau geschlossen wurde, kamen noch einmal neun weitere Kinder zur Welt.

[7] Die Rabbiner der Emanzipationszeit, S. 318, Eintrag 0451.

[8] Im US-Holocaust Museum liegt ein etwa dreistündiges, dreiteiliges Interview mit Rabbi Hellmuth Friedrich Frank vor, in dem er im Februar 1982 detailliert über sein Leben und das seiner Familie Auskunft gibt. Im ersten Teil geht es primär um die Jugend in Wiesbaden und sein Studium in Berlin. Im zweiten Teil  berichtet er umfassend über die Ereignisse während der Reichspogromnacht in Worms, wo er in dieser Zeit seine erste Anstellung hatte. Der dritte Teil behandelt seine Inhaftierung in Buchenwald und die Emigration, auch die seiner Eltern. Im Folgenden wird auf dieses Interview mit Frank, Interview I, II oder II verwiesen. Das Interview ist zu hören unter: https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn508721. (Zugriff: 15.11.2021).

[9] Seine jüngeren Geschwister waren Isay, geboren am 19.8.1839, gestorben am 16.4.1901 in Frankfurt; Carolina Gella, geboren am 16.10.1841, gestorben 10.2.1921 in Luxemburg; Isaak, geboren am 14.2.1843, gestorben 16.7.1873 in Wittlich; Lazarus, am 26.6.1845 als erster in Wittlich geboren, gestorben am 6.5.1919 in Köln-Sülz; Julie Jette, geboren am 1.8.1847, ihre Sterbedaten sind nicht bekannt; Jonas, geboren 4.7.1850, gestorben 1926 in Bad Honnef; Johanna, geboren am 10.3.1854, gestorben 12.3.1931 in Bingen. Angaben nach Familienbuch Osann.

[10] Therese Müller war am 23.6.1842 in Eisenschmitt als Tochter von Heyum Hartmann und Ester Müller, geborene Fribourg, geboren worden, siehe Familienbuch Osann.

[11] Isaak Frank hatte in Wittlich nicht nur das väterliche Geschäft übernommen, sondern war dort ebenfalls als Rabbiner tätig. Desgleichen dessen Sohn Emil Frank, der auch Rabbiner und ab 1912 bis zur endgültigen Arisierung 1939 Inhaber des Geschäfts  am Wittlicher Marktplatz war, nachdem es 1936 bereits zwangsweise an einen nichtjüdischen Kaufmann vermietet werden musste. Bis 1933 gehörten Emil Frank mit seiner Frau Clementine zu den angesehensten Bürgern der Stadt. Die irrige Vorstellung, dass ihnen in Wittlich nichts geschehen würde, hat sie lange von der möglichen Flucht abgehalten. 1941 gelang ihnen dann doch noch die Ausreise in die USA. Ein Institut an der theologischen Fakultät der Universität Trier trägt heute seinen Namen. Siehe zu seinem Schicksal http://www.ak-juedische-gemeinde-wittlich.de/index.php/emil-frank/40-emil-frank. (Zugriff: 15.11.2021).

[12] Heiratsregister Frankfurt 2459 / 1904.

[13] https://www.geni.com/people/Simon-Simeon-Frank/6000000000144670432. (Zugriff: 15.11.2021).

[14] Frank, Interview I.

[15] Die Ehe war am 22.6.1886 in Trier geschlossen worden, siehe Heiratsregister Trier 79 / 1886.

[16] Zunächst verstarb Friedericke am 23.5.1909, Sterberegister Trier 42 / 1909, dann Emanuel am 12.3.1910, Sterberegister Trier 178 / 1910.

[17] Heiratsregister Trier 161 / 1893. Meier Weil war am 2.4.1863 als Sohn des Kaufmanns Herz Weil und seiner Frau Karolina, geborene Kahn, geboren worden.

[18] Für Mathilde Geburtsregister Merzig 92 / 1894, für Alfred ebd. 266 / 1898.

[19] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_5979-0219?treeid=&personid=&hintid=&queryId=24a21aa607322659e595264349dfcdf9&usePUB=true&_phsrc=Ekt3707&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=23324624. (Zugriff: 15.11.2021). Als Kontakt in den USA hatten sie einen Cousin Jakob Stern angegeben, der in New York in der Bronx wohnte. Alfred Weil verstarb am 7.1.1998 in Beachwood, Ohio, seine Frau am 21.2.2006 ebenfalls dort.

[20] Ihnen und dem Judenhaus Adolfsallee 30 ist ein eigenes Kapitel gewidmet, siehe oben.

