Helene Schiffer


Juden Wiesbaden Judenhaus Judenhäuser Wiesbaden Blumenstr. 7
Das Judenhaus in der Blumenstr. 7 heute
Eigene Aufnahme
Judenhaus Blumenstr 7
Lage des Judenhauses
Judenhaus Blumenstr 7
Belegung des Judenhauses  Blumenstr. 7

 

 

 

 

 

 

 


Helene Schiffer Judenhaus Blumenstra. 7 Wiesbaden Juden
Vermögenserklärung von Helene Schiffer – August 1940
HHStAW 519/3 7992 (3)

Als die Devisenstelle in Frankfurt im August 1940 gegen Helene Schiffer eine Sicherungsanordnung erließ und ihr in diesem Zusammenhang das üblich Formular zur Vermögenserklärung zugeschickt hatte, sandte sie es wenige Tage später wieder ausgefüllt zurück an die Behörde. Sie hatte alle Fragen einfach mit einem Strich beantwortet: Es gab für sie in dieses Formular nichts einzutragen, kein Vermögen, keine Konten, kein Einkommen. Sie hatte nicht einmal etwas bei den Fragen zu ihrem Lebensunterhalt eingetragen.[1] Es will fast scheinen, als stände dieses Formular für ihr ganzen Leben, so, als existiere sie schon gar nicht mehr, so, als habe sie nie existiert.

Diese schmale Akte, bestehend aus nur vier Seiten, ist neben der Gestapo-Karteikarte das einzige, was von ihr erhalten geblieben ist. Das ist umso erstaunlicher, als sie einer großen ostjüdischen Familie entstammte, über die ansonsten recht umfassende Akten vorliegen. Aber in keiner dieser Akten, ob Entschädigungs- oder Devisenakten der Geschwister ist sie auch nur erwähnt.[2]

Schiffer Judenhaus Wiesbaden Blumenstr. 7 Juden
Stammbaum der Familie Schiffer (GDB-PLS)

Helene war das vierte von insgesamt sechs Kindern des Ehepaars Nathan Nachum Schiffer und seiner Frau Sara Rosa Friedmann. Beide – der Vater war um 1859, die Mutter um 1856 geboren worden – stammten aus dem westgalizischen Bochnia, etwa 50 Kilometer südöstlich von Krakau gelegen, das wegen seiner bedeutenden Salzvorkommen früher den deutschen Namen Salzberg trug. Dieses Gebiet, das vor dem Ersten Weltkrieg zu Österreich-Ungarn gehörte, war nach dem Krieg Polen zugeschlagen worden, sodass alle Familienmitglieder – die Kinder wurden noch alle in Bochnia geboren – die polnische Staatsangehörigkeit besaßen, auch Helene. Wann die Familie nach Wiesbaden kam, lässt sich nicht mehr genau bestimmen. Sohn Leo gab später an, dass er, geboren Ende 1881, als Sechsjähriger, also etwa 1887 mit seinen Eltern nach Wiesbaden übergesiedelt sei.[3] Aber erst zehn Jahre später, nämlich 1896, wurde Nathan Schiffer erstmals in das Wiesbadener Adressbuch aufgenommen. Die erste Wohnung der Familie in Wiesbaden lag danach im ersten Stock des Hauses Metzgergasse 26, der heutigen Wagemannstraße.[4] Er scheint damals eine Beschäftigung als Synagogendiener gefunden zu haben, womit sicher nur ein sehr bescheidenes Einkommen zu erzielen war. Um die Jahrhundertwende muss die Familie in derselben Straße in die Nummer 14 umgezogen sein, wo sie eine Wohnung im zweiten Stock hatte. Wiederum fünf Jahre später steht neben der Berufsbezeichnung ‚Synagogendiener’ auch ‚Altwarenhändler’, im folgenden Jahr ist Nathan Schiffer nur noch mit diesem Beruf eingetragen. Vermutlich hatte sich inzwischen das Geschäft ausgedehnt, denn im folgenden Jahr kam es erneut zu einem Umzug. Aber auch diesmal blieb die Familie in der Metzgergasse. Zunächst wurden nur die Geschäftsräume in das Haus mit der Nummer 21 verlegt. Im folgenden Jahr 1907 zog dann auch die Familie in den ersten Stock des Hauses, während das Ladengeschäft im Parterre eingerichtet war. Am 4. August 1911 verstarb Nathan Nachum Schiffer in diesem Haus.

