Arnold und Dorothea Kahn sowie
Felix und Jenny Kaufmann
1886 wurde im Rahmen des südöstlichen Stadterweiterung an der Einmündung der ehemaligen Goethestraße, heute Matthias-Claudius-Straße, das Haus Adolfsallee 30 nach den Plänen des Architekten Ludwig Bind errichtet. Das „herrschaftliche kubistische Eckgebäude von besonders guter städtebaulicher Wirkung“, das mit seinen Renaissanceelementen an einen „toskanischen Palazzo“ erinnere, ist heute als „Kulturdenkmal aus künstlerischen und städtebaulichen Gründen“ wieder ein Schmuckstück der Wiesbaden Prachtstraße zwischen Rheinstraße und Kaiser-Friedrich-Ring.[1] Nur zwei kleine Stolpersteine vor dem Haus für die ehemaligen Besitzer Felix Kaufmann und seine Frau Johanna machen darauf aufmerksam, dass dieses Gebäude mit der Leidensgeschichte der jüdischen Mitbürger Wiesbadens unmittelbar verknüpft ist. Es waren aber nicht nur zwei Juden, sondern mindestens dreizehn, die in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in diesem zum Judenhaus erklärten Gebäude lebten, zum Teil auch zwangsweise dort einquartiert worden waren. Sieben von ihnen traten von hier aus den Weg in die Vernichtung an. Das Wohngrundstück ist also in einem viel weiteren Sinn ein Kulturdenkmal als von der Autorin des Buches über die Wiesbadener Baudenkmäler gesehen: Es handelt sich um eines der vielen, aber unbeachteten Denkmäler des Kulturbruchs und der Unkultur dieser Zeit.
Wenige Jahre nachdem das Haus erbaut worden war, wurde am 1. Juni 1890 Arnold Kahn, der spätere Eigentümer des Hauses, als Sohn von August Kahn und seiner Frau Hedwig, geb. Berg, in Wiesbaden geboren.[2] Seine Ausbildung zum Rechtsanwalt wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, in dem er schwer verwundet, aber auch mit dem EK II ausgezeichnet wurde, nur kurz unterbrochen. Trotz der militärischen Verpflichtungen war es ihm gelungen, 1916 die juristische Ausbildung mit dem Zweiten Staatsexamen abzuschließen, sodass er bereits 1919 in eine der führenden Kanzleien Wiesbadens eintreten konnte. Die 1905 von Dr. Ignatz Rosenthal gegründete Anwaltspraxis galt als die zweitgrößte der Stadt. Das Renommee, das Arnold Kahn sich als Jurist erworben hatte, zeigte sich auch darin, dass er, der im Jahr 1925 zum Notar ernannt worden war, auch in den Vorstand des Wiesbadener Anwaltvereins gewählt wurde. [3] Auch finanziell war die hoch angesehene Kanzlei in der Kirchgasse 52, in der immer 5 bis 10 weitere Mitarbeitern angestellt waren, sehr erfolgreich. Man vertrat nach eigenem Bekunden große Unternehmen und „gutsituierte Bürger“, aber auch viele Mandate der öffentlichen Hand sind Beleg für das große Vertrauen, das man der Kanzlei entgegenbrachte. Ein Nettoeinkommen von etwa 20.000 RM in den Jahren bevor die Nazis an die Macht kamen, erlaubten Arnold Kahn eine mehr als auskömmliche Lebensführung.[4] Als 1925 sein Sozius Dr. Rosenthal verstarb, führte er die Kanzlei alleine weiter.
Bereits zu Beginn seiner Karriere, im September 1920, hatte er sicher in Anbetracht des Geldwertverlusts während der Inflation das schöne Hausgrundstück in der Adolfsallee 30 zum damaligen Preis von 149.000 Mark von dem Wiesbadener Kaufmannsehepaar Hermann und Amalie Hirsch erworben.[5] Zwei Monate später gründete er dann durch die Heirat mit der am 26. August 1897 in Trier geborenen Dorothea Kaufmann auch eine eigene Familie.[6] Am 16. Mai 1924 kam der Sohn August Werner zur Welt.
Der Einbruch in diese Karriere kam mit dem 30. Januar 1933. Zwar durfte Arnold Kahn trotz des am 7. April 1933 erlassenen Berufsverbots für jüdische Rechtsanwälte als ehemaliger und zudem dekorierter ‚Frontkämpfer’ zunächst noch weiter praktizieren, aber von diesem Zeitpunkt an konnten immer weniger Aufträge und Vertretungen akquiriert werden. Gerade die staatlichen Stellen zogen sich völlig zurück, aber auch die übrige Klientel blieb sehr bald fern.
