Lanzstr. 6


Lanzstr. 6 heute
Das ehemalige Judenhaus Lanzstr. 6 heute
Eigene Aufnahme
Lage Lanzstr 6
Lage des ehemaligen Judenhauses Lanzstr. 6
Belegung des Jugendhauses Lanzstr. 6

 

 

 

 

 


Albert und Olga Lucia Mayer, geb. Blum

 

Wie auch bei einigen anderen Häusern ist nicht nachvollziehbar, wieso die Villa in der Lanzstr. 6 von der NSDAP auf die Liste der Judenhäuser gesetzt wurde, war das ursprünglich als Einfamilienhaus konzipierte Domizil eigentlich völlig ungeeignet, eine größere Zahl von Menschen unterzubringen.
Die Anlage der nach dem ehemaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Wilhelm Lanz benannten Straße diente der Erweiterung des Villenviertels, das unterhalb des Wiesbadener Hausbergs, dem Neroberg, gelegenen war und sich vom Nerotal aus den sonnenbeschienenen Hang hinauf auszudehnen begann. Mit der Errichtung der sogenannten Griechischen Kapelle Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Neroberg zur besonderen Touristenattraktion für die in der Kurstadt weilenden Gäste, galt aber auch den einheimischen Bewohnern als willkommenes Ausflugsziel. Zwei Kaffeebuden und eine kleine Halle wurden noch in den 1850er Jahren auf der Höhe errichtet und im selben Jahr, in dem die Lanzstraße angelegt wurde, nahm die Nerobergbahn ihren Betrieb auf. Weinberg-, Neroberg- und Lanzstraße bildeten einen Ring, mit dem das Gebiet unterhalb des Nerobergs für eine attraktive Bebauung erschlossen werden konnte.
Auf einem ehemaligen Gärtnereigelände waren um das Jahr 1890 in der Lanzstraße sechs kleine Villen mit zweieinhalb Geschossen erbaut worden, die von dem Architekten Frorath entworfen worden waren.[1] Leider existiert kein Foto des Hauses mit der Nummer 6, das im Krieg völlig zerstört wurde, aber das baugleiche gegenüberliegende Gebäude hatte den Krieg unbeschadet überstanden und vermittelt einen Eindruck davon, wie gut sich die Nummer 6 in das Ensemble der übrigen Bebauung eingepasst haben wird.

Die Villa in der Lanzstr. 4 war baugleich mit der im Krieg zerstörten Lanzstr. 6 Mit Dank an Herrn D. Schaller
Die Villa in der Lanzstr. 4 war baugleich mit der im Krieg zerstörten Lanzstr. 6
Mit Dank an Herrn D. Schaller

1930 – am 21. März wurde der Grundbucheintrag vollzogen – erwarb Olga Lucia Mayer, die Ehefrau des Fabrikanten Albert Mayer, die kleine Villa von der Privatiere Dörr,[2] sicher mit dem Ziel, in Wiesbaden einen geruhsamen Lebensabend verbringen zu können.

Das Ehepaar lebte damals noch in dem thüringischen Mühlhausen, wo Albert Mayer Teilhaber einer Textilfirma war. In der Steuererklärung für das Jahr 1933, die er noch in Mühlhausen einreichte, gab er als Adresse die dortige Erfurter Str. 7 an,[3] führte unter der Rubrik Grundvermögen aber bereits das Haus in Wiesbaden an. Im Wiesbadener Adressbuch sind Mayers erstmals im Band 1932/33 als Eigentümer des Hauses aufgeführt. Zwar wurden sie im folgenden Jahr 1934/35 auch als Bewohner des Hauses genannt, aber in den weiteren Bänden der Jahre 1936/37 und 1938 findet man hinter dem Namenseintrag in Klammern immer nur den Vermerk „Mühlhausen Thür.“. Tatsächlich haben sie aber weder 1934/35 in Wiesbaden gewohnt, noch lebten sie 1937/38 noch in Thüringen. Bereits am 9. Oktober 1936 hatte das Finanzamt Wiesbaden von den Kollegen in Mühlhausen die Steuerunterlagen des Ehepaars Mayer angefordert, für die es durch deren Umzug vom 1. Oktober 1936 nun zuständig sei.[4] Von daher erklärt sich, dass beide nicht im Jüdischen Adressbuch von 1935 aufgeführt sind, verwunderlich ist aber, dass darin auch das Haus selbst nicht als eines in jüdischem Besitz genannt wird. Tatsächlich gehörte es nicht Albert Mayer, wie es ebenfalls fälschlicherweise in den städtischen Adressbüchern heißt, sondern seiner Frau Olga, wie eindeutig dem Kaufvertrag, dem Grundbucheintrag und auch den Steuererklärungen zu entnehmen ist.

Stammbaum Blum Mayer
Stammbäume der Familien Blum und Mayer
GDB

Der jeweilige familiäre Hintergrund beider Ehepartner ist recht kompliziert und konnte bisher nicht vollständig aufgeklärt werden. Obwohl es für beide bereits die zweite Ehe war, scheint es dennoch einen gemeinsamen genealogischen und auch geographischen Hintergrund gegeben zu haben. Die meisten Familienmitglieder stammten aus dem pfälzischen Raum. Albert Mayer wurde allerdings am 13. Dezember 1869 in Großbockenheim bei Worms geboren, was aber auch nicht allzu weit von der Weinstraße entfernt liegt. In Bockenheim war die Familie Mayer schon seit mehreren Generationen ansässig, manche Zweige lebten in Groß-, andere in Kleinbockenheim. Alberts Eltern Moses und Martha Mayer, geborene Löb, zogen offenbar nach der Geburt von Albert von Groß- nach Kleinbockenheim, denn dort wurden mit Regina und Otto die weiteren bekannten Kinder des Paares geboren, Regina am 2. September 1871 und Otto am 28. März 1875.[5]

Am 13. Juli 1897 heiratete Albert Mayer zunächst die am 7. Oktober 1872 in Straßburg zur Welt gekommene Marie Levy.[6] Ihre Mutter Sara Levy, geborene Blum, stammte allerdings aus Herxheim bei Landau in der Pfalz. Dort war sie am 7. Dezember 1843 als Tochter und eines von insgesamt elf Kindern von Leon und Jeanette / Johanna Blum geboren worden. In einem „Handels-, Adress- und Firmenbuch der Königreichs Bayern“ aus dem Jahr 1864, wozu die Pfalz damals gehörte, findet man einen Leon Blum, der als Hanfhändler in Herxheim ein Geschäft betrieb. Möglicherweise handelt es sich um Marie Levys Großvater, vermutlich aber eher um einen Onkel denn er wird dort als „Leon Blum junior“ bezeichnet. Ein Sigmund Blum betrieb ein Mehl- und Spezereihandel und ein Wolfgang Blum verkaufte ebenfalls Spezereien, aber auch Tuche, Garn und Bänder – vermutlich waren beide Brüder von Leon junior.[7] Ein weiterer Sohn von Leon und Jeanette Blum war Samuel, geboren am 10. Dezember 1937 ebenfalls in Herxheim.[8] Er wurde später der Schwiegervater von Albert Mayers Bruder Otto.[9]

Marie Levys Großmutter Jeanette Blum war ebenfalls eine geborene Levy. Auch wenn das wohl einer der häufigsten jüdischen Namen ist, so ist es dennoch sicher kein Zufall, dass Alexander, der Ehemann von Sara Blum, ebenfalls mit Nachname Levy hieß. Er war am 14. Juli 1823 in Straßburg zur Welt gekommen.[10] Sara Blum war die zweite Frau von Alexander Levy. Zuvor war er mit ihrer älteren Schwester Esther Blum, geboren am 24. Juni 1837 in Landau, verheiratet gewesen. In dieser Ehe waren mehrere Kinder als ihre  Halbgeschwister geboren worden.[11] Sie selbst war vermutlich das einzige Kind aus der zweiten Ehe von Alexander Levy.[12]

Meldekarte Mayer Frankfurt
Meldekarte der Familie Mayer in Frankfurt / M.
ISG_A.12.02_M03703