[21] HHStAW 685 714c (3). Die Historie der Firma ist allerdings in dieser Form nicht gesichert, sondern eine Vermutung. In der angeführten Quelle, eine Steuerprüfung von 1929, heißt es nämlich: „Gründung der Fa. erfolgte in 1886. Der damalige Inhaber Leo Singer war zugleich Teilhaber der Fa. Gebr. Simon, Nikolasstrasse, Wiesbaden. Dieses Beteiligungsverhältnis wurde alsbald nach Gründung der neuen Fa. Simon & Co. aufgelöst.“ Es liegt nahe, dass der Prüfer versehentlich statt Leo(n) Simon, einen unbekannten Leo Singer in seinem Bericht nennt. Zum einen gab es in Wiesbaden damals keinen Leo Singer, zum anderen führten die Söhne von Louis Simon später die ursprüngliche Firma noch in den 30er Jahren. Möglicherweise waren die beiden Firmen sogar in nicht bekannter Weise miteinander verbunden geblieben, denn Unterlagen aus deren Firma finden sich auch in den Steuerakten der ‚Simon & Co.’

[22] Leon und Lina Simon hatten fünf Töchter, aber keinen Sohn, der nach damaliger Tradition die Firma hätte übernehmen können. Daher ist es verständlich, dass mit dieser Ehe die Firma im Familienbesitz gehalten werden sollte. Die gemachten Angaben über die Biographie von Max Frank beruhen auf Einlassungen des Rechtsanwalts Dittmar im Entschädigungsverfahren, siehe HHStAW 518 8826 II (198). Unwahrscheinlich ist allerdings die darin enthaltene Information, dass das Weinhandelsgeschäft ursprünglich von Annas hier namentlich nicht genannten Großvater und nicht von ihrem Vater gegründet worden sei. Ihr Großvater Josef Simon ist sowohl in den entsprechenden Heirats- wie auch Sterberegistern nur allgemein als Kaufmann eingetragen. Er hatte auch immer in Wehen im Taunus gewohnt, ein sicher eher ungünstiger Ort für einen Weinhändler. Vermutlich gehörte aber auch Wein schon zu dem ansonsten breiteren Angebot seines Ladens in Wehen.

[23] Sterberegister Wiesbaden 462 / 1898. Eigenartigerweise wurde sein Tod dem Standesamt von der Polizeidirektion Wiesbaden gemeldet. Der Verstorbene sei am 30.4.1898 tot in seiner Wohnung aufgefunden worden, heißt es in dem Eintrag. Ansonsten wird über die näheren Umstände nichts gesagt. Während er zum Zeitpunkt des Todes  90 Jahre alt war, lebte seine Frau noch. Sie war damals erst Anfang vierzig und starb am 29.10.1909 in Wiesbaden.

[24] Siehe den Handelsregisterauszug Wiesbaden Abt. A, Bd. Na 649 in HHStAW 518 8826 I (78 ff.).

[25] Zur Familie Hirsch siehe oben das Kapitel über die Eigentümer des Judenhauses Blumenstr. 7 Heinrich und Amalie Hirsch, geborene Ballin.

[26] Zu den biographischen Angaben siehe HHStAW 518 8827 (34). Wie aus dem Handelsregistereintrag , siehe Anm. 24, hervorgeht, ist die hier gemachte Angabe, dass er bereits 1902 Teilhaber von Simon & Co. wurde, falsch. Auch das Antragsblatt der Entschädigungsakte besagt, dass Otto Frank seit 1904 in Wiesbaden wohnhaft gewesen sei.

[27] Heiratsregister Frankfurt a. M. 2459 / 1904.

[28] Siehe dazu http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/en_de_ju_sky10104.pdf. (Zugriff: 15.11.2021), auf die im Weiteren bei der Angabe von Lebensdaten zurückgegriffen wird, sofern nicht anders angegeben.

[29] Der Mädchenname der Ehefrau ist nicht gesichert, bzw. es liegen verschiedene Namensvarianten vor. In den meisten Fällen wird er Kuhn geschrieben, aber im Ansbacher Familienbuch ist er im Zusammenhang mit dem Tod ihres Sohnes Raphael dagegen als Kohn angegeben, siehe https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/60913/images/004814947_00287?pId=16471291. (Zugriff: 15.11.2021).

[30] Wichtige genealogische Angaben zur Familie Scheidt sind zu finden in http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/en_de_ju_sky10104.pdf. (Zugriff: 15.11.2021).

[31] Siehe zu seinem Schicksal ausführlich in dem ihm gewidmeten Kapitel im Beitrag Judenhaus Adolfsallee 30.

[32] Sterberegister Darmstadt 279 / 1896. Isaak Kahn war kurz vor Vollendung seines 35sten Lebensjahrs verstorben. Geboren worden war er in Rimbach bei Heppenheim.

[33] Zu Frieda siehe Geburtsregister Darmstadt 419 / 1891, zu Paula ebd. 484 /1892.