Die älteste Tochter Tille bzw. Hilde, geboren am 8. Oktober 1880, hatte 1912, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, den ebenfalls aus Westgalizien stammenden Kaufmann Feiwel Ehrenberg geheiratet.[5] Ein Jahr später, am 10. April 1913, wurde ihr Sohn Nikolaus in Wiesbaden geboren worden. Die Familie lebte in dieser Zeit ebenfalls im Haus der Mutter, vermutlich auch in der gleichen Wohnung.[6] Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.[7]

Auch über den ältesten Sohn der Schiffers weiß man nur wenig. Adolf, geboren am 6. September 1982, hatte nach dem Tod des Vaters zunächst den Laden in der Metzgergasse mit seinen Brüdern weitergeführt, bis er am 4. Februar 1919 die in Fürth beheimatete Pelzwarenhändlerin Helene Bicheler, geschiedene Stern heiratete.[8] Das Paar hatte eine Wohnung am Michelsberg 28, für ihr Geschäft, eine Kürschnerei, in die wohl auch Adolf Schiffer eingestiegen war, sind sogar zwei Adressen angegeben, einmal in der Langgasse 1, zum anderen die Kirchgasse 43. 1931 war der letztgenannte Laden wohl aufgegeben worden und Adolf und Helene Schiffer wohnten inzwischen in der Friedrichstr. 9 im zweiten Stock. Danach verlieren sich ihre Spuren. Möglicherweise konnten sie der Vernichtung entgehen, aber gewiss ist das nicht, auch wenn sich ihre Namen nicht im Gedenkbuch des Bundesarchivs befinden.[9]

Auch der zweite Sohn der Schiffers, der am 15. März 1884 geborene Ferdinand Felix, war zunächst im väterlichen Geschäft geblieben. Nach dem Ausstieg des älteren Bruders führte Ferdinand nun den Laden mit seiner Mutter und seiner Frau Rosalie, genannt Rosa, weiter. Rosa Schnürmacher, die er am 6. Juni 1908 geheiratet hatte, war 1903 von Wilna nach Wiesbaden zu Verwandten gekommen und hatte hier ihren zukünftigen Mann kennengelernt.[10] Nach der Heirat wohnten sie etwa zehn Jahre in der Wellritzstr. 20, wo in den folgenden Jahren auch ihre drei Söhne geboren wurden: Nico Nachum, der später die Düsseldorferin Shavah Fass heiratete, Leonard Seew und zuletzt Karl Amos.[11] Nach Zeugenaussagen sollen die Geschäfte eher bescheiden gewesen sein, dem Paar und den später geborenen drei Kindern aber ein ausreichendes Auskommen verschafft haben.[12] Um 1918 zogen sie in die Wagemannstr. 13 in unmittelbarerer Nähe ihres Ladens.

Man kann sich gut vorstellen, das eine ostjüdische Familie, die, auch wenn sie äußerlich nicht durch die traditionelle Kleidung auffiel, allein durch den typischen Beruf des Trödlers die Vorurteile und Aggressionen der „deutschen Volksgenossen“ hervorrief. „Die Familie Schiffer“, so eine ehemalige Nachbarin aus der Wagemannstraße, sei „zu Nazizeiten sehr viel belästigt worden“.[13] Das Geschäft musste nach Darstellung von Rosa Schiffer 1935 geschlossen werden. Ihr Schwager, Leo Schiffer, konnte später im Entschädigungsverfahren genauere Angaben zu den damaligen Vorgängen machen. Sein Bruder habe eine Verfügung vom damaligen Gauleiter Habicht erhalten, nach der es Juden nicht mehr gestattet sei, mit deutschem Kulturgut Handel zu betreiben. Das gesamte Lager sei damals beschlagnahmt und öffentlich versteigert worden.[14]

Anstelle des Trödelladens habe man damals einen Lebensmittelladen eingerichtet, der, da jüdische Kundschaft treu geblieben sei, noch immer ein hinreichendes Einkommen gesichert habe. 1937 habe das Ladengeschäft wiederum auf Initiative eines NSDAP-Funktionärs aufgegeben werden müssen und sei in die Wohnung in der Wagemannstr. 13 verlegt worden. Hier habe man den Handel als Bestellungsgeschäft weitergeführt.[15] Rosa Schiffer hielt den Geschäftsbetrieb auch noch gut ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes aufrecht. Dieser war am 4. November 1937 im Alter von 53 Jahren einem Herzanfall erlegen.[16] Ob der Herzanfall bei dem chronisch Erkrankten durch eine antisemitische Attacke während eines Kinobesuchs wenige Tage zuvor ausgelöst worden war, ist umstritten,[17] nicht zu bezweifeln ist aber, dass die permanenten Anfeindungen einem ohnehin kranker Mann auch körperlich zusetzen mussten.

Die Leidensgeschichte der Familie von Ferdinand und Rosa Schiffer war damit noch nicht zu Ende. Während der „Polenaktion“ 1938 wurde auch die Witwe verhaftet und abgeschoben. Man habe sie aber wieder nach Wiesbaden zurückkehren lassen, um ihren Haushalt und das Geschäft aufzulösen. Die erst wenige Jahre alte Wohnungseinrichtung im ungefähren Wert von 3.000 RM musste sie an Händler und Privatpersonen weit unter ihrem Wert verkaufen. Am 20 Februar 1939 konnte sie dann nach Palästina auswandern.[18]

Hier verstarb sie am 17. Januar 1957 in großer Armut, nachdem sie sich – chronisch erkrankt – die Jahre zuvor nur mit Hilfsarbeiten als Büglerin, Näherin oder Hausangestellte am Leben erhalten hatte.