1935 wurde Arnold Kahn das Notariat entzogen und 1937 wurde er endgültig aus der Anwaltsliste gestrichen.[7] Dementsprechend reduzierte sich bereits 1935 sein Einkommen auf etwa ein Fünftel der früheren Einkünfte, sodass nicht nur die Praxis verkleinert und verlegt, sondern auch Mitarbeiter entlassen werden mussten.[8]
Aber auch der Sohn Werner bekam in seinem Alltag bald zu spüren, was die neuen Machtverhältnisse konkret bedeuteten, welche Folgen sie für den Einzelnen hatten. Er war von 1934 bis 1936, also im Alter von 10 bis 12 Jahren, Schüler der Gutenbergschule in Wiesbaden. Erinnerungen an diese Zeit hat er später notiert:
„Von den Lehrern der Gutenbergschule sind wir meistens gut und ‚korrekt’ behandelt worden, von den Schülern war es nicht immer so. Individuell kam ich gut mit meinen Klassenkameraden zurecht, aber viele von ihnen änderten sich vollständig, wenn sie in einer ‚Gruppe’ waren. Noch schlimmer war es an den Tagen, wo die ‚Jungvolk’-Uniformen getragen wurden. Auf dem Heimweg und selbst manchmal während den Pausen lauerten sie auf uns, und oft sind wir verhauen worden oder wurden anderswie schikaniert. Am nächsten Tag taten sie, als wäre nichts gewesen. (…)
Ich denke auch an einen Lehrer. Leider weiß ich den Namen nicht mehr. Ich war in der Quinta, und er war mein Lehrer in Französisch. (… ) Eines Tages hatten wir irgendeine Feier in der Turnhalle, und es wurden die üblichen Nazilieder gesungen (wenn Judenblut vom Messer spritzt und alle Pfaffen tot sind, usw.) Nach der Feier hatten wir Französisch, und der Lehrer kam wütend in die Klasse und machte sehr starke Aussagen gegen diese Lieder, das damalige Deutschland und die Nationalsozialisten. Am nächsten Tag bekamen wir einen anderen Lehrer. Wir haben ihn nie wieder gesehen.“[9]
In einem solchen Land wollten Kahns nicht länger bleiben. Seit 1934 planten sie ihre Ausreise in die USA, aber erst im Februar 1937 gelang es ihnen, das Vorhaben zu realisieren. Für die Schiffspassage von Rotterdam aus auf der „Vollendam“, einem Schiff der „Holland-America-Linie“, hatte Arnold Kahn für seine Familie, nicht ahnend, welcher gesellschaftliche Abstieg sie in den USA ereilen würde, noch Billetts erster Klasse gebucht.[10] Aber auch das wird sie kaum über den Verlust ihrer Heimat und die Trennung von Verwandten und Bekannten hinweggetröstet haben.
Dass die Eltern von Dorothea Kahn, Felix und Johanna, genannt Jenny Kaufmann,[11] bereit waren, das Haus in Wiesbaden zu übernehmen, war sicher eine wichtige finanzielle Voraussetzung für die Umsetzung der Emigrationspläne. Dorotheas Vater Felix Kaufmann, geboren am 11. Juni 1867 in Lutzerath, war in den zurückliegenden Jahrzehnten ein außergewöhnlicher sozialer Aufstieg gelungen. Seine Eltern, Benedikt und Adelheid Kaufmann, geborene Ullmann, waren wie auch die Großeltern noch als Viehhändler tätig gewesen. Wie Felix Kaufmann in seinen Erinnerungen schreibt, waren sie aber im Ort hochangesehen: „Meine Eltern waren, wie man zu sagen pflegt, ganz gut situiert. – Mein Vater, von Beruf Kaufmann, genoß das denkbar beste Renommee sowohl in der Geschäftswelt wie auch in jeder sonstigen Hinsicht. Das Gleiche galt auch in nicht minderem Maße von meinem fast neunzig Jahre alt gewordenen Großvater, ebenfalls von Beruf Kaufmann. – Meine Mutter war allseits ebenso geschätzt als klug und außergewöhnlich wohltätig; als ihre Todesanzeige erschien, brachte die Hauptzeitung am Platze einen bemerkenswerten Artikel unter „Lokales“, der in der anerkennendsten Weise ihre weit & breit bekannte Wohltätigkeit & edle Gesinnung hervorhob.“[12]
Nach seinem Abitur an einem humanistischen Gymnasium absolvierte er auf eigenen Wunsch eine Lehre als Bankkaufmann in einer der damals bedeutendsten Privatbanken Süddeutschlands, der Karlsruher Bank. Nach deren Abschluss erhielt er zunächst eine Anstellung im kleinen, aber nicht minder renommierten Hanauer Bankhaus Stern.[13] Nach seiner einjährigen Militärzeit, die er im Alter von 21 Jahren ableistete, gründete er im Alter von gerade einmal 22 Jahren in seiner Heimatstadt Trier ein eigenes Bankhaus. „Es konnte aber auch eine Etablierung am Platze nur dann in Frage kommen, wenn ich das zu gründende Unternehmen unter dem Namen-Schild meines vorzüglich renommierten Vaters aufnehmen durfte.“[14] So wurde das Bankhaus unter dem Namen und mit vollem Risiko des Vaters im Handelsregister eingetragen, Felix Kaufmann selbst wurde allein zeichnungsberechtigter Prokurist. Da nach dem Tod des Vaters, die fünf Geschwister von Felix ausbezahlt werden mussten, war er gezwungen, sich nach einem finanzkräftigen Partner umzusehen.