[34] Sally Wolf, geboren am 2.4.1878 in St. Goarshausen war der Sohn von Josef und Johannette Wolf, geborene Hamburger. Siehe Heiratsregister Frankfurt 312 / 1911. Einer der Trauzeugen war August Mohrenwitz, der Onkel der Braut und spätere Bewohner des Wiesbadener Judenhauses in der Adolfsallee 30.

[35] Heiratsregister Frankfurt 60 / 1918, dazu Geburtsregister Darmstadt 897 /1885. Seine Eltern waren der Kaufmann Zacharias Kassel und dessen Frau Betty, geborene Meyerfeld

[36] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6551-0718?treeid=&personid=&hintid=&queryId=fe743542fc0fef9c3fcc204b7420ef3c&usePUB=true&_phsrc=Ekt3817&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=1006404879. (Zugriff: 15.11.2021)

[37] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/94378981:2442?tid=&pid=&queryId=c0cb0f22d5374cf284799bfc8ea5cfcc&_phsrc=Ekt3828&_phstart=successSource. (Zugriff: 15.11.2021).

[38] https://de.findagrave.com/memorial/98896439/sally-wolf. (Zugriff: 15.11.2021).

[39] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429112-00336?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=109844&lang=de-DE und https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429112-00333?treeid=&personid=&hintid=&queryId=552044440b23b3095588a281043948b1&usePUB=true&_phsrc=Ekt3830&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=109842. (Zugriff: 15.11.2021).

[40] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6428-1008?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=1005157407&lang=de-DE. (Zugriff: 15.11.2021).

[41] HHStAW 518 18684 (32).

[42] Ebd. (1).

[43] HHStAW 519/3 3294 (4). Der Eingang des Betrages auf dem Konto bei der Sparkasse wurde nach dem Krieg von dieser bestätigt, siehe HHStAW 518 18684 (28).

[44] Zu ihr siehe unten.

[45] HHStAW 519/3 3294 (5).

[46] Ebd. (6).

[47] Ebd. (8, 9).

[48] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/17846-minna-kahn/. (Zugriff: 15.11.2021).

[49] HHStAW 518/3 18684 (28).

[50] http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/en_de_ju_sky10104.pdf (7).

[51] Für Frieda, geboren am 11.12.1892, Geburtsregister Mannheim 3140 / 1892, für Max August, geboren am 23..3.1998, Geburtsregister Mannheim 893 / 1898.

[52] Sterberegister Frankfurt I 239 / 1918. Abraham Kaufmann war am 1.8.1860 geboren worden. Er verstarb am 15.4.1905, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/151380153:60533?ssrc=pt&tid=87078765&pid=152019600642. (Zugriff: 15.11.2021)

[53] Heiratsregister Frankfurt V 517 / 1914. In seinem Antrag für die amerikanische Staatsbürgerschaft hatte Louis Oppenheimer fälschlicherweise den 7. Juni 1914 als Heiratsdatum angegeben. Geboren war er am 27.9.1879 in Bad Ems als Sohn des Pferdehändlers Seligmann Oppenheimer und seiner Frau Sara, geborene Ullmann. Beide waren damals bereits verstorben.

[54] Eleanor Oppenheimer, verheiratete Morris, hat im Rahmen der Zeitzeugeninterviews der USC Shoa Foundation ein dreistündiges Interview über ihr Schicksal und das ihrer Familie gegeben. Da ihre Großeltern beide vor ihrer Geburt verstorben waren, war sie nicht in der Lage, über sie Auskunft zu erteilen. Auf dieses Interview wird im Folgenden Bezug genommen.

[55] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2280/images/47294_302022005557_0659-00210?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=6768264. (Zugriff: 15.11.2021).

[56] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4110199&ind=1 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11539615&ind=1. (Zugriff: 15.11.2021). Helga Kaufmann, geborene Simon war am 17.8.1911, ihre Tochter Yvonne am 3.4.1938 in Berlin geboren worden. In seiner ‚Page of Testimony’ hat Hugo Kaufmann fälschlicherweise Riga als Ort ihrer Vernichtung angegeben, siehe https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_id=&s_lastName=Kaufmann&s_firstName=Helga&s_place=Berlin&s_dateOfBirth=&cluster=true. (Zugriff: 15.11.2021)

[57] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61200/images/47293_302022005448_1957-00689?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=81850. (Zugriff: 15.11.2021).

[58] https://de.findagrave.com/memorial/72010506/louis-oppenheimer. (Zugriff: 15.11.2021)

[59] https://www.geni.com/photo/view?album_type=photos_of_me&id=6000000041571205779&photo_id=6000000041606920108&position=0. (Zugriff: 15.11.2021).

[60] https://www.geni.com/family-tree/index/6000000028831928384. (Zugriff: 15.11.2021).

[61] Interview Eleanor Morris, Sek. #148.