Bereits etwa zwei Wochen vor ihrer Heirat hatten sich Albert Mayer und Marie Levy am 1. Juli 1897 in Frankfurt mit der Adresse Unterlindau 73a angemeldet.[13] Dem Eintrag ist zu entnehmen, dass Marie Levy bisher in Straßburg, ihr Ehemann im weit entfernten Mühlhausen in Thüringen gewohnt hatte. Allein diese große Entfernung lässt darauf schließen, dass beim Zustandekommen der Ehe, wenn nicht gar eine Kupplerin, dann wahrscheinlich verwandtschaftliche Verbindungen eine Rolle gespielt haben werden. Seit wann Albert Mayer in Thüringen lebte und arbeitete, ist nicht bekannt, Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass sein Umzug nach Frankfurt schon im Auftrag der Firma stattfand, in deren Dienst er später stand und an der er auch mit Kapital beteiligt war. Als Beruf von Albert Mayer ist sowohl in den Meldeunterlagen, als auch in den Frankfurter Adressbüchern zunächst allgemein Kaufmann angegeben, im folgenden Jahr wird er im Adressbuch dann als Agent für Baumwolle bezeichnet und 1903 heißt es, er sei Prokurist. Zwar ist nicht vermerkt, für welche Firma er diese Funktion ausübte, aber ab 1915 wird er erstmals als Inhaber der Firma „M. Bon & Co, Mühlhausen“ im Frankfurter Adressbuch aufgeführt. Es liegt daher nahe, dass er für diese Firma schon seit seiner Zeit in Mühlhausen tätig war.
Nach seinem Umzug war Albert Mayer, der ursprünglich die bayrische Staatsbürgerschaft besaß, am 3. Januar 1908 in den Preußischen Staatsverband aufgenommen worden.[14] Schon einige Jahre zuvor hatte sich mit der Geburt der Tochter Marcelle am 18. Februar 1900 in Frankfurt die Familie vergrößert.[15] Seit 1913 wohnte sie dann in der Östlichen Fürstenbergstr. 169 im zweiten Stock.

Bis 1918 findet man diesen gleichlautenden Eintrag in den Adressbüchern, dann, kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, zog Albert Mayer mit seiner Familie am 4. Oktober 1918 wieder zurück nach Mühlhausen.[16] Auch die Tochter Marcelle, die sich zuvor im Sommer 1915 als 15jährige von Frankfurt für zwei Jahre nach Kirn an der Nahe – möglicherweise für eine Lehre – abgemeldet hatte, kam jetzt mit nach Thüringen.

Sterbeeintrag von Marie Mayer, geb. Levy 105 / 1923
Sterbeeintrag von Marie Mayer, geb. Levy
Sterberegister Mühlhausen 105 / 1923

Am 16. Mai 1922 heiratete sie dort Hans Joseph Blank – mitunter auch Blanc geschrieben -, der am 4. Januar 1900 in Oldenburg zur Welt gekommen war.[17] Noch in Mühlhausen war dem Paar am 6. September 1926 eine Tochter geboren worden, deren Name aber nicht ermittelt werden konnte.[18] Das Paar lebte später in der Zeit vor seiner Auswanderung in Berlin-Charlottenburg.[19] Nur ein Jahr nach der Eheschließung von Marcelle und zehn Jahre bevor mit der „Machtergreifung“ der Nazis die systematische Verfolgung der Juden auch in Mühlhausen begann, verstarb am 19. Februar 1923 ihre Mutter Marie.[20]

Mühlhausen, die Stadt, in der Albert Mayer auch nach dem Tod seiner Frau weiterhin viele Jahre seines Lebens verbrachte, ist unweigerlich mit den Ereignissen während des Bauernkriegs, besonders aber mit dem Wirken des Reformators Thomas Müntzer verknüpft.[21] Juden gab es dort schon seit dem 13. Jahrhundert. Vertreibungen und Pogrome gehörten auch hier seit Jahrhunderten zur immer wiederkehrenden Erfahrung der Menschen mosaischen Glaubens. Wie überall wurden sie über viele Jahrhunderte als Mitbewohner minderen Rechts diskriminiert und oft auch gehasst, andererseits war man aber in wirtschaftlicher Hinsicht immer auch auf sie angewiesen.[22] Erst durch die Verbreitung des Code Napoleon in dem damals zum Königreich Westfalen gehörenden Gebiet um Mühlhausen erlangten sie dann eine rechtliche Gleichstellung. Einige Juden dankten es den Franzosen auch dadurch, dass sie ihren neuen Familiennamen, die anzunehmen sie im Zuge der Verwaltungsreformen auch gezwungen waren, einen französischen Klang verliehen. So wurde etwa aus der dort ansässigen Familie Oppenheimer Oppé.[23]

Mühlhausen in Thüringen

1806 wurde auch erstmals eine eigene jüdische Gemeinde in der Stadt gegründet. Schon unter den ältesten überlieferten Gemeindevorstehern des Jahres von 1822 ist neben einem Oppé auch ein Bon genannt,[24] der selbst oder einer seiner Nachkommen mit Sicherheit zu den Gründern des Unternehmens gehörte, an dem später Albert Mayer als Kommanditist beteiligt war. Da die Franzosen aber nicht nur als Befreier, sondern auch als Eroberer gekommen waren, schlug auch die Haltung der Juden ihnen gegenüber bald um. Seit an Seit kämpften sie mit ihren christlichen Volksgenossen in den Befreiungskriegen, die den Deutschen zwar die Befreiung vom französischen Joch brachten, den Juden aber wieder den Verlust ihrer rechtlichen Gleichstellung. Die erhielten sie erst 1869 wieder, nachdem auch Thüringen im Zuge der Bismarckschen Reichseinigungspolitik in den preußischen Machtbereich eingebunden wurde. Auf die weiterhin faktische Diskriminierung im Alltagsleben hatte das allerdings nur marginale Auswirkungen.
Mit den Gründerjahren fanden aber immer mehr Juden, die bisher weitgehend die typischen Berufe des Landjudentums – Vieh- und ambulanten Textil- oder Landhandel – ausgeübt hatten, ihr Einkommen auch als Ärzte und Anwälte im Sektor akademischer Dienstleistungen oder in der wachsenden mittelständischen Industrie. So waren aus der traditionsreichen, früher verlagsmäßig organisierten Tuchproduktion in und um Mühlhausen die Webereien ‚Oppé’ und als größtes jüdisches produzierende Unternehmen der Stadt die Weberei ‚Bon & Co.’ hervorgegangen.[25] Allerdings hatte zumindest die letztgenannte Firma, die bereits 1853 gegründet worden war, auch bis ins zwanzigste Jahrhundert zumindest partiell an der vorindustriellen Produktionsweise festgehalten, wie ein langjähriger Geschäftspartner im späteren Entschädigungsverfahren erläuterte. In den umliegenden Dörfern seien bis zuletzt etwa 600 bis 1000 Weber in Heimarbeit beschäftigt gewesen. In Mühlhausen selbst habe es weitere Arbeiter, über deren Anzahl er keine Angaben machte, und etwa 30 Angestellte gegeben. Produziert wurden wollene und halbwollene Frauenkleiderstoffe von einfacher Qualität, die bei der bäuerlichen und proletarischen Bevölkerung reißenden Absatz fanden und sogar ins Ausland exportiert worden seien.[26]
Etwa 160 Jüdinnen und Juden bewohnten zur Zeit der Reichsgründung die Stadt, die sich weitgehend zum Reformjudentum bekannten und sich auch den Traditionen der Mehrheitsgesellschaft anzupassen versuchten, was z. B. daran deutlich wird, dass man das Channukafest mit Weihnachtsbäumen feierte. Ein Repräsentant der alten jüdischen Familie Bon, Heinrich Bon, trat 1908 sogar aus der jüdischen Gemeinde aus.[27] Das änderte sich auch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in dem auch einige jüdische Bürger der Stadt ihr Leben verloren hatten, trotz der antisemitischen ausgerichteten Dolchstoßlegende nicht wirklich. Juden fühlten sich auch in Mühlhausen primär als Deutsche. Der bekennende Zionist Max Rosenau, der 1924 als Rabbi in die Gemeinde kam, fand mit seinen politischen Ansichten kaum Gehör. Wesentlich für die Identität und die Lebensgestaltung blieb der soziale Status, nicht die Religion. Die meisten Juden lebten eher in bescheidenen Verhältnissen, aber es gab auch die Gruppe der Kaufleute und Fabrikanten, die sich zum gehobenen Bürgertum der Stadt zählten.[28] Zu dieser Schicht gehörte zweifellos auch die zugewanderte Familie Mayer. Ob sie sich auch in der jüdischen Gemeinde engagierte, ist nicht bekannt, aber allein durch die von ihr erbrachten Steuern wurde die Gemeinde in ihrer Arbeit unterstützt. Einer Auflistung der jüdischen Steuerzahler aus dem Jahr 1921 ist zu entnehmen, dass Albert Meyer (sic!) mit seiner Steuerleistung an die Stadt aber auch die jüdische Gemeinde damals mit 360 Mk, bzw. 216 Mk im Mittelfeld lag. Aber nur sieben der insgesamt 65 jüdischen Steuerzahler hatten eine staatliche Abgabe von mehr als 1.000 Mark aufzubringen.[29]
Und selbstverständlich gab es trotz aller Assimilierungsbestrebungen auch in den Jahren vor der Nazi-Herrschaft Flugschriften, die zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen. Im Fokus stand das 1908 errichtete erste große Kaufhaus der jüdischen Familie Eckmann in zentraler Lage der Stadt,[30] später trafen die Aufrufe das 1927 errichtete Kaufhaus Manasse, das zum Schocken-Konzern gehörte, und die Filiale der auch in Wiesbaden ansässigen Kaufhauskette Bormass.[31]