Leo, der jüngere Bruder von Helene Schiffer, war am 19.Dezember 1881 geborene worden und nach der Übersiedlung der Familie in Wiesbaden in die Volksschule eingeschult worden. Nach deren Abschluss wird der Vierzehnjährige vermutlich im elterlichen Geschäft mitgearbeitet haben, das er nach eigenen Angaben, nach dem Tod der Mutter, alleine übernommen haben will.[19] Man muss aber davon ausgehen, dass es sich hier um einen Familienbetrieb handelte, an dem immer auch die Brüder in irgendeiner Weise beteiligt waren. Zudem wurde Leo 1915 in die österreichische Armee eingezogen und musste spätestens dann auf die Geschäftsführung verzichten. Nach Kriegsende sei er nach Wiesbaden zurückgekehrt und habe das Geschäft als Etagengeschäft in der Kirchgasse 50, wo er auch seine Wohnung hatte, mit seiner Frau, die die Buchhaltung geführt habe, neu aufgebaut. Seine Frau, die am 10. Juli 1890 in Mensfelden bei Limburg geborene Betty Besmann,[20] war auch die Mutter der drei Kinder des Paares. Als erste war Alice 1914, dann Norbert 1916 und zuletzt Heinrich 1919 geboren worden.[21]

Bei den angebotenen Waren hatte man sich offensichtlich auf Edelmetalle, hauptsächlich Alt- und Bruchgold, spezialisiert, das zumeist über Zeitungsannoncen akquiriert und an andere Händler weiterverkauft wurde. Auch die Frankfurter Degussa gehörte zu seinem Kundenstamm. Neben Edelmetallen handelte er aber auch mit Brillanten und anderen Mineralien. Die Geschäfte hätten ihm, so seine Angaben im Entschädigungsverfahren, monatlich immerhin etwa 400 RM eingebracht, bevor er durch die Nazis in seinen Aktivitäten eingeschränkt worden sei. 1937 habe er den Handel aufgeben müssen, weil ihm das Inserieren in den lokalen Zeitungen von der NSDAP untersagt worden sei.[22]

Zu dieser Zeit war sein Sohn Norbert bereits nach Palästina ausgewandert. Er hatte Deutschland im Juli 1936 verlassen, die Eltern und vermutlich auch die übrigen Kinder folgten im September 1937 über Belgien und Frankreich. Die zum Teil noch recht neue Einrichtung der 4-Zimmer-Wohnung habe damals zu Schleuderpreise verkauft werden müssen. Immerhin habe er aber noch elf Kisten mit Umzugsgut durch die Wiesbadener Speditionsfirma Waldmann zum Versand nach Palästina gebracht.[23] Die Weiterreise von Paris nach Marseille verzögerte sich um zwei Wochen wegen eines Nervenzusammenbruchs von Betty Schiffer in Paris. Mit der „Providence“ gelangten sie von da aus nach Palästina. [24]

Eine der Ursachen für den Zusammenbruch von Betty Schiffer sei ein Ereignis unmittelbar vor der Ausreise gewesen. Nach der Schilderung von Leo Schiffer seien ihm von einem SS-Mann in seiner Wohnung Schmuckstücke – Brillanten, Armbänder und Ringe – im Wert von mehr als 40.000 RM abgenommen worden. Eine Quittung für diese Konfiszierung bzw. für diesen Raub habe ihm sowohl der SS-Mann selbst, wie auch die Gestapo und die NSDAP-Stelle verweigert.[25] Nicht nur wegen der fehlenden Belege wurden im späteren Entschädigungsverfahren die Angaben besonders bezüglich der Höhe des Schadens bezweifelt. Es erschien wenig glaubhaft, dass Leo Schiffer bei dem relativ geringen Einkommen solche Vermögenswerte habe ansparen können.[26] Auch waren weitere Angaben zu den damaligen Ereignissen widersprüchlich. So bezeugte der Neffe Nikolaus Ehrenberg, der Raub sei der letzte Anlass für die Flucht der Familie seines Onkels gewesen. Dieser selbst wiederum gab an, der SS-Mann habe im Wissen um die angemeldete Ausreise der Familie den Raub begangen. Er habe sicher sein können, dass er, Leo, keine Strafanzeige mehr würde stellen werden, um die Ausreise nicht zu gefährden. Durch den Verlust des Schmucks, der die Basis für einen geschäftlichen Neuanfang im Exil sein sollte, sei es ihm in Palästina nie mehr gelungen, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Zuletzt habe er sich sogar von seinem Sohn unterstützen lassen müssen. Auch Leo und seine Frau verbrachten die Jahre im palästinensischen bzw. israelischen Exil in großer Armut. Wann sie dort verstarben, ist nicht bekannt.[27]

Trotz aller Verluste und allem ertragenen Leid hatten Leo Schiffer und seine Familie ihr Leben retten können. Dem jüngsten Bruder Josef Usher blieb das verwehrt. Er, seine Frau und sein Sohn starben in den Gaskammern von Auschwitz, ihre Leichnahme wurden in den Krematorien verbrannt, ihre Asche verstreut.