[15] 1896 gründete er mit Albert Pappenheim[16] in Trier ein neues Bankhaus. Obwohl es zwischen den beiden Partnern im Laufe der Zeit zu immer größeren Spannungen kam, hatte das Bankhaus in der Finanzwelt einen sehr guten Ruf.[17] Auf Betreiben von Pappenheimer wurde das Institut 1912 von der Darmstädter Bank übernommen. Felix Kaufmann blieb jedoch zunächst als Filialleiter dort angestellt, schied aber 1920 wegen erheblicher Querelen mit der Geschäftsführung und seinem ehemaligen Sozius aus dem Unternehmen aus. Im Februar 1921 wagte er mit der Gründung der „Trierische Privatbank Felix Kaufmann“ erneut den Schritt in die Selbstständigkeit.[18] Aber auch dieses Unternehmen, das zeitweise bis zu zwanzig Angestellte hatte, konnte sich nach anfänglich guten Geschäften angesichts der permanenten Repressalien unter den Nazis ab 1933 nicht mehr halten und wurde 1938 im Rahmen der „Entjudung der deutschen Wirtschaft“ liquidiert.[19] Nach Aussagen von Hans Kaufmann, dem Sohn des Gründers und Bruder von Jenny Kahn, hatte das Geschäft schon zuvor ganz erheblich unter dem Boykott und den wiederholten Überprüfungen wegen angeblicher Devisenvergehen gelitten. Auch SA-Posten am Eingang der Bank hätten Kunden vom Betreten abgehalten.[20] Der Verkauf der Bank wurde Felix Kaufmann nicht gestattet, weil angeblich „kein Bedürfnis für ein solches Geschäft in Trier bestünde“.[21]
Auf die politischen Hintergründe seines Scheiterns geht Felix Kaufmann in seinen Erinnerungen eigenartigerweise mit keinem Wort ein. Stattdessen bleibt er bei dem Resümee über seine berufliche Tätigkeit sehr allgemein „Die unliebsamen Vorkommnisse während der letzten Jahre meiner bankgeschäftl. Tätigkeit verleideten mir schließlich immer mehr Lust & Freude am Beruf & Geschäft. – Die Unannehmlichkeiten, bald dieser bald jener Art, häuften & vergrößerten sich immer mehr; sie wollten kein Ende nehmen. Es machten sich seit dem Umbruch, besonders in der letzten Zeit meiner Tätigkeit nach außen und innen hier allerhand unerfreuliche Erscheinungen & Einflüsse fühlbar, die mich mehr oder weniger verdrossen. (…) Dazu kam weiter, daß mehrmals behördlicherseits Devisen-Revisionen und sonstige scharfe Controll-Maßnahmen bei mir vorgenommen wurden, die ich mehr oder weniger wohl auf haltlose Denunziationen zurückführen zu sollen glaubte. – Ein Glück, daß die stets strengste Innehaltung aller Vorschriften, ebenso die tadellose Ordnungsmäßigkeit meines Betriebs jeder noch so scharfen Revision & Controlle standhalten konnte. Aber auch nicht die geringste Beanstandung und Uncorrectheit konnte zu Tage gefördert werden! (…) Rund 50 Jahre ununterbrochen im Bankfach tätig, davon 44 Jahre lang als selbständiger Bankier und zeitweiliger Bankdirector, schritt ich nun zur Liquidation. Nach etwa halbjähriger Liquidationszeit machte ich dann endgültig Schluß und zog mich in’s Privatleben und ich darf wohl auch ruhig sagen, in den „wohlverdienten“ Ruhestand zurück.“[22]
Felix Kaufmann, seines Lebenswerks beraubt, zog mit seiner Frau nach Wiesbaden und übernahm hier 1937 das durch die Emigration der Tochter und ihrer Familie frei gewordene Haus in der Adolfsallee 30.[23] In dem dreistöckigen Gebäude mit insgesamt 5 Wohnungen lebten sie zumindest zuletzt im Erdgeschoss.
Obwohl Kaufmanns sich gerade erst in Wiesbaden niedergelassen hatten, meinte das Finanzamt im Oktober 1938, es müsse „mit der Möglichkeit ihrer Auswanderung gerechnet werden“, weshalb ihnen eine Sicherungsleistung von 14.700 RM für die dann fällige Reichsfluchtsteuer auferlegt wurde.[24] Laut Aufstellung vom September 1938 verfügte das Paar damals über ein Vermögen von etwa 58.000 RM, zumeist nicht liquide, sondern in Form von Immobilienbesitz oder Hypothekenforderungen angelegt.[25] Zwar wurde die Höhe der Reichsfluchtsteuer im November 1938 nach einer erneuten Überprüfung auf 13.300 RM reduziert,[26] der Verdacht geplanter Devisenvergehen blieb aber bestehen. Ein hinreichendes Indiz dafür sah die Zollfahndungsstelle darin, dass die Tochter in die USA, der Sohn nach Luxemburg ausgewandert waren und eine Schwester von Jenny Kaufmann in Frankreich lebte.[27]
Man hatte Felix Kaufmann zuvor auf die Zollfahndungsstelle in Mainz vorgeladen, wo er den Beamten dargelegt hatte, dass er nicht über die nötigen Mittel verfüge, um auswandern zu können. Als er dann 14 Tage später Geld von seinem Bankkonto bei der Commerzbank abheben wollte, um die anfallenden Rechnungen, u.a. für die Hauszinssteuer zu begleichen, wurde ihm dies von der Bank verweigert. Das Konto sei telefonisch gesperrt worden. Felix Kaufmann protestierte in einem Schreiben an die Devisenstelle Frankfurt vom 14. September 1938 gegen diese Maßnahme und drohte sogar rechtliche Schritte an – unter den gegebenen Umständen mutig, aber chancenlos.[28] Es blieb daher auch bei der Drohung.
