Emma Terhoch, geborene Obermeyer, und ihre Töchter Hedwig, Hilde und Irma


Das ehemalige Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 80 heute Eigene Aufnahme
Das ehemalige Judenhaus Kaiser-Friedrich-Ring 80 heute
Eigene Aufnahme
Lage
Lage der beiden Judenhäuser der Brüder Selig am Ring und in der Oranienstraße
Belegung des Judenhauses Kaiser-Friedrich-Ring 80
Belegung des Judenhauses Kaiser-Friedrich-Ring 80

 

 

 

 

 

 

 


Als Emma Terhoch 1938 mit zwei ihrer Töchter nach Wiesbaden kam, war sie bereits verwitwet. Sie stammte aus dem 1914 zum Staatsbad erhobenen Bad Salzuflen im heutigen Landkreis Lippe. Am 21. Dezember 1879 war sie als eines von insgesamt acht Kindern des Geschäftsmanns Salomon Obermeyer und seiner Frau Rosalie, geborene Scheiberg, in der damals knapp 5000 Einwohner zählenden und etwa 20 km nordöstlich von Bielefeld gelegenen Kleinstadt geboren worden.[1]

Salomon Obermeyer, Rosalie Obermeyer Scheiberg, Julius Obermeyer, Robert Obermeyer Olney, Emma Obermeyer Terhoch, Abraham Terhoch, Erich Terhoch, Edith Zita Obermeyer Goldfarb, Walter Terhoch, Hedwig Terhoch, Hilde Terhoch, Irma Terhoch, Adolf Obermeyer, Elsa Blankenburg Obermeyer, Ruth Senta Obermeyer Rothe, Heinz Rothe, Inge Obermeyer Wolff, William Wolff, Harry Rothe, Beatrice Rothe, Sizie Wolff, Ernst Obermeyer, Hans Obermeyer, Isaak Terhoch, Rosa Terhoch Humberg, Johanna Terhoch Rosenbaum, Moses Rosenbaum, Walter Moses Rosenbaum, Elisabeth Winter Rosenbaum, Siegfried Terhoch, Betty Terhoch Reinhaus, Hans Terhoch, Ernst Terhoch, Hildegard Terhoch Landauer, Hans Landauer, Simon Terhoch, Sophie Terhoch Gumprich, Inge Terhoch, Werner Terhoch,Alex Terhoch, Selma Terhoch Schwarz, Adolf Terhoch Frieda Terhoch Humberg, Rosalie Terhoch Katz, Jakob Katz, Hubert Terhoch, Lieselotte Terhoch Goldschmidt, Judenhäuser Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 80, Klaus Flick
Stammbaum der Familien Obermeyer und Terhoch
GDB

Etwa seit dem 16. Jahrhundert waren Juden in der Ortschaft nachweislich ansässig, aber erst 1858 erhielten sie eine zumindest weitgehende rechtliche Gleichstellung mit ihren christlichen Mitbürgern.[2] Schon 1809, als die Bürger mosaischen Glaubens zur Annahme fester Familiennamen gezwungen wurden, findet man zum ersten Mal einen Salomo Levi Obermeyer in den örtlichen Akten. Dieser als arm eingestufte Bürger verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Setzen von Schröpfköpfen.[3] Es handelt sich dabei um den Urgroßvater der später nach Wiesbaden gezogenen Emma Terhoch, geborenen Obermeyer.[4] Innerhalb von nur drei Generationen war die Familie zu einer der bedeutendsten der Stadt aufgestiegen.

 

 

 

 

Anzeigen der Firma ‚S. Obermeyer‘ in Salzuflen

Der Wohlstand und auch das soziale Ansehen beruhten wesentlich auf dem bereits 1858 vermutlich schon von Salomons Vater Joseph Salomon gegründeten Geschäft für Haushalts- und Eisenwaren. Um 1900 wurde es von Salomon Obermeyer in das Haus in der Langestr. 39 / 41 verlegt, ein im Weserrenaissancestiel errichtetes Fachwerkhaus aus dem frühen 17. Jahrhundert im Zentrum der Altstadt.[5]

Rosalie Obermeier
Rosalie Obermeyer, geb. Scheiberg
https://www.geni.com/photo/view/6000000082645461229?album_type=photos_of_me&photo_id=6000000176628845825

Wann Salomon Obermeyer Rosalie Scheiberg, geboren am 15. Juli 1855 in Münster / Westfalen, heiratete,[6] konnte nicht ermittelt werden, aber ihr erstes von insgesamt acht Kindern, wurde am 21. Juli 1878 geboren. Es erhielt den Namen Julius Joseph.[7] Nach Emma, die Wiesbadener Judenhausbewohnerin, die gut ein Jahr später zur Welt kam, wurden im Folgenden drei weitere Söhne geboren. Am 10. Januar 1882 Abraham Adolf Alex,[8] dann Siegfried am 22. Juni 1883[9] und Robert am 19. Oktober 1885.[10] Am 6. April 1889 wurde dem Paar dann wieder eine Tochter geschenkt, die den Namen Hedwig erhielt.[11] Sie erreichte aber nicht einmal das Jugendalter und verstarb als Fünfjährige am 1. September 1894.[12] Willy, geboren am 20. Februar 1892, wurde sogar nur ein Jahr alt. Er verlor sein Leben bereits vier Tage nach seinem ersten Geburtstag.[13] Zuletzt kam mit Walter noch einmal ein Sohn zur Welt, der aber ebenfalls früh zu Tode kam. Er fiel am 29. März 1916 im Ersten Weltkrieg an der Front in Flandern. Auf dem Grabstein seiner Eltern auf dem Jüdischen Friedhof von Bad Salzuflen wird seiner gedacht.[14] Diese waren beide noch in Zeit der Weimarer Republik verstorben, zunächst die Mutter am 30. Juli 1922, dann der Vater am 9. Oktober 1927.[15] Auch Robert erlebte die Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr. Er verstarb am 29. Januar 1931.[16] Nur Julius Joseph, dem ältesten Sohn von Salomon und Rosalie Obermeyer, gelang die Flucht ins rettende Ausland. Alle übrigen drei Kinder, die die Zeit des Nationalsozialismus noch erlebten, Emma, Adolf und Siegfried, fielen mit ihren jeweiligen Angehörigen dem Holocaust zum Opfer oder verstarben noch vor der Deportation.

Grab Obermeyer
Grabstein von Salomon Obermeyer und seiner Frau Rosalie, geb. Scheiberg, mit Erinnrungsgravur an ihren Sohn Walter
https://images.findagrave.com/photos/2014/164/131402348_1402777056.jpg

 

Die Familie Terhoch

Emma Obermeyer heiratete am 31. Januar 1901 in ihrem Heimatort in eine Familie ein,[17] deren gesellschaftlichen Status und deren soziales Milieu exakt dem ihrer eigenen Herkunft entsprach. Die Familie Terhoch gehörte in dem etwa 100 km entfernten, südlich von Münster gelegenen, kleinen Städtchen Drensteinfurt zu den alteingesessenen jüdischen Familien, die dort als Metzger und Viehhändler seit vielen Jahren eine wichtige Funktion in der bäuerlich geprägten Region einnahmen.[18]

Familie TerhochDie Familie Terhoch anlässlich des 60sten Geburtstags von Rosa Terhoch, geb. Humberg im Jahr 1907 in Drensteinfurt
Hintere Reihe von links: Simon oder Alexander Terhoch, Siegfried Terhoch, seine Frau Betty, geb. Reinhaus, Rosalie Terhoch, Hubert Terhoch, Simon oder Alexander Terhoch, Johanna Rosenbaum, geb. Terhoch, ihr Mann Moses Rosenbaum, Abraham Terhoch und Adolf Terhoch.
Vorne von links: Rosa Terhoch, geb. Humberg, Walter Terhoch, Emma Terhoch, geb. Obermeyer, und Erich Terhoch.
Mit Dank an den Heimatverein Dingden

Jüdische Bewohner in Drensteinfurt lassen sich sogar bereits im 16. Jahrhundert belegen, aber dabei handelte es sich zunächst nur um eine kurze Episode. Erst ab dem frühen 19. Jahrhundert ist eine kontinuierliche jüdischer Besiedlung, sogar die Anlage eines eigenen Friedhofs nachweisbar.[19] Mit der 1845 auferlegten Pflicht, feste Familiennamen anzunehmen, lässt sich auch die Familie Terhoch dort nachweisen. Bei den beiden in einer ersten Namensliste genannten Abraham und Benjamin Terhogt handelt es sich um Vorfahren der dort sesshaft gewordenen Familie Terhoch.[20] Letzterer muss sogar als Stammvater des Familienzweiges angesehen werden, der zuletzt auch bis nach Wiesbaden reichte. Wann Benjamin Terhoch geboren wurde, ist nicht bekannt, aber verheiratet war er in seiner zweiten Ehe seit 1838 mit einer Fina Vögelchen Spiegel.[21]
Eine eigenständige jüdische Gemeinde gab es mangels Mitgliedern in dieser Zeit in Drensteinfurt noch nicht. 1854 konnte dann durch Zusammenlegungen die Synagogengemeinde Werne gebildet werden, der die Juden von Drensteinfurt zugeordnet waren. Als einer ihrer Repräsentanten war 1861 der genannte Benjamin Terhoch gewählt worden.[22] 1870 begann man mit dem Bau einer kleinen, eigenen Synagoge. Aber trotz dieser Aktivitäten stagnierte das Wachstum der Gemeinde – nach einer zwischenzeitlichen Blüte – in den folgenden Jahren. Die 1890 selbstständig gewordene jüdische Gemeinde verlor zumindest formal diesen Status wieder und musste mit der Gemeinde Ahlen zusammengelegt werden. Als ihr Vorsteher fungierte von 1902 bis zu seinem Tod im Jahr 1922 Moses, ein Sohn von Benjamin Terhoch. Ihm folgte später sein Neffe Simon Terhoch, der Sohn von Isaak Terhoch. Ihre Anerkennung in der jüdischen Gemeinde verdankte die Familie Terhoch auch ihrer bürgerlichen Existenz als erfolgreiche Kaufleute, die ihr Geld zumeist als Viehhändler und Metzger verdienten.

Aus Benjamin Terhochs Ehe mit Fina Spiegel waren mindestens drei, vermutlich aber mehr Kinder hervorgegangen, darunter auch der bereits erwähnte, am 26. Mai 1839 geborene Isaak, der am 6. März 1872 die am 1. Dezember 1847 geborene Rosa Humberg heiratete.[23] In dieser Ehe wurden vermutlich acht Kinder geboren, von denen der 1873 geborene Abraham, der spätere Ehemann von Emma Obermeyer, der älteste war.

Für diese große Kinderzahl, darunter allein sechs Söhne, gab es in dem vergleichsweise kleinen Drensteinfurt auf Dauer keine wirtschaftlich erfolgreiche Perspektive, weshalb einige der Kinder ihren Heimatort verließen, heirateten und anderswo zu erfolgreichen Geschäftsleuten aufsteigen konnten.

Moses Max Rosenbaum
https://www.heimatverein-raesfeld.de/gallery/Rosenbaum_Moses_Borkener_Str_10.jpg

Drensteinfurt verlassen hatten neben Abraham und Adolf Terhoch auch die zwei Töchter Johanna und Rosalie. Johanna, geboren am 21. Dezember 1874, heiratete 1907 den Viehhändler Moses Rosenbaum, genannt Max, aus Raesfeld bei Borken.[24] In ihrem Haus, das das Paar 1913 dort erwerben konnte, kamen auch die drei Kinder, Walter, Max und Ernst zur Welt.[25] Nach dem frühen Tod der Mutter am 31. Januar 1930 heiratete Max in zweiter Ehe am 5. Juni 1931 Frieda Humberg aus Klein-Reken.[26] 1932 zogen sie mit den erwachsenen Kindern nach Dorsten, wo sie gemeinsam das Viehhandelsgeschäft weiterführten. Nachdem auch Moses Max Rosenbaum am 21. November 1935 verstorben war und das Leben in Deutschland für Juden immer bedrohlicher wurde, flüchteten die Söhne 1937 nach Holland, wohin sie im folgenden Jahr auch ihre Stiefmutter holen konnten. Auf dem Dachboden eines Bauernhauses wurde die Familie versteckt und konnte so – abgesehen von Walter – die Jahre bis zur Befreiung überleben. Die beiden Söhne von Johanna und Max Rosenbaum blieben in Holland und eröffneten nach dem Ende des Krieges gemäß der Familientradition dort einen eigenen Viehhandelsbetrieb.[27] Die Stiefmutter verstarb erst im hohen Alter von 104 Jahren im holländischen Arnheim.[28]
Ermordet wurden Walter Rosenbaum und seine Frau Elisabeth, geborene Winter. Das Ehepaar – geheiratet hatten die beiden noch am 5. August 1942 in Arnheim [29] – wurde Anfang Oktober 1942 gemeinsam im Lager Westerbork interniert und von dort am 16. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert. Von den insgesamt 1710 Insassen des Zuges wurden in dem etwa 80 km vor Auschwitz gelegenen Kozel 570 Männer aus dem Zug geholt und zur Zwangsarbeit in das Außenlager Bobrek gebracht, wo der Siemenskonzern eine Fabrik unterhielt. Walter Rosenbaum war einer von ihnen. Am 20. März 1943 kam er dort zu Tode. Seine Frau hatte man in Auschwitz direkt vom Zug ins Gas geschickt. Ihr Todestag ist der 19. Oktober 1942.[30]

Nur etwa 20 km von Raesfeld entfernt liegt Ramsdorf, wohin Adolf, einer der jüngeren Brüder von Abraham und Johanna, geheiratet hatte. Seine Frau, Frieda, geborene Humberg, hatte exakt den gleichen Namen, wie die zweite Frau seines Schwagers Max Rosenbaum und stammte selbstverständlich auch aus der gleichen Familie. Sie war die Tochter von Abraham Humberg und seiner Frau Rosalie, geborene Landau, Adolf war der Sohn von Isaak Terhoch und seiner Frau Rosa, geborene Humberg, der Schwester von Abraham. Somit handelte es sich bei der Ehe von Adolf und Frieda um eine Ehe zwischen Cousin und Cousine.
Adolfs Frau war am 17. Dezember 1889 in dem ebenfalls etwa 20 km von Raesfeld entfernten Dingden zur Welt gekommen.[31] Das fünfte von insgesamt neun Kindern des Ehepaars Abraham und Rosalia Humberg, ebenfalls Viehhändler und Metzger, hatte das Elternhaus 1917 verlassen, um ihrer verwitweten Tante Sophie Gottschalk in Ramsdorf zu helfen. Auch diese Familie betrieb einen Viehhandel, den dann die Nichte, nachdem sie am 27. Juni 1920 die Ehe mit Adolf Terhoch eingegangen war, mit ihrem Mann übernahm. Am 21. April 1921 wurden ihnen die Zwillinge Kurt und Rudolf geschenkt.[32]
Goldene Hochzeit Humberg

Goldene Hochzeit von Abraham und Rosalie Humberg, geb. Landau
Links und rechts der Jubilare die Zwillinge Kurt und Rudolf Terhoch. Hinter Rosalie Humberg stehen deren Eltern Adolf und Rosalie Terhoch, geb. Humberg.
Mit Dank an den Heimatverein Dingden

Wie ihre Mutter und auch ihre Schwägerin Betty, die Frau von Siegfried Terhoch, betrieb Frieda neben dem Viehhandel ihres Mannes in ihrem Wohnhaus ein auf Aussteuerwaren spezialisiertes Textilgeschäft. Bereits 1937 verließ die Familie Deutschland und flüchtete ebenfalls nach Holland, nach Westendorp. Noch rechtzeitig vor Kriegsausbruch erkannten sie, wie wenig sicher sie dort waren. Am 28. Juli 1939, nur wenige Wochen vor dem deutschen Überfall, konnten sie über England nach Kanada auswandern, wo die Nachkommen der Familie noch heute leben.[33]

Kurt Terhoch
Kurt Terhoch
Frieda Terhoch, geb. Humberg
Rudolf Terhoch
Rudolf Terhoch

 

Der in Dingden aufgewachsene Maler Ulrich Rölfing hat die gesamte Familie Humberg nach alten Fotografien portraitiert.
Siehe http://www.humberghaus.de/uploads/images/news_img/Katalogbuch%2021×24%20Humberghaus%20final.pdf
Die Veröffentlichung der obigen Bilder erfolgte mit seiner freundlichen Genehmigung

Vier der Söhne von Isaak und Rosa Terhoch – Siegfried, geboren am 2. April 1877, Simon, geboren am 7. April 1879, Alex, geboren am 23. April 1882 und Hubert, geboren am 9. November 1889 – waren in Drensteinfurt geblieben und hatten dort mit großem Erfolg gemeinsam ihren Viehhandel ausgebaut, indem sie neue Märkte weit über den lokalen Raum hinaus erschließen konnten.[34]

Simon Terhoch hatte sich dabei auf den Handel mit Rindern spezialisiert. Verheiratet war er mit Sophie Gumprich, geboren am 9. September 1893 in Borghorst. Vermutlich wurde dort auch die Ehe geschlossen, das Datum der Heirat konnte bisher allerdings nicht ermittelt werden.[35] Am 4.September 1921 wurde zunächst die Tochter Inge, dann am 6. Oktober 1923 der Sohn Werner geboren.[36]