Schon lange vor diesem schrecklichen Ende hatte die Familie viel Leid erfahren müssen. Josef Usher, das jüngste Kind von Nathan und Rosa Schiffer, war am 8. Juni 1889 geboren worden. Im Unterschied zu seinen Geschwistern hatte er versucht, einen anderen, wie er sicher dachte, zukunftsträchtigeren Beruf als den eines Altwarenhändlers zu ergreifen. Für ein Studium hatte das Geld der Familie nicht gereicht, auch hatte er wohl nicht das dafür notwendige Abitur ablegen können. Aber immerhin hatte er in Frankfurt ein Diplom als Dentist erworben, mit dem er als Zahntechniker arbeiten konnte, aber auch Behandlungen in begrenztem Umfang ausüben durfte.

Helene Schiffer
Kaufhaus Fried in Nordenstadt

Am 12. Juni 1919 hatte er Martha Fried aus der östlich von Wiesbaden gelegenen Gemeinde Nordenstadt geheiratet. Martha, geboren am 2. Juni 1994, war die jüngste Tochter von Isaak Fried und seiner Frau Fanni, geb. Nachmann, einer strenggläubigen jüdischen Familie, wie später ihre Enkelin Anita Lippert angab.[28] In der Kaufmannsfamilie, die in Nordenstadt in ihrem Haus einen einträglichen Gemischtwarenhandel betrieb, waren zuvor die ältere Schwester Selma und der ebenfalls ältere Bruder Ludwig geboren worden.[29]

Nach der Heirat hatte Josef Schiffer um 1920 in Wiesbaden in der Bahnhofstr. 20, wo die Familie auch wohnte, seine Praxis eröffnet. Aber wie den Steuerakten zu entnehmen ist, lief diese von Anbeginn an schlecht, die Einnahmen gingen sogar im Laufe der Zwanziger Jahre immer weiter zurück. Zwei Zimmer musste man untervermieten, um so wenigstens etwas  Geld für den Lebensunterhalt zu erwirtschaften, dennoch war man auf die Unterstützung von Verwandten angewiesen, die mit Lebensmittelgeschenken aushalfen. Er sehe, so schrieb er am 29. August 1926 dem Finanzamt „tagelang keinen Patienten“.[30] Zwar konnten in diesen ersten Jahren immerhin noch etwa 1.000 RM monatlich als Einkommen verbucht werden, aber diese durch die Inflation aufgeblähte Zahl, sagt nur wenig über die realen Einkommensverhältnisse aus. Nach der Stabilisierung der Währung ab 1923 gingen die Zahlen deutlich zurück. Gegen Ende des Jahrzehnts verfügte die Familie nur noch über ein Jahreseinkommen von 400 RM. Immer wieder versuchte das Amt vergeblich bestehende Steuerrückstände einzutreiben und immer wieder musste Josef Schiffer um Stundung oder Erlass bitten. Auch der im April 1929 vermutlich aus Kostengründen vollzogene Umzug von Wiesbaden nach Igstadt in die Kleine Straße 3 konnte die Probleme nicht lösen, denn die Umsätze brachen dort weiter dramatisch ein.[31] Um der Familie ein weiteres finanzielles Standbein zu verschaffen, übernahmen Martha Schiffer zusammen mit ihrem Bruder Ludwig im Februar 1929 das in Igstadt alteingeführte Stoff- und Wäschegeschäft der verwitweten Jüdin Hermine Löwensberg.[32] Aber angesichts der heraufziehenden Weltwirtschaftskrise und des verstärkt aufkeimenden Antisemitismus erwies sich auch das als Sackgasse. Im Jahr 1932 waren es nur noch 150 RM, die Josef Schiffer als zu versteuerndes Einkommen dem Finanzamt meldete.[33] Im Oktober 1934 zog die Familie mit dem Laden erneut um, allerdings nur innerhalb von Igstadt in die Mainzer Str. 6.[34]. Aber auch hier blieben sie nicht lange. Im April 1936 wurde der Laden aufgegeben und die Familie zog wieder in das Wiesbadener Stadtgebiet, in die Kirchgasse 50, wo sie im zweiten Stock eine 4-Zimmerwohnung bewohnte. Josef Schiffer soll hier auch wieder praktiziert haben.[35]

Helene Schiffer Judenhaus
Mit Genehmigung von Anita Lippert

In dieser schwierigen Zeit war am 19. Juli 1928 neun Jahre nach der Eheschließung der Sohn Julius Herbert geboren worden.[36] Nur wenige Jahre durfte er trotz aller Armut in Igstadt eine relativ normale Kindheit verbringen. 1936 musste er als Jude aber dann die örtliche Volksschule verlassen. Er wurde stattdessen in der Jüdischen Schule in der Mainzer Straße aufgenommen. Vermutlich war der erzwungene Schulwechsel auch ein Grund, weshalb die Eltern wieder zurück in die Stadt zogen.

Angesichts der insgesamt sich immer mehr verschlechternden Lebensumstände gab es für die Familie Schiffer nur wenig, was sie noch an ihre Wiesbadener Heimat band. Am 15 Juli 1939 verließ sie laut Eintrag in der Gestapo-Karteikarte Deutschland und reiste legal nach Belgien aus, wo sie in Antwerpen eine Unterkunft fand. Da kein Vermögen vorhanden war, wird auch keine Reichsfluchtsteuer angefallen sein. Das Umzugsgut, bestehend aus alltäglichen Gebrausgegenständen, Kleidung und der Praxiseinrichtung, für die keine Dego-Abgabe erhoben worden war,[37] brachte eine Spedition über die Grenze.