[62] Staatsarchiv Ludwigsburg K 26 Bü 26. Die Eltern der beiden Brüder waren David und Babette Essinger, geborene Stern. Zur Erinnerung an das Schicksal von Arthur und seiner Frau Karoline Essinger, geborene Rosenthal, die beide in Theresienstadt ums Leben kamen, wurden vor ihrem Haus in der Stuttgarter Sophienstr. 33 Stolpersteine gelegt. Siehe https://www.stolpersteine-stuttgart.de/index.php?docid=464&mid=0. (Zugriff: 15.11.2021)

[63] Die Lebensdaten von Anna sind nicht bekannt. Sie scheint aber früh verstorben zu sein, denn anders als ihre Brüder wurden sie im Entschädigungsverfahren für ihren Onkel Siegmund Scheidt nicht mehr als Erbe aufgeführt. Siehe HHStAW 518 42587 (15), wo auch die Geburtsdaten der beiden Brüder genannt werden. Die übrigen Angaben zur Familie, besonders zu Rolf Essinger sind Ruess, Stuttgarter jüdische Ärzte, S. 84 f. entnommen. Dort wird auch die Tochter Anna erwähnt, die mit ihren beiden Brüdern in Stuttgart in der Libanonstr. 3 aufgewachsen sein soll.

[64] Im Stuttgarter Adressbuch von 1930 ist er allerdings als „Dr. med. Arzt“, wohnhaft in der Libanonstr. 3 gemeldet. Ob er aber auch noch praktizierte, geht aus diesem Eintrag nicht hervor.

[65] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/14332433/person/152127923975/facts?_phsrc=Ekt3831&_phstart=successSource. (Zugriff: 15.11.2021).

[66] Über ihre familiären Hintergründe ist nichts bekannt. In der Ehe wurde 1929 die Tochter April und 1931 der Sohn Pierre geboren, ebd.

[67] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/5378/images/32704_334618-00205?pId=647598. (Zugriff: 15.11.2021). Wie der Passagierliste zu entnehmen ist, war Otto Essinger inzwischen ebenfalls promoviert und finanziell muss es ihm so gut gegangen sein, dass er sich die Reise nach Australien in der ersten Klasse leisten konnte.

[68] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1518/images/30807_A001216-00235?pId=17950666. (Zugriff: 15.11.2021)

[69] HHStAW 518 42587 (16).

[70] Ebd. (1).

[71] Sterberegister Frankfurt 589 / 1912 und 339 / 1925.

[72] Eigenartigerweise ist er im Jüdischen Adressbuch Frankfurts von 1935 nicht aufgeführt.

[73] HHStAW 518 42587 (77).

[74] Ebd. (35).

[75] Ebd. (38)

[76] HHStAW 519/3 7391 (3).

[77] Ebd. (4).

[78] HHStAW 518 42587 (35).

[79] Zit. nach Kingreen, Gewaltsam verschleppt, S. 358.

[80] HHStAW 518 42587 (46).

[81] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11624373&ind=1. (Zugriff: 15.11.2021)

[82] Umfassend ist das Schicksal von Bertha Blütenthal im entsprechenden Kapitel zum Judenhaus Grillparzerstr. 9 beschrieben.

[83] Geburtsregister Wiesbaden 1915 / 1897 und 342 / 1900. Im Geburtseintrag ist beim Sohn nur der Name Kurt angegeben, in den späteren Dokumenten nennt er sich dagegen dann Peter Kurt oder später im englischen Exil Peter Curt oder nur noch Peter C. Frank.

[84] Geburtsregister Wiesbaden 1348 / 1905 und 569 / 1912.

[85] HHStAW 518 8826 II (243). Im Grundbucheintrag heißt es, dass das Haus „auf Grund des Zuschlagbeschlusses des Amtsgerichts Wiesbaden vom 6.Juni 1919 am 30. Juli 1919 auf den Namen von Max Frank eingetragen worden sei, er somit offensichtlich bei einer öffentlichen Versteigerung in den Besitz der Immobilie gekommen war. HHStAW 519/2 2075 I (4). Das Haus hat heute die Nummer Gustav-Freytag-Str. 11.

[86] HHStAW 518 8827 (139).

[87] Stadtarchiv Wiesbaden WI / 3 983.

[88] In diesem Jahr findet man erstmals einen Eintrag im Wiesbadener Adressbuch mit dieser Firmenadresse. Zuvor waren wohl Räume in der Rheinstr. 30 angemietet.

[89] Frank, Interview I.

[90] Siehe zu beiden ausführlicher unten.

[91] Claude Springer, Interview.

[92] HHStAW 685 714c (2-7). Da im gegebenen Rahmen eine genaue Bilanzanalyse nicht vorgenommen werden kann, sollten die genannten Zahlen nur als Orientierung gewertet werden.

[93] HHStAW 685 166b (56).