Schon im Januar des Jahres hatte sogar die Strafabteilung der Devisenstelle Frankfurt eine Ermittlung gegen Kaufmanns eingeleitet, weil sie ihren in Luxemburg in einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeitenden Sohn Hans finanziell unterstützt hatten. Kaufmanns konnten Bescheinigungen des Arbeitgebers besorgten, sogar der Bürgermeisters von Ettelbruck schaltete sich ein, um nachzuweisen, dass Hans bei einem Einkommen von umgerechnet etwa 10 RM im Monat ohne Kost und Logis auf eine Unterstützung der Eltern angewiesen war. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte Hans sich damals in einer in Ettelbruck angesiedelten Hachschara-Community auf seine Auswanderung nach Palästina vorbereitet. Die Devisenstelle konnte letztlich davon überzeugt werden, dass es sich hier um kein Devisenvergehen handelte und genehmigte die monatliche Zuwendung.[29]
Auch zur Judenvermögensabgabe wurden sie im Februar 1939 herangezogen. Sie sollten zunächst insgesamt 7.400 RM, dann mit der fünften Rate 9.250 RM zahlen.“[30]
Im Mai 1940 verfügt die Devisenstelle Frankfurt eine neue JS-Anordnung. Unter dem Aktenzeichen „JS 4493“ wurde für Kaufmanns eine Mappe angelegt und der monatliche Freibetrag auf 400,- RM festlegte. Felix Kaufmann teilt darauf seinen Mietern Frau Aurelie Kahn, Frau Dr. Rosa Grah (II), Herrn Leo Becht (IV), Dr. med. Friedrich (I) und Frau Paula Dyckerhoff (III) schriftlich mit, dass fortan die Miete nur noch auf sein gesichertes Konto eingezahlt werden dürfe. Schon zuvor war bestimmt worden, dass die Rückzahlung einer auf seinen Namen verbrieften Hypothek und auch der etwaige Erlös beim Verkauf des Hauses – die Absicht wurde ihm einfach unterstellt – nur auf dieses Konto gebucht werden dürfe.[31]
In der folgenden Zeit kämpften Kaufmanns um die Höhe des Freibetrags. Immer wieder mussten sie ihr Vermögen und ihre Lebenshaltungskosten darlegen, zumindest mit dem vorübergehenden Erfolg, dass der Freibetrag auf 800,- RM angehoben wurde. Als Felix Kaufmann mit Hinweis auf die von ihm zu unterhaltenden fünf Personen um eine Erhöhung auf 1.200 RM bat, wurde dies abgelehnt. Seine Angaben seien nicht glaubhaft.[32]
Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass die von ihm benannten Personen – neben der Hausangestellten Frau Anna Lautz, nannte er noch seine Schwester Thekla Hess und den Pensionär Abraham Mohrenwitz -, die alle im Erdgeschoss des Hauses und somit auf der gleichen Etage wie Kaufmanns wohnten, von diesen die notwendigen Mittel für den Lebensunterhalt erhielten. Thekla Hess zumindest war auf solche Hilfe dringend angewiesen.[33] Angesichts der Bedrohung und der immer schwierigeren Lebensverhältnisse ist es nicht unwahrscheinlich, dass man in den Judenhäusern zusammenrückte und sich auch finanziell gegenseitig stützte, selbst in einem Judenhaus, wie dem in der Adolfsallee 30, in dem ursprünglich vergleichsweise sehr begüterte Juden wohnten.
Aus einem regen Briefwechsel entfernter Verwandter geht hervor, dass Felix Kaufmann nicht nur in enger Kommunikation mit ihnen stand, sondern diese ebenfalls auf seine Hilfe bauten.[34] Ob er diesen Wünschen noch nachkommen konnte, geht aus den Briefen nicht hervor.
Am 20. Mai 1941 beantragte Felix Kaufmann die Freigabe von zusätzlich 200,- RM und gab als Verwendungszweck „Sonderausgaben anlässlich der bevorstehenden Auswanderung“
an. Dieser Betrag wurde sogar genehmigt,[35] obgleich der Antrag unmittelbar nach der Auseinandersetzung um die im Haushalt zu versorgenden Personen gestellt worden war. Es ist kaum anzunehmen, dass Kaufmanns selbst zu diesem Zeitpunkt noch eine solche Auswanderung in Angriff nehmen wollten. Die Summe, um die es ging, war dafür ohnehin viel zu niedrig bemessen. Wahrscheinlicher ist, dass dieser Aktenvermerk im Zusammenhang mit der endgültigen Emigration des Sohnes Hans in die USA stand. Kaufmanns selbst blieben in Wiesbaden und mussten mit ansehen, wie immer mehr jüdische Mitbürger aus ihrer Gemeinschaft verschwanden.