Waren aber die ersten Jahre der Weimarer Republik auch in Mühlhausen dennoch zunächst von den linken Parteien geprägt, so stellten auch dort bald die bürgerlichen Parteien die Mehrheit im politischen Spektrum der Stadt. Der Jude Georg Koppel, Kompagnon der Firma ‚M. Bon & Co.’ und Mitglied des liberalen ‚Bürgervereins’ hatte schon 1919 für seine Gruppierung ein Mandat im Stadtparlament gewonnen.[32] Erst Ende der 20er Jahre fand die 1925 in Mühlhausen gegründete NSDAP-Ortsgruppe stärkeren Zuspruch und erreichte 1932 bei den Reichspräsidentenwahlen erstmals eine absolute Mehrheit.[33]

1933 begannen auch in dem thüringischen Städtchen die übliche Hetze, die systematische Ausgrenzung und dann auch die Verfolgung der jüdischen Mitbürger und Geschäftsleute. Aus der alten Jüdenstraße wurde die Horst-Wessel-Straße, neben der Synagoge verbreitete ein Stürmer-Kasten seine antisemitischen Gräuelgeschichten, im benachbarten Langensalza wurde Hunden und Juden der Zutritt des Bades verwehrt und immer mehr jüdische Geschäftsleute gaben angesichts der permanenten Boykottdrohungen auf, verließen die Stadt oder sogar das Land.[34]

Auch die Firma ‚Bon & Co.’ litt unter der antisemitischen Propaganda, so ehemalige Mitarbeiter, wenngleich sich dies in den Umsatzzahlen so nicht widerspiegelt. Allerdings sind Zahlen aus den zwanziger Jahren nicht bekannt und die vorhandenen der Jahre 1933 bis 1935 müssen vor dem Hintergrund der gerade überwundenen Weltwirtschaftskrise bewertet werden. 1933 wurden ein Umsatz von etwa 320.000 RM und ein Gewinn von 13.600 RM erzielt. Im folgenden Jahr stiegen die Umsätze sogar auf über 440.000 RM an, der Gewinn auf 60.000 RM, um dann aber 1935 wieder auf 360.000 RM Umsatz und 23.000 RM Gewinn zurückzugehen.[35] Trotz dieser Zahlen entschlossen sich die Eigentümer das Unternehmen zum Ende des Jahres 1935 zu veräußern. Ganz sicher hatten sie die allgemeine politische Stimmung in Deutschland damals richtig eingeschätzt und den dauerhaften Bestand ihrer Firma als illusionär angesehen. Im späteren Entschädigungsverfahren erweckten die Zahlen und auch diese frühe Entscheidung hingegen Zweifel an der Tatsache, dass es sich hier um eine zu entschädigende Arisierung, d.h. auch um eine Beschränkung im wirtschaftlichen Vorankommen gehandelt habe.[36] Die Zweifel konnten erst durch die eidesstattlichen Erklärungen zweier Zeugen ausgeräumt werden. Die Eigentümer hätten damals die Firma in der ‚Frankfurter Zeitung’ zum Verkauf angeboten, um noch eine möglichst große Summe Geldes dafür zu erhalten. Tatsächlich fand sich so ein Käufer namens Schmidt aus dem Schwarzwälder Zell, der bereit war 144.000 RM für das Unternehmen zu zahlen. Der am 4. Juli 1936 geschlossene Vertrag sollte rückwirkend zum 1. Januar 1936 in Kraft treten. 100.000 RM waren bereits gezahlt, die Restsumme sollte verzinst in den folgenden Monaten beglichen werden.[37] Ein Dreivierteljahr später wurden diese Abmachungen durch einen gerichtlichen Vergleich aber wieder aufgehoben. Die Firma sollte mit den bereits gezahlten 100.000 RM in Besitz des neuen Eigentümers übergehen.[38]

Hintergrund dieser neuen Regelung soll nach Aussage eines damaligen Mitarbeiters eine angedrohte Betrugsanzeige von Schmidt gegen die alten Eigentümer wegen eines Bilanzfehlers von 2.000 RM gewesen sein.[39] Um eine solche Verurteilung, die in dieser Zeit für Juden unabsehbare Folgen haben konnte, zu vermeiden, stimmten Albert Mayer und sein Kompagnon Georg Koppel dem Vergleich zu und verzichteten auf fast ein Drittel der eigentlich verabredeten Summe. Spätestens mit diesem Vergleich, der nur vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Unrechtsstaats zustande kommen konnte, war der Verkauf des Unternehmens unzweifelhaft zu einer Arisierung geworden.

Noch bevor die Jahre der Verfolgung begonnen hatten, war vier Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Albert Mayer am 31. Januar 1927 eine neue Ehe mit der ebenfalls verwitweten Olga Lucia Bauerle, geborene Blum, eingegangen.[40] Sie stammte, wie seine erste Frau, ebenfalls aus dem Elsass, war allerdings am 7. Mai 1876 im dortigen Benfeld zur Welt gekommen. Aufgrund ihres Geburtsnamens liegt die Vermutung nahe, dass auch sie aus dem familiären Umfeld der Blums aus Herxheim kam. Allerdings sind nur die Namen ihrer Eltern, Joshua und Emilie Sophie Blum, geborene Koch, bekannt,[41] sodass eine solche Verbindung bisher nicht konkret rekonstruiert werden konnte.

Wo Albert und Olga Mayer die Ehe geschlossen hatten, konnte bisher allerdings nicht ermittelt werden. Es steht nur fest, dass dies nicht Mühlhausen geschah.[42] Obwohl Albert Mayer als Fabrikant finanziell abgesichert war, kam auch ein beträchtlicher Teil des gemeinsamen Vermögens von Seiten seiner Frau. Durch ihre erste Ehe mit Franz Bauerle, dem Eigentümer einer Kohlengroßhandlung in Stuttgart, war ihr nach dessen frühem Tod ein nicht unbeträchtliches Vermögen zugefallen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war ihr Mann nicht jüdischen Glaubens, sondern evangelisch getauft.[43] Zwar war sie selbst von ihrer Herkunft her jüdisch, vermutlich aber im Rahmen der ersten Eheschließung dann selbst zum evangelischen Glauben konvertiert.[44]
Wann sie zur Witwe wurde, konnte zeitlich nur eingegrenzt, nicht aber exakt bestimmt werden. Im Adressbuch von Stuttgart, wo das Paar lebte und wo auch die Firma angesiedelt war, findet man in der Ausgabe von 1920 die Angabe, dass sich die Kohlehandlung selbst in der Hegelstr. 14, die Wohnung des Eigentümers aber in der Zeppelinstr. 153 befinden würde. Fünf Jahre später ist nur noch die Firma als Kommanditgesellschaft mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Karl Ingelfinger eingetragen, Olga Bauerle, Witwe, wohnte aber weiterhin in der Zeppelinstraße. Im Zeitraum zwischen 1920 und 1925 wird ihr Ehemann demnach verstorben sein.