Aber auch diese Flucht erwies sich letztlich als eine weitere Sackgasse. Nach dem Überfall Belgiens durch die deutschen Truppen im Mai 1940 wurden sie zwei Jahre später verhaftet, als die Nazis beschlossen, die vielen Tausend Juden, die aus den verschiedensten Ländern dorthin geflohen waren, der Vernichtung preiszugeben.[38] Die Kaserne in Mechelen diente als Sammellager. Etwa ab Juni 1942 rollten von hier aus die Züge nach Auschwitz.

Beim sechsten Transport vom 29. August 1942 wurden auch Josef Schiffer, seine Frau Martha und der vierzehnjährige Herbert mit weiteren etwa 1.000 Opfern in einen Viehwagen gezwängt und den Gaskammern zugeführt.[39] Aber noch immer ließ sich das Grauen steigern. Im Außenlager von Auschwitz, Blechhammer / Cosel, wurde Herbert noch von seinen Eltern getrennt und zu einem Arbeitseinsatz unter dem Kommando Schmelt gezwungen,[40] während die Eltern sofort nach Birkenau gebracht wurden.[41]

Am 10. Dezember 1949 wurde vom Amtsgericht Wiesbaden der offizielle Todestag der Familienmitglieder auf den 31. Dezember 1942 festgelegt.[42]

 

Bei Helene Fischer, der Bewohnerin des Judenhauses in der Blumenstraße, bleibt eine große Leerstelle. Es gibt fast nichts, was über das Leben der ledig gebliebenen Auskunft geben könnte. Geboren wurde sie am 6. Februar 1886 wie ihre Geschwister in Bochnia in Westgalizien. Als Beruf ist auf ihrer Gestapo-Karteikarte „Stütze“, also Hausgehilfin, eingetragen, was wahrscheinlich auch die häufigen Wohnungswechsel erklärt. Im Jüdischen Adressbuch von 1935 ist ihre Adresse mit Hellmundstr. 24 angegeben. In diesem Haus wohnte zu dieser Zeit auch die ostjüdische Familie Pewsner. Abraham Pewsner war Tabakmeister gewesen und verfügte sicher zu dieser Zeit noch über die finanziellen Mittel, sich eine Hausangestellte leisten zu können.

Die erste auf der Gestapo-Karteikarte eingetragene Adresse ist die in der Seerobenstr. 9. Hier lebte die alleinstehende geschiedene Jüdin Johanna Kramer, geb. Glücksmann. Vermutlich hatte Helene Schiffer auch hier eine Stellung, für die sie aber wohl kaum mehr als Kost und Logis erhalten haben dürfte. Bei der Volkszählung im Mai 1939 gab sie als ihren Wohnsitz die Wagemannstr. 13II an. Das war eigentlich die Adresse ihres Bruders Ferdinand bzw. nach dessen Tod im Jahr 1937 die der Schwägerin Rosa Schiffer. Vielleicht hatte sie zum Zeitpunkt der Zensuserhebung tatsächlich da gewohnt, vielleicht war es aber auch die offizielle Adresse, da sich ihre wirkliche berufsbedingt ständig änderte. Schon ab dem 16. Juni 1939 wohnte sie laut Gestapo-Karteikarte in der Rheingaustr. 6. Hier erreichte sie im August 1940 auch der bereits erwähnte Brief der Devisenstelle Frankfurt. Den durchgestrichenen Angaben zu Einkommen und Verbrauch hatte sie einen erläuternden Satz hinzugefügt: „Da ich weder Einkommen noch Vermögen besitze u. seit Jahren von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werde, brauche ich kein beschränkt verfügbares Sicherungskonto zu führen.“[43] Das sah die Devisenstelle genauso und entband sie von dieser Pflicht. Sie dürfe das Geld von der jüdischen Fürsorge in bar entgegennehmen, gestattete man ihr. Zynischerweise räumte man ihr sogar einen Freibetrag von 300 RM ein.[44]

HHStAW 519/3 7992 (3)

Am 13. März 1941 musste sie laut Eintrag auf ihrer Gestapo-Karteikarte in das Judenhaus ziehen, wo ihr eines der Mansardenzimmer zugewiesen wurde.[45] Vermutlich war sie so verarmt, dass sie für das Zimmer keine Miete zu bezahlen brauchte. In den erhaltenen Abrechnungen des Hausverwalters für die Monate September 1941 bis Mai 1942 taucht ihr Name unter den etwa sieben jüdischen Mietparteien nicht auf, obgleich sie unzweifelhaft in dieser Zeit dort wohnte. Ob sie die Miete durch Hilfstätigkeiten abgegolten hatte, ist insofern unwahrscheinlich, als auf ihrer Karte auch der Vermerk „arbeitsunfähig, krank“ eingetragen ist. Bei der Räumung des Hauses im Juni 1942 gehörte sie zu denjenigen, die zu keinen weiteren Umzügen in Wiesbaden gezwungen wurde. Stattdessen bestieg sie am 10. Juni am Bahnhof in Wiesbaden den Zug, der in Frankfurt die Nummer Da 18 erhalten sollte und etwa 1350 Juden nach Lublin brachte. An welchem der folgenden Tage sie in Sobibor ermordet wurde, ist nicht bekannt. Auch für Helene Schiffer hat ihr Bruder Leo in Yat Vashem eine ‚Page of Testimony’ zu ihrem Gedenken hinterlegt.[46]

 

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] HHStAW 519/3 7992 (1).