Manufakturwarengeschäft von Siegfried und Betty Terhoch
Das Manufakturwarengeschäft von Siegfried und Betty Terhoch in der Mühlenstr. 29 in Drensteinfurt (rechts)
Mit Genehmigung des Kreisarchivs Warendorf

Durch die am 11. Juni 1907 geschlossene Ehe von Siegfried Terhoch mit Betty Reinhaus war die Familie auch mit einer weiteren führenden jüdischen Familie in Drensteinfurt verbunden, deren ökonomische Basis der Textilhandel war. Betty war am 21. Januar 1883 als Tochter von Leezer und Jeanette Reinhaus geboren worden.[37] Nach dem Tod des Vaters übernahm das Paar das elterliche Geschäft. Es gelang ihnen den Kundenkreis mehr als zu verdoppeln, indem Siegfried Terhoch als Viehhändler die Bauern der Umgebung besuchte und dabei als vertrauenswürdiger Kaufmann auch Textilgeschäfte anbahnen konnte, die dann im Laden vor Ort von seiner Frau Betty zum Abschluss gebracht wurden.[38]

Aus Raesfeld stammte auch Selma Bierhoff, die Ehefrau von Alex Terhoch, dem fünften Kind von Isaak und Rosa Terhoch.[39] Seine Frau war am 14. März 1894 als Selma Schwarz zur Welt gekommen. Die Ehe mit Alex Terhoch war für sie die zweite, nachdem ihr erster Mann, Siegmund Bierhoff, Eigentümer einer Fabrik in Essen, in der Berufskleidung hergestellt wurde, 1936 in Folge einer missglückten Operation verstorben war.[40] Seine Witwe hatte zunächst bis zur Arisierung im Jahr 1938 das Unternehmen alleine weitergeführt, war danach mit ihren beiden Kindern und mit der großen Familie Terhoch aus Deutschland nach Südamerika emigriert. Die Ehe mit Alexander Terhoch wurde erst während der Ausreise auf dem Schiff vollzogen, so Alexanders Neffe Erich in seinem Bericht über die Auswanderung.[41] Daher war sie bei der Volkszählung im Mai 1939 noch unter dem Namen Selma Bierhoff und als deutsche Staatsbürgerin registriert worden, ihre damalige Wohnanschrift konnte allerdings schon nicht mehr angegeben werden.[42]

Salomon Obermeyer, Rosalie Obermeyer Scheiberg, Julius Obermeyer, Robert Obermeyer Olney, Emma Obermeyer Terhoch, Abraham Terhoch, Erich Terhoch, Edith Zita Obermeyer Goldfarb, Walter Terhoch, Hedwig Terhoch, Hilde Terhoch, Irma Terhoch, Adolf Obermeyer, Elsa Blankenburg Obermeyer, Ruth Senta Obermeyer Rothe, Heinz Rothe, Inge Obermeyer Wolff, William Wolff, Harry Rothe, Beatrice Rothe, Sizie Wolff, Ernst Obermeyer, Hans Obermeyer, Isaak Terhoch, Rosa Terhoch Humberg, Johanna Terhoch Rosenbaum, Moses Rosenbaum, Walter Moses Rosenbaum, Elisabeth Winter Rosenbaum,Siegfried Terhoch, Betty Terhoch Reinhaus, Hans Terhoch, Ernst Terhoch, Hildegard Terhoch Landauer, Hans Landauer, Simon Terhoch, Sophie Terhoch Gumprich, Inge Terhoch, Werner Terhoch,Alex Terhoch, Selma Terhoch Schwarz, Adolf Terhoch Frieda Terhoch Humberg, Rosalie Terhoch Katz, Jakob Katz, Hubert Terhoch, Lieselotte Terhoch Goldschmidt, Judenhäuser Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 80, Klaus Flick
Hubert und Lieselotte Terhoch, geb. Goldschmidt mit den beiden Kindern Herbert (3. J.) und Günther (5. J.)
Verwendet mit Zustimmung des Vereins zur Erhaltung und Nutzung der Synagoge Drensteinfurt e.V., Email-Nachricht von Dr. Ralf Klötzer vom 30.01.2023

Der bis zu seiner Emigration noch ledige Alex Terhoch wohnte früher zusammen mit seinem jüngeren Bruder Hubert. Auch hier konnte das Datum der Eheschließung mit seiner Frau Lieselotte Goldschmidt, geboren am 6.Februar 1910 in Horst bei Recklinghausen, nicht ermittelt werden, aber sie wurde beim Zensus 1939 bereits als Lieselotte Terhoch registriert.[43] Auch bei den schrecklichen Ereignissen im November 1938 müssen sie schon verheiratet gewesen sein, denn an diesem Tag – der 9. November war der Geburtstag von Hubert Terhoch – hatte ihn auch sein – wie es in den Berichten über den Tag explizit heißt – Schwiegervater Hugo Goldschmidt besucht, der dadurch selbst zum Opfer des dortigen Pogroms geworden war.
Die beiden Brüder wohnten nicht nur zusammen, sie betrieben auch gemeinsam mit sehr großem Erfolg einen überregionalen Viehgroßhandel, bei dem sie, ermöglicht durch die Anbindung des Ortes an die Eisenbahn, sogenanntes Magervieh aus dem Osten Deutschlands holten und es an die Bauern der Umgebung zur Fettfütterung verkauften, um es anschließend wieder aufzukaufen und es bei den Metzgereien im Ruhrgebiet abzusetzen.[44] Ihr berufliches Engagement und nicht angebliche „jüdische Schacherei und Betrügerei“ brachte ihnen ihren großen wirtschaftlichen Erfolg, von dem auch die örtliche Bauernschaft erheblich profitierte. Waren sie zunächst mit dem Fahrrad über Land gefahren, um Handelsverträge mit den Bauern zu akquirieren, so taten sie das bald mit einer Kutsche und zuletzt mit einem Auto. Sie waren die ersten im Ort, die ein solches Staussymbol besaßen. Natürlich wird es Neider gegeben haben und es ist gut vorstellbar, dass gerade dieser wirtschaftliche Erfolg der Brüder Terhoch manchen örtlichen Landwirten und besonders den nichtjüdischen Viehhändlern ein Dorn im Auge war. Aber Antisemiten fanden schon immer Scheinargumente, um ihre zutiefst irrationale Einstellung zu begründen. Dass die Brüder während des Ersten Weltkriegs die deutsche Armee mit Pferden versorgten, war dann auch kein Zeichen für Patriotismus, sondern ein weiterer Beleg für den „jüdischen Geschäftssinn“. Ganz abgesehen davon, dass Moses Terhoch, der Bruder von Isaak, in den drei Einigungskriegen des vergangenen Jahrhunderts auf deutscher Seite gekämpft hatte, dass Hubert Terhoch als schwer Kriegsverletzter des Ersten Weltkriegs eine Kriegsbeschädigtenrente bezog und Simon Terhoch nicht nur mit dem EK I ausgezeichnet worden war, sondern noch 1934 eine von Hitler unterschriebene Auszeichnung mit dem ‚Ehrenkreuz für Frontkämpfer’ erhalten hatte,[45] es blieb gemäß der antisemitischen Hetze bei dem Verdikt: Juden besitzen weder Ehre, noch können sie ein produktiver Teil des Staats- und Gemeinwesens sein. „Immer ist der Jude dein Feind!“ – heißt der zigfach wiederholte Slogan im Jüdischen Adressbuch Wiesbadens von 1935.[46]
Ein latenter, aber auch offener Antisemitismus war in Drensteinfurt nicht neu.[47] Schon 1913 war ihrem Bruder Siegfried die Mitgliedschaft im örtlichen Schützenverein mit dem Argument verweigert worden, nur Christen und „unbescholtene“ Bürger könnten aufgenommen werden.[48] Nach 1933 wurde auch den anderen Brüdern die Mitgliedschaft in den örtlichen Vereinen, die sie zum Teil sogar selbst mitbegründet hatten, entzogen.[49] Beim Boykott im gleichen Jahr verwehrten SA-Leute potentiellen Kunden den Zutritt zum Textilgeschäft von Siegfried und Betty Terhoch und auch Simon, Alex und Hubert Terhoch waren von solchen Aktionen betroffen.[50] Nichtjüdische Bedienste, die zumeist anfangs noch zu ihren jüdischen Arbeitgebern standen, wurden als „Judenfreunde“ beschimpft, verprügelt und mussten dann irgendwann auch entlassen werden. Freundschaftliche Verbindungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Familien wurden allmählich unter dem Druck der örtlichen Nazis vernachlässigt und aufgegeben. Schon etwa zwei Jahre vor der „Kristallnacht“ war der jüdische Friedhof geschändet worden. Grabsteine waren, wie etwa auch in Wiesbaden Bierstadt, von den Mitbürgern geholt worden, um sie als Material für den Wegebau oder andere Zwecke zu nutzen. Werner, der Sohn von Simon und Sophie Terhoch, hatte alltäglich in der Schule erfahren müssen, was jüdisch sein bedeutete, hatte die gleichen Schikanen ertragen müssen, wie jüdische Schüler und Schülerinnen damals in ganz Deutschland.[51]
Aber bei den Ereignissen am 9. November 1938 erreichte auch in Drensteinfurt die Aggression und Gewalt gegenüber den Juden eine völlig neue Dimension, die neben der Familie Salomon, ebenfalls Viehhändler und Metzger, besonders die Familie Terhoch trafen.[52]

Nachdem die SA-Horden zunächst im benachbarten Werne die dortigen Juden drangsaliert hatten, fuhren sie nachts um 2 Uhr nach Drensteinfurt. Sabine Omland hat auf der Basis von Zeitzeugenaussagen, Polizeiberichten und anderen Dokumenten umfassend recherchiert, was sich in dieser Nacht zugetragen hatte.[53]

Etwa zwanzig SA- und SS-Männer versammelten sich zunächst vor dem Geschäftshaus von Siegfried und Betty Terhoch in der Mühlenstraße und verschafften sich mit Gewalt Zugang. Die männlichen Mitglieder der aus dem Schlaf aufgeschreckten Familie wurde mit Knüppeln und Eisenstangen geprügelt, Hildegard, die 24jährige Tochter wurde Opfer sexualisierter Gewalt. Sie musste sich ausziehen und wurde nackt durch die Straße getrieben. Auch die Familien von Simon und Hubert Terhoch, der an diesem Tag bis spät in die Nacht seinen 48sten Geburtstag gefeiert hatte, wurden in der Marienstraße beziehungsweise der Bahnhofstraße überfallen. Bei Simon und Sophie Terhoch wurde ebenfalls die Tür aufgebrochen und die Meute drang sogar bis ins Schlafzimmer der Eheleute vor. Der Versuch von Simon Terhoch, durch Vorzeigen seiner Kriegsauszeichnungen die Gewalttäter von ihrem Vorhaben abzubringen, wurde mit einem Schlag mit dem Gummiknüppel beantwortet, der eine schwere Kopfverletzung zur Folge hatte. Mit vorgehaltenem Revolver musste er unter der Androhung, in zu erschießen: „Ich bin ein Jude“ und in Anspielung auf das Attentat Herschel Grünspans: „Ich bin ein Mörder“ sagen. Anschließend wurde vor aller Augen das Inventar des Hauses kurz und klein geschlagen, die große Bibliothek mit vielen deutschen Klassikern zerstört und die Federbetten zerschnitten. Die beiden damals 15 und 17jährigen Kinder Werner und Inge versuchten zu ihrem Onkel Hubert zu fliehen, mussten aber sehen, dass der Mob auch dort in gleicher Weise sein Zerstörungswerk verrichtete, während die Familie in Nachtkleidung, darunter auch der dreijährige Herbert und der fünfjährige Günther, sich in den Hauseingang des Nachbarn Dr. Metzger geflüchtet hatte. Werner und Inge gelang es noch, sich in einer nahen Düngergrube vor weiteren tätlichen Angriffen zu verbergen.

Die alte und 1938 geschändete Synagoge in Drensteinfurt (roter Pfeil) um 1930
Mit Genehmigung des Kreisarchivs Warendorf

Besonders hatte man es auf Alex Terhoch abgesehen, der damals eine Beziehung zu einer nichtjüdischen Frau unterhielt, sich somit angeblich der „Blutschande“ schuldig gemacht hatte. Im letzten Moment konnte er durch den Garten fliehen und sich am Bahnhof in dem Bremserhäuschen eines Güterwagens verstecken.

Damit war die Tortur noch nicht zu Ende. Anschließend wurden Terhochs und andere Juden in die Synagoge getrieben, wo Simon Terhoch zu einem makabren und entwürdigenden Schauspiel gezwungen wurde, das zur Verhöhnung des jüdischen Glaubens gedacht war: „Nachdem die SA- und SS-Leute die Familien von Siegfried, Hubert und Simon Terhoch in die Synagoge getrieben hatten, inszenierten sie dort das blasphemische Schauspiel eines Synagogengottesdienstes. Die jüdischen Männer mussten sich setzen und der ‚Lesung’ in hebräischer Sprache durch Simon Terhoch, Vorsteher der Synagogengemeinde, zuhören. Danach begannen die Täter, die Kultgegenstände und die Inneneinrichtung des jüdischen Bethauses zu zerstören. Schließlich warfen sie die Thorarolle auf den Boden und rollten sie bis auf die Gasse, um sie zu entweihen. Die Synagoge wurde nicht wie in anderen Städten in Brand gesetzt, da das Feuer leicht auf die benachbarten Häuser hätte übergreifen können.“[54]

Es gab aber in Drensteinfurt auch Menschen, die den Juden beistanden. Der Arzt Dr. Metzger, Nachbar von Hubert Terhoch, brachte die vielfach verletzten und verwundeten Opfer, darunter auch Hugo Goldschmidt, ins Krankenhaus, um sie zu behandeln. Ihren sofortigen Abtransport in eines der Konzentrationslager verhinderte er, mit Verweis auf seinen hippokratischen Eid.

Passport von Hubert Terhoch aus dem Jahr 1952
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1229819:9800?lang=de-DE

Waren sie so zwar der Lagerhaft entkommen, so hatte der NS-Staat dennoch sein Ziel erreicht, denn die bisher in Drensteinfurt gebliebenen Brüder entschlossen sich endgültig und möglichst schnell, Deutschland zu verlassen. Die Vorbereitungen dazu hatten schon zuvor, spätestens im Frühjahr 1938 begonnen. Jetzt, unter dem Druck der jüngsten Ereignisse, waren sie gezwungen ihr Haus, Lagerstätten, Ackerland und Wiesen zu verkaufen und ihr Geschäft zu liquidieren.[55] Das Wohnhaus von Alex und Hubert Terhoch eignete sich die Gemeinde an und zwei Morgen Weideland gelangte in die Hände des Kreisbauernführers. Der viel zu geringe Erlös musste auf Sicherungskonten eingezahlt werden und die Kisten mit dem Umzugsgut blieben in Deutschland zurück und wurden zu Gunsten des Fiskus versteigert.