Das gemeinsame Vermögen von Albert und Olga Mayer belief sich im Jahr 1935 auf rund 215.000 RM.[45] Der Anteil von Albert Mayer an der Wollweberei, die mit einem Einheitswert von 160.000 RM taxiert worden war, betrug etwas weniger als 50 Prozent. Seine Frau besaß als Kommanditistin einen etwa gleichgroßen Anteil an der Kohlegroßhandlung Bauerle in Stuttgart, also ebenfalls etwa 80.000 RM, hinzu kam bei ihr noch das Haus in der Lanzstraße, das einen Einheitswert von knapp 24.000 RM hatte.[46]

Der Verkauf der Mühlhausener Firma hatte das zuständige Finanzamt zum Anlass genommen, die dortige Polizei zu informieren und sie um eine schärfere Überwachung des Ehepaars Mayer zu bitten. Man wisse nicht, was Albert Mayer mit dem Erlös gemacht habe, aber er stehe im Verdacht, aus Deutschland auswandern und das Kapital entgegen den Devisenbestimmungen illegal ins Ausland transferieren zu wollen, um sich der dann fälligen Reichsfluchtsteuer zu entziehen:
“Um Verluste bei dieser Abgabe zu vermeiden, ist es angebracht, die Auswanderungsabsichtendes M. tunlichst zu erforschen, damit rechtzeitig die nötigen Schritte zwecks Sicherstellung des Steuereinganges getroffen werden können.“
Als Indiz für solche Pläne wurde der Abwesenheit von Hans Blank, dem Schwiegersohn des Steuerpflichtigen, gewertet. Er halte sich – wo genau, war nicht bekannt oder ist zumindest nicht genannt – derzeit „zwecks Information“ im Ausland auf.[47]
Zwar teilte die Polizei im Juli 1936 der Finanzbehörde mit, dass ihr keine Informationen vorlägen, aus denen Auswanderungsabsichten von Albert Mayer hervorgehen würden. Die Eheleute besäßen allerdings Reisepässe, die bis Frühjahr 1937 bzw. 1938 gültig seien, weshalb man deren Gültigkeit vorsorglich bis zum Ende des laufenden Jahres limitieren werde.[48] Unabhängig davon war das Finanzamt Mühlhausen bereits im Monat zuvor aktiv geworden und hatte einen Betrag von 46.500 RM als Sicherheitsleistung für eine eventuell fällige Reichsfluchtsteuer gefordert, die innerhalb von 5 Tagen bereitzustellen war.[49]

Ganz offensichtlich hatte das Ehepaar tatsächlich damals Flucht- bzw. Ausreiseüberlegungen angestellt. Wie aus einem Schreiben der Reichsfluchtsteuerstelle des Finanzamts Wiesbaden vom 25. Mai 1937 hervorgeht, hatten die beiden dort eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt und um deren „alsbaldige“ Zusendung gebeten. Der Ausstellung dieses Formulars, das Voraussetzung für die Erteilung eines Reisepasses und damit der legalen Ausreise war, sprach insofern nichts entgegen, als sie der im Jahr zuvor geforderte Sicherstellung der Reichsfluchtsteuer durch die Übergabe von Wertpapieren im Wert von 10.000 RM und zudem durch den Eintrag einer Sicherungshypothek über 26.000 RM auf das Haus in Wiesbaden im Grundbuch nachgekommen waren.[50] Dieser Antrag ist allerdings der einzige Hinweis darauf, dass Albert und Olga Mayer eine Ausreise aus Deutschland planten. Zwar hatten sie Mühlhausen inzwischen verlassen und waren nach Wiesbaden gezogen, vermutlich in der irrigen Hoffnung, dort mit ihrem ersparten Vermögen, zurückgezogen in einer kleinen Villa, vor Attacken, wie sie sie in Mühlhausen erleben mussten, verschont zu bleiben.
Laut Auskunft ihres Steuerberaters besaßen Mayers 1937 noch ein Gesamtvermögen von knapp 143.000 RM, hatten somit gegenüber dem Jahr 1935 Verluste von etwa 43.000 RM hinnehmen müssen. Nicht nur die Verluste beim Verkauf des Betriebs waren dafür verantwortlich, sondern auch Steuern in der Höhe von 10.000 RM hatten sie an das Reich zahlen müssen.[51] Die sonst üblichen Vorteile, die die Steuerlast minderten, waren den Juden längst gestrichen worden. Um eine Neuberechnung der Vermögenssteuervorauszahlungen und auch der Reichsfluchtsteuer kämpften sie lange vergeblich.

Leon Blum, Jeanette Levy Blum, Esther Blum Levy, Alexander Levy, Sara Blum Levy, Otto Mayer, Paula Löwenstein Mayer, Regina Mayer, Albert Mayer, Moses Mayer, Martha Löb Mayer, Josua Blum, Emilie Blum Mayer, Olga Lucia Blum Mayer, Robert Blum, Hedwig Blum, Maria Levy, Hans Blank, Mardelle Mayer Blank, Judenhäuser Wiesbaden, Judenhaus, Lanzstr. 6, Klaus Flick
Sicherungsanordnung gegen Alfred Mayer
HHStAW 519/3 4659 (4)

Nach ihrem Umzug in die hessische Kurstadt übernahmen die dortigen Behörden ihre Überwachung. Im Sommer 1938 forderte die Zollfahndungsstelle Mainz eine vorläufige Sicherungsanordnung, wodurch dem Ehepaar die freie Verfügung über ihr Vermögen entzogen wurde. Im September 1938 wurde diese Anordnung von der Devisenstelle in Frankfurt bestätigt. Das betraf nicht nur die Konten und Depots, auch im Falle des Verkaufs der Immobile oder von Unternehmensanteilen waren die entsprechenden Erlöse auf das gesicherte Konto einzuzahlen. Nur über die Erträgnisse, d.h. die Zinsen der Papiere, sollten sie frei verfügen können.[52] Ende September 1938 wurde ihnen dann ein fester monatlicher Freibetrag von 1.200 RM genehmigt – eine Summe, die das Vierfache des sonst üblichen Betrages ausmachte.[53]
Begründet wurde die Maßnahme weiterhin mit der Vermutung, Albert und Olga Mayer würden noch immer planen, Deutschland zu verlassen. Inzwischen – laut Angabe der Zollfahndungsstelle im Jahr 1935 – war offensichtlich Marcelle Blank mit ihrem Mann Hans nach Palästina ausgewandert und Albert Mayers Schwester Regina lebte seit acht Jahren, also seit 1930, in Brüssel.[54]

Vermögensaufstellung für Olga Mayer im Dez. 1938 durch ihren Mann HHStAW 685 560b (5)
Vermögensaufstellung für Olga Mayer im Dez. 1938 durch ihren Mann
HHStAW 685 560b (5)