Bei der dritten großen Deportation vom 1. September 1942 nach Theresienstadt gehörten auch sie zu den „Evakuierten“, wie die Opfer der Deportationen in der euphemistischen Umschreibung der Nazis bezeichnet wurden. Das ebenfalls am 1. September „abgeschobene“ Wiesbadener Ehepaar Julius und Luise Marxheimer, die das Lager überlebten, konnten später berichten, dass sie mit den Kaufmanns, mit denen sie schon in Wiesbaden befreundet waren, auch in Theresienstadt weiterhin Kontakt hatten. Beide seien nur wenige Wochen nach der Ankunft verstorben, zunächst Jenny, dann Felix Kaufmann. Er, Julius Marxheimer, sei bei der Beisetzung von Felix selbst anwesend gewesen.[36] Nach den Todesfallanzeigen von Theresienstadt starben Jenny Kaufmann am 25. Januar 1942 und ihr Mann Felix nur knapp drei Wochen später am 18. Februar, beide an einem Darmkatarrh.[37]
Arnold und Dorothea Kahn waren mit ihrem Sohn Werner diesem Schicksal entronnen, aber auch sie mussten in Amerika schwierige Zeiten durchleben.[38] Die Emigration bedeutete einen völligen Bruch mit dem früheren Lebensstil und dem gesellschaftlichen Status. Arnold Kahn war inzwischen fast 50 Jahre alt und hatte auch nicht das Geld, um erneut ein Studium der Rechtswissenschaften aufzunehmen, was Voraussetzung gewesen wäre, um in den USA auch in seinem Beruf tätig sein zu können.[39] Stattdessen versuchte er als Handelsvertreter bzw. Hausierer sich und die Familie am Leben zu erhalten. Er habe damals ein Jahreseinkommen von nicht viel mehr als 2.000 $ gehabt und damit faktisch am Existenzminimum gelebt. Zudem versorgte er in dieser Zeit – 1955 – auch noch seine Mutter Hedwig Kahn, geborene Berg, die zu einem nicht bekannten Zeitpunkt von ihrem ersten Exil Kuba in die USA gekommen war und hier bei der Familie ihres Sohnes lebte.[40] Auch seine Ehefrau Dorothea und der Sohn mussten damals mit Putzarbeiten und dem Austragen von Zeitungen zum Familieneinkommen beitragen.[41] Die Schilderung seiner schwierigen finanziellen Lage beschleunigte die Entschädigungsverfahren nur unwesentlich. Es ging dabei um die zuletzt von Kaufmanns zurückgelassene und vermutlich versteigerte Wohnungseinrichtung, um die Kosten der Ausreise, den Verlust der Kanzlei und auch um die Reichsfluchtsteuer von knapp 5.000 RM, die die Behörden zu erstatten sich weigerten. Es würde ein sicherer Beweis dafür fehlen, dass die in dem vorgelegten Bescheid des Finanzamts Wiesbaden angegebene Summe auch tatsächlich bezahlt wurde. Dies, obwohl Arnold Kahn die „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ des Finanzamts vorlegen konnte, die wiederum die Voraussetzung für die Ausstellung des Passes war.[42] Jahre hat es gedauert bis zumindest ein Teil der zu Recht geforderten Gelder freigegeben wurden.
Arnold Kahn verstarb am 24. Dezember 1975 im Alter von 85 Jahren in seiner neuen Heimat im Staat New York, seine Frau Dorothea am 6. Januar 1989.[43] Der inzwischen verheiratete Sohn Werner, in den USA hatte er den Vornamen Warren angenommen, bekam mit seiner Frau Thekla drei Kinder: Larry, Barbara und Wendy.
Auch das ehemalige Judenhaus in der Adolfsallee kam wieder in den Besitz der Familie. Am 28. Juni 1943 hatte das Finanzamt Wiesbaden beim Grundbuchamt die Umschreibung des Hauses auf das Deutsche Reich beantragte, nachdem das gesamte Vermögen von Felix und Jenny Kaufmann durch Verfügung vom 27. August 1942 dem Staat verfallen war. Zuvor hatte man noch die inzwischen obsolete Sicherungshypothek für die Reichsfluchtsteuer der Kaufmanns gestrichen. [44]
Am 23. November 1949 wurde das Grundstück wieder auf den Namen der rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Erben Hans Kaufmann und Dorothea Kahn, geb. Kaufmann, überschrieben.[45]
Stand: 04.03.2019
Anmerkungen:
[1] Kulturdenkmäler in Hessen / hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, bearb. von Sigrid Russ, Bd. 3, Stadterweiterungen außerhalb der Ringstraße / Sigrid Russ, Stuttgart 2005, S. 92.
[2] August Kahn, Weinhändler, das Geburtsdatum ist nicht bekannt, starb am 28.8.1895 in Wiesbaden. Seine Frau Hedwig, geborene Berg, war am 12.2.1889 in Offenbach geboren worden. Wie war mit der Tochter Anna, verheiratet mit Abraham / Arthur Hamburger, im März 1941 nach Kuba ausgewandert.
[3] Siehe zu seinem Lebensweg und besonders zur juristischen Karriere auch Faber, Rönsch, Wiesbadens jüdische Juristen, S. 111 f., dazu HHStAW 518 779 (185).
[4] HHStAW 518 779 I (149 ff.).