Salomon Obermeyer, Rosalie Obermeyer Scheiberg, Julius Obermeyer, Robert Obermeyer Olney, Emma Obermeyer Terhoch, Abraham Terhoch, Erich Terhoch, Edith Zita Obermeyer Goldfarb, Walter Terhoch, Hedwig Terhoch, Hilde Terhoch, Irma Terhoch, Adolf Obermeyer, Elsa Blankenburg Obermeyer, Ruth Senta Obermeyer Rothe, Heinz Rothe, Inge Obermeyer Wolff, William Wolff, Harry Rothe, Beatrice Rothe, Sizie Wolff, Ernst Obermeyer, Hans Obermeyer, Isaak Terhoch, Rosa Terhoch Humberg, Johanna Terhoch Rosenbaum, Moses Rosenbaum, Walter Moses Rosenbaum, Elisabeth Winter Rosenbaum,Siegfried Terhoch, Betty Terhoch Reinhaus, Hans Terhoch, Ernst Terhoch, Hildegard Terhoch Landauer, Hans Landauer, Simon Terhoch, Sophie Terhoch Gumprich, Inge Terhoch, Werner Terhoch,Alex Terhoch, Selma Terhoch Schwarz, Adolf Terhoch Frieda Terhoch Humberg, Rosalie Terhoch Katz, Jakob Katz, Hubert Terhoch, Lieselotte Terhoch Goldschmidt, Judenhäuser Wiesbaden, Kaiser-Friedrich-Ring 80, Klaus Flick
Verwendet mit Zustimmung des Vereins zur Erhaltung und Nutzung der Synagoge Drensteinfurt e.V., Email-Nachricht von Dr. Ralf Klötzer vom 30.01.2023

Als die Brüder Siegfried, Simon, Alex und Hubert mit ihren Familien, insgesamt 17 Personen, am 29. November 1939 Deutschland mit dem Ziel Paraguay verließen, konnten sie nicht viel mehr mitnehmen, als das, was sie auf dem Leib trugen. Nachdem ihr Schiff, die ‚San Martin’, auf ihrer Fahrt Zwischenstation in Montevideo machte, sie dort von Freunden und Bekannten in Empfang genommen wurden, entschlossen sie sich, dort zu bleiben und nicht mehr weiter nach Paraguay, dem Land, für das sie eigentlich ein Visum besaßen, zu fahren. Trotz aller Widrigkeiten gelang es ihnen, in Uruguay Fuß zu fassen und ein neues Leben zu beginnen.[56]

Julius Katz
Das Haus von Julius und Helene Katz in Beckum
https://www.beckum.de/fileadmin/daten-stadt/pdf/KULTUR/Stadtgeschichte/Bericht_Stolpersteine.pdf

Aber nicht allen Kindern von Isaak und Rosa Terhoch gelang es, wenigstens das nackte Leben zu retten. Rosalie Terhoch, genannt Helene, die mit dem aus dem nordhessischen Diemerode stammenden Julius Katz, geboren am 21. Juni 1889, verheiratet war,[57] wurde zusammen mit ihrem Ehemann im Osten ermordet. Ursprünglich hatte sich das kinderlos gebliebene Paar nach der Eheschließung 1919 in Beckum niedergelassen. Ihr Haus in der Alleestr. 35, wo seit 2008 zwei Stolpersteine an sie erinnern, hatten sie zwangsweise verkaufen müssen. Die jüdische Familie Leopold Windmüller gewährte ihnen bis zu ihrem Umzug 1937 nach Billerbeck eine Unterkunft.[58]

Das Jüdische Altersheim in Unna
https://media04.lokalkompass.de/article/2012/09/21/3/3039303_XXL.jpg?1554326714

Beide waren zuletzt in dem jüdischen Altersheim in Unna / Westfalen in der Düppelstr. 7 untergebracht, wo sie wegen einer Erkrankung von Julius Katz 1940 aufgenommen worden waren. Zunächst hatten die Bewohner sich noch der Illusion hingegeben, in der dortigen Abgeschiedenheit vor weiterer Verfolgung in Sicherheit zu sein. Spätestens nach der Übernahme des Wohnheims durch die städtischen Behörden im Jahr 1941 änderte sich das grundlegend. Angesichts der permanenten Repressalien und der durch Überfüllung hervorgerufenen Enge nahm das Altersheim immer mehr den Charakter eines Judenhauses an. Der Transport, der sie von dort in den Tod brachte, ging am 30. April 1942 über Dortmund in das im Frühjahr 1941 errichtete Ghetto von Zamosc im Bezirk Lublin.[59] Wann und unter welchen Umständen sie dort ihr Leben verloren, ist nicht bekannt.

 

Abraham und Emma Terhoch

Das Kaufhaus von Abraham un Emma Terhoch in Beckum
https://www.beckum.de/fileadmin/daten-stadt/pdf/KULTUR/Stadtgeschichte/Bericht_Stolpersteine.pdf

Abraham Terhoch, der älteste Sohn von Isaak und Rosa Terhoch, hatte Drensteinfurt verlassen und war nach dem etwa 20 km südwestlich gelegenen Beckum gezogen, um sich dort eine eigene Existenz aufzubauen. Welche Gründe ihn dazu bewogen hatten, aus dem Viehhandelsgeschäft der Familie auszusteigen und in der Textilbranche sein Glück zu versuchen, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Möglicherweise war er zumindest mit Kapital auch weiterhin an dem Familienunternehmen, das den Namen ‚O.H.G. Gebr. Terhoch’ führte, beteiligt. Wie dem auch sei, es war in jedem Fall eine glückliche Entscheidung, denn sein prosperierendes Manufakturwarengeschäft entwickelte sich bald zum größten Kaufhaus von Beckum überhaupt. Die Inhaber, so das dortige Finanzamt in einem Schreiben an die Entschädigungsbehörde 1961, seien „zumindest vor dem Boykott gut situierte Bürger der Stadt Beckum“ gewesen.[60] In dem „besten Geschäft am Platze“, ein in der Nordstr. 34 gelegenes, mit Jugendstilelementen verziertes und mit fünf großen Schaufenstern ausgestattetes Geschäftshaus, in denen das breite Warenangebot präsentiert werden konnte, hätten immer drei Angestellte und bis zu zwei Lehrmädchen die Kunden bedient. Man habe in den guten Jahren vor der Nazizeit monatlich immer über ein Nettoeinkommen von etwa 2 – 3.000 RM verfügen können, so der Sohn Erich Terhoch im späteren Entschädigungsverfahren.[61]

Erich, geboren am 15. November 1901, war das erste Kind, das in der im gleichen Jahr geschlossenen Ehe von Abraham und Emma Terhoch geboren wurde.[62] Ihm folgten im Laufe der nächsten Jahre noch fünf weitere Kinder, die alle in Beckum zur Welt kamen. Zunächst Walter am 21. Juli 1904,[63] dann Hedwig am 2. März 1909 [64] und am 15. Januar 1911 eine weitere Tochter namens Hilde.[65] Ein Jahr später kam am 30. November 1912 Irma zur Welt [66] und am 29.September 1914 wurde als letztes Kind noch einmal ein Sohn geboren, der den Namen Paul erhielt.[67]

Zumindest von Hilde weiß man, dass sie, obwohl jüdischen Glaubens, in Beckum zunächst eine katholische höhere Mädchenschule besuchte und dann bis 1927, bis zu ihrem 16. Lebensjahr, in einem Mädchenpensionat in Konstanz untergebracht war. Anschließend, nachdem sie im elterlichen Betrieb eine Lehre absolviert hatte, blieb sie dort als Verkäuferin angestellt.[68]
Abgesehen von Hedwig besuchten alle Kinder, auch Irma, nach Aussage der langjährigen Angestellten Frieda Lewald eine höhere Schule.[69]
Hedwig, die älteste der Töchter, war seit dem Kleinkindalter stark behindert, war taub und auf Grund einer Polio-Erkrankung zumindest partiell gelähmt. Auch litt sie unter epileptischen Anfällen, sodass sie zeitlebens als arbeitsunfähig eingestuft wurde.[70] Die Eltern hatten sie über einen längeren Zeitraum in der teuren Privatschule eines Dr. Braukmann in Jena untergebracht.[71]
Als dann Abraham Terhoch im Herbst 1932 an Krebs erkrankte und am 25. März 1933 verstarb, war die Mutter mit dem großen Geschäft und den zum Teil noch unselbstständigen Kindern auf sich allein gestellt – dies zu einem Zeitpunkt, als die Angriffe der Nazis auf jüdische Geschäfte begannen. Die gerade für die Textilbranche schwierigen Jahre der Weltwirtschaftskrise hatte man gerade überstanden und Emma Terhoch war mit einer Situation konfrontiert, die sie alleine nicht zu bewältigen wusste.
Der älteste Sohn Erich absolvierte nach seiner Schulausbildung in Beckum und Seesen, die er mit der Mittleren Reife abschloss, ab 1918 eine Lehre bei der Mindener Firma ‚S.Salomon‘.[72] 1925 zog er nach Hannover, wo er eine Anstellung bei der Rohproduktenfirma ‚B. Holländer‘ fand. Anschließend ging er ins Ausland, zunächst nach Holland, dann ab 1927 nach Frankreich, um seine beruflichen Kenntnisse zu erweitern. In Paris gründete er im Juli 1928 mit zwei weiteren Kompagnons eine eigene Firma, die ebenfalls mit Rohstoffen handelte und in der er die Geschäftsführung übernahm.[73]
Auf Grund seiner Kenntnisse war er als einziger der Familienmitglieder damals in der Lage, seiner Mutter in ihrer schwierigen Situation zu helfen. Er gab daher seine Stellung in Frankreich auf und kehrte noch vor dem Tod des Vaters im Januar 1933 nach Beckum zurück, um sich um das elterliche Geschäft zu kümmern.
Er blieb allerdings nur ein halbes Jahr, denn im Dezember 1933 wurde er verhaftet und stundenlang von der Polizei verhört. Eine anonyme Anzeige, in der Terhochs bezichtigt wurden, antinationalsozialistische Propaganda zu verbreiten, hatte eine Hausdurchsuchung zur Folge gehabt. Zwar wurde Erich wieder frei gelassen, aber sein Pass war zunächst einbehalten worden. Erst einige Tage später wurde ihm dieser wieder ausgehändigt. Fluchtartig verließ er danach die Stadt und kehrte wieder zurück nach Paris.[74]
Somit war Emma Terhoch, die zwar immer auch im Laden mitgearbeitet hatte, aber nicht über die notwendigen Erfahrungen als Geschäftsführerin verfügte, gezwungen, das Geschäft in eigener Regie weiterzuführen.[75] Unterstützt wurde sie dabei von Frieda Lewald, die schon als Lehrmädchen bei Terhochs angefangen hatte und zu einer Vertrauensperson für alle Familienmitglieder geworden war. Erich kam noch einige Male kurzzeitig zurück, um sich der Buchhaltung anzunehmen. Allen übrigen Angestellten musste im Lauf der Zeit gekündigt werden, weil angesichts der negativen Umsatzentwicklung die Löhne nicht mehr zu bezahlen waren. Zuletzt verließ auch Frau Lewald das Unternehmen.
Hatte bei der Beerdigung von Abraham Terhoch im März 1933 noch eine große Zahl der Bürger den Trauerzug des damals bei vielen noch immer hoch geachteten Toten begleitet, so dauerte es nur eine kurze Zeit und auch Terhochs gehörten als Juden zu den Parias der örtlichen „Volksgemeinschaft“. Zwar konnten schon im Entschädigungsverfahren keine Umsatzzahlen des Geschäfts mehr vorgelegt werden, aber wie von mehreren Zeugen in eidesstattlichen Erklärungen versichert wurde, gingen die Einnahmen erheblich zurück, die Entschädigungsbehörde schätzte um mindestens 50 Prozent, Erich Terhoch sogar auf 70-80 Prozent.[76]

Trotz des wirtschaftlichen Niedergangs belief sich das Vermögen der Witwe 1935 noch auf 56.500 RM. Da aber die entsprechenden Steuerunterlagen fehlen, ist nicht mehr feststellbar, in welcher Form dieses Vermögen vorlag. Vermutlich bestand es zu einem großen Teil aus dem Wert des Hauses, vielleicht noch aus Betriebsvermögen, das noch nicht abgeschrieben war, und einigen Wertpapieren, vermutlich aber aus nur wenig liquiden Mitteln.[77]

Wohl schon im Herbst/Winter 1937/38 waren Emma Terhoch und ihre noch in Beckum lebenden Kinder zu dem Entschluss gekommen, das Geschäft aufzugeben und die Stadt zu verlassen. Was sie dazu bewogen hatte, gerade Wiesbaden als Zufluchtsort zu wählen ist allerdings nicht mehr im Detail nachvollziehbar. Der unmittelbare Grund wird jedoch der gewesen sein, dass Irma sich bereits am 12. Januar 1935 von Beckum nach Wiesbaden abgemeldet hatte.

Umzug Irma Terhoch
Umzug von Irma Terhoch nach Wiesbaden
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS1/SIMS3/02020201/2944/147077058/001.jpg

Krick schreibt, dass sie dort eine Stellung angenommen habe.[78] Welcher Art diese Anstellung war und wieso sie damals gerade in die doch recht weit entfernte Kurstadt am Rhein zog, bleibt aber völlig unklar. Da die Meldeunterlagen in Wiesbaden im Krieg zerstört wurden, ist auch nicht mehr nachvollziehbar, wo sie damals wohnte. In den Adressbüchern der Stadt ist sie nicht notiert, was darauf schließen lässt, dass sie sich vermutlich irgendwo als Untermieterin einquartiert hatte. Verwunderlich ist aber, dass selbst im Jüdischen Adressbuch von 1935 ihr Name nicht aufgeführt ist. Vielleicht hatte sie in Wiesbaden eine Anstellung als Hausangestellt oder auch in einem jüdischen Geschäft gefunden, aber auch das würde eigentlich einen bereits zuvor vorhandenen Kontakt voraussetzen.[79]

Umzug Emma TerhochUmzug Hedwig TerhochUMzug Hilde

 

 

Umzugsmeldung von Emma, Hedwig und Hilde Terhoch nach Wiesbaden
Arolsen-Archiv

Es ist auch nicht bekannt, ob sie bereits in dem Haus Kaiser-Friedrich-Ring 80 wohnte, als ihre Mutter und ihre beiden Schwestern sich im Februar 1938 ebenfalls nach Wiesbaden abmeldeten und dort einzogen. Noch war das Haus nicht zum Judenhaus erklärt worden und die vier Terhoch-Frauen konnten damals noch eine komplette 4-Zimmer-Wohnung im Parterre des Hauses anmieten. Auch hatten sie noch ihr gesamtes Mobiliar, bestehend aus einem Herrenzimmer, einem Speisezimmer, zwei Schlafzimmern, einem Nähzimmer und der Kücheneinrichtung, mitbringen können.[80]

Ihr Haus in Beckum, das seit 1903 formal der Firma gehört hatte, verkauften sie laut einem Vertrag vom 10. Februar 1938 an den Beckumer Kaufmann Franz Schambecker für 44.000 RM. Da die Immobilie mit einer Hypothek von knapp 6.000 RM belastet war, erhielt die Familie etwas mehr als 38.000 RM, die zunächst in Wertpapieren angelegt wurden.[81] Weil die Frauen, abgesehen von den Zinserträgen der Wertpapiere, über kein Einkommen mehr verfügten, benötigten sie dieses Kapital, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der NS-Staat sorgte mit seiner Rassenpolitik dafür, so könnte man mit einigem Zynismus sagen, dass das Geld letztlich für die ihnen noch verbleibende Lebenszeit ausreichte und ihm selbst sogar noch ein ganzer Batzen blieb.
Der erste Griff nach dem Vermögen von Emma Terhoch erfolgte bereits Anfang 1935, indem von ihr eine Sicherheit für eine möglicherweise fällige Reichsfluchtsteuer in Höhe von 14.200 RM verlangt wurde.[82] Diese Maßnahme erledigte sich aber von selbst, weil nach dem Verkauf des Hauses am 17. November 1938 – immerhin erst relativ spät, aber das Zusammenspiel der Behörden funktionierte in diesem z. T. chaotischen Machtstaat nicht immer so, wie man es von einer Diktatur erwarten würde – eine generelle Sicherungsanordnung für ihr Depot bei der Deutschen Bank in Herford erlassen wurde. Wegen der ordentlichen Buchführung blieb selbstverständlich der mögliche Anspruch auf die Reichsfluchtsteuer bestehen. Er war allerdings, weil sich das Vermögen inzwischen gegenüber dem von 1935 vermindert hatte, auf 10.000 Mark herabgesetzt worden. 1940 war das Vermögen weiter auf jetzt 25.600 RM geschrumpft, sodass sich auch die Sicherung für die Sondersteuer auf 7.700 RM reduzierte.[83]

Wesentlicher Grund für den rapiden Vermögensverlust war die Judenvermögensabgabe, die nach der Reichspogromnacht auch von Emma Terhoch verlangt wurde. Sie hatte diese Nacht in Wiesbaden und nicht mehr in Beckum erlebt, wo die SA-Leute und ihre Gefolgschaft ganz schrecklich gewütet hatten, wie sich Hugo Krick, selbst Zeuge der damaligen Ereignisse, erinnerte.[84] Sogar ein Todesopfer hat es damals in dem kleinen Städtchen gegeben. Das ehemalige Haus der Terhochs blieb, da es inzwischen arisiert war, allerdings von den Zerstörungen verschont.