[2] Einzig der Rechtsanwalt Reichmann, Anwalt von Leo Schiffer, fragte am 14.2.1963 bei der Entschädigungsbehörde an, ob „entschädigungsrechtliche Ansprüche der Erben nach Helene Schiffer angemeldet worden“ seien, HHStAW 588 888 (151), worauf hin die Behörte antwortet: „Auf ihr Schreiben vom 24.2.1963 teile ich Ihnen mit, dass ein Entschädigungsantrag nach Helene Schiffer bei meiner Behörde nicht anhängig ist. Auch aus den Akten Leo Schiffer kann ein Anspruch nach Helene Schiffer nicht hergeleitet werden. Ich habe die Akte genauestens durchgeprüft, jedoch an keiner Stelle eine Anmeldung oder Erwähnung der Helene Schiffer gefunden.“ Ebd. (154)

[3] HHStAW 518 888 I (12).

[4] Die Gasse lag ursprünglich außerhalb, aber unmittelbar am Rande des mittelalterlichen Stadtkerns, in dem früher auch das jüdische Viertel angesiedelt war. Bezeichnenderweise trug die Metzgergasse früher auch einmal den Namen ‚Judengasse’. Hier stand früher auch die Synagoge, bevor sie in die Spiegelgasse verlegt wurde. Mit dem Neuaufbau der Stadt nach dem 30jährigen Krieg wurde die Metzgergasse in den Stadtkern aufgenommen. Noch heute stehen hier die ältesten Wohnhäuser der Stadt. Um 1915 erhielt die Gasse ihren heutigen Namen ‚Wagemannstraße’.

[5] Die Eltern von Feiwel Ehrenberg waren Marcus Ehrenberg und seine Frau Reizel, geb. Fertig, siehe ‚DB Jüdische Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs Wiesbaden’.

[6] Ein eigener Eintrag im Wiesbadener Adressbuch ist nicht vorhanden.

[7] Vermutlich war die Familie bereits vor 1935 von Wiesbaden verzogen, denn schon im JAB 35 ist sie nicht mehr erwähnt. Auch gehörte sie nicht zu denjenigen, die im Oktober 1938 bei der sogenannten „Polenaktion“ von Wiesbaden aus über die Grenze nach Polen abgeschoben worden waren. Ein Eintrag im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz ist für alle drei nicht vorhanden. Aus den Akten des Entschädigungsverfahrens für Josef Schiffer ergibt sich allerdings, dass das Paar noch weitere Kinder hatte, die den Holocaust auch überlebt haben müssen. Sie werden neben anderen Nachkommen aus anderen Familienzweigen nach Ehrenberg, Nachmann (Nikolaus) mit den jeweiligen Geburtsdaten aufgeführt. Es handelt sich um Ehrenberg, Heinz, geb. 23.7.1914, Ehrenberg, Ferdinand, geb. 8.12.1917, und Ehrenberg, Max, geb. 24.11.1924. Die Eltern sind in dem Schreiben vom 25.6.1962 nicht mehr aufgeführt, siehe HHStAW 518 887 (75).

[8] Heiratsregister der Stadt Wiesbaden 1919/58.

[9] Hier gibt es zwar einen Eintrag für eine Helene Schiffer aus Fürth, es scheint sich aber hier um den Mädchennamen der Frau zu handeln, zudem hatte sie ein anderes Geburtsdatum als das in der Heiratsurkunde eingetragene.

[10] HHStAW 518 899 (9). Rosa Schnürmacher (auch Schnirmacher geschrieben) war am 23.8.1886 in Wilna als Tochter von Max Schnürmacher und seiner Frau Lea, geb. Wittenberg, geboren worden.

[11] Nico Nachum, geb. am 15.5.1912, Leonard Seew, geb. am 4.3.1917 und Karl Amos, geb. 1.2.1918, siehe Genealogische Datenbank der Paul-Lazarus-Stiftung Wiesbaden.

[12] Ebd. (26) Sein Bruder Leo gab im späteren Entschädigungsverfahren andere Adressen als Rosa Schiffer an, nämlich zunächst die Marxstraße und später die Taunusstr, 5, sagte aber auch aus, dass die Familie sich „aus diesem Unternehmen gut ernährt“ habe. Dass der Ladenbetrieb zwischenzeitlich in die Taunusstraße verlegt worden war, wird auch von anderen Zeugen bestätigt, siehe ebd. S. 40.

[13] HHStAW 518 889 (40).