[5] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 141 Bl. 2113 Innen (29). Zum Zeitpunkt der Vertragsschließung waren die beiden allerdings bereits verstorben, sodass die erbeberechtigten Kinder den Vertrag abschlossen.
[6] HHStAW 518 779 II (o.P.) Heiratsurkunde.
[7] HHStAW 518 779 I (14).
[8] HHStAW 518 799 I (21, 151).
[9] Zit. nach Erziehung im Nationalsozialismus – Gutenbergschule und Diltheyschule – 1933-1945, hg. Conrad, Franziska; Götting, Martin; Naumann, Inge, Wiesbaden 1992, S. 144 f. Der Textauszug wurde dort leider ohne Angabe der Quelle abgedruckt.
[10] HHStAW 518 779 I (53). Dorthin war auch der Bruder von Dorothea Kahn, Hans Kaufmann, schon im August 1935 aufgebrochen, allerdings war er zunächst nur bis Luxemburg gekommen.
[11] Die Eltern der am 8.4.1874 geborenen Johanna waren die in Trier lebenden Simon und Therese Frank, geborene Müller, siehe HHStAW 469-33 2325 (2). Die Eheschließung fand laut GENI am 13.10.1896 statt, siehe https://www.geni.com/people/Felix-Lazarus-Kaufmann/6000000000726651782#/tab/timeline.(Zugriff: 24.11.2017).
[12] Meine Memoiren, unveröffentlicht. Das Skript wurde mir freundlicherweise von Frau Michel, Bad Homburg, zur Verfügung gestellt. Der Inhalt dieser Erinnerungen bezieht sich weitgehend auf die Zeit als Bankier, sein späteres Leben in Wiesbaden kommt darin leider nicht mehr vor.
Die Lebensdaten seines Vaters sind nicht bekannt, jedoch die seiner Mutter. Auf ihrem Grabstein auf dem jüdischen Friedhof ist als Geburtsdatum der 22.10.1832 und als Todestag der 1.11.1900 eingetragen. Über sie selbst heißt es dort: „Ach, Du Edelste der Frauen, die dahier in Frieden ruht, einzig fromm voll Gottvertrauen, liebreich und gar herzensgut! Hocherhaben war dein Schalten, edel war Dein ganzses Sein, immer fromm Dein Thun und Walten, dankbar stets wir denken Dein.
Der treuen Mutter
Die Kinder.“
[13] Zur Bedeutung des jüdischen Bankhauses Stern, das bis 1933 als Branchenführer der Hanauer Bakenvereinigung fungierte, siehe Flämig, Gerhard, Hanau im Dritten Reich, Bd. 2 (1933-1945) Verfolgung und Widerstand, Hanau 2002, überarbeitete 2. Aufl., S. 282 f. Noch umfassender und aus erster Hand ist die Darstellung von Kurt Stern aus dem Jahr 1962, dem seit 1928 persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses, abgedruckt in Pfeifer, Monika Illona; Kingreen, Monica, Hanauer Juden 1933 – 1945. Entrechtung, Verfolgung, Deportation. Hanau 1998, S. 12-17.
[14] Meine Memoiren.
[15] „Ich stand vor zwei Fragen, mich entweder reich zu verheiraten, um dadurch zur ungeschmälerten Weiterführung des ziemlich großes Kapital erfordernden Geschäfts die nötigen Mittel hereinzubekommen, oder mir einen capitalkräftigen Teilhaber zu nehmen. – Obgleich mir das Erstere schon angesichts meiner nachweislich ganz guten Position & Geschäftslage und der geschäftl. Resultate, die ich bereits aufzuweisen hatte, nicht allzu schwer geworden wäre und es mir an recht reichen Heiratsanträgen schon damals nicht fehlte, ließ es indessen mein mir angeborener Idealismus nicht zu, mich zu verkaufen und Geld einer Neigungsheirat vorzuziehen.“ Meine Memoiren.
[16] Albert Pappenheim, geboren in Eschwege, und seine in Sobernheim geborene Frau Dorothea Klein, gelang 1939 zunächst die Flucht nach Holland, im Juli 1943 wurde er mit ihr in Westerbork inhaftiert und kurz darauf nach Sobibor deportiert und umgebracht. Ihre beiden Kinder überlebten den Holocaust.
[17] Die bekannte Auskunftei Schimmelpfeng fertigte 1910 das folgende Dossier:
„B.K. & P. Bank in T., Joh. Ph. Str. 6
Das Bankgeschäft besteht seit 1893, seit 1896 sind F.K., ein Sohn des Begründers & A.P. Inhaber, welche die Firma B.K. & P. eintragen ließen. – In der Hauptsache wird das Effectengeschäft gepflegt, doch hat die Firma auch Contocorrent- & Discontgeschäft. Sie ist als sehr vorsichtig in ihren Operationen bekannt und unsere Gewährsleute stimmen darin überein, daß man es mit einem gut geleiteten Provinzbankgeschäft zu tun hat.