Der Berechnungsbogen des Finanzamts Wiesbaden für die fällige „Sühneleistung“ von Emma Terhoch, ist in den Akten zwar nicht mehr im Original vorhanden, aber eine Aktenvermerk hat im Dezember 1962 festgehalten, dass am 20. Januar 1939 eine Summe von 8.400 RM gefordert wurde. In diesem Vermerk ist nicht nur festgehalten, dass die entsprechenden vier Ratenzahlungen über jeweils 2.100 RM an den Fiskus überwiesen wurden, sondern auch, dass ihr Antrag, die zusätzliche fünfte Rate über weitere 2.100 RM nicht zahlen zu müssen, abgelehnt wurde. Daraus ist zu schließen, dass ihr insgesamt 10.500 RM entzogen wurden. Weil ihr entsprechende Gelder nicht zur Verfügung standen, musste sie die Summen jeweils durch Übertragung von Wertpapieren an die Reichsbank bestreiten.[85]

Selbstverständlich wurde von ihr im Frühjahr 1939 auch die Abgabe ihres Schmucks verlangt, nach Angabe von Hilde Baer befanden sich darunter zwei Brillantringe, eine Brillantnadel sowie eine mit Brillanten besetzte Uhr. Auch ihre Pelze und eine wertvolle Briefmarkensammlung hatte sie abzugeben.[86] Von der städtischen Annahmestelle waren damals 20,10 RM für die abgelieferten Edelmetallgegenstände ausgezahlt worden.[87]

Wie leider so oft sind auch von Emma Terhoch und ihren Töchtern außer den Dokumenten aus den Entschädigungsakten, die nur wenig über die tatsächlichen und alltäglichen Lebensumstände vermitteln können, keine weiteren Quellen überliefert. Man weiß nicht, welche Kontakte im Haus gepflegt wurden, ob es für sie, die doch spät nach Wiesbaden gekommen waren, einen Austausch mit der alteingesessenen jüdischen Gemeinschaft gab, ob sie im Glauben eine Stütze fanden oder sie sich angesichts ihres Loses endgültig von den religiösen Traditionen und Überzeugungen abgewandt hatten. Brieflicher Kontakt bestand weiterhin zu Frieda Lewald, der langjährigen Mitarbeiterin im Beckumer Geschäft. Ein Treffen in Wiesbaden, zu dem Emma Terhoch sie eingeladen hatte, kam aber nicht mehr zustande.[88] Bei einer eher zufälligen Begegnung traf Emma Terhoch auf der Straße aber mit einem ehemaligen, nichtjüdischen Nachbarn aus Beckum zusammen, der ebenfalls nach Wiesbaden verzogen war. Der Mann gab später im Entschädigungsverfahren an, die Familie in der Folgezeit immer wieder mit Lebensmitteln versorgt zu haben, in deren Wohnung sei er aber selbst nie gewesen.[89]
Auch ist nicht bekannt, ob sie diese später mit anderen Mietern teilen mussten, nachdem das Haus den Charakter eines Judenhauses angenommen hatte. Diese Vermutung wurde im Entschädigungsverfahren vom Landesamt für Vermögenskontrolle angestellt, da sie in einer Vermögenserklärung vom März 1940 noch eine Mietzahlung von 140 RM, in der vom März 1942 aber nur noch 85 RM angegeben hatte.[90]
Wahrscheinlich war dies tatsächlich der Fall, allerdings verfügen wir über keine Liste, die eine nach Zimmern aufgeschlüsselte Besetzung der Räumlichkeiten zulassen würde. Allein die Angaben der Deportationslisten lassen gewisse Rückschlüsse zu. So wurden am 10. Juni 1942 aus dem Erdgeschoss, wo Mutter und Töchter Terhoch wohnten, auch Clara Merten und am 1. September 1942 Emil und Johanna Neuman deportiert. Demnach hatten zuletzt weitere Personen im Erdgeschoss gewohnt.

Die 4-Zimmerwohnung wurde damals auch schon seit langem nicht mehr von Emma Terhoch und ihren drei Töchtern bewohnt, sondern nur noch von der Mutter mit der behinderten Hedwig und der jüngeren Tochter Irma. Angesichts der Erkrankung von Hedwig war es trotz hinreichender finanzieller Mittel und vielleicht auch trotz guter Kontakte nach Südamerika aussichtslos, gemeinsam Deutschland zu verlassen. Wie immer wieder zu beobachten, waren die Söhne meist diejenigen, die einen solchen Schritt zuerst wagten, während die Töchter in ihrer traditionellen Rolle als care-taker eher bei den Eltern, in diesem Fall der Mutter und der pflegebedürftigen Schwester, ausharrten, zumindest solange, wie sie noch ledig waren.
Als Hilde sich 1938 in Wiesbaden verlobte, war das sicher schon im Hinblick auf ihre geplante Auswanderung geschehen. Unklar ist, wann und wo die Eheschließung dann tatsächlich stattfand. Im Entschädigungsverfahren wurde fälschlicherweise angegeben, dies sei noch in Wiesbaden vonstatten gegangen,[91] aber ein entsprechender Eintrag ist beim dortigen Standesamt nicht vorhanden. Allerdings soll sie nach ihren eigenen Angaben noch 1938 stattgefunden haben. Da aber auch nicht das exakte Datum ihrer Ankunft in Südamerika bekannt ist, könnte die Ehe auch erst dort in ihrem bolivianischen Exil, vielleicht aber auch – wie bei ihrem Onkel Alex – unterwegs auf dem Schiff geschlossen worden sein. Hildes Ehemann war der am 1. Juni 1896 in Münster / Westfalen geborene Bernard Baer, den sie vermutlich schon vor ihrem Umzug nach Wiesbaden kennen gelernt hatte.[92] Auch diesmal war die Devisenstelle nicht von der Auswanderung des Paares unterrichtet. Am 15. August 1940, also etwa eineinhalb Jahre nach ihrer Emigration, hatte die Behörde noch eine JS-Akte mit der Nummer 9761 angelegt, um das Konto von Hilde Terhoch zu sichern. Sogar einen vorläufigen Freibetrag in Höhe von 200 RM hatte man schon festgelegt, aber das Schreiben erreichte die Adressatin nicht mehr. Der Brief ging zurück mit dem Vermerk „ausgewandert“.[93] Immerhin war auf der Karteikarte ihrer Mutter bei der Gestapo Wiesbaden noch „nach Bolivien“ eingetragen worden, allerdings leider ohne Datum.

Kaiser Friedrich Ring 80
Das Haus Kaiser-Friedrich-Ring 80 in einer zeitgenössischen Fotographie
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Wiesbaden

Somit blieben Emma Terhoch und ihre beiden Töchter Hedwig und Irma die letzten zweieinhalb Jahre bis zu ihrer Deportation alleine im Judenhaus in Wiesbaden zurück.
Auch Irma erhielt am gleichen Tag wie ihre geflohene Schwester noch eine Sicherungsanordnung, ebenfalls verbunden mit einem vorläufigen Freibetrag von 200 RM. Auf das beigefügten Formular, auf dem sie ihr Vermögen und ihr derzeitiges Einkommen eingetragen sollte, schrieb sie: „Besitze keinerlei eigenes Vermögen u. lebe in gemeinschaftlichem Haushalt bei meiner Mutter Emma Sara Terhoch , Kais.Fr.Ring 80.“ [94]

Ganz ohne Einkommen blieb sie dann doch nicht. Wie einer Abschrift eines Schreibens aus der Devisenakte ihrer Mutter vom 5. März 1942 zu entnehmen ist, wurde sie später – ein Termin oder die Dauer ist darin nicht angegeben – zur Zwangsarbeit bei der Firma ‚Söhngen u. Co.’ verpflichtet.[95] Laut dieser Abschrift beliefen sich die damaligen Ausgaben der drei Frauen inklusive Miete auf insgesamt 420 RM.

Als sie diese Erklärung abgab, blieben Emma Terhoch und den beiden Töchtern noch eine Lebenszeit von einem Vierteljahr. Mit dem ersten großen Transport, der den Wiesbadener Bahnhof am 10. Juni 1942 mit 371 Personen verließ, darunter befanden sich auch Emma – ihren Mädchenname hatte man fälschlicherweise mit Rödesheimer angegeben -, Hedwig und Irma Terhoch.[96] In Frankfurt machte er noch einmal Halt. Dort wurde der Zug, der die Bezeichnung ‚Da 18’ erhalten hatte, mit weiteren etwa 900 Deportationsopfern aus dem gesamten Regierungsbezirk Wiesbaden aufgefüllt. Am frühen Morgen des folgenden Tages verließ er Frankfurt, um über Kassel, Leipzig und Lodz sein Ziel Lublin im sogenannten Generalgouvernement anzusteuern. Etwa 150 bis 200 Männer, die genaue Zahl ist nicht bekannt, wurden dort zum Aufbau des Konzentrationslagers Majdanek abkommandiert. Weder überlebte einer von diesen, noch einer der übrigen, die ihren Weg weiter nach Sobibor fortsetzen mussten. Wie alle anderen wurden die drei Frauen aus Wiesbaden vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern des Vernichtungslagers ermordet.[97]

Grabstein Abraham Terhoch
Grabstein von Abraham Terhoch mit Erinnerung an seine deportierte Frau und Kinder
https://images.findagrave.com/photos/2020/198/109482921_b00bdbba-0533-4f55-b972-a7b9c8bfbd93.jpeg

Nicht in Wiesbaden, aber immerhin in Beckum liegen seit 2007 vier Stolpersteine vor dem Wohnhaus der Familie Terhoch in der Nordstr. 34.

Stolperstein Emma Terhoch
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolperstein_Emma_Terhoch_in_Beckum.nnw.jpg
Stolperstein Hedwig Terhoch
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolperstein_Hedwig_Terhoch_in_Beckum.nnw.jpg
Stolperstein Irma Terhoch
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolperstein_Imra_Terhoch_in_Beckum.nnw.jpg
Stolperstein Walter Terhoch
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolperstein_Walter_Terhoch_in_Beckum.nnw.jpg

Neben den drei aus Wiesbaden deportierten Frauen ist einer der Steine Walter Terhoch, dem Sohn von Emma, gewidmet, der ebenfalls Opfer der Shoa wurde. Er war damals, als das Haus in Beckum 1938 verkauft wurde, im Mai nicht nach Wiesbaden, sondern nach Düsseldorf verzogen. Am 30. November, vermutlich noch im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht, war er verhaftet worden und nach Dachau verbracht worden, wo man ihn bis Anfang Februar 1939 festhielt.

Walter Terhoch Dachau
Walter Terhoch im Häftlingseingangsbuch von Dachau, Eingang 30.11.1938
https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01010602/aa/ah/eq/001.jpg

Sein weiterer Lebensweg lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Wie so viele andere Gefangene ist er wahrscheinlich mit der Auflage aus dem KZ entlassen worden, Deutschland sofort zu verlassen. Vielleicht hatte er diese Entscheidung auch unabhängig davon schon zuvor getroffen. Die nächste Spur von ihm findet man im belgischen Flüchtlingslager Merneffe, südlich von Lüttich, wo er am 24. November 1939 aufgenommen wurde. Als die deutschen Truppen im Mai 1940 Belgien überfielen, wurden die zumeist jüdischen Flüchtlinge zunächst von den dortigen Behörden nach Frankreich abgeschoben, dann von den französischen in die verschiedenen Internierungslager eingeliefert, die ursprünglich für die Rückkehrer aus dem Spanischen Bürgerkrieg angelegt worden waren. Das Lager in Saint Cyprien, am Rand der Pyrenäen und unmittelbar an der spanischen Grenze gelegen, war dasjenige, in das Walter Terhoch am 15. Mai 1940 eingeliefert wurde. Nicht bekannt ist, wie lange er dort bleiben musste bzw. durfte, denn das Sammellager Drancy, seine nächste Station, war ungleich inhumaner und zudem der Ausgangspunkt für die meisten Transporte aus Frankreich in die Vernichtungslager im ehemaligen Polen. Am 6. März 1943 wurde Walter Terhoch mit dem Transport Nr. 51 von Drancy nach Majdanek gebracht. Er scheint aber von dort an einem nicht bekannten Datum weiter nach Sobibor verbracht worden zu sein, wo er dann ermordet wurde.[98]

Die drei übrigen Geschwister, die aus Deutschland geflohen waren überlebten, allerdings unter schwierigsten Bedingungen und mit Folgen, an denen sie ihr gesamtes weiteres Leben zu tragen hatten.

Am wenigsten weiß man über den jüngsten Sohn Paul, der nach Frankreich geflohen war und 1984 in Paris verstarb.[99] Er ist in den Entschädigungsverfahren nicht aktiv aufgetreten, um Ansprüche eigenständig geltend zu machen.[100] Auch auf Briefe, die Hugo Krick nach dem Krieg an ihn richtete, gab es lange keinerlei Reaktion. Erst 1979 erhielt er erstmal eine Antwort, aus der hervorging, wie sehr Paul Terhoch noch immer unter den Geschehnissen in seiner Heimatstadt litt, an die er aber gleichwohl auch positive Erinnerungen zu haben schien: „Du kannst mir glauben, dass die Vergangenheit mir weh tut! Seit 1935 bin ich hier [in Paris – K.F.] und ich denke oft an meine Jugend.“ Und dann noch einmal 1980: „Es ist traurig, dass man nicht mit der Vergangenheit leben kann.“[101]
Die Entschädigungsangelegenheiten hatte er ganz seinem älteren Bruder Erich überlassen, der nach seiner Flucht Ende 1933, von wenigen kurzen Aufenthalten in Beckum abgesehen, in Frankreich geblieben war. Ob er seine Mutter und Schwestern noch einmal in Wiesbaden besuchte, ist nicht bekannt, aber wenig wahrscheinlich.

Er sei, so gab er später an, nach seiner Rückkehr in Frankreich als Deutscher nicht willkommen gewesen, auch nicht als Jude, und habe Schwierigkeiten gehabt, eine Arbeitsstelle zu finden, mit der er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Ein neu gegründetes eigenes Geschäft, das aber nur wenig abwarf, wurde dann bei Kriegsausbruch von den Franzosen zwangsweise geschlossen. Ihn selbst internierten sie zunächst in Bourg-Lastic, dann ab Februar 1940 im Lager Hurid. Im Mai wurde er als sogenannter ‚Prestatär’ einem Arbeitsbataillon der britischen Armee zugeteilt. Nach dem Waffenstillstand ging er mit seiner Frau nach Chambery in Savoyen, von wo er aber dann zwangsweise in das etwa 80 km entfernte Moutiers verbracht wurde.

Abschrift aus der Devisenakte von Erichs Mutter Emma Terhoch
HHStAW 518 38281 I (26)

Aus dieser Zeit, in der sich Erich Terhoch in Savoyen aufhielt, gibt es eine etwas nebulöse Information seiner Mutter an die Devisenstelle Frankfurt. Im März 1940, als sie wieder einmal eine Vermögenserklärung hatte abgeben müssen, bat sie darum, ihr einen Freibetrag von 500 RM zu gewähren, da sie neben den Kosten für ihre pflegebedürftige Tochter, auch ihrer Schwiegertochter und deren Kind einen monatlichen Beitrag zum Lebensunterhalt überweisen müsse. Von Paul Terhoch ist nicht bekannt, dass er überhaupt verheiratet war. Es müsste sich daher bei der Angesprochenen vermutlich um die Frau von Erich handeln, die aber damals offensichtlich noch in Deutschland lebte – andernfalls wäre eine solche Geldüberweisung nicht möglich gewesen -, während ihr Ehemann, wie Emma Terhoch ausdrücklich erwähnt, sich im Ausland befand. In den Entschädigungsakten gibt es allein diesen Hinweis auf die Ehefrau von Erich.

Der einzige Hinweis auf Erichs Frau Edith Zita, geb, Goldfarb
HHStAW 518 38281 I (95)

Es handelte sich um Edith Zita, geborene Goldfarb, die am 6. Juni 1911 an einem nicht bekannten Ort geboren wurde.[102] Auch liegen keine Informationen darüber vor, ob es sich bei dem genannten Kind um ein gemeinsames oder um eines aus einer früheren Beziehung von Edith Terhoch handelte. Viel spricht für Letzteres, denn die Schwiegermutter spricht mit Bezug auf die Schwiegertochter explizit von „deren“ Kind. Auch ist dieser Nachkomme im späteren Entschädigungsverfahren nicht mehr erwähnt. Wann und wo die Eheschließung stattgefunden hatte, ob noch in Deutschland oder in Frankreich, und wann Edith Terhoch selbst auch nach Frankreich ging, ist ebenfalls nicht bekannt.