Nach der Reichspogromnacht erfolgte mit dem Einzug der sogenannten „Sühneleistung“ für die vom Nazi-Mob angerichteten Schäden der nächste Schritt im Raubzug an den jüdischen Vermögen, so auch bei dem Ehepaar Mayer. Laut dem entsprechenden Berechnungsbogen für Albert Mayer besaß dieser Ende Dezember 1938 noch ein Vermögen von etwas mehr als 36.000 RM, von dem er zunächst ein Fünftel, d.h. 7.200 RM in vier Raten abzugeben hatte.[55]
Das Vermögen seiner Frau war erheblich größer und belief sich laut einer Aufstellung von Albert Mayer vom 5. Dezember 1938 auf 120.000 RM, wobei der Wert des Haus jetzt mit 45.000 RM – der Wert war in kurzer Zeit fast um das doppelte gestiegen – und der ihres Firmenanteils in Stuttgart mit 60.000 RM den größten Teil ausmachten. Wertpapiere und Sparguthaben bildeten den Rest.[56] Zwar ist der Berechnungsbogen für ihre Verpflichtungen nicht mehr in den Akten auffindbar, aber es steht außer Zweifel, dass auch sie die entsprechende Summe, es muss sich um etwa 20.000 RM gehandelt haben, hatte zahlen müssen.[57] Als nämlich Ende 1939 die 5. Rate eingefordert wurde, bat Albert Mayer zunächst darum, ihm diese Rate zu erlassen, da er nicht mehr über genügende liquide Mittel verfügen würde. Er habe auf Verlangen des Finanzamts alles Barvermögen und alle Wertpapiere einsetzten müssen, um auch die an seine Frau gerichteten Forderungen, die selbst über keine flüssigen Mittel verfügte, bezahlen zu können.[58] Wie zu erwarten wurde der Antrag abgelehnt. Es blieb Olga Mayer daher keine andere Wahl, als sich von ihrem Anteil an der Firma Bauerle zu trennen, um so an liquide Mittel heranzukommen. Die Einlage, die, obwohl nicht vollständig eingezahlt, dennoch einem Kapitalanteil von 72.000 RM entsprach, durfte sie auf Intervention des Kreiswirtschaftsberaters der NSDAP nicht zu dem eigentlich bereits 1938 vereinbarten Betrag von 75.000 RM veräußern. Erst im September 1940 kam dann ein Übereinkommen zustande, laut dem nur noch 60.000 RM an Olga Mayer für deren Anteile gezahlt werden mussten.[59] Verantwortlich für diese Minderung von 15.000 RM war aber nicht der Käufer, sondern der NS-Staat. Wie aus einem Schreiben der Hugo Stinnes AG vom 12. September 1940 hervorgeht, verlangte die „Württembergische Wirtschaftsbank“ diesen Differenzbetrag als Ausgleichsabgabe zu Gunsten des Deutschen Reichs. Die AG riet Olga Mayer dringend, dem Vertrag zuzustimmen, da sie bei einem anderen Käufer vermutlich noch weniger zu erwarten habe.[60]
In einem anderen Schreiben des Unternehmens wurde aus dem Rat eine deutliche Drohung. Der bisherige Mitgesellschafter im Unternehmen, die Stinnes-AG, die wiederum Teil des Kohlesyndikats war, beanspruchte mit der folgenden, unverblümt menschenverachtenden Argumentation die Anteile für sich: „Die Vertragsdauer ist auf 30 Jahre beschränkt und wenn die Kommanditistin früher stirbt, so gehen die Anteile automatisch an die Firma Stinnes über. Durch die Arisierungsgesetzgebung ist Frau O. L. Mayer in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen nicht mehr frei, also wirtschaftlich tot, so dass die Vertragsbestimmung hier in Tätigkeit tritt.“[61]
Der Finanztod, die Vorstufe des physischen Todes, wurde nicht nur von den Behörden vorangetrieben, sondern auch von der privaten Wirtschaft für ihre eigenen Zwecke ins Feld geführt.[62]

Mit dem Vertragsabschluss hatten Mayers einen weiteren erheblichen Vermögensverlust durch die Arisierung zu erleiden. Wegen der sich hinziehenden Verkaufsverhandlungen waren sie auch nicht in der Lage, die noch ausstehenden Raten für die Sühneleistung zu begleichen. Immer wieder musste Albert Mayer das Finanzamt um Fristverlängerung bitten.

Ohne den Raub und den ausgeübten Druck in irgendeiner Weise beschönigen zu wollen, muss man allerdings auch sagen, dass es Mayers im Vergleich zu vielen anderen Schicksalsgenossen selbst in diesen letzten Jahren finanziell noch relativ gut ging. Bis zum abgeschlossenen Verkauf waren allein Olga Mayer jährlich etwa 10.000 RM aus ihrer Einlage an Einkommen zugeflossen.[63] Hatte ihr gemeinsames Einkommen 1935 noch fast 20.000 betragen, so ging es in den folgenden Jahren allerdings deutlich zurück.[64]

Verfügen konnten sie über diese Beträge ohnehin nicht so ohne weiteres. Der Freibetrag des Paares wurde Anfang 1940 nun an den sonst üblichen von 300 RM angepasst.[65] Die Bitte von Albert Mayer, ihn wieder auf wenigstens 800 RM anzuheben, wurde seitens der Devisenstelle von der erneuten Abgabe einer Vermögens- und Einkommensaufstellung abhängig gemacht.[66] Am 14. Februar 1940 reichte er diese dort ein. Das Vermögen des Ehepaars belief sich formal noch immer auf 131.000 RM, etwa 26.000 RM in Form von Wertpapieren, mit 45.000 RM war der Wert der Immobilie veranschlagt – wie Albert Mayer schriftlich anmerkte, „nach der Bewertung zur Sühneabgabe“ – und 60.000 RM damals noch der Anteil seiner Frau an der Stuttgarter Kohlehandlung. Von dieser Gesamtsumme konnte Albert Mayer aber rund 50.000 RM für noch nicht geleistete Steuerzahlungen bzw. für die ihm nicht mehr zur Verfügung stehende Sicherung der Reichsfluchtsteuer abziehen, sodass insgesamt etwa 82.000 RM übrig blieben.
Sein Einkommen bezifferte er in der Aufstellung nur auf etwas mehr als 7.600 RM, wobei in diesem Jahr Olga Mayer noch einen Anteil der Ausschüttung aus ihrer Einlage als Kommanditistin erhielt. Seine monatlichen Kosten veranschlagte er auf insgesamt 670 RM, 200 RM für das Haus, 360 RM für den Lebensunterhalt und 60 RM für eine Hausangestellte, die auch verpflegt wurde. 45 RM setzte er für weitere kleinere Ausgaben wie Geschenke, Telefon und Zeitschriften an.[67]

Nach Einreichung des Formulars ließ die Devisenstelle über die Deutsche Bank, bei der das Sicherungskonto eingerichtet worden war, ihrem Kunden mitteilen, dass der Freibetrag wieder auf den alten Betrag angehoben werde.[68] Am 17. Dezember des folgenden Jahres wurde dieser aber dann erneut auf diesmal 500 RM reduziert.[69] Das knappe Schreiben der Devisenstelle ist das letzte schriftliche Lebenszeichen, das in seinen Akten erhalten geblieben ist. Über das folgende Dreivierteljahr, das er und seine Frau in ihrem Haus, das längst zum Judenhaus geworden war, verbrachten, liegen keine weiteren Zeugnisse vor.

Schon zuvor, um 1938, war das jüdische Ehepaar Clara und Nathan Jacobsohn in das Haus eingezogen. Mit ihnen teilten sich die Eigentümer zuletzt drei Zimmer im Erdgeschoss des Hauses, wobei dem Ehepaar Jacobsohn am Ende nur noch ein Raum zur Verfügung stand. Anfang 1939 war die verwitwete Schwägerin von Albert Mayer, Emma Löwenstein, die Frau seines verstorbenen Bruders Otto hinzugekommen und seit dem 1. September 1940 bewohnte die Hausangestellte Jüdin Dorothea Meyer mit einer dreimonatigen Unterbrechung ein Zimmer bei Jacobsohns. Im Dezember 1941 war das Ehepaar Glogowski aus dem gegenüberliegenden Haus Lanzstr. 11 eingezogen. Obwohl das Judenhaus Lanzstr. 6, ursprünglich ein Einfamilienhaus, damit von acht jüdischen Bewohnern belegt war, war es trotzdem kein „reines“ Judenhaus. Einige Zimmer der  ursprünglich im ersten Stock gelegenen Wohnung des jüdischen Ehepaars Jacobsohn waren am 9. Mai 1941 der nichtjüdische Familie van Hees zugewiesen worden, da diese ihre bisherige Wohnung durch einen Luftangriff verloren hatte.[70] Während der Ehemann Dienst bei der Wehrmacht leistete, war die Frau mit ihren beiden kleinen Kindern in Wiesbaden geblieben und musste sich angesichts des Wohnungsmangels die Einquartierung bei Juden gefallen lassen. Wie auch in anderen Judenhäusern der Fall – z.B. Kaiser-Friedrich-Ring 80 -, wurden diese konträr zu ihrer ursprünglichen rasseideologischen Zwecksetzung quasi auch als Wohnreserve für ausgebombte Volksgenossen genutzt.
Am 13. Februar 1942 zog mit Else Bauschke, geborene Sparwasser, eine weitere Arierin in das Judenhaus ein. Sie bezog drei Zimmer im Kellergeschoss.[71] Auffällig ist, dass am gleichen Tag, an dem der Mietvertrag geschlossen wurde, ihr Ehemann, der 21jährige, aus Biebrich stammende Autoschlosser und damalige Gefreite Karl Alexander Bauschke im Reservelazarett in Lütgendortmund nach einem Autounfall verstarb.[72]

In den letzten Monaten vor den Deportationen lebten in dem Judenhaus somit mehrere jüdische mit nichtjüdischen Personen unter einem Dach in drei inzwischen notdürftig getrennten Wohnungen zusammen. Leider gibt es keine Dokumente darüber, wie dieses gemeinsame Leben aussah, zu welchen Konflikten es damals wohl unweigerlich gekommen sein musste.