[94] HHStAW 685 714 (15, 37, 62).

[95] Siehe ebd. (4), dazu Umsatzsteuerakten HHStAW 685 714d (3, 4). In einer Kontroverse mit dem Finanzamt im Jahr 1935 ging es darum, ob die dem Subunternehmen gelieferten Waren umsatzsteuerpflichtig seien oder nicht. All die Jahre zuvor war das nicht der Fall gewesen, man betrachtete die Firma Wagemann in einem „Organschaftsverhältnis“ zu der Mutterfirma, aber das Privileg wollte die NS-Finanzverwaltung nicht länger dulden.

[96] HHStAW 685 166a (12, 14, 21, 41). Laut einem Schreiben des Finanzamts Wiesbaden  von 1951 betrug das Einkommen 1931 nur rund 6.000 RM. Vermutlich war die Summe bei einer späteren Revision noch einmal verändert worden, siehe HHStAW 518 8827 (32). Siehe auch ebd. (39), wo ebenfalls im Detail abweichende, aber in der Tendenz gleiche Zahlen angegeben werden. Für Max Frank liegen nur Angaben über seinen Anteil am betrieblichen Gewinn vor, die aber tendenziell die gleiche Entwicklung widerspiegeln, siehe HHStAW 518 8826 I (161).

[97] HHStAW 685 714c (9).

[98] Ebd. (8-7). Damit war die Frage, ob es sich bei ‚Gebr. Wagemann’ um eine Organschaft handelt, allerdings auch geklärt. Es handelte sich spätestens ab jetzt um ein formal eigenständiges Unternehmen.

[99] HHStAW  518 8826 II (304). Die Einkünfte, die Max Frank allein aus dem Unternehmen bezog, sahen gerundet wie folgt aus: 3.800 RM (1930), 2.400RM (1931), 5.100 RM (1932), 6.100 (1933), 6.300 RM (1934), 7.800 (1935), 6.800 RM (1936), 3.400 RM (1937), 9.800 RM Verluste (1938), ebd. Man wird davon ausgehen können, dass die Zahlen seines Bruders Otto diesen in Etwa entsprachen.

[100] HHStAW 518 8826 I (96).

[101] HHStAW 685 714a (153).

[102] HHStAW 519/3 22990 (4).

[103] Ebd. (6).

[104] HHStAW 519/3 12478 (1).

[105] HHStAW 519/3 2016 (4).

[106] Ebd. (6). Das entsprechende Dokument für Max Frank ist offenbar verloren gegangen.

[107] HHStAW 518 8826 I (63).

[108] Jakob Wolf, selbst auch Jude und langjähriger Kellermeister bei ‚Simon & Co.’, gelang im Oktober 1939 die Emigration in die USA. Sein Sohn Ludwig konnte ebenfalls rechtzeitig dorthin ausreisen, während dessen Bruder Julius in Auschwitz ermordet wurde. Die Mutter Adele Wolf, geborene Blum, war bereits 1929 in Wiesbaden verstorben.

[109] HHStAW 518 8827 (213), dazu HHStAW 518 8826 I (62).

[110] HHStAW 519/3 12478 (4).

[111] Siehe zu dem im Folgenden beschriebenen Vorgang HHStAW 519/3 34590 (passim).

[112] Für die beiden Geschwister, die sich unmittelbar vor der Deportation vom 1.9.1942 das Leben nahmen, hat das Aktive Museum Spiegelgasse ein Erinnerungsblatt herausgebracht, siehe http://tng.paul-lazarus-stiftung.de/documents/EB-Weis-Anna-Siegfried.pdf. (Zugriff: 15.11.2021).

[113] HHStAW 519/3 34590 (18 f.).

[114] Sterberegister Wiesbaden 158 / 1938, dazu HHStAW 519/3 12478 (8).

[115] Ebd. (9).

[116] Siehe zu ihm und seiner juristischen Ausbildung Faber / Rönsch, Wiesbadens jüdische Juristen, S. 117-119. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an dieser Recherche von Rolf Faber.
Es ist allerdings nicht mehr feststellbar, ob die Ehe der beiden tatsächlich ursprünglich auf einer gemeinsamen politischen Überzeugung gründete oder doch eher auf eine traditionelle Weise zustande gekommen war und das gesellschaftliche Prestige einer solchen Ehe vielleicht eine größere Rolle als die emotionale Bindung und die gemeinsame Geisteshaltung der Partner spielte. Immerhin wurde die Ehe am 14. Januar 1946 vor einem Rabbinatsgericht wieder geschieden, dann aber nach dem Tod von Alfred Landsberg wieder als gültig anerkannt, da das Paar ab 1949 wieder zusammen lebte.

[117] Siehe Faber / Rönsch, Wiesbadens jüdische Juristen, S. 56-57.