Wie auch immer sie dort hingelangte, spätestens 1942, wahrscheinlich aber früher war Erich in Begleitung seiner Frau. Als nämlich dann 1942 die Razzien nach Juden auch in dem unbesetzten Frankreich begannen, flüchtete er – wie er schreibt – zusammen mit seiner Frau weiter in die etwa 80 km nördlich und nicht weit von der schweizerischen Grenze und Genf gelegen Stadt Annecy, eine Stadt, in der allerdings der Kampf zwischen der Resistance und den französischen Faschisten besonders heftig tobte. „Unter menschenunwürdigen Bedingungen“, wie er im Entschädigungsverfahren angab, habe er dort die Zeit bis zur Befreiung Ende August 1944 verbracht. Ausgestattet mit falschen Papieren auf den Namen Emile und Suzanne Tissot hatte das Paar abwechselnd bei den Familien Marco und Gamonet die Zeit der Illegalität überstanden.[103] Letztere war eine selbst völlig verarmte Familie mit vier Kindern, die in einem kleinen Haus mit nur drei Zimmern wohnte und dem Ehepaar Terhoch nur nachts einen der kleinen Räume zum Schlafen zur Verfügung stellen konnte:
Er führte weiter aus, dass sie während des Tages „überhaupt keine Moeglichkeit hatten, uns zu isolieren und immer mit dieser armen kinderreichen Familie zusammensein mussten. Wir hatten keine Lebensmittelkarten. Ich konnte nicht arbeiten, besass keinerlei Vermögen. Meine Frau und ich erhielten von der Familie Gamonet das Allernotwendigste zum Leben, die selbst nicht genug hatte, und wenn wir die Familie G. ueber die materiellen Schwierigkeiten des Lebens sowie darüber klagen hoerten, dass sie ihren Kindern nicht genug zu essen zu geben haetten, dann erklaerten meine Frau und ich sehr haeufig, keinen Hunger zu haben, nur weil wir der Familie G. das Essen nicht nehmen wollten und wir befuerchten mussten, dass sie uns, durch eigene Not getrieben, das kaergliche Obdach, das sie uns gewaehrten, verweigern koennten. Im uebrigen lebte ich bei dieser Familie, ohne auf die Strasse zu gehen.
Mein Leben waehrend dieser Zeit war nicht nur menschenunwuerdig, sondern auch haftaehnlich. Ungefaehr im Januar 44 – an das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern – konnte und wollte die Familie GAMONET uns nicht mehr behalten, da sie befuerchtete, dass sie denunziert wird. Tatsaechlich lag auch eine Denunziation vor. Ich weiss, dass kurze Zeit, nachdem wir unser Obdach bei der Familie GAMONET verlassen hatten, die Gestapo dort eine Haussuchung vornahm.“
Ähnlich waren die Bedingungen bei der Familie Marco, die ihnen ebenfalls nur ein kleines, nicht beheizbares Zimmer zur Verfügung stellen konnte.[104]

Nach dem Ende des Krieges nahmen Terhochs die französische Staatsangehörigkeit an und eröffneten wieder ihr früheres Geschäft in Paris. Im Jahr 1946 muss ihnen noch ein Kind geboren worden sein, denn im Entschädigungsantrag vom August 1955 gibt Erich Terhoch an, ein Kind im Alter von achteinhalb Jahren zu haben.[105] Ebenfalls ist in diesem Formular vermerkt, dass er verwitwet sei.[106] Wann und wo seine Frau starb, ist nicht bekannt. Er selbst verstarb am 20. Februar 1980 an einem Herzanfall in Paris.[107]

Auch wenn Hilde durch ihre Flucht nach Südamerika sich dem Zugriff des Hitler-Regimes gänzlich entziehen konnte, so war der Leidensweg, der dort auf sie wartete nicht minder schlimm, wie der ihrer Brüder. In jedem Fall dauerte er länger.
Wie bereits angemerkt, gibt es keine verlässlichen Angaben, schon gar keine offiziellen Dokumente über die Eheschließung von Hilde Terhoch und Bernard Baer. Sie muss aber um den Jahreswechsel 1938/39 im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Überfahrt nach Südamerika erfolgt sein. Hilde hatte bei der Anamnese ihrer Erkrankung angegeben, zunächst von 1939 bis 1941 in La Paz gelebt zu haben. Dann sei man in das 4000 m hoch gelegene und etwa 30 km von der Haupstadt entfernte Viacha gezogen, wo ihr Mann eine Anstellung als Veterinär bei der bolivianischen Armee erhalten hatte. Es war ein karges Gehalt, das er für seine Arbeit erhielt, weshalb die Vermutung nahe liegt, dass er in Deutschland kein Studium als Tierarzt absolviert hatte, sondern eher praktische Fertigkeiten als Viehhändler mitbrachte. Da Hilde wegen fehlender Sprachkenntnisse selbst keine Arbeit fand, mussten sie gemeinsam von diesem dürftigen Einkommen, mit dem sie nie das steuerpflichtige Limit erreichten, leben. Auch private Tierbehandlungen nebenbei konnten das Lebensniveau kaum heben, zumal auch ihr Ehemann, bedingt durch die dortigen Lebensumstände, ständig erkrankte. 1944 wurde er entlassen und mit dem Wegfall des festen Einkommens waren sie von da an ausschließlich auf solche sporadischen Einnahmen angewiesen.[108]
Abgesehen von den klimatischen Verhältnissen und die für Mitteleuropäer kaum auszuhaltende Höhenlage des Ortes, führte der Kulturschock gerade bei Hilde Baer zu einer wachsenden psychosomatischen Krise. Wie sehr sie unter der Situation, der Verlorenheit in diesem Ort litt, wird deutlich, wenn sie im Rahmen der Anamnese schreibt: „Ich lebe seit 20 Jahren in Viacha, Bolivien, einem Indianerdorf auf 4000 m Höhe. Mein Mann und ich sind die einzigen Europäer im Ort. Ich hatte und habe zu Hilfe im Haushalt eine Wilde (Indianerin), die weder lesen noch schreiben kann und auch kaum spanisch spricht.“ Sieht man einmal von dem chauvinistischen Blick ab, mit dem die indigene Bevölkerung wahrgenommen wird, eine Sichtweise, die man in Briefen lateinamerikanischer Exilanten immer wieder findet, dann spiegelt sich in diesen wenigen Worten dennoch wider, welchem zerstörten Leben Hilde Baer nachtrauerte. Weit ab von der bisher gewohnten Zivilisation, ohne Geschäfte und kulturelle Möglichkeiten, sah sie sich in einer unverschuldeten Verbannung. Hinzu kam dann noch, dass sie 1954 von ihrem Ehemann verlassen wurde. Zu einer förmlichen Scheidung kam es zwar nicht, aber die folgenden Jahre war sie dann völlig alleine, zumindest nahm sie es so wahr. „Es bleibe ihr“, so hatte sie es gegenüber ihrem Arzt einmal formuliert, „bei diesen Verhältnissen nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben, wo sie sei, und auf ihr Ende zu warten“.[109]
Den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, seit wann sie über das Schicksal ihrer Mutter und Schwestern Bescheid wusste. Einen Kontakt mit ihren Brüdern in Frankreich hatte es all die Jahre nicht gegeben. Deswegen war sie in ihrer Abgeschiedenheit auch nicht informiert worden, dass man in Deutschland inzwischen eine Gesetzgebung zur Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verabschiedet hatte, von der auch sie hätte profitieren können. Dies erfuhr sie erst 1956 zu einem Zeitpunkt, als sie nach der Trennung von ihrem Mann sich weder gesundheitlich noch finanziell in der Lage sah, eine Reise nach Deutschland anzutreten. Was sie nach eigenen Angaben nicht wusste, war die Regelung, nach der die Beantragung solcher Leistungen zeitlich befristet war. Mit ihrem Mann, der während der Trennungszeit nach Deutschland gereist war, um seine Ansprüche dort durchzusetzen und inzwischen eine kleine Berufsunfähigkeitsrente bezog, lebte sie ab 1958 wieder zusammen. Erst im Juli 1958, als Hilde Baer sich gesundheitlich wieder einigermaßen stabilisiert hatte, fuhr auch sie dann selbst nach Deutschland, um ebenfalls die ihr zustehende Entschädigung einzufordern. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist jedoch schon um einige Monate  überschritten. Ihre Anträge wurden daher aus formalen Gründen immer wieder abgelehnt. Verzweifelt schrieb sie Briefe an die Anwälte, die sich engagiert für sie einsetzten. Der folgende undatiert Brief ist Ausdruck dieser Ohnmacht angesichts der behördlichen Kälte:

Brief von Hilde Terhoch an ihren Anwalt
HHStAW 467 4701 (13)

“Sehr geehrter Herr v. Lovenberg!
Ihren Brief mit der beigefügten Entscheidung des Regierungspräsidenten habe ich erhalten. Ich weiß nicht, was ich machen soll & bin völlig verzweifelt. Bitte verlassen Sie mich jetzt nicht & helfen Sie mir weiter. Vielleicht können Sie mit der Behörde noch einmal sprechen oder etwas anderes unternehmen. Seit Anfang 1957 war ich völlig mit den Nerven herunter, daß ich überhaupt nichts tun konnte. Ich litt unter ständigen Depressionen, die sich erst im Frühjahr 1958 etwas besserten. Außerdem war und bin ich bis zum heutigen Tag herzkrank. Im Jahre 1957 habe ich sogar deswegen ein 1/2 Jahr im Bett zubringen müssen. Glauben Sie mir, daß ich in der ganzen Zeit einfach nicht in der Lage war, einen klaren Plan zu fassen & einen Brief zu schreiben. Vielleicht teilen Sie das dem Herrn Regierungsp. mit, damit er seinen Standpunkt ändert. Ich habe in meinem Leben als Jüdin so viel mitgemacht und keine Wiedergutmachung erhalten, sicher lässt sich das Furchtbare durch Geld nicht entschädigen. Mir geht es, wie ich Ihnen schon schrieb, nur um eine kleine Rente, damit ich eine Existenz habe, wenn ich dieses Land verlasse.
Bei Ihnen, lieber Herr v. Lovenberg, bin ich in guten Händen & vertraue ich auf Ihre Hilfe.“
[110]

Die psychischen Leiden, aber auch die finanzielle Not wurden noch einmal größer, als ihr Ehemann am 17. August 1966 einem Herzinfarkt erlag und sie nun wieder völlig alleine war.[111]

In einem lange andauernden Verfahren, das durch alle Instanzen bis zum Zivilsenat des Bundesgerichtshof ging und in dem die Fragen, ob die Krankheit von Hilde Baer tatsächlich eine eigene und rechtzeitige Initiative in ihrer Entschädigungssache unmöglich gemacht hatte, ob die Krankheit als Folge der Vertreibung ebenfalls als entschädigungsrelevant anzusehen sei und ob sie in dem elterlichen Geschäft früher nach dem Tod des Vaters eine gehobene Stellung als Geschäftsführerin inne gehabt habe, behandelt wurden, kam letztlich im Jahr 1970 noch ein Vergleich zustande, in dem ihr pauschal eine Summe von knapp 26.000 RM zugesprochen wurde.[112]

Inzwischen waren mehr als 40 Jahre nach ihrer Flucht aus Deutschland und rund 15 Jahre, nachdem sie ihren Antrag gestellt hatte, vergangen. Man kann nur hoffen, dass sie nach all dem erfahrenen Leid wenigstens diese finanzielle Entschädigung in ihrer restlichen Lebenszeit – es handelte sich immerhin um 25 Jahre – noch ein wenig genießen konnte. In einem Brief, geschrieben im Jahr 1967 anlässlich eines Besuchs ihrer Heimatstadt im Zusammenhang mit dem Entschädigungsverfahren, notierte sie allerdings: „… wollte ich die Nachbarn besuchen, aber es war mir nicht möglich, denn es waren sehr traurige Erinnerungen und ganz besonders, als ich das Haus meiner Eltern sah, glauben Sie mir, dass mir fast das Herz zersprang, aber es ist geschehen und was man verloren hat, ist mit gar nichts wieder gutzumachen.“[113]

Im Sommer 1972 besuchte sie noch einmal Deutschland und ihre Heimatstadt Beckum, um ihre frühere Angestellte Frieda Lewald vor deren Tod im Jahr 1976 noch einmal zu sehen. Sie selbst verstarb in den neunziger Jahren in ihrem letzten Wohnort Cochabamba in Bolivien.[114]

 

Das Schicksal der übrigen Mitglieder der Familie Obermeyer

Emma Terhoch, geborene Obermeyer, die mit ihren beiden Töchtern in Sobibor ermordet wurde, war nicht das einzige der Kinder von Salomon und Rosalie Obermeyer, das dem Holocaust zum Opfer fiel. Ob sie in der Zeit des Nationalsozialismus und besonders in den Jahren ihres Aufenthalts in Wiesbaden den Kontakt zu ihrem Heimatort Bad Salzuflen und ihrer dortigen Herkunftsfamilie aufrechterhalten konnte, weiß man nicht. Vielleicht wurde ihr aber von Verwandten berichtet, wie auch dort seit Beginn der dreißiger Jahre die braune Pest die Bevölkerung des Städtchens immer stärker infizierte. Seit 1926 gab es dort eine NSDAP-Ortsgruppe und deren Wahlerfolge in den kommenden Jahren lagen immer im Trend des gesamten Reiches. Versuche der jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder sich als Angehörige des gehobenen Mittelstandes weitgehend dem liberalen Spektrum der Weimarer Parteienlandschaft zugehörig fühlten, sich gegen die Verleumdungen der Nazis zur Wehr zu setzen, blieben langfristig erfolglos. Eine damals angebrachte Tafel an der Synagoge, auf der die jüdischen Opfer des Ersten Weltkriegs namentlich genannt wurden, darunter auch Walter Obermeyer,[115] wurden von der Hetze des „Stürmers“ übertönt, der von einem nahe gelegenen Zeitungskiosk der NSDAP verbreitet wurde. Mittels metergroßer Plakate forderte man schon vor 1933 den Ausschluss von Juden aus dem Badebetrieb und rief zum Boykott jüdischer Geschäfte auf.

Hitler 1933 in Bad Salzuflen
Hitler 1933 in Bad Salzuflen
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Bad Salzuflen

Die Partei war gerade in dieser Region besonders aktiv, sollte doch der Wahlsieg in dem recht kleinen Freistaat Lippe als Sprungbrett zur Eroberung der Macht in Berlin dienen. Alle Gelder, die die Partei nach dem Treffen Görings mit den führenden Industriellen im Bankhaus Schroeder eingesammelt hatte, wurden in diesen Wahlkampf geworfen. Hitler und Goebbels hatten im Schloss des Barons von Oeynhausen Quartier bezogen und hielten ihre krawallischen Reden in möglichst vielen der kleinen Dörfer und Städtchen des Landes. Hitler selbst war am 14. Januar 1933 nach Bad Salzuflen gekommen, um im Kurhaus vor seinen Anhängern Stimmung zu machen.

Als der „Sieg“ errungen war, konnte die Partei dann auch in Bad Salzuflen quasi amtlich gegen die jüdischen Bürger und ihre Geschäfte vorgehen. Abgesehen von den neuen Vorschriften der Berliner Regierung, wie dem landesweit angeordneten Boykott am 1. April, wurde es in Bad Salzuflen den Juden schon früh verboten, das Freibad zu besuchen oder Immobilien in bestimmten Stadtgebieten zu erwerben. Selbst das Begehen bestimmter Straßen im Kurgebiet wurde ihnen untersagt. Den Viehhändlern verwehrte man die Teilnahme am örtlichen Viehmarkt – all das noch vor der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze.[116] Wenn dennoch nur wenige der in Bad Salzuflen lebenden Juden in dieser Zeit den Schritt ins Exil wagten, so hatte das vermutlich einen wesentlichen Grund in der völlig überalterten jüdischen Bevölkerung. Bezeichnender Weise war seit 1933 dort kein jüdisches Kind mehr geboren worden und die zumeist älteren Menschen wagten nicht, in einem fremden Land noch einmal einen Neuanfang zu versuchen.

Synagoge Bad Salzuflen
Die Synagoge Bad Salzuflen (Fachwerkhaus)
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Bad Salzuflen

Als in ganz Deutschland am 9. November die Synagogen brannten, blieb diese in Bad Salzuflen wegen der Gefährdung der umliegenden Häuser zunächst vom Feuer verschont und wurde nur im Inneren demoliert und entweiht. Mit dem Argument, sie sei nun einsturzgefährdet, begann man dann drei Tage später mit ihrem Abriss.

Siegfried Obermeyer,[117] Emma Terhochs jüngerer Bruder, der der Gemeinde mit ihren knapp 80 Mitgliedern seit etwa zehn Jahren vorstand, hatte keine Möglichkeit, das zu verhindern. Seine Rolle in der Gemeinde, die ihm sicher in diesen Jahren zunehmend zur Last wurde, verdankte er nicht zuletzt der Stellung, die die Kaufmannsfamilie seit Generationen in der Stadt innehatte.
Wann er seine in Münster geborene Frau Amalia ehelichte, ist nicht bekannt. Mit großer Wahrscheinlichkeit entstammte die am 18. Juni 1895 geborene Tochter von Louis und Dorothea Scheiberg, geborene Kaufmann, aus der Familie von Siegfrieds Mutter, ebenfalls eine geborene Scheiberg, die auch in Münster geboren worden war und zuletzt ebenfalls in Bad Salzuflen lebte. Amalia und Siegfried wurden zwei Söhne geboren, Ernst am 30. Juni 1920, Hans im Jahr 1928.[118]

Siegfried und Amalie Obermeyer
Siegfried und Amalie Obermeyer, geb. Scheiberg, 1939
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Bad Salzuflen

Nach 1933 und dann noch mehr nach Verabschiedung der Nürnberger Gesetz war der Niedergang des traditionsreichen Familienunternehmens in der Langen Str. 39-41 nicht mehr aufzuhalten. Im Mai 1938 wurde zunächst das Haus mit der Nummer 39 in der Langen Straße verkauft, damals – noch vor der Pogromnacht – mit der Hoffnung verknüpft, das Geschäft in dem anderen Haus weiterführen zu können. Mit dem Erlös konnte auch das geschrumpfte Einkommen fürs Erste kompensiert werden. Angesichts der nicht zu leugnenden wachsenden Bedrohung brachten sie einige Wochen vor dem Pogrom wenigstens den älteren, damals 18jährigen Sohn Ernst nach Holland in die Obhut seines Onkels Gustav Scheiberg und damit zumindest vorläufig in Sicherheit.