Die der Firma zur Verfügung stehenden Mittel belaufen sich nach eigener Angabe über 500,000.– Mk. Wo wir uns sonst in der Geschäftswelt erkundigten, fanden wir die Ansicht vertreten, daß die Fundierung eine ausreichende sei. Das Geschäftshaus im Werte von 100-120,000 Mk. ist Eigentum der Firma und ist, wie sie uns am 30. April 1906 schrieb, lastenfrei. Bankcredit nimmt die Firma nicht in Anspruch, sondern unterhält bei anderen Banken, mit denen sie in Verbindung steht, größere Depôts. Hauptsächlich arbeitet sie mit der Mitteldeutschen Kreditbank sowie mit der Nationalbank für Deutschland in Berlin. Die Firmen-Inhaber sind gut berufene geachtete Banquiers. Auch P. hat im Bankfach eine gute Ausbildung erfahren.
Ergänzung: Die Firma arbeitet nach wie vor sehr vorsichtig, so daß ihr volles Vertrauen entgegengebracht werden kann. Die Wechselverbindlichkeiten bei der Reichsbank werden stets einen Tag vor Verfall erledigt. Der Kassenbestand beträgt durchschnittlich 50-60,000 Mk. Außerdem werden der Firma einige 100,000 Mk. Effecten zugeschätzt.
Auskunftei Schimmelpfeng
Berlin
1. Febr. 1910“
Meine Memoiren. Ob die in den Memoiren insgesamt sehr negative Charakterisierung seines Partners Albert Pappenheim wirklich gerechtfertigt war, kann hier nicht beurteilt werden.
[18] Meine Memoiren, dazu Volkswirtschaftliche Chronik für das Jahr 1921, S. 90.
[19] Am 21.1.1938 ist die Firma erloschen, siehe http://digi.bib.uni-mannheim.de/import/Reichsanzeiger/ocr/film/021-8462/0305.hocr. (Zugriff: 24.11.2017).
[20] HHStAW 518 5795 (72 und 134) Laut Auskunft der Stadtverwaltung Trier aus dem Jahr 1959 waren die Erträge des Bankhauses zwischen 1933 und 1935 auf ein Zehntel geschrumpft. Sie waren allerdings auch schon zwischen 1930 und 1933 um die Hälfte gesunken, was allerdings nach Aussage des Schwiegersohns Arnold Kahn auf erhebliche Unterschlagungen zurückzuführen war. Ein rechtskräftiges Urteil in dieser Angelegenheit sei gegen den Beschuldigten Angestellten zwar ergangen, das Geld habe aber nicht mehr eingetrieben werden können. Siehe dazu auch Meine Memoiren.
[21] HHStAW 518 5795 (70).
[22] Meine Memoiren.
[23] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 141 Bl. 2113 Innen (29). Als der notarielle Kaufvertrag geschlossen wurde, wohnten Kaufmanns noch in Trier. Sie hatten dem in Wiesbaden lebenden Weinhändler Otto Frank, dem Bruder von Jenny Frank, Vollmacht zur Vertragsunterzeichnung gegeben. Die Übergabe des Hauses erfolgte am 1. Januar 1937. Der Verkaufspreis betrug rund 40.000 RM, wobei etwa die Hälfte wegen Übernahme von Hypotheken nicht zur Auszahlung kam.
[24] HHStAW 518 5795 (28).
[25] HHStAW 519/3 3641 (3 f.).
[26] HHStAW 519/3 17224 (6) Eine entsprechende Sicherung wurde im Grundbuch auf das Haus Adolfsallee 30 eingetragen, siehe Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 141 Bl. 2113 Innen.
[27] Es ist nicht bekannt, wer diese Schwester gewesen sein könnte. Nach GENI hatte Jenny, Tochter von Simon Frank und Theresia Müller mindestens 7 Geschwister, darunter die Schwestern Florentine, verheiratete Weil, und Eda.
[28] HHStAW 519/3 3641 (1).
[29] HHStAW 519/3 17224 (4). Eine Hachschara-Gemeinschaft ist im Buch über das Jüdische Leben in Ettelbrück auf Seite 89 knapp erwähnt. Siehe https://issuu.com/lezarts/docs/broch_jew_ettelbruck_1_12. (Zugriff 12.08.2022).
[30] HHStAW 518 5795 (27) siehe auch HHStAW 519/3 3641 (9-12), wo die entsprechenden Zahlungen durch die Commerzbank belegt sind.
[31] HHStAW 519/3 3641 (15, 8).
[32] HHStAW 519/3 3641 (29) Im Rahmen dieses Briefwechsel teilte er der Devisenstelle mit, dass anstelle des Pensionärs Mohrenwitz, der in der Woche der Antragstellung verstorben war, in den nächsten Tagen die Pensionärin Frau Sara Rothschild einziehen werde. Zu August Mohrenwitz und zu Nanny Rothschild siehe unten.
[33] Zu Thekla Hess siehe den Abschnitt im Kapitel Bahnhofstr. 25. Thekla Hess war die Schwester von Felix Kaufmann. Über den Zeitpunkt, wann Thekla Hess in das Haus ihres Bruders einzog, liegen keine exakten Angaben vor. Aber spätestens zum Jahreswechsel 1939/40 muss das gewesen sein, vermutlich aber im Laufe des Jahres 1938, siehe HHStAW 518 15599 (101). Am 26.6.1942 musste sie dann kurz vor ihrer Deportation noch einmal in das Judenhaus Bahnhofstr. 25 umziehen.