[118] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/8753/images/ons_m19392az-0500?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=56114892. (Zugriff: 15.11.2021) Grete Aronheim stammte aus Idar, wo sie am 24.Dezember 1912 geboren worden war.

[119] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429040-00874?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=92538 und https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/61665/images/48741_b429040-00936?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=92572, (Zugriff: 15.11.2021)

[120] HHStAW 518 8827 (358).

[121] Beide müssen entfernt miteinander verwandt gewesen sein, denn Claude Springer sagte, dass sie beide durch eine gemeinsame Verwandte miteinander bekannt gemacht worden seien, siehe Claude Springer, Interview.

[122] Heiratsregister Wiesbaden 824 1925, Geburtsregister Straßburg 604 / 1896.

[123] Claude Springer hat im Rahmen des ‚Visual History Archiv’ der Holocaust Foundation ein etwa zweistündiges Interview über das Schicksal seiner Familie gegeben, auf das im Folgenden unter Claude Springer Interview Bezug genommen wird.

[124] https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Bacharach.pdf. (Zugriff: 15.11.2021)

[125] Claude Springer, Interview. Falsch ist wohl seine Erinnerung, nach der sein Onkel – es kann nur Helmuth Frank gemeint sein – zur brennenden Synagoge geeilt sei, um die Thorarollen zu retten. Sein Onkel hat das zwar gemacht, aber nicht in Wiesbaden, sondern in Worms, wo er damals als Rabbi angestellt war, siehe unten.

[126] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6158-0268?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=21546619. (Zugriff: 15.11.2021). Zwar sagt Claude Springer, dass die Reise seines Vaters bereits 1937 stattgefunden habe, aber da irrt er vermutlich, es sei denn er sei sogar zweimal in die USA gefahren, was aber unwahrscheinlich ist, weil er nur von einer Reise berichtet.

[127] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6260-0595?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=25192988. (Zugriff: 15.11.2021). Die langjährige Zahnarzthelferin, genannt P.T., hatte sie noch an die holländische Grenze gebracht.

[128] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/499809:61406. (Zugriff: 15.11.2021)

[129] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=3693&h=59247924&tid=&pid=&queryId=b976f4cc44d8b80f76eed5b20d248f81&usePUB=true&_phsrc=Ekt3913&_phstart=successSource und https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=3693&h=59247404&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=7488. (Zugriff: 15.11.2021).

[130] Als Anekdote erzählt seine Neffe Claude, dass Helmuth sogar seine Zinnsoldaten zu Rabbinern gemacht und ihnen aus Papier geschnittene Gebetsschals umgehängt habe, siehe Claude Springer, Interview.

[131] Frank, Interview I.

[132] Rabbiner im Deutschen Reich, S. 194, Eintrag 2150. Der Titel seiner Promotion lautete „Mischna mit arabischen Glossen. Leningrader FragmentAntonin Nr. 262“.

[133] Schlösser, Keiner blieb verschont, S.  41.

[134] Frank, Interview II. Zu den Ereignissen in Worms in diesen Tagen Schlösser, Keiner blieb verschont, S. 41-46. Die Darstellung der Ereignisse beruht aber im Wesentlichen auf dem Bericht von Helmuth Frank.

[135] Das bedeutende Archiv der Gemeinde konnte Dank des Mutes des Stadtarchivars allerdings gerettet werden und ist heute im Jewish National Archieve in Jerusalem deponiert. Siehe Frank, As a German Rabbi to America, S. 136.

[136] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/1210/122886390/001.jpg. (Zugriff: 15.11.2021).

[137] Frank, As a German Rabbi to America, S. 137.

[138] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020101/0011/121870744/001.jpg. (Zugriff: 15.11.2021)

[139] Helmuth Frank, Interview.

[140] Zu seinen frühen Jahren in Philadelphia siehe Frank, As a German Rabbi to America, 137-142. Allerdings kam es zunehmend zu Problemen mit denjenigen, besonders den Jüngeren, die sich stärker an den „american way of life“ anpassen wollten. 1957 gab er deshalb seine Gemeindeämter auf und gründete mit anderen die konservative, stärker orthodox geprägte „Congregation Agudath Achim“, die an den Traditionen und den Riten des deutschen Judentums festhielt. Siehe Rabbiner im Deutschen Reich, S. 194, Eintrag 2150.

[141] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=61253&h=901015248&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=7488. (Zugriff: 15.11.2021)

[142] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2717/images/47295_302022005448_1488-00733?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=804419. (Zugriff: 15.11.2021)

[143] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6178-0556?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=23537942. zg

[144] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6147-0663?treeid=&personid=&hintid=&queryId=1deea797059238cb8a8dcb17ba95f40f&usePUB=true&_phsrc=Ekt3767&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=20870172. (Zugriff: 15.11.2021)

[145] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2717/images/47295_302022005448_1488-00733?treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&usePUBJs=true&pId=804419. (Zugriff: 15.11.2021). Ihr Vater, der am 23.8.1891 in Langenschwalbach geborene Handelsvertreter, hatte ihre Mutter Else Klebe, geboren am 19.6.1894 in Gießen, am 20.2.1920 in Frankfurt geheiratet, siehe Heiratsregister Frankfurt 226 / 1920.