Hans Obermeyer
Hans Obermeyer bei seiner Einschulung 1934
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Bad Salzuflen

In der „Kristallnacht“ wurden sowohl des Wohnhaus der Eltern in der heutigen Brüderstr. 26, wie auch das Geschäft in der Innenstadt verwüstet. Letzteres wurde wenige Tage später von Amts wegen geschlossen und auch der jüngere Sohn Hans musste die Oberschule, die er bisher besucht hatte, verlassen. Noch hoffte die Familie auf eine Chance, der weiteren Verfolgung nach England entfliehen zu können. Zu spät – nämlich drei Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ging die Genehmigung ein, nach Großbritannien ausreisen zu dürfen. Kurz zuvor war Hans gerade noch rechtzeitig dank der finanziellen Hilfe des Onkels in Holland, der für die Kosten einer privaten Internatsschule in Haslemere bei London bürgte, mit einem Kindertransport nach England entkommen. Der eigentliche Plan der Eltern, ihrem Sohn sofort zu folgen, hatte sich mit dem Kriegsausbruch erledigt. Sie sollten sich nie wieder sehen.
Weil sie im Sommer 1939 ihr Wohnhaus an einen örtlichen Gastwirt verkauft hatten – der Erlös floss selbstverständlich auf ein gesichertes Konto – mussten sie ab September in ihr ehemaliges Geschäftshaus Lange Str. 41 ziehen, dass sich aber inzwischen die Stadt für 36.000 RM angeeignet und es zu einem Judenhaus umgewandelt hatte. Neun der damals noch dreizehn in Bad Salzuflen lebenden Juden wurden vor ihrer Deportation dort einquartiert. Am 10. Oktober 1939 verließen Siegfried und Amalia Obermeyer ihre Heimatstadt und zogen nach Herford. Von dort gelang ihnen am 16. April 1940 noch die Flucht nach Luxemburg. Aber auch diesmal waren sie zu spät, denn wenige Tage danach erfolgte der Einmarsch der deutschen Truppen und sie gerieten wieder in die Fänge ihrer Verfolger. Man brachte sie in das zum Sammellager umgewandelte Kloster Fünfbrunnen, von wo sie  am 16. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt / Lodz überstellt wurden. Siegfried Obermeyer fiel dort am 16. September 1942, seine Frau Amalia am 29. April 1944 den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto zum Opfer.[119]

Ernst Obermeyer
Ernst Obermeyer mit Judenstern
https://www.unnel.de/Unnel/pi05/pi05_358.jpg
Ernst Obermeyer
Karteikarte von Ernst Obermeyer mit Deportations- und Sterbedatum
https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01020402/aa/fr/ao/001.jpg

Auch für ihren Sohn Ernst erwies sich die Flucht nach Holland als Sackgasse. Auch er wurde verhaftet und in das holländische Sammellager Westerbork überstellt, von wo er am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Im Außenlager Fürstengrube, einem der großen Arbeitslager in Oberschlesien, in dem die Gefangenen im Kohleabbau schuften mussten, kam er am 2. Januar 1943 ums Leben.[120]
Auch sein Beschützer Gustav Scheiberg entging den deutschen Besatzern nicht. Nach seiner Gefangennahme durchlief er sogar vier verschiedene Lager, bevor er dann am 24. Januar 1945 in Dachau ermordet wurde. Von Westerbork hatte man ihn zunächst nach Theresienstadt, dann weiter nach Auschwitz und von dort nach Dachau gebracht, wo sein Leidensweg kurz vor der Kapitulation des Nazi-Regimes ein Ende fand.[121] Seine Frau Vera ging diesen Weg mit ihm bis Auschwitz, wo sie am 6. Oktober 1944 zu Tode kam.[122]

Nur zwei Mitglieder der Familie Obermeyer aus Bad Salzuflen überlebten den Holocaust. Hans hatte in dem englischen Internat kurz vor dem Ende des Krieges seine Schulausbildung beenden können und danach noch einige Monate in Birmingham als Lehrling in einem Betrieb gearbeitet. In dieser Zeit erfuhr er von dem Schicksal seiner Eltern und dem seines Bruders.

Julius Obermeyer
Einbürgerungsantrag von Julius Obermeyer / Olney
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6738354:2280?tid=&pid=&queryId=2ecc86e59ef7aedbe755db3d2ced01c0&_phsrc=svo1073&_phstart=successSource

Der zweite Überlebende war sein Onkel Julius Joseph Obermeyer, mit dessen Hilfe er 1947 in die USA auswandern konnte.
Dieser war schon einige Jahre zuvor dort angekommen. Sein Einbürgerungsantrag, den er am 12. März 1941 stellte, gibt einen vagen Einblick in seine bisherige Lebens- und Fluchtgeschichte.[123] Wann er Bad Salzuflen verlassen hatte, ist nicht bekannt, aber 1924 heiratete der Kaufmann in Berlin die berufslose Lilli Lipper, geborene Katz, aus Giessen. Für die am 5. Mai 1883 Geborene und jetzt in Berlin Lebende war es nicht die erste Ehe.[124] Julius Joseph selbst gab als seinen damaligen Wohnort Den Haag in den Niederlanden an. Offensichtlich ließ sich das Paar nach der Hochzeit dort auch nieder, denn am 14. September 1927 wurde dort ihr Sohn Robert geboren. Die nächste Spur der Familie auf ihrer Flucht vor den Nazis findet man in Mallorca. Vermutlich waren sie nach dem Überfall der deutschen Truppen aus Holland geflohen und hatten in Spanien Zuflucht gesucht. Von Bilbao aus, so ist dem Einbürgerungsantrag zu entnehmen, gelangten sie am 25. September 1940 auf dem Schiff ‚Marques de Comillas’ nach New York.[125] Am 18. Juni 1946 wurde dem Einbürgerungsantrag stattgegeben.[126] Die Familie, die sich in Forest Hills im Staat New York niederließ, hatte inzwischen den Familienname Olney angenommen. Julius Joseph Olney verstarb am 12. Oktober 1953 in Queens im Staat New York.[127] Seine Frau war bereits am 7. Januar 1945 in New York verstorben.[128]

Julius Olney und seine Familie im Census von 1950
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/281993545:62308

Wie wenig vergangen, wie gegenwärtig die Vergangenheit ist, zeigt das Schicksal der Familie von Emmas jüngeren Bruder Adolf Abraham Alex Obermeyer.
Wann Adolf Obermeyer seine Heimatstadt Bad Salzuflen verlassen hatte, um in einer größeren Stadt im Umland eine berufliche Karriere zu machen, welche Ausbildung er dazu mitbrachte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Am 1. September 1911 ehelichte er Elsa Blankenburg, geboren am 12. April 1886 in Aplerbeck bei Dortmund, wo auch die Hochzeit stattfand.[129]

Else und Adolf Obermeyer
https://www.instagram.com/p/CMSYFmNl8iX/
Adolf und Else Obermeyer mit ihren beiden Töchtern Inge und Ruth in Meran
Mit freundlicher Genehmigung durch Beatrice Stresemann

Die erste Tochter des Paares, Ruth Senta, wurde am 20. Juni 1912 in Herford geboren,[130] wo die Familie sich zuvor schon niedergelassen hatte. Bereits im Jahr 1910 war Adolf Obermeyer nämlich als Mitinhaber in die ‚Herforder Süßrahm-Margarinefabrik Jursch & Schwake’ eingetreten, nachdem der Gründer Jursch sich im gleichen Jahr aus dem Unternehmens zurückgezogen hatte.[131] Unter der Ägide von Adolf Obermeyer begann das Unternehmen, besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, zu florieren. Man investierte in die neuesten Maschinen und mehr als fünfzig Arbeiter und Angestellte verdienten sich in diesen Jahren in der Firma Lohn und Brot. Nach dem Krieg wurde dem Ehepaar Obermeyer am 4. März 1920 noch eine weitere Tochter geboren, die den Namen Inge erhielt.[132]

Die Villa der Familie Obermeyer am Lübbertorwall 18 in Herford
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolpersteinlage_Herford_L%C3%BCbbertorwall_18.JPG

Dass der Erfolg der Firma auch im privaten Lebensstil der Familie seinen Niederschlag fand, ist an der Villa am Lübbertorwall 18 zu erkennen, die in ihrem Besitz war und von ihr auch bewohnt wurde. Das Haus war zugleich ein Ort der Begegnung, wo Feste gefeiert wurden und die Ehefrau Else, eine ausgebildete Pianistin, Hauskonzerte gab.
Die Kinder besuchten die Höhere Töchterschule der Stadt und nach einer glücklichen Kindheit, in der sie mit ihren Eltern viele Reisen unternahmen, hatten sie beide eigentlich eine glänzende Karriere vor Augen – wären da nicht die Nazis an die Macht gekommen.[133]

Schon 1925 hatte sich in Herford eine NSDAP-Ortsgruppe gebildet, die sofort mit ihrer antisemitischen Agitation gegen die jüdischen Bürger, die 1933 etwa 200 der insgesamt 38000 Einwohner stellten. Um der üblichen Verleumdung, Juden seien asozial und „Blutsauger am deutschen Volk“, etwas entgegenzusetzen, spendete Adolf Obermeyer 1934 einen großen Geldbetrag, um damit den Bau eines Freibades zu ermöglichen. Die Bedingung, dass dieses auch für jüdische Besucher offen bleiben müsse, wurde zwar zunächst zugesagt, blieb dann aber ebenso unerfüllt, wie die Forderung des Spenders, ihm unter diesen Bedingungen das Geld wieder zurückzugeben. Die eigenen Töchter durften somit das Bad, das ihr Vater wesentlich finanziert hatte, nicht mehr besuchen.

Inge und ihr Vater Adolf Obermeyer
Inge und ihr Vater Adolf Obermeyer
Mit freundlicher Genehmigung von Beatrice Stresemann

Aber viel bedeutsamer war, dass Inge 1936 ihre bisherige Schule verlassen musste, was die Konsequenz mit sich brachte, dass sie ihren eigentlichen Berufswunsch, Ärztin zu werden, nicht mehr realisieren konnte. Stattdessen ging sie im Mai 1936 an eine jüdische Mädchenschule im bayrischen Wolfratshausen, die auch ihre Schwester zuvor in den Jahren 1929/30 besucht hatte.[134] Ursprünglich bestand das Schulziel darin, jüdische Mädchen mit den rituellen Regeln einer jüdischen Haushaltsführung vertraut zu machen. Nach 1933 übernahm sie zunehmend die Funktion, die Mädchen auf ihre Auswanderung, besonders nach Palästina, die Hachschara, vorzubereiten. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass auch Inge beabsichtigte nach Palästina zu gehen. Sie besuchte stattdessen anschließend ab Mai 1938 noch eine jüdische Handelsschule in Berlin. Von da kam sie am 11. Dezember 1938 wieder zurück ins Elternhaus.
Ihre Schwester Ruth hatte 1933 noch einen Abschluss als staatlich geprüfte Diätassistentin machen können. 1936 heiratete sie den am 5. Januar 1905 in Berlin geborenen Heinz Rothe.[135]

Inge Obermeyer
Plakat zu Inge Obermeyer aus der Ausstellung ‚ Herforderinnen aus Wolfartshausen’ der Gedenkstätte Zellentrakt, Herford.
https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_Oase_Dokumentation__der_Ausstellungsbanner.pdf

Zu dieser Zeit hatte sich die Situation für die Juden in Herford schon beträchtlich verschärft. Dort wartete man mit dem Anzünden der Synagoge nicht bis 1938, hier war sie schon 1934 erstmals in Brand gesetzt worden. Was damals noch erhalten geblieben war, wurde dann während des Novemberpogroms 1938 endgültig zerstört, darunter auch die Orgel, die die Gottesdienste der liberalen Gemeinde bisher musikalisch begleitet hatte. Als man sich keinen bezahlten Organisten mehr leisten konnte, übernahm Elsa Obermeyer diese Aufgabe. Sie leitete auch den Chor, in dem die ganze Familie mitsingen musste, wie Inge Wolf sich später erinnerte.[136]

Werbung der Margarine-Fabrik ‚Jursch & Schwake‘

Die Ruine der Synagoge musste die Jüdische Gemeinde auf eigene Kosten beseitigen und das Grundstück völlig unter Wert an die Stadt verkaufen. Aber auch Geschäfte wurden zerstört und die Wohnhäuser stadtbekannter Juden, wie die Villa von Adolf Obermeyer, wurden angegriffen. Bald darauf musste er das schöne, große Haus verkaufen und zusehen, wie es zu einem Judenhaus umgewandelt wurde. Die davor liegenden acht Stolpersteine zeugen davon, zu was für einem Ort des Leidens dieses einmal so mit Leben erfüllte Haus unter den Nazis wurde.[137] Adolf Obermeyer selbst wurde kurzfristig im Herforder Polizeigefängnis inhaftiert, aber nach wenigen Tagen wieder frei gelassen. Seinen Anteil an der Margarinenfabrik musste er im Gefolge des „Gesetzes zum Ausschluss der Juden aus dem Wirtschaftsleben“ 1938 veräußern. Der Anteil wurde von seinem bisherigen Kompagnon übernommen.

Elsa Obermeyer, geb. Blankenburg
Mit freundlicher Genehmigung von Beatrice Stresemann

Im folgenden Jahr stellten Adolf und Elsa Obermeyer einen Ausreiseantrag, aber Adolf sah sich zum Schluss wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage, den Plan tatsächlich auszuführen. Er verstarb kurz bevor die Juden aus Herford deportiert wurden am 20. April 1942 [138] und entkam so der Tortur einer Deportation. Seine Frau Elsa, die nach dem Tod ihres Mannes am 11. Mai noch in die Gehrenbergstr. 12 umziehen musste, wurde von dort am 8. Juli zunächst nach Bielefeld gebracht. Der Gasthof ‚Kyffhäuser’ am Kesselring diente als Sammelstelle für die mindestens 74 aus dem Gestapobezirk Bielefeld ausgewählten Opfer, denen dort noch vor der Abfahrt die letzten Habseligkeiten abgepresst wurden.

Am 10. Juli 1942 verließ der Zug den Bahnhof, um seine Insassen angeblich zum „Arbeitseinsatz Ost“ zu bringen. Lange Zeit war in der Forschung nicht bekannt, welches Ziel der Transport damals tatsächlich hatte, denn den Insassen war wenige Tage vor ihrer Abfahrt mitgeteilt worden, sie würden nach Warschau in das dortige Ghetto gebracht werden.[139] Der wahrscheinliche Verlauf der Fahrt ließ sich inzwischen anhand von Postkarten rekonstruieren, die einige der Mitfahrenden aus dem Zug werfen oder in Bahnhöfen fremden Passanten übergeben konnten. Neben guten Wünschen und Grüßen an ihre Lieben zu Hause, enthielten sie auch kurze Informationen über den bisherigen Reiseweg. Allerdings stammen die letzten Lebenszeichen vom 12. Juli. Eigenartigerweise wurden solche Aktionen dieses Mal vom Wachpersonal geduldet, während sie bei anderen Transporten mit sofortiger Erschießung geahndet wurden. Von Elsa Obermeyer existiert eine solche Nachricht allerdings nicht.[140]

‚Page of Testimony‘ für Else Obermeyer von ihrer Tochter Inge in Yad Vashem
https://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM///NEW_APP/200503131028_294_7883/278.jpg

Sicher ist, dass der Zug am 11. Juli Hamburg erreichte und noch während der Nacht weiter nach Berlin fuhr. Unterwegs wurde er immer wieder angehalten, um weitere Deportationsopfer aufzunehmen. Auf einer der Karten heißt es: „Wir halten, & wieder besteigen hunderte Gefährten diesen unendlich langen Zug.“[141] Über Reisdorf, Breslau Oppeln näherte sich der Zug allmählich seinem vermutlich eigentlichen Ziel: Auschwitz. Das gaben nach dem Krieg damalige Bahnbeamte aus Hamburg zu Protokoll und auch in Berlin hatten Angehörige erfahren, dass ihre Verwandten dorthin verbracht worden waren.[142] Auch konnte dort eine Deportationsliste aufgefunden werden, die den handschriftlichen Vermerk „Transport vom 11. Juli 1942 zu Hamburg nach Auschwitz“ enthält. Wann diese Notiz geschrieben wurde, ob 1942 oder erst nach dem Krieg und wer der Urheber war, ist allerdings nicht bekannt. Auch konnten in Auschwitz von keinem der Deportierten Unterlagen, etwa Registrierungsnummern oder Krankenakten, gefunden werden, die als weiteres Indiz herangezogen werden könnten. Unter dem riesigen Berg von Koffern, die inzwischen im Museum von Auschwitz ausgestellt sind, entdeckte man aber einen, der dem Hamburger Arzt Bernhard Aronsohn gehörte. Sein Name steht auch auf der Hamburger Deportationsliste vom 11. Juli 1942. Er war also in diesem Zug, der vermutlich am 14. Juli an der bekannten Rampe des Lagers einfuhr, auf der Mengele normalerweise seine Selektion vornahm. Eine solche fand in diesem Fall aber vermutlich nicht mehr statt. Die Insassen wurden mit großer Wahrscheinlichkeit unmittelbar aus dem Zug in die Gaskammern getrieben. Es handelte sich, so nehmen die Autoren der Recherche an, um den ersten Familientransport aus dem Kerngebiet des Deutschen Reiches in das neue ‚Zentrum der Massenvernichtung’, bei dem alle unmittelbar nach ihrer Ankunft mit Zyklon B bestialisch umgebracht wurden.[143] Der Todestag von Elas Obermeyer wurde später auf den 31. Juli 1942 festgelegt.[144] Eine Gedenktafel vor dem Bielefelder Bahnhof erinnert heute namentlich an die Menschen, die damals den Zug besteigen mussten.