Das Ehepaar Glogowski gehörte wie auch Dorothea Meyer zu denjenigen, die bereits am 10. Juni 1942 deportiert wurden. Die Übrigen harrten in dem Haus bis Ende August aus. Dann erhielten sie die Nachricht, dass am 1. September auch für sie die Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt geplant sei. Die 73jährige Emma Löwenstein entzog sich diesem Ansinnen unmittelbar davor durch ihre Flucht in den Tod.

Die übrigen hatten sich am 29., dem letzten Shabbat des Monats August, in der zur Sammelstelle umfunktionierten Synagoge in der Friedrichstraße einzufinden – „Einlass ab 10.00 Uhr“ – hieß es zynisch in der Anordnung, die von den Vertretern der Bezirksstelle Hessen-Nassau der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ (RJD), von Dr. Guthmann und Dr. Goldstein, unterzeichnet war.[73] Das Schreiben enthielt auch detaillierte Informationen darüber, was mitzubringen und was zu Hause zu lassen war. Das noch vorhandene Vermögen war letztmalig in einer entsprechenden Erklärung zu deklarieren. Ganz offen wurden den „zur Abwanderung bestimmten Personen“ in dem Informationsblatt mitgeteilt, dass ihre Vermögen dem Reich verfallen und irgendwelche Schenkungen in letzter Minute strengsten untersagt seien. Zurück blieb damit auch die wertvolle Einrichtung der Wohnung von Mayers. Pelze, Schmuck und Edelmetall hatte bereits früher bei der städtischen Pfandanstalt gegen einen geringen Materialwert abgegeben werden müssen.[74]
Geregelt war auch die „Spende“ von Geldern an die Reichsvereinigung der Juden, mit der weitere Deportationen finanziert werden sollten. Von dem, dem Reichsfiskus verfallenen Vermögen, zweigte sich die SS mit dem Zwangsverkauf von sogenannten Heimeinkaufsverträgen noch einen eigenen Teil ab. Auch Mayers waren offenbar gezwungen worden, einen solchen „Vertrag“ abzuschließen, der ihnen angeblich freie Unterkunft und Verpflegung in Theresienstadt garantieren würde. Im Oktober 1942 wurden Wertpapiere über insgesamt 8.000 RM aus ihrem Depot von der Süddeutschen Bank verkauft und auf das entsprechende Konto der SS beim ‚Bankhaus Heinz Tecklenburg & Co.’ überwiesen.[75]

Am regnerischen Morgen des 1. September zogen etwa 360 Jüdinnen und Juden von der ehemaligen Synagoge durch Wiesbaden zu einem Nebengleis des Hauptbahnhofs, wo sich die Viehverladestation des nahe gelegenen Schlachthofs befand.

Das erste Ziel des Zuges war Frankfurt, wo aus der Stadt selbst und dem gesamten Regierungsbezirk Wiesbaden in den letzten Tagen die Menschen im jüdischen Altersheim am Rechnereigraben gesammelt worden waren. Die Wagen aus Wiesbaden wurden aber vermutlich direkt auf das Gleis in der Großmarkthalle geleitet und dort an den Zug angehängt, der die insgesamt mehr als 1100 Menschen am folgenden Tag, dem 2. September, nach Theresienstadt brachte.[76]
In dem Zug, dem man die Transportnummer XII/2 gegeben hatte, trugen Albert und Olga Mayer die Gefangenennummern 817 und 818.[77] Albert Mayer überlebte das Lager trotz seines Alters und seiner Vorerkrankungen länger als ein Jahr. Möglicherweise hatte er das seinem Wiesbadener Nachbarn zu verdanken, dem Arzt Dr. Hans Ludwig Posner, der früher in der Wiesbadener Lanzstr. 4 wohnte und am 27. April 1943 als jüdischer Partner in einer sogenannten Mischehe ebenfalls nach Theresienstadt deportiert wurde. Er überlebte und konnte später vom Tod Albert Mayers Zeugnis ablegen: „Ich habe sie [das Ehepaar Mayer –K.F.] dann in Theresienstadt wiedergesehen, und es ist mir bekannt, daß der Ehemann Mayer an einem schweren Blasenleiden im Laufe des Jahres 1944 dort verstorben ist. Ich habe zwar seine Leiche nicht gesehen, bin aber bei der Beerdigung zugegen gewesen, und es besteht demnach an dem Tode des Ehemanns Mayer kein Zweifel. Nach dem Tode des Ehemanns Mayer wurde im Herbst 1944 seine Ehefrau von Theresienstadt deportiert, vermutlich nach Auschwitz. Nach dieser Zeit habe ich nie mehr etwas von ihr gehört.“[78]

Dr. Posner lag mit seiner Vermutung grundsätzlich richtig, allerdings wurde sie nicht erst im Herbst, sondern bereits am 15. Mai 1944 mit mehr als 2500 weiteren Gefangenen aus Theresienstadt in dem Transport ‚Dz’ – ihre Transportnummer war die 1682 – in das Vernichtungslager verbracht.[79] Dieser Transport gehörte zu den drei, die dazu dienten, das Ghetto für die geplante Inspektion des Roten Kreuzes im Juni zu entleeren und ansehnlicher zu gestalten. Etwa 7.500 Menschen wurden für diesen Zweck geopfert und ins Gas von Auschwitz geschickt, darunter auch Olga Mayer.[80]

 

Albert Mayers Tochter hatte durch die gemeinsame Flucht mit ihrem Ehemann nach Palästina ihr Leben retten können. Wie für manch andere erwies sich auch für sie das gelobte Land der Zionisten als große Enttäuschung. Es war dem Paar offenbar nicht gelungen, dort wirklich Fuß zu fassen. Laut einer Bescheinigung der israelischen Sozialbehörde aus dem Jahr 1955 war ihr Mann Hans Blank lange Zeit arbeitslos gewesen, nachdem er seinen Job als Taxifahrer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte. Zuletzt hatte er noch eine schlecht bezahlte Halbtagsstelle in einem Büro gefunden. Das dort erzielte Einkommen reichte aber für den gemeinsamen Lebensunterhalt nicht aus. Auch Marcelle Blank selbst war all die Jahre kränklich und arbeitsunfähig. So hausten beide damals ohne ausreichende finanzielle Mittel in Untermiete in einem reparaturbedürftigen Zimmer in Tel Aviv. Bis die ersten Entschädigungsgelder sie nach dem Krieg erreichten, dauerte es mehr als zehn Jahre. Auch verweigerte man Marcelle Blank zunächst die Gelder u. a. für die geleistete Judenvermögensabgabe des Vaters bzw. der Stiefmutter, weil sie als Stieftochter nicht erbberechtigt sei und es nicht klar sei, von wessen Vermögen die Sonderabgaben geleistet worden waren. Erst später wurde die Gesamtschuldnerschaft des Ehepaares anerkannt und damit auch die rechtmäßigen Ansprüche der Tochter. Mit diesem Geld kamen sie dann in den 50er Jahren zurück nach Deutschland und lebten wieder in Frankfurt. Ihr Ehemann starb am 11. August 1978 in Bad Wildungen, sie selbst am 11. Mai 1980 in Frankfurt.[81] Beide sind auf dem Jüdischen Friedhof an der Eckenheimer Landstraße in Frankfurt beigesetzt.