[14] Ebd. (26). Ob die Darstellung so ganz zutreffend ist, muss allerdings in Frage gestellt werden, denn Habicht war zwar eine führende NSDAP-Figur gerade in der Wiesbadener Kommunalpolitik, er Reichstagsabgeordneter der NSDAP, aber kein Gauleiter und in der in Frage stehenden Zeit war er primär in Österreich bei der Destabilisierung des Dollfußregimes aktiv. Da er aber aus Wiesbaden stammte, vermutlich auch öfter zu Hause war und hier seine alten Verbindungen hatte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er mit der Schließung des Ladens etwas zu tun hatte.

[15] Ebd. (9, 26). Die Angaben der kommunalen Behörden zu den Geschäften sind widersprüchlich. So gab das Finanzamt Wiesbaden später an, die Geschäfte seien jeweils auf den Namen von Ferdinand Schiffer angemeldet gewesen, beim städtischen Gewerbesteueramt war hingegen ausschließlich Rosa Schiffer als Inhaberin der Geschäfte eingetragen, siehe ebd. (16, 23).

[16] Sterberegister der Stadt Wiesbaden 1937 / 1664.

[17] Dazu HHStAW 518 889 (9, 40, 41).

[18] Ebd. (58, 9). Im Entschädigungsverfahren war bezüglich der Auswanderung nur von ihr selbst die Rede, nicht von den Kindern. Auch diese lebten später in Israel. Von dem ältesten Sohn Nico Nachum, der im Rahmen der Wiesbadener Besuchsprogramme für ehemalige jüdische Mitbürger noch einmal seine Heimatstadt besuchte, weiß man, dass er bereits 1934 ausgewandert war.

[19] HHStAW 518 888 I (12). Leo Schiffer gibt hier als Todesjahr der Mutter fälschlicherweise das Jahr 1914 an, der Eintrag im Sterberegister der Stadt Wiesbaden belegt aber, dass diese am 31.12.1918 verstorben ist, siehe Sterberegister der Stadt Wiesbaden 1918/2449.

[20] HHStAW 518 888 (373).

[21] Die genauen biographischen Daten der Kinder: Alice geb. am 27.9.1914. Sie verstarb schon nach zwei Monaten am 20.11.1914. Norbert, geb. am 11.1.1916, heiratete im März 1944 in Palästina Bertha Atlas. Heinrich wurde am 25.11.1919 geboren.

[22] Ebd. Bei seinem Antrag auf Entschädigung gab Leo Schiffer als Beruf „Juwelier“ an, ebd. (21).

[23] Leo Schiffer konnte in vielen Fällen detailliert nachweisen, zu welchen Preisen er die Einrichtung wann und wo gekauft hatte und wer die Aufkäufer des Mobiliars waren, siehe HHStAW 518 888 (84 f.).

[24] HHStAW 518 888 I (84, 169). Die Aussagen der Familienmitglieder zur Ausreise sind nicht widerspruchsfrei. Während der Sohn Norbert in einer eidesstattlichen Erklärung angab, bereits im Juli 1936 ausgereist zu sein, gab der Vater in seiner Darstellung zu Protokoll, dass er 1937 Tickets für seine Frau und seine zwei erwachsenen Söhnen gekauft habe, sie also alle gemeinsam ausgereist seien.

[25] HHStAW 518 888 (143 f., 171).

[26] Siehe zu dem Vorgang die diversen Eingaben und Schriftsätze in HHStAW 518 888 I passim. Lange vor dieser Auseinandersetzung mit der Entschädigungsbehörde um die Juwelen hatte diese bereits am 8.2.1951 in ihren Akten, einen Vermerk angelegt, der auch der Betreuungsstelle übermittel worden war. Unter dem Punkt „rassisch Verfolgter“ heißt es dort:„nicht anerkannt“ und unter „Zulässigkeit“ des Antrags auf Entschädigung: „zweifelhaft“. Ganz offensichtlich begegnete man dem Antragsteller noch bevor entsprechende Belege und Zeugenaussagen in Augenschein genommen worden waren, mit einer völlig unbegründeten Skepsis. Daran, dass er und seine Familie als Juden rassistischer Verfolgung ausgesetzt waren, konnte ernsthaft kein Zweifel bestehen. Siehe ebd. (4).

[27] Ob sich die Ereignisse tatsächlich in der von Leo Schiffer dargestellten Weise zugetragen haben, ließ sich nicht mehr klären. Unklar ist zudem, ob die Entschädigungsbehörde den Schaden regulierte. Laut einem Bescheid vom 12.5.1964 wurde der Plünderungsschaden durch Bescheid vom 15.2.1963 (147) „ersetzt“. In diesem Bescheid steht aber ausdrücklich: „Unter Würdigung all dieser Umstände konnte die Behörde nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Antragsteller einen Schaden der behaupteten Art erlitten hat. Der Antrag war deshalb abzulehnen.“ Ebd. (149).

[28] Lippert, Anita, Nordenstadt – Wiesbaden – Theresienstadt (Tschechoslowakei) – Wiesbaden –Philadelphia, New York (SA) – Wiesbaden, in: Zurück in das Land, das uns töten wollte, Treuenfeld, Andrea (Hg.), München 2015, S. 29 f.