Inge (l) und Ruth (r) Obermeyer
Mit freundlicher Gebehmigung von Beatrice Stresemann

Aber wenigstens gelang es den beiden Töchtern von Adolf und Elsa Obermeyer, noch aus Deutschland auszureisen und sogar einen sicheren Ort zum Überleben zu finden.
Inge verließ das Land am 4. Mai 1939 in Richtung England, wo sie sich als Hausangestellte ihren Lebensunterhalt verdiente. Mit einem Visum für die USA konnte sie dann am 15. Januar 1941 auch den unsicheren europäischen Kontinent verlassen. 1945 heiratete sie William Wolff, ein 1904 geborener Emigrant aus Bad Oyenhausen. In ihrer Ehe wurde eine Tochter geboren, die den Namen Susanne / Suzie erhielt. Seit 1996 lebten die Eltern in einem Altersheim in Virginia, wo William Wolff im Jahr 1999 verstarb. Wann Inge Wolff ihre letzte Ruhe fand, ist nicht bekannt.[145]
Ruth war mit ihrem Ehemann bald nach der Hochzeit nach Holland ausgewandert, wo sie eine kleine Textilfabrik besaßen, die u.a. für ‚C&A’ produzierte. „Wir hatten ein schönes Leben, bis zum Einfall der Deutschen in die Niederlande1942“, sagte ihr Sohn Harry, der am 28 Oktober 1937 in Amsterdam geboren worden war, bei einer außergewöhnlichen Veranstaltung in einem Jugendgefängnis, bei der die Gefangenen mit ihm als einem Überlebenden des Holocaust zusammentrafen und ihn befragen konnten.[146] Zwei Jahre nach Harry kam am 29. Januar 1939 seine Schwester Beatrice zu Welt.[147] Die Eltern hatten sich inzwischen getrennt und Ruth gab ihre beiden Kinder, als die Situation für Juden auch in Holland immer bedrohlicher wurde, in die Obhut einer jüdischen Organisation, die diese wiederum an eine niederländischen Familie vermittelte, bei der die beiden kostenlos und als jüdische Kinder unerkannt und frei leben konnten. Sie selbst verbarg sich bei einer Quäkerfamilie auf dem Land. Weder wusste die Mutter in dieser Zeit, wo die Kinder lebten, noch wussten diese, wo ihre Mutter sich versteckt hielt. Vorsicht verbot jeglichen Kontakt miteinander.
Aber die Sicherheit der Kinder war trügerisch. Es waren Nachbarn, die die beiden verrieten und sie, Harry sieben und Beatrice fünf Jahre alt, damit in das berüchtigte Sammellager Westerbork brachten. Die Mutter hatte weder von der Verhaftung ihrer Kinder, noch von dem anschließenden Transport nach Deutschland etwas erfahren. Von Westerbork beförderte sie ein Zug, in dem es einen besonderen Waggon mit 51 Kindern gab, in das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Nur 50 kamen dort an, das jüngste war unterwegs verstorben. Vier Wochen blieben sie dort, um dann anschließend nach Theresienstadt verbracht zu werden. Dort gab es einen speziellen Bereich für Kinder, in dem diese von anderen, zumeist weiblichen jüdischen Gefangenen betreut und die älteren sogar heimlich unterrichtet wurden.[148] Natürlich haben Beatrice und ihr Bruder Harry heute nur noch vage Erinnerungen an diese Zeit, die sie als kleine Kinder durchleben mussten. Was Beatrice Rothe, heute verwitwete Stresemann, aber unvergessen blieb, ist der alltäglich erlittene Hunger. Täglich gab es einen Blechteller mit einer dünnen Runkelrübensuppe, bei der die Rüben aber völlig ungenießbar waren.
Nach der Befreiung versorgte man die beiden Kinder, die im Lager immer zusammen bleiben konnten, zunächst in einem Camp der Kanadier und Amerikaner mit Lebensmitteln. Mit einem Jeep wurden sie anschließend dann nach Holland zu ihrer Mutter gebracht, die die Namen ihrer Kinder in veröffentlichten Listen von KZ-Überlebenden gefunden hatte.
1947 zogen sie dann gemeinsam zurück nach Herford. Aber es waren schwierige Jahre für die Kinder, die kaum Deutsch sprachen und schulische Defizite mitbrachten. Sowohl von den Mitschülern, aber noch mehr von den Lehrern, die zum großen Teil weiterhin Anhänger des nationalsozialistischen Regimes waren, wurden sie abgelehnt und die jüngere Beatrice auch drangsaliert. Dann wurden sie wegen des Mangels an Wohnraum auch noch erneut von ihrer Mutter getrennt und in Heimen untergebracht. Die Villa der Familie war noch von anderen Bewohnern besetzt und wurde erst später zurückerstattet. Am 14. September 1960 starb Ruth Rothe mit nur 48 Jahren bei einem Besuch im niederländischen Alkmaar.[149]

Wenn Harry Rothe, der Enkel von Adolf Obermeyer und – nicht zu vergessen – der Großneffe von Emma Terhoch, später der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Herford wurde und in dieser Funktion das Aufblühen der Gemeinde begleitete, den Neubau einer Synagoge initiierte und als Zeitzeuge viele Gespräche in Schulen und an so besonderen Orten wie einem Gefängnis führte, wenn man ihm dann 2012 auch noch die Bundesverdienstmedaille überreicht, dann möchte man glauben, dass jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich wieder einen Platz hat und die Vergangenheit endlich überwunden ist. Wenn man aber dann in der Laudatio des Landrats Manz hören muss, dass „seine“ – die von Harry Rothe – „Verlässlichkeit, seine Aufgeschlossenheit und Toleranz die Voraussetzungen dafür gewesen (seien), dass in Herford und im Kreis Lippe wieder jüdisches Leben möglich wurde“,[150] dann hätte es jedem Zuhörer mulmig werden müssen, denn genau solches Reden transportiert die überkommenen Schuldzuweisungen: Wenn Juden „verlässlich“, „aufgeschlossen“ und „tolerant“ sind, dann dürfen sie unter „uns Deutschen“ leben, wenn nicht dann … ? Dass es Antisemitismus gibt, ist in dieser Logik kein Problem der Mehrheitsgesellschaft, sondern eines der Juden selbst. Es ist das alte, hinlänglich bekannte Muster, mit dem antisemitisches Denken im philosemitischen Gewande daherkommt.
Offensichtlich teilen aber nicht alle Bewohner von Herford diese „tolerante“ Haltung des Landrats gegenüber den Juden, der ihnen immerhin noch eine Chance zum friedlichen Zusammenleben einräumt. Ausgerechnet die Gedenkplakette, die auf Initiative der Zivilgesellschaft in Herford vor dem ehemaligen Haus von Adolf Obermeyer im April 2008 verlegt worden war, wurde im März 2015 herausgerissen und gestohlen.[151] Bis heute ist sie nicht wieder aufgetaucht und musste daher durch eine neue ersetzt werden. Gemeint war freilich nicht die Plakette, sondern die Menschen selbst wollten die Täter verschwinden lassen. Erschrocken muss man immer wieder zur Kenntnis nehmen, wie gegenwärtig die Vergangenheit noch ist, nicht nur in Herford.

 

 

Veröffentlicht: 20. 01. 2023

 

 

<< zurück                              weiter >>


 

Anmerkungen:

[1] Geburtsregister Bad Salzuflen 1 / 1880. Die Schreibung des Namens Obermeyer ist in den verschiedenen Dokumenten nicht einheitlich. Oft findet man Obermeier, mitunter auch Obermayer. Hier wird durchgängig die in den Geburtsregistern verwendete Schreibweise mit „y“ verwendet, wenngleich in zitierten Dokumenten anders verfahren wurde.
Es ist ratsam, den folgenden Stammbaum mit der rechten Maustaste in einem eigenen Tab zu öffnen, um sich so leichter in dem großen Familienverbund orientieren zu können.

[2] Rau, Beiträge zur jüdischen Geschichte, S. 5.

[3] Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe, S. 202.

[4] Die folgenden genealogischen Angaben zu den Lebensdaten der Kinder beruhen zum einen auf Auskünften des Stadtarchivs Bad Salzuflen, zum anderen auf einer umfassenden Recherche von Bernd Althof, siehe http://www.unnel.de/, (Zugriff: 20.01.2023), die als sehr verlässlich angesehen werden muss, da die Daten mit umfangreichen Quellenangaben fundiert sind. (Der Name Obermeyer ist bei ihm durchgängig mit „ei“ geschrieben.)
Salomo Levi Obermeyer, der einen Vater namens Levi Abraham hatte, war am 18.7.1760 in Salzuflen geboren worden, wo er am 12.7.1842 verstarb. Seine Frau Röschen Joseph, geboren 1774 in Heiden, verstarb am 21.3.1802 in Salzuflen. Sein Sohn Joseph Salomo, geboren am 2.8.1797, war der Vater von Salomon Obermeyer, dem Vater von Emma. Joseph Salomo war zwei mal verheiratet. In der ersten Ehe mit Johanne Eitzenstein waren zunächst vier Kinder geboren worden, in der zweiten Ehe mit Rosine Kramer dann noch einmal weitere sieben, von denen Salomon, geboren am 27.1.1844, das vierte war. Joseph Salomon Obermeyer verstarb am 20.11.1869, wann seine 1807 in Hillentrup geborene Frau Rosine verstarb, ist nicht bekannt.

[5] Meyer, Wir Salzufler Israeliten, S. 23. Zur Geschichte des Hauses siehe auch https://ilgabbiano-davito.de/unsere-geschichte/ (Zugriff: 20.01.2023).

[6] HHStAW 518 38281 I (34).

[7] Geburtsregister Bad Salzuflen 68 / 1878.

[8] Geburtsregister Bad Salzuflen 4 / 1882.

[9] Geburtsregister Bad Salzuflen 6 / 1883.

[10] Geburtsregister Bad Salzuflen 129 / 1885.

[11] Geburtsregister Bad Salzuflen 33 / 1889.

[12] Eintrag auf ihrem Grabstein, siehe https://www.unnel.de/Unnel/sm02/s02_006e.jpg. (Zugriff: 20.01.2023).

[13] Ebd.

[14] https://www.unnel.de/Unnel/sm02/s02_006c.jpg. (Zugriff: 20.01.2023).

[15] https://de.findagrave.com/memorial/131402348/salomon-obermeyer. (Zugriff: 20.01.2023). Inschrift des Grabes auf dem jüdischen Friedhof von Bad Salzuflen.

[16] https://de.findagrave.com/memorial/131286466/robert-obermeyer. (Zugriff: 20.01.2023). Inschrift des Grabes auf dem jüdischen Friedhof von Bad Salzuflen.

[17] HHStAW 518 38281 I (35).

[18] Über die Juden in Drensteinfurt ist 1997 ein umfassendes, mit Quellen und Dokumenten reichlich versehenes Werk von Sabine Omland erschienen, das 2015 noch einmal in einer überarbeiteten zweiten Auflage herausgegeben wurde. Die Ausführungen des folgenden Abschnitts beruhen wesentlich auf ihren Recherchen. Die sehr große Familie Terhoch ist darin mit ihren weiten Verzweigungen, die hier nicht dargestellt werden können, umfassend berücksichtigt. Omland, Sabine, Geschichte der Juden in Drensteinfurt 1811-1941, Warendorf 2015.

[19] Zum Friedhof umfassend ebd. S. 95-106.

[20] Ebd. S. 33.

[21] Ebd. S. 270.

[22] https://www.ns-gedenkstaetten.de/fileadmin/files/ds_geschichte_der_juden.pdf. (Zugriff: 20.01.2023).

[23] http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&tid=&sub=PublicAll&det=440003&eworec=0&bar=&ssm=&sid=bc1ee8e639d5a744c06ed19105f6abe1&rid=&mod=&findlist=&lis=&tm=1673083798655. (Zugriff: 20.01.2023). Die Eltern der Braut waren Samson und Hendrina Humberg, geborene Anschel. In der Heiratsurkunde ist der Vater des Bräutigams noch in der alten Schreibweise als Benjamin Terhogt angegeben.

[24] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 270. Siehe zu den folgenden Ausführungen auch https://www.heimatverein-raesfeld.de/juedische-orte.html. (Zugriff: 20.01.2023). Moses Rosenbaum war am 11.3.1880 als jüngstes von sieben Kindern des Ehepaars Nathan und Eva Rosenbaum, geborene Schwarz, geboren worden.

[25] Walter wurde am 17.2.1908, Max am 19.2.1910 und Ernst am 22.9.1913 in Raesfeld geboren. Information des Heimatvereins Dingden.

[26] Heiratsregister Lippstadt 50 / 1931. Frieda Humberg stammte aus dem großen Familieverband der Humbergs in Klein-Recken. Sie war die Tochter von Anschel Humberg und seiner Frau Rosa, geborene Schwarz. Anschel wiederum war der Bruder von Rosa Humberg, der Ehefrau von Isaak Terhoch. Die Auskunft verdanke ich U. Bauhaus vom Heimatverein Dingden.

[27] Max Rosenbaum, der mit Edith Wallach verheiratet war, verstarb1991 in Holland. Sein Bruder Ernst verstarb ebenfalls dort am 10.1.1997. Seine Frau Henny, geborene Ruesing, soll im Jahr 2023 noch immer leben.. Information Heimatverein Dingden.

[28] https://www.joodsmonument.nl/en/page/589195/the-fate-of-walter-rosenbaum. (Zugriff: 20.01.2023).

[29] Information Heimatverein Dingden.

[30] https://www.joodsmonument.nl/en/page/589195/the-fate-of-walter-rosenbaum. (Zugriff: 20.01.2023).

[31] Siehe den Stammbaum der Familie Humberg unter http://www.humberghaus.de/uploads/downloads/Humberghaus_Stammbaum.pdf. (Zugriff: 20.01.2023).

[32] Ebd. Das ehemalige Wohnhaus der Humbergs ist inzwischen zu einer bedeutenden Gedenkstätte umgestaltet worden, in der aber nicht nur die Erinnerung an die Familie aufrechterhalten wird, sondern vielfältige Begegnungen, Veranstaltungen und Ausstellungen zum Themenkomplex Judentum und Holocaust stattfinden. Immer wieder kommen auch Nachkommen der emigrierten Familienmitglieder nach Dingden, um den Ort kennen zu lernen, wo die Wurzeln ihrer Familie liegen. Einen Einblick in die Arbeit, die in der Gedenkstätte stattfindet, kann man unter http://www.humberghaus.de/. nehmen. (Zugriff: 20.01.2023).
In einer großartigen Gemäldeausstellung wurden Mitglieder der Familie von dem in Dingden aufgewachsenen Künstler Ulrich Rölfing nach alten Fotos porträtiert. Der Katalog dieser Ausstellung ist online zu finden unter http://www.humberghaus.de/uploads/images/news_img/Katalogbuch%2021×24%20Humberghaus%20final.pdf. (Zugriff: 20.01.2023). Darunter ist auf S. 30 auch das Portrait von Frieda Terhoch zu finden.

[33] Inzwischen gibt es einen engen und fruchtbaren Kontakt zwischen diesen Nachkommen und den Initiatoren des Humberg-Hauses in Dingden.

[34] Die Geburtsangaben nach Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 270.

[35] Sie war die Tochter von Gustav und Bertha Gumprich, siehe https://www.geni.com/people/Sophie-Terhoch/6000000036733158892. (Zugriff: 20.01.2023).

[36] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 272.

[37] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 267, auch http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&tid=&sub=PublicAll&det=440994&eworec=0&bar=&ssm=&sid=5c3b681c142914f3456d0ce141abef0d&rid=&mod=&findlist=&lis=&tm=1673257594163. (Zugriff: 20.01.2023).

[38] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 132. Omland legt im Weiteren dar, dass diese Arbeitsteilung keineswegs außergewöhnlich war. Viele jüdische Frauen waren in irgendeiner Weise in die gemeinsamen Unternehmungen integriert und übten neben ihrer Hausfrauentätigkeit tatsächlich auch einen Beruf aus.

[39] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 270 gibt fälschlicherweise Stargard als deren Heimatstadt an. Ihre Eltern waren Levi und Julia Schwarz, geborene de Vries.

[40] Aus der ersten Ehe von Selma Schwarz / Bierhoff / Terhoch waren die beiden Kinder Lothar und Marion hervorgegangen, siehe http://www.familienbuch-euregio.de/genius/php/show.php?tab=1&tid=&sub=PublicAll&det=440995&eworec=0&bar=&ssm=&sid=a24a8341c4dc8c26257045f616248518&rid=&mod=&findlist=&lis=&tm=1673169991231. (Zugriff: 20.01.2023).

[41] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 194.

[42] https://www.mappingthelives.org/bio/e4ba62ce-d666-4ee6-9440-daa2e15ec39d. (Zugriff: 20.01.2023).

[43] https://www.mappingthelives.org/bio/eb0e63d1-2b17-452d-bf59-9fdd266c3b4c. (Zugriff: 20.01.2023). Lieselottes Eltern waren Hugo und Bertha Goldschmidt, geborene Humberg, ein weiteres Mitglied aus der Humberg-Familie. Auch Bertha, geboren am 20.2.1879, war eine Tochter von Anschel und Rosa Humberg, geborene Schwartz. Auch diese Information verdanke ich U. Bauhaus vom Heimatverein Dingden.