[146] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2717/images/47295_302022005448_1603-00373?treeid=&personid=&hintid=&queryId=4e57abbd336cb56675f0aecdca80c8e6&usePUB=true&_phsrc=Ekt3759&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=871988. (Zugriff: 15.11.2021).

[147] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/5474549:2238?lang=de-DE. (Zugriff: 15.11.2021).

[148] Rabbiner im Deutschen Reich, S. 194, Eintrag 2150.

[149] HHStAW 519/3 22990 (84 f.). Im Dezember 1939 wurde noch einmal eine Betriebsprüfung für das vorausgegangene Jahr vorgenommen, die aber – anders als wohl erhofft – keine Unregelmäßigkeiten offenbarte. Man stellte zwar fest, dass die mit Holland erzielten Umsätze „auffallend hoch“ gewesen seien, musste aber in einem als „vertraulich!“ deklarierten Anhang konstatieren, dass „eine beabsichtigte Vermögensverschiebung nicht nachgewiesen werden“ konnte. Ebd. (7).

[150] HHStAW 519/3 22990 (4) und HHStAW 518 8826 I (79). Die Zweigniederlassung in Trier war bereits am 16.5.1938 erloschen, ebd.

[151] HHStAW 518 8826 I (81).

[152] Ebd. (92).

[153] HHStAW 685 714a (19) Mitteilung über Grundstücksveräußerung.

[154] Die Geschichte des Zementwerks Mainz-Weisenau, Heidelberg 2014, S. 38 ff.

[155] HHStAW 685 714a (144), dazu HHStAW 518 8827 (95-98). Aus dem Gerichtsbeschluss der 5. Wiedergutmachungskammer beim LG Frankfurt, dem die Informationen entnommen sind, geht zudem hervor, dass der Käufer zur Rückerstattung verpflichtet wurde, er das aber abgelehnt hatte, weil Otto Frank selbst auf die Käufer zugekommen sei und das Haus dem ‚Cement Verband’ angeboten habe. Man war zunächst nur bereit, die Differenz zwischen dem ersten und zweiten Preis in der Umrechnung 1:1 – RM: DM nachzuzahlen. Die Kammer schloss aber aus den Gesamtumständen, dass es sich um einen Zwangsverkauf gehandelt haben muss und das Haus nach Verrechnung bestimmter Zahlungen zurückzuerstatten sei.

[156] HHStAW 685 714a (144).

[157] HHStAW 518 8827 (123). Die entsprechende Sicherungsanordnung war 20.10.1938 ergangen. Der bisherige und zukünftige Hausverwalter Beckhaus, erhielt als Makler 1.200 RM, siehe ebd. (139).

[158] HHStAW 519/3 2016 (41, 42).

[159] Zu dem gesamten Vorgang siehe ebd. (24, 25, 26, 28, 30, 33, 34, 35).

[160] HHStAW 685 75 Einkommensteuer.

[161] Ebd. Laut einer Notiz im Finanzamt Wiesbaden vom 9.1.1942 hatte er seiner Schwägerin von August bis November 1941 insgesamt 600 RM geschenkt. Siehe 685 166a (98).

[162] HHStAW 519/3 2373 (8).

[163] HHStAW 518 8826 I (168 f.).

[164] HHStAW 519/3 12478 (1 f.).

[165] HHStAW 518 8826 I (96). Allerdings wurde der Wert des Betriebsvermögens später noch herabgesetzt, sodass auch der zu zahlende Betrag von Max Frank möglicherweise geringer war. Es heißt ausdrücklich in dem Bescheid, dass die in einer Auflistung gefundene Zahl „keinen sicheren Schluß zu(lasse), was definitiv zu zahlen war“. (Hervorhebung im Original). Unklar ist zudem, ob er noch zur 5. Rate herangezogen wurde.

[166] Ebd. (167 b)

[167] HHStAW 685 166c (11, 36).

[168] HHStAW 518 8827 (20)..

[169] HHStAW 685 166b (o.P.). In diesem Formular werden die Vermögenswerte von Otto Frank für das Jahr 1931 mit 67.000 RM, für das Jahr 1935 mit 165.000 RM und das vermutete Vermögen bei seiner Auswanderung mit 91.000 RM angegeben.

[170] HHStAW 519/3 2016 (1).