Abgesehen davon, dass sie seit etwa 1930 in Brüssel gelebt haben soll, ist über Regina Mayer, der Schwester von Albert Mayer, nichts bekannt. Sie scheint aber nicht zu den Opfern des Holocaust zu gehören, zumindest ist ihr Name in den einschlägigen Listen nicht zu finden. Ob sie in ihrem Exil noch vor dem Überfall der deutschen Truppen auf den Nachbarstaat verstarb oder von dort aus weiter flüchten, sich vielleicht auch verstecken konnte, ist nicht bekannt.

Sein Bruder Otto war der Schwager von Emma Löwenstein, die zuletzt ebenfalls im Haus von Albert Mayer wohnte und möglicherweise durch diese Verbindung dort ein Unterkommen gefunden hatte.[82]

Einzugserklärung des Vermögens von Albert und Olga Mayer
HHStAW 519/2 2101 I (o.P.)

Bereits vier Tage bevor die Eigentümer des Judenhauses deportiert wurden, war das Haus selbst durch Verfügung des Regierungspräsidenten am 27. August 1942 auf Grund des „Gesetzes über staatsfeindliches Vermögen“ von Deutschen Reich eingezogen worden.[83] Bevor es sich aber auch zum tatsächlichen Eigentümer der Immobilie ermächtigen konnte, war ein möglicher Hinderungsgrund zu beseitigen. In den Akten befand sich nämlich ein bei dem bekannten Wiesbadener Notar Buttersack unterzeichneter Vertrag vom 2. November 1940, in dem der folgende Passus enthalten ist:
“Für den Fall, dass wir die Erschienenen  (…) zum Verlassen Deutschlands gezwungen werden sollten, verspricht die Erschienene zu 2 [Olga Mayer – K.F.] Fräulein Hedwig Blum, Lehrerin a.D. in Heidelberg, das in §1 näher bezeichnete Hausgrundstück schenkungsweise zu überlassen.“ Dann folgt ein Satz, dessen Inhalt nicht nachvollziehbar ist. Es heißt weiter: „Fräulein Hedwig Blum ist die Schwester der Erschienenen zu 2 [Olga Mayer] und arischer Abstammung.“[84]
Ganz sicher war Hedwig Blum nicht arischer Abstammung, sondern genauso wie Olga die Tochter der jüdischen Eltern Josua und Emilie Sophie Blum, geborene Koch. Beide Geburtsanzeigen sind erhalten und in beiden ist die Konfession der Eltern mit „israelitisch“ angegeben. Hedwig Blum muss somit ebenfalls Jüdin gewesen sein. Allerdings hatte sie sich am 12. April 1919 in Neuenheim bei Heidelberg, wo sie als Lehrerin tätig war, taufen lassen und war – wie auch Olga Mayer selbst – zum evangelischen Glauben konvertiert.[85] Aber das war nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze völlig unerheblich und das musste auch dem Notar Buttersack bekannt gewesen sein. Dass man glaubte, mit solch einem plumpen Täuschungsversuch den NS-Staat um seine Beute zu bringen, war geradezu naiv. Wie wenig naiv das Ehepaar Mayer eigentlich war, offenbart gerade dieser Vertrag, denn lange bevor die ersten Juden in den Osten verbracht wurden, erahnten sie bereits ihr zukünftiges Schicksal.

Verwunderlich ist allerdings, dass in dem Schreiben der Verwertungsstelle im Liegenschaftsamt des Finanzamts Wiesbaden vom 17. November 1942 auf diesen Sachverhalt nicht eingegangen wird. Man verwies einfach darauf, dass mit der „Evakuierung“ von Frau Mayer, ihr Vermögen eingezogen worden sei und sie deshalb „nicht mehr in der Lage (war), das Schenkungsversprechen auszuführen. Überdies hätte der notarielle Vertrag vom 1. November 1940 nach einer Anordnung des Gauleiters vom 16. November 1938 der Genehmigung des Gauwirtschaftsberaters bedurft. Ich teile Ihnen deshalb mit, dass der Schenkungsvertrag hinfällig ist.“[86]

Als „Rassejüdin“ hätte sie ohnehin keine Chance gehabt, das Geschenk anzunehmen und zu nutzen. Zwar wurde sie erst sehr spät, nämlich am 11. Januar 1944 mit dem Transport XIII/4 von Stuttgart aus mit weiteren, in Mischehe lebenden Juden deportiert, aber eine Überlebenschance hatte auch sie in Theresienstadt nicht. Sie kam dort am 22. Mai 1944 ums Leben.[87]

Es gab allerdings auch noch einen Bruder von Olga Mayer, über den aber noch weniger bekannt ist, als über die Schwester. Selbst das Geburtsdatum von Robert Blum – mit vollem Namen Robert Alfred Hugo Wilhelm Blum –[88] konnte bisher nicht ermittelt werden. Er hatte zuletzt vor seiner Ausreise aus Deutschland in Hamburg gelebt und war von seiner Schwester über eine katholische Organisation finanziell unterstützt worden. Im Februar 1939 soll er dann nach Südwest- bzw. Südafrika ausgewandert sein.[89] Erst in dem nach dem Krieg gestarteten Rückerstattungsverfahren taucht sein Name auf. Am 16. August 1949 ging bei der Zentralen Anmeldestelle für Rückerstattungsansprüche in Bad Nauheim ein Schreiben ein, in dem Robert Blum als einziger Überlebender der Geschwister Ansprüche auf das Haus in der Lanzstraße und das Inventar stellte: „It contained many valuable pictures (one of which was bought for about £ 1500) and much valuable furniture, silver and porcelain. In addition Mrs. Mayer possessed valuable jewellery and furs.“[90] Er gab zudem in dem Schreiben an, bis 1940 über die USA in brieflicher Verbindung mit seiner Schwester gestanden zu haben. Sein Rückerstattungsantrag war damals bereits aus einem südafrikanischen Hospital abgeschickt worden. Da er nach Meinung der Behörde nicht vollständig war, zudem mit der Tochter von Albert Mayer eine weitere Berechtigte vorhanden war, verzögerte sich zunächst die Bearbeitung der Angelegenheit. Robert Blum erlebte deren Ende nicht mehr. Er verstarb bereits am 22. Mai 1951 in Kapstadt.[91]

Grundbucheintrag der Lanzstr. 6 auf das Deutsche Reich HHStAW 519/2 2101 I (o.P.)
Grundbucheintrag der Lanzstr. 6 auf das Deutsche Reich
HHStAW 519/2 2101 I (o.P.)

Da es somit 1942 nach Ansicht des NS-Staates keine legitimen Anspruchsberechtigen für das Vermögen der Mayers gab, beanspruchte dieses der Reichsfiskus. Am 25. Juni 1943 beantragte das Finanzamt Wiesbaden, dem seit September 1942 die Verwertung des eingezogenen Hausgrundstücks oblag, als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen zu werden.[92] Anders als in anderen Fällen kam das Amtsgericht diesem Antrag ohne irgendwelche Einwände schon nach zwei Wochen am 6. Juli nach.[93]

Und es dauerte selbstverständlich nicht lange, bis sich auch die ersten Interessenten, arische Leichenfledderer, beim Finanzamt meldeten, um die Immobilie zu erwerben. Allerdings war etwa ein halbes Jahr zuvor, am 24. April 1942, eine Anordnung erlassen worden, die den Verkauf des jüdischen Wohneigentums bis zum Ende des Krieges untersagte, um auch den im Feld stehenden Soldaten die Gelegenheit zu geben, am großen Reibach teilzuhaben. Für Interessenten, die sich beim „Wiederaufstieg Deutschlands“, sei es im Ersten Weltkrieg oder in der sogenannten Kampfzeit, besonders verdient gemacht und große Opfer gebracht hatten, waren aber Ausnahmen vorgesehen.