[34] Bei den Verwandten handelte es sich um die Enkel von Joseph Michel und seiner Frau Rösgen, geborene Ullmann. Sie war die Schwester von Felix Kaufmanns Mutter Adelheid Ullmann. Joseph Michel, der mit seiner Frau Bertha, geborene Deeke, in Bad Kreuznach lebte, fungierte offensichtlicher als Kommunikationszentrale für die weit verstreute Familie. Die Briefe zeigen zudem, in welcher Not die im französischen Exil lebenden Verwandten waren:
„Meine Lieben! Trotzdem auf meinen Brief noch keine Antwort, will nochmals schreiben, da wieder von lieben Felix eine Aufstellung der uns zugedachten Sachen kam, wo Du Liebe Bertha einen warmen, wenn auch schlechten Mantel für meine Frau hättest, wäre riesig dankbar, braucht nichts Gutes zu sein, für Otto und Clara Gesellschaft zu leisten braucht man nichts Gutes, da könnte mal 1 alte Schlafdecke eventuell Bügeldecke gebrauchen, da die ganze Nacht keine warmen Füße bekomme, wir sind für Alles dankbar und was nicht gebrauchen kann, sende je nach deren Wünsche an Clara oder Bertha Strauß, beide können sehr notwendig gebrauchen, so ändern sich die Zeiten, wer hätte so etwas für möglich gehalten?“. Brief von Hugo Michel an Joseph Michel vom 4.12.1941:
„Herzlichen Dank für Eure speziell Deine Karte lieber Vetter und freute mich sehr, daß Ihr gesund zusammen seid, also mit den zugedachten Kleidern bleibt wie war, so leid mir dies für uns und auch für Bertha und Otto ist, von letzteren kommen leider sehr schlimme Nachrichten. Also ich wiederhole meine Bitte, hebt bitte für uns nach Möglichkeit auf und gebt bitte diese Bitte an Johanna [Jenny Kaufmann – K.F.] und Felix weiter. Lieber Josef und Liebe Bertha, es geht uns so wunderbar und unsere Angehörigen noch viel viel schlimmer. Gerade höre ich bei Toni, daß man aus Deutschland kleine Päckchen ohne Genehmigung schicken darf, wenn dies der Wahrheit entspricht, so wäre mir sehr gedient, wenn Ihr oder Felix, mir 1 farbiges Tag und eventuell Nachthemd schicken könntet, womit mir sehr gedient wäre, wenn nicht so sehr notwendig gebrauchen könnte, hätte wirklich nicht noch darum gebeten. Aber bitte erkundigt Euch, ob auch gestattet ist. Hat Felix keine Karte von mir bekommen worin ich ihm die neue Adresse von Hand angegeben, weil er mir keine Antwort gibt, kommt mir vor, daß meine Karte verloren gegangen ist.?“ Brief von Hugo Michel an Joseph Michel vom 5.2.1942. Die Briefe wurden mir freundlicherweise von Frau Michel, Bad Homburg, zur Verfügung gestellt.
[35] HHStAW 519/3 3641 (24).
[36] HHStAW 469-33 2325 (13) Auf Grund dieser Aussage hatte das Amtsgericht Wiesbaden am 27.1.1949 das Todesdatum von Felix Kaufmann amtlich auf den 15.12.1942, den von Jenny Kaufmann auf den 1.12.1942 festgelegt. Ebd. Auch andere fehlerhafte Angaben wurden bei der gerichtlichen Todesfeststellung eingebracht. So gab die ehemalige Hausangestellte der Kaufmanns, Frau Lautz an, die beiden seien mit Thekla Hess in Litzmannstadt umgekommen, ebd. (9) Thekla Hess starb am 6.11.1942 in Theresienstadt.
[37] Todesfallanzeige für Jenny Kaufmann http://www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/dokument/93145-kaufmann-johanna-todesfallanzeige-ghetto-theresienstadt/, für Felix Kaufmann https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/3/6/6528_ca_object_representations_media_43656_large.jpg. (Zugriff: 24.11.2017).
[38] 1941 kam auch die Schwester von Arnold Kahn, Anna, mit ihrem Mann Abraham Arthur Hamburger und den beiden Kindern Frederike Berta und Karl August nach Amerika, siehe zu ihnen das Kapitel Friedrichstr. 38.
[39] Mit einem schier unglaublichen Argument wollte im Rahmen des späteren Entschädigungsverfahrens der Regierungspräsident Wiesbaden Arnold Kahn seine Rentenansprüche verweigern: „Der Antragsteller hat zwar seine frühere Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Doch war ihm die Rückkehr nach Deutschland und damit die Wiederaufnahme seiner einstigen Berufstätigkeit bis zum 31.12.1948 zumutbar.“ HHStAW 518 779 I (42).
[40] HHStAW 518 779 I (21, 73). Wann sie dort verstarb, ist nicht bekannt.
[41] Faber, Rönsch, Wiesbadens jüdische Juristen, S. 112.
[42] HHStAW 518 779 (141).
[43] HHStAW 518 779 (o.P.) für Arnold Kahn. Die Sterbeurkunde wurde am 26.12.1975 ausgestellt. Der Todestag von Dorothea Kahn ist auf dem Aktendeckel der Entschädigungsakte 518 779 Bd. 2 vermerkt.
[44] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 141 Bl. 2113 Innen (93, 96, 97).
[45] Ebd.