[44] Siehe zur großen Bedeutung des Viehhandels der Gebrüder Terhoch auch für den gesamten Wirtschaftsraum umfassend Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 124-127. Ihre Ausführungen beruhen auf dem 1989 verfassten Bericht von Werner Terhoch, dem in Lateinamerika lebenden Nachkommen der Familie.

[45] Ebd. S. 303, siehe auch Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 140. Mit Begeisterung und mit Gesängen wie „Siegreich wollen wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapfrer Held“ waren auch die jüdischen Söhne des Ortes damals in den Krieg gezogen. Hier sind auch Fotografien von Simon und Hubert Terhoch in ihrer Soldatenuniform abgebildet.

[46] Jüdischen Adressbuch 1935.

[47] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 150 f.

[48] https://www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/drensteinfurt/forschung-und-projekte. (Zugriff: 20.01.2023).

[49] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, 154.

[50] Zum Aprilboykott in Bad Salzuflen siehe ebd. S.152.

[51] Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe, S. 301 f.

[52] Zur Zerstörung der Synagoge in dieser Nacht siehe Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 79 -81.

[53] Ebd. S. 159-168.

[54] ‚Westfälische Nachrichten’ vom 7.11.2013.

[55] Siehe dazu detailliert Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 170-188.

[56] Zu den Detail der Überfahr und dem Neuanfang im Exil siehe ebd. S. 188-201. Die Darstellung beruht weitgehend auf einem Bericht von Werner Terhoch, dem Sohn von Simon Terhoch. Dazu auch Dok. 64 auf S. 344 („Veränderungsnachweisung zur Judendatei vom Januar 1939“).

[57] Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 270. Die Ehe wurde am 27.7.1919 geschlossen.

[58] https://docplayer.org/63831680-Stadt-beckum-der-buergermeister-dokumentation-stolpersteine-in-beckum-herausgeber-fachdienst-presse-und-kultur-stand-november-2008.html. (Zugriff: 20.01.2023).

[59] Ebd. Auch https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de895791. (Zugriff: 20.01.2023). Fälschlicherweise gibt Omland, Geschichte der Juden in Drensteinfurt, S. 270 an, das Paar sei nach Theresienstadt deportiert worden.

[60] HHStAW 518 38281 I (90).

[61] Ebd. (10, 89).

[62] Geburtsregister Beckum 257 / 1901.

[63] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 104.

[64] Geburtsregister Beckum 55 / 1909.

[65] HHStAW 518 38281 I (17).

[66] Geburtsregister Beckum 318 / 1912.

[67] HHStAW 518 38281 I (17).

[68] HHStAW 467 4701 (245).

[69] Ebd. (105).

[70] HHStAW 518 38281 I (26, 28).

[71] HHStAW 467 4701 (105).

[72] Ebd. II 125.

[73] Ebd. II (53, 60-62) Der Name der Firma, eine GmbH., lautete ‚Mirsky Company Ltd.’.

[74] Ebd. II (53).

[75] Ebd. I (89).

[76] Ebd. II (89, 140).

[77] Die Angabe beruht auf einer in der Entschädigungsakte überlieferten Abschrift aus der Devisenakte von Emma Terhoch, die inzwischen verloren gegangen ist, siehe Ebd. I (24).

[78] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 104.

[79] Möglicherweise, aber das ist nur eine vage Vermutung, könnte der Kontakt nach Wiesbaden über die ebenfalls in Beckum beheimatete Familie Windmüller zustande gekommen sein. Etwa seit 1930 wohnte Johanna Windmüller, die Witwe des Arztes Levy Louis Windmüller und spätere Bewohnerin des Judenhauses Albrechtstr. 13 in Wiesbaden. Johanna und Levy Louis Windmüller kamen zwar selbst nicht aus Beckum, sondern aus dem etwa 15 km entfernten Oelde, aber Verbindungen zu den Windmüllers in Beckum gab es gewiss.

[80] Ebd. I (50). Im Detail wurden die Einrichtungsgegenstände von Hilde im Rahmen ihres Rückerstattungsverfahrens aufgeführt, nicht nur Möbel, sondern auch Gemälde, elektrische Geräte usw. Siehe 519/N Wi-Ffm-13 377 N (14). Die Angaben wurden auch von anderen Zeugen im Entschädigungsverfahren später bestätigt, ebd. (52 f.).

[81] HHStAW 518 38281 I (175). Dass das Haus damals unter seinem realen Wert verkauft wurde, ergibt sich schon allein daraus, dass nach dem Krieg im Jahr 1952 der Käufer bei einem Vergleich mit den Überlebenden der Familie Terhoch bereit war, weitere 25.000 DM zu zahlen, ebd. 1953 betrug der Einheitswert der Immobilie 40.000 DM !

[82] Ebd. I (159).

[83] Ebd.

[84] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 57-61.

[85] Ebd. I (148). Eine gesonderte Entschädigung bzw. Rückerstattung für die genannten Werte erhielten die Nachkommen von Emma Terhoch nicht. Die Entschädigungsbehörde ging davon aus, dass mit der Rückerstattung des Hauses bzw. dem entsprechenden Vergleich auch dieses Wertpapiere entschädigt wurden, da diese mit dem Erlös aus dem Hausverkauf erworben wurden und daher andernfalls eine Doppelerstattung eingetreten wäre. Ebd. I (188 ff.).

[86] HHStAW 519/N Wi-Ffm-13 377 (15).

[87] Ebd. (23).

[88] Ebd. (52 f.).

[89] Ebd. (76).

[90] Ebd. (60). Nach Angaben von Erich Terhoch im Entschädigungsverfahren handelte es sich nur um eine 3-Zimmer-Wohnung. Allerdings ist unklar, auf welchen Zeitraum sich diese Angabe bezieht, ob sie von Anbeginn nur aus drei und nicht – so andere Angaben – aus vier Zimmern bestand oder ob die Wohnung im Laufe der Zeit verkleinert worden war. Siehe HHStAW 467 4701 (246). Die Vermutung der Entschädigungsbehörde war aber nicht geäußert worden, weil man sich die wachsenden Einschränkungen in dem Judenhaus vergegenwärtigen wollte, sondern um die geforderte Entschädigungssumme zu drücken. Man vermutete, dass bei einem reduzierten Wohnraum Einrichtungsgegenstände veräußert werden mussten, sodass die Verkäuferin schon damals Geld für die Gegenstände erhalten hätte, diese somit nicht mehr entschädigungsfähig seien. Dieser zynische Unterton begleitete bis in die 60er Jahre viele der Entschädigungsverfahren. Als die Antragsteller darauf verwiesen, dass es keinen Hinweis auf solche Verkäufe gebe, Emma Terhoch zumindest formal noch über ein relativ großes Vermögen verfügt habe, entgegnete die Ofd Frankfurt im April 1962 ohne weitere Argumente lapidar: „Auch nach nochmaliger Durchprüfung der Devisenakte an Amtsstelle (…) muss die Oberfinanzdirektion bei ihrer Stellungnahme verbleiben, dass in erheblichem Umfang mit einem Notverkauf der Habe der Verfolgten zu rechnen ist.“ Als weiteres, nicht weniger zynisches Argument wurde noch angeführt, Emma Terhoch habe ja auch noch eine pflegebedürftige Tochter gehabt, die ebenfalls hätte unterhalten werden müssen. Man könne also davon ausgehen, dass sie einen großen Teil ihrer Habe bereits vor der Deportation zu Geld gemacht hätte. Ebd. (99).

[91] HHStAW 467 4701 (151). In einer Zeugenvernehmung gab der spätere Ehemann an, zum Zeitpunkt der Auswanderung mit Hilde Terhoch noch verlobt gewesen zu sein, HHStAW 519/N Wi-Ffm-13 377 (15).

[92] Ebd. (13). Seine Eltern waren Abraham und Henriette Baer, geborene Heine. https://gw.geneanet.org/stevena?n=baer&oc=&p=bernhard. (Zugriff: 20.01.2023).

[93] HHStAW 519/3 8036 (

1-4).

[94] HHStAW 519/3 8037 (1). Sie wurde unter JS-9762 angelegt. Der Freibetrag wurde dann auf 300 RM angehoben.

[95] HHStAW 518 38281 (25). Bei der Firma ‚W.Söhngen’ handelte es sich um einen Wiesbadener Betrieb in der Waldstraße, die Verbandsstoffe für die Deutsche Wehrmacht herstellte, u.a. den Verbandskasten „Wiesbasan“, ein noch immer beliebter Artikel bei Militariasammlern.

[96] HHStAW 519/2 1381 (o.P.).

[97] Siehe zu dem Transport Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 214, dazu Kingreen, Gewaltsam verschleppt, S. 369-374.Falsch ist allerdings die Angabe von Krick, Emma und ihre beiden Töchter seien bereits 1939 verhaftet und in ein KZ gekommen, siehe Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 105.

[98] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de981893. (Zugriff: 20.01.2023), https://www.geschichtswerkstatt-beckum.de/terhoch-walter-s.html. (Zugriff: 20.01.2023), https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=3225130&ind=1. (Zugriff: 20.01.2023).

[99] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 106.

[100] Einmal, am 6.11.1957 gab er eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er bestätigte, dass sein Bruder nach dem Tod des Vaters die Geschäfte der Firma führte. Damals wohnte er in der Rue dela Grange Batellière in Paris, HHStAW 518 38281 II (39).

[101] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 106.

[102] Ebd. (95)

[103] Ebd. (13, 28, 30). Die ausführliche Darstellung seiner Leidensgeschichte „verdanken“ wir einer entsprechenden Forderung der Entschädigungsbehörde: „Da der Antragsteller im unbesetzten Frankreich gelebt hat, könnte er eine Entschädigung wegen Freiheitsbeschränkung erst von dem Zeitpunkt an beanspruchen, als dies von den deutschen Truppen besetzt wurde. Seine Internierung bis zum Ausbruch des Krieges ist nicht entschädigungspflichtig, da sie eine Kriegsmaßnahme der französischen Regierung war. Es bleibt daher zu prüfen, ob der Antragsteller nach der Besetzung Südfrankreichs unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt hat.“ Ebd. (50). Dass die Flucht nach Frankreich und damit auch die dortige Internierung eine Folge der NS-Rassenpolitik war, wird in dieser ahistorischen Weltsicht des Juristen schlicht ignoriert. Die Ansprüche wurden dann auch abgelehnt, weil die „Internierungslager der französischen Regierung nicht unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze erfolgte“! Ebd. (70).

[104] Ebd. (54).

[105] Es kann sich vom Alter her nicht um das oben erwähnte Kind handeln, das zu diesem Zeitpunkt mindestens 15 Jahre alt hätte sein müssen. Was aus ihm geworden ist, konnte nicht ermittelt werden.

[106] Ebd. (1).

[107] Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 104.

[108] HHStAW 467 4701 II (306-312).

[109] Ebd. (308).

[110] HHStAW 518 46608 (30).

[111] Ebd. (152).

[112] Ebd. (124-126).

[113] Zitiert nach Krick, Geschichte der Juden in Beckum, S. 105.

[114] https://www.geschichtswerkstatt-beckum.de/terhoch-hedwig-s.html. Zugriff: 20.01.2023) gibt als Todesjahr 1997 an, während bei GENI und MyHeritige das Jahr 1995 nennen. Siehe https://www.geni.com/people/Hidegard-Baer/6000000065624684987?through=6000000065602181916. und https://www.myheritage.de/names/hildegard_terhoch. (Zugriff: 20.01.2023).

[115] Meyer, Wir Salzufler Israeliten, S. 12.

[116] Meyer, Wir Salzufler Israeliten, S. 28 und Meyer, Bad Salzuflen S. 361

[117] Die folgende Darstellung orientiert sich an den Recherchen von Meyer über den Leidensweg der Familie Obermeyer, siehe Meyer, Bad Salzuflen S. 362 f.

[118] https://www.stadt-bad-salzuflen.de/stadt-und-rathaus/zahlen-daten-fakten/stolpersteine#Lange%20Stra%C3%9Fe%2026 und https://www.geni.com/people/Ernst-Obermeyer/6000000176628840847. (Zugriff: 20.01.2023).

[119] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de938225 und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de938218. (Zugriff: 20.01.2023).

[120] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de938211. (Zugriff: 20.01.2023).

[121] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11624312&ind=1. (Zugriff: 20.01.2023).

[122] https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4290670&ind=1. (Zugriff: 20.01.2023).

[123] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6738354:2280?tid=&pid=&queryId=2ecc86e59ef7aedbe755db3d2ced01c0&_phsrc=svo1073&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.01.2023).

[124] Geburtsregister Gießen 249 / 1883. Die Braut war die Tochter von Aron und Franziska Katz, geborene Oppenheimer. Am 1.8.1905 hatte sie in Gießen der Kaufmann Oskar Salomon Lipper geheiratet. Die Ehe war am 1.3.1924 in Gießen rechtskräftig geschieden worden. Siehe Heiratsregister Gießen 103 / 1905.

[125] Falsch ist demnach die Angabe von Meyer, Julius Joseph Obermeyer habe schon seit 1898 in den USA gelebt, siehe Meyer, Bad Salzuflen, S, 363.

[126] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/345484:1192?lang=de-DE. (Zugriff: 20.01.2023).

[127] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/270656:61461?lang=de-DE. (Zugriff: 20.01.2023).

[128] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/2533900:61778. (Zugriff: 20.01.2023).

[129] Heiratsregister Dortmund II 557 / 1911. Dazu https://www.unnel.de/Unnel/wc01/wc01_161.html. (Zugriff: 20.01.2023).

[130] https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01020402/aa/fr/al/001.jpg. (Zugriff: 20.01.2023).

[131] Juden in Herford, S. 123. Onlinefassung https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Publikation_Juden_in_Herford.pdf. (Zugriff: 20.01.2023)

[132] https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_Oase_Dokumentation__der_Ausstellungsbanner.pdf. (Zugriff: 20.01.2023).

[133] Siehe zum Folgenden Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe, S. 410-414.

[134] Zu dieser Schule siehe die Ausstellung, die von der Gedenkstätte ‚Zellentrakt’ unter dem bezeichnenden Titel „Wir lebten in einer Oase des Friedens …“ 2010 in Herford konzipiert und realisiert wurde. https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_Oase_Dokumentation__der_Ausstellungsbanner.pdf. (Zugriff: 20.01.2023).

[135] https://www.openarch.nl/saa:38d88e17-d101-4b7c-9390-7121377e2d11. (Zugriff: 20.01.2023).

[136] https://stolpersteine.wdr.de/web/de/stolperstein/3921. (Zugriff: 20.01.2023).

[137] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Herford. (Zugriff: 20.01.2023).

[138] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020401/0021/114724273/001.jpg. (Zugriff: 20.01.2023).

[139] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 222 nennt Warschau als Ziel, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen. Umfassend recherchiert haben diesen Transport Martin Decker und Kai-Uwe von Hollen. Ihre Ergebnisse haben sie unter dem Titel „Montag werden wir, wenn’s gut geht, am Ziel sein“ in den Ravensberger Blättern 1 / 2010, S. 1-25 veröffentlicht. Hier sind auch Faksimiles der aufgefundenen Postkarten abgedruckt.

[140] Das wird in Juden in Herford, S. 123 behauptet, Onlinefassung https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Publikation_Juden_in_Herford.pdf. (Zugriff: 20.01.2023). In der Recherche von Decker und von Hollen ist eine solche Karte nicht erwähnt.

[141] Ebd. S. 14.

[142] Ebd. S. 15, 17.

[143] Ebd. 21.

[144] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de938209. (Zugriff: 20.01.2023). Für das Gerücht, das Elsa Obermeyer bereits auf der Fahrt nach Auschwitz ums Leben kam, gibt es nach Auskunft des früheren Herforder Stadtarchivars Laue kein Indiz, geschweige denn einen Beleg.

[145] https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_Oase_Dokumentation__der_Ausstellungsbanner.pdf. (Zugriff: 20.01.2023).

[146] ‚Neue Westfälische’ vom 29.2.2020. Der Einmarsch der deutschen Truppen fand zwar schon 1940 statt, aber erst 1942 wurde die Situation für die dortigen Juden wirklich bedrohlich. Siehe zu den weiteren biographischen Angaben ebenfalls den genannten Zeitungsartikel.

[147] https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01020402/aa/gq/rv/001.jpg. (Zugriff: 20.01.2023).

[148] Siehe Opfermann, Remembering Theresienstadt, S. 60-83. Charlotte Opfermann, damals noch Charlotte Guthmann, Tochter des Wiesbadener Rechtsanwalts und Konsulenten Berthold Guthmann, war nach ihrer Deportation nach Theresienstadt in diesem Lagerteil tätig und hat eindrücklich über die Arbeit dort berichtet.

[149] Sterberegister Alkmaar 526 / 1960.

[150] Jüdische Allgemeine vom 7.2.2012.

[151] https://www.nw.de/lokal/kreis_herford/herford/20412929_Gedenktafel-juedischer-Familie-gestohlen.html. (Zugriff: 20.01.2023).