[171] HHStAW 519/3 2016 (51). Unklar bei dieser Aufstellung sind zwei Punkte. Zum einen werden Mietkosten in Höhe von monatlich 250 RM angeführt. Darin enthalten sind zwar auch Heiz- und Wasserkosten, dennoch ist der Betrag außergewöhnlich hoch, weil das Haus sich ja weiterhin in seinem Besitz befand, eine Miete eigentlich gar nicht anfallen konnte. Zudem beziehen sich die Ausgaben auf einen 4-köpfigen Haushalt. Dazu gehörten Otto Frank selbst, seine Frau Anna und deren Schwester Bertha, die bei den Unterhaltskosten noch einmal explizit erwähnt wird. Wer aber die vierte Person ist, bleibt offen. Vermutlich war damit die Hausangestellte gemeint, für die auch ein Lohn von 50 RM aufgeführt ist. Claude Springer erwähnt diese an sich sehr nette ältere und allein stehende nichtjüdische Hausangestellte namens Nelly des Öfteren, lässt aber nicht unerwähnt, dass sie sich später als Nazi entpuppt habe. Siehe Claude Springer, Interview.

[172] HHStAW 685 166a (o.P.) und HHStAW 518 8827 (155). Auch die eingesetzten Werte für die Immobilien sah Otto Frank als zu hoch an. Das Finanzamt hatte einen fiktiven Marktwert angesetzt, Otto Frank ging angesichts der damaligen Lage auf dem Wohnungsmarkt besonders bei jüdischen Immobilien dagegen von dem seiner Ansicht nach realistischeren Einheitswert aus. Siehe HHStAW 685 166c (19).

[173] Meinl / Zwilling, Legalisierter Raub, S.  464 f.

[174] HHStAW 518 8827 (25, 70).

[175] HHStAW 519/3 27462 (16).

[176] Ebd. (3).

[177] HHStAW 518 8827 (17, 23).

[178] Laut Eintragungen auf den jeweiligen Gestapokarteikarten fand der Umzug des Ehepaars Frank bereits am 16. Mai, der von Bertha Blüthental drei Tage später am 19. Mai statt.

[179] HHStAW 519/2 2175 I (40).

[180] Weichel, Wiesbaden im Bombenkrieg, S. 34, dazu Bild der Zerstörung auf S. 29.

[181] HHStAW 518 8827 (24a).

[182] Ebd. (33).

[183] Ebd. (108)

[184] Ebd. (12).

[185] Ebd. (127)

[186] Ebd. (263).

[187] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=3693&h=59247924&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=2280. (Zugriff: 15.11.2021)

[188] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=3693&h=59247404&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=7488. (Zugriff: 15.11.2021)

[189] HHStAW 518 8827 (24).

[190] HHStAW 518 685 166a (o.P.) Einkommensteuer.

[191] HHStAW 519/2 2175 II (2-9).

[192] Siehe dazu ausführlich Meinl / Zwilling, Legalisierter Raub, S. 496-518.

[193] HHStAW 519/2  2175 I (43).

[194] Ebd. (14).

[195] Ebd. (16).

[196] HHStAW 519/2 2175 III (passim).

[197] Ebd. I. (o.P.). Im Weiteren wurden die Schäden der einzelnen Wohnungen detailliert aufgeführt.

[198] Siehe Verfolgung und Widerstand, S. 508 ff.

[199] Ebd. I (o.P.).

[200] HHStAW 519/2 2075 I (16). Zuvor hatte sich allerdings eine privater Kaufinteressent beim Finanzamt gemeldet und darauf verwiesen, dass er schon seit August 1939 in Verhandlungen mit Max Frank gestanden habe, die Verhandlungen durch den Kriegsausbruch, durch den er an die Front gerufen worden sei, nicht zu Ende geführt werden konnten. Er sei weiterhin am Erwerb des Hauses zu dem Taxwert von 51.000 RM interessiert. In den Akten gibt es keinen Hinwseis darauf, dass man auf diese Anfrage überhaupt reagiert hätte.

[201] Ebd. (21, 26).

[202] Ebd. (41, 43).

[203] Laut Gestapokarteikarte zogen sie in die Webergasse 33. In dem Schreiben des Hausverwalters ist tatsächlich nur vom Auszug der Mieterin Feuerstein die Rede, sodass man vermuten muss, dass Herr Feuerstein bereits zuvor zum Verlassen der Wohnun gezwungen worden war, vielleicht aber damals auch verhaftet war. David Feuerstein hat den Holocaust überlebt, nicht aber seine Tochter Käthe, die mit dem Transport vom 10.6.1942 nach Lublin deportiert und vermutlich in Sobibor ermordet wurde.

[204] HHStAW 519/2 2075 II (13).

[205] HHStAW 518 8826 I (20-25).

[206] HHStAW 519/2 2075 II. (75, 176).

[207] Ebd. (73).

[208] HHStAW 519/2 2075 I (56).