[29] Die am 10.1.1889 geborene Selma Fried wurde am 10.6.1942 von Wiesbaden aus deportiert und vermutlich in Sobibor umgebracht. Ludwig Fried, geboren am 20.8.1890 war mit der aus Mainz stammenden Arierin Elisabeth Salzinger verheiratet, die als evangelisch Getaufte sehr bewusst zum jüdischen Glauben konvertiert war. Da sie aber dennoch in der Rassenideologie als Arierin galt, rettete sie durch das Mischehenprivileg das Leben ihres Mannes und das der gemeinsamen Tochter Anita Rosel. Vater und Tochter waren aber zuletzt noch nach Theresienstadt deportiert worden, wurden 1945 aber von den sowjetischen Truppen befreit. Zum Schicksal der Familie siehe Lippert, Nordenstadt.

[30] HHStAW 685 754 (2).

[31] Die Recherchen des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V. konnten nicht sicher nachweisen, ob er Josef Schiffer dort überhaupt noch eine Praxis angemeldet hatte, siehe Sie waren unsere Nachbarn. Geschichte und Schicksale jüdischer Familien aus Igstadt, Wiesbaden 2014, S. 99.

[32] Zur Familie Löwensberg siehe umfassend Sie waren unsere Nachbarn.

[33] HHStAW 685 754 passim. In einer Aufstellung des Finanzamts Wiesbaden vom Mai 1939 wurden von 1931 bis 1938 folgende Einkommen nach Abzug von Werbungskosten und Sonderausgaben gemeldet: 1931 = 608 RM, 1932 und 1933 kein Einkommen, 1934 = 403 RM, 1935 kein Einkommen, 1936 nicht veranlagt, 1937 = 1023 RM, siehe ebd. (101). Siehe dazu auch 518 887 (20).

[34] HHStAW Ebd. (86). Eigenartigerweise findet sich im Wiesbadener Adressbuch 1934/35 ein Eintrag von Josef Schiffer, Dentist, mit der Adresse Neugasse 3 II.

[35] Sie waren unsere Nachbarn, S. 100.

[36] HHStAW 469/33 2612 (4).

[37] HHStAW 518 887 (28).

[38] Sie zur „Judenpolitik“ im besetzten Belgien Reitlinger, Endlösung, S. 388 ff.

[39] http://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=7859304&ind=11.

[40] Unter der Machtbefugnis des ehemaligen Polizeipräsidenten von Breslau, dem SS-Oberführer Albrecht Schmelt, der vermutlich Himmler unmittelbar unterstellt war, war seit 1940 in Oberschlesien „polypartig“ – wie Steinbacher schreibt – ein weitgehend unbekanntes System von etwa 160 Arbeitslagern entstanden, in denen jeweils meist 100 bis 400 jüdische Arbeitskräfte zusammengefasst waren. In diesem Lagersystem hatten, anders als sonst, ökonomische Prioritäten Vorrang vor dem Ziel der Vernichtung. Mit Hilfe der Judenräte wurden zunächst die oberschlesischen Juden rekrutiert, die dann gegen entsprechende „Leihgebühren“ zugunsten der SS an Firmen wie die I.G.-Farben oder andere kriegswichtige Unternehmen der Region, aber auch an die Reichsautobahnbauleitung verliehen wurden. Später wurden auch Züge, die auf ihrem Weg nach Auschwitz waren, vom Kommando Schmelt einer ersten Selektion unterzogen, bis Eichmann und Höss diese Maßnahmen unterbanden. Aber erst 1943 wurden die Arbeitslager in das KZ-System als Außenlager von Groß-Rosen und Auschwitz eingebunden. Das größte Lager, Blechkammer (Blachowina), in dem 3000 Häftlinge im dortigen Hydrierwerk daran arbeiteten, Kohle in flüssige Brennstoffe zu verwandeln, kam sogar erst im April 1944 zu Auschwitz, siehe Wachsmann, Nikolaus, KL – Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, München 2016, S. 384. Zum Kommando Schmelt siehe umfassend Steinbacher, Sybille, „Musterstadt“ Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Oberschlesien, München 2000, S. 138-152, eine knappe Zusammenfassung ist zu finden unter http://www.yadvashem.org/odot_pdf/Microsoft%20Word%20-%205806.pdf.

[41] Siehe Eintrag im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz für Herbert Schiffer.

[42] HHStAW 469/33 2612 (17). Für die Ermordeten sind in Yad Vashem verschiedene ‚Pages of Testimony’ hinterlegt, für Martha  Schiffer, geb. Fried http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=Schiffer&s_firstName=&s_place=Wiesbaden, für ihren Mann Josef, http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=Schiffer&s_firstName=&s_place=Wiesbaden und für den Sohn Herbert http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=Schiffer&s_firstName=&s_place=Wiesbaden. Auf dem Grabstein von Ludwig und Elisabeth Fried auf dem Jüdischen Friedhof an der Platter Straße wird ebenfalls an die ermordeten Geschwister von Ludwig Fried, an Selma Fried und Martha Schiffer erinnert.

[43] HHStAW 519/3 7992 (3).

[44] Ebd. (4).

[45] Unbekannte Liste X3.

[46] http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_lastName=Schiffer&s_firstName=Helene&s_place=Wiesbaden.