Ein solches Opfer – allerdings wie viele hunderttausend andere auch – hatte eine junge Frau bei Diez gebracht. Sie hatte ihren Ehemann im gegenwärtigen Kampf für Deutschland an der Front verloren, was ihren Vater, ein Pfarrer (!), schon nach der ersten großen Deportation im Juni veranlasst hatte, sich beim Wiesbadener Finanzamt zu melden, um für seine Tochter ein Haus zu erwerben, „das dem Finanzamt aus eingezogenem Vermögen zugefallen ist“. Aus den weiteren Vermerken auf dem Schreiben lässt sich entnehmen, dass er bereits als potentieller Interessent auch für das Haus in der Lanzstr. 6 vorgemerkt worden war. Später bot man ihm einen Besichtigungstermin an und unterbreitete ihm sogar schon einen eventuellen Kaufpreis von 32.000 RM.[94]

Betten Werner
Einer der Interessenten für das ehemalige Judenhaus
HHStAW 519/2 2101 IV (32)

Aber es gab noch andere Interessenten, von denen zumindest einer die lokalen NSDAP-Funktionäre hinter sich wusste. Offenbar hatte er auch bereits Vorgespräche mit der zuständigen Abteilung im Finanzamt geführt, auf die er sich in seinem ersten diesbezüglichen Schreiben, das nur drei Wochen nach der Septemberdeportation dort einging, bezog. Es stammte von dem Geschäftsmann Gustav Werner aus Wiesbaden, der nach dem Krieg noch ein stadtbekanntes Bettengeschäft in der Kirchgasse betrieb.

Gemäß den Anforderungen hübschte Gustav Werner in seinem ersten Schreiben seinen Kaufantrag mit den wichtigsten Informationen über seine Gesinnung und seine größten Heldentaten auf:
“Zu erwähnen ist, dass ich Weltkriegsteilnehmer (Frontkämpfer) mit Auszeichnung, Freikorpskämpfer (Maerker F.L.K.) Schlageter – Angehöriger (aktiv) bin. Besitze den Schlageterschild u. die Auszeichnung des Reichsministers D. Frick für die Reichsreg. Ebenso bin ich vom letzten Krieg kriegsbeschädigt. Die Partei, Regierung u. auch Mitgl. der Reichsregierung, wie auch der Reg. Präsident Dr. Mischke, Koblenz, können weiterhin über mich Auskünfte geben.
Ich darf annehmen, dass ich dieses Mal berücksichtigt werde u. begrüße Sie in dieser Erwartung mit Heil Hitler
.“[95]
Der Kreiswirtschaftsberater Walther befürwortete das Begehren des offenbar bisher leer ausgegangen „Pg Werner“ und der NSDAP Kreisleiter Wagner hatte ihm wohl informell das Haus bereits zugesprochen.[96] Allerdings traten schon im Oktober 1942 erste Probleme auf. Das Dach des Hauses war undicht und musste zunächst repariert werden und dann war Werner auch noch darüber informiert worden, dass ein Schenkungsvertrag aufgetaucht sei, der einem Verkauf zunächst im Wege stand.[97] Diese Angelegenheit konnte dann aber– wie bereits beschrieben – schnell geklärt werden.

Allerdings kam auch danach ein formeller Kaufvertrag noch immer nicht zustande, weshalb Werner in einem weiteren Schreiben Ende Oktober auf Anraten des Kreisleiters noch ergänzende Ausführungen zu seiner Opferbereitschaft für den nationalsozialistischen Staat und zu seiner Haltung in der „Judenfrage“ machte. So sei er in der Besatzungszeit ständig von französischen Einquartierungen betroffen gewesen, sei schikaniert worden und sein jüngerer Bruder sogar mit einer Reitpeitsche traktiert worden. „Ich habe mich gerächt, musste jedoch sofort ins unbesetzte Gebiet flüchten, meine Frau u. 2 kleine Kinderchen szt. [seinerzeit] zurücklassen.“ Nach seiner Rückkehr sei er inhaftiert und mit Schlägen malträtiert worden. „Nur weil ich als Deutscher auftrat u. dementsprechend handelte, bekam ich diese ehrenvolle Behandlung.“ Obendrein wähnte er sich als Opfer jüdischer Machenschaften: „Die Juden schienen an mir ganz besondere Freude zu haben.“ Durch betrügerische Konkurse verschiedener jüdischer Kaufleute, die er namentlich aufzählte, sei er um rund 30.000 RM geprellt worden. Seine Frau – „sie hatte zuviel miterleben müssen“ – sei durch die viele Aufregung plötzlich verstorben und er habe mit drei kleinen Kindern „allein auf weiter Flur“ gestanden. „Es waren schwere Zeiten für mich (…), aber ich habe Tritt gefasst, mich durchgebissen u. den Kopf hoch behalten, im Vertrauen auf Deutschland u. unseren Führer.“[98]

Dennoch wurde er Anfang November vom Leiter des Finanzamts Trommershäuser weiter vertröstet, eine Entscheidung könne noch immer nicht getroffen werden. Ein weiterer Brief vom 15. November ergänzte seine Vita nun noch um seinen Kampf gegen die Linke: „Beim Freikorps Maerker wurde ich bei der Aktion General Maerker von dem Mob der Spartakisten zu retten, als er in das Postgebäude sich flüchten musste, niedergeschlagen, ebenso bei dem Versuch Hr. Obestleutnant Klüber vor dem grausigen Mord in Halle zu retten, niedergeknüppelt u. verwundet.“ Er könne noch von vielen weiteren Heldentaten berichten, ergänzte er, zählte in seiner Bescheidenheit aber nur noch einige Orden auf, die er in seiner langen Kampfzeit erhalten hatte.
Im Hinblick auf den gewünschten Hauskauf bot er, weil sich weiterhin nichts tat, einen vorläufigen Verzicht an, sofern man ihm einen Mietvertrag mit Vorkaufsrecht offerieren würde. „Ich stelle damit doch wirklich einen geringfügigen Wunsch dar und unverständlich ist es mir, dass sehr viele Volksgen.[ossen] auf Grund des Zuweisungsscheins des Kreisleiters ohne Weiteres ihre Wünsche erfüllt bekamen. (…) Ich bin in meinem Leben auch viel an Undank gewohnt und wenn man jetzt meinen kleinen Wunsch ablehnt, dann habe ich halt Pech gehabt. Aber gerade in Ihnen verehrter Herr Ober-Regierungsrat [Trommershäuser] erblicke ich den Mann, der ganz besonders hierfür Verständnis findet und auch darnach handeln wird.“[99]

Tat er aber nicht. Auch nicht, als am 10. Dezember noch einmal der NSDAP-Kreisleiter intervenierte und den Leiter des Finanzamts drängte, mit Werner einen Miet- oder sogar einen Kaufvertrag abzuschließen. Dieser hatte stattdessen in der gleichen Woche einen Besichtigungstermin mit dem bereits erwähnten Pfarrer Kröhling aus Schönborn bei Diez vereinbarte, der offenbar zu aller Zufriedenheit verlaufen war. Dennoch scheiterte der Verkauf, da der Oberfinanzpräsident in Kassel, der den Vertrag genehmigen musste, darauf verwies, dass deportierten Juden entzogene Häuser in erster Linie Kriegerwitwen mit mindestens zwei Kindern zugeteilt werden sollten, die Tochter des Pfarrers war aber kinderlos geblieben.[100] Mehrere lange Briefe des Vaters – in denen der gute Christ u.a. schrieb, „der Gedanke, etwa besondere Vorteile durch den Ankauf eines Judenhauses zu erzielen, ist uns niemals gekommen“ [101]– führte zu keiner Rücknahme des abschlägigen Bescheids.
Werner war inzwischen bereit, auf das Haus Lanzstr. 6 zu verzichten und stattdessen das Anwesen Hohenfels, Tennelbach 21 in Sonnenberg zu erwerben. Es sei zwar in einem „verlodderten Zustand“, aber man könne es wieder herrichten.[102]
Aber auch damit gab es grundsätzliche Probleme. Für den Kauf ehemals jüdischer Immobilien genügte es nämlich nicht, Heldentaten für die nationale Revolution oder im Kampf um Deutschland im Ersten Weltkrieg vollbracht zu haben, man musste dabei auch eine Kriegsbeschädigung von mindestens 30 Prozent erworben haben. Das hatte Werner sogar, aber er hatte sich den daraus erwachsenen Rentenanspruch seinerzeit auszahlen lassen, das Geld allerdings in der Inflation wieder verloren.[103] Die Verwertungsstelle richtete nun eine generelle Anfrage an seine Vorgesetzten in Kassel, ob ein Bewerber, dessen Rentenansprüche abgegolten seien, überhaupt noch für den Kauf in Frage kommen würde.[104] Am 13. Januar 1943 wurde Gustav Werner endgültig mitgeteilt, dass er nach Auskunft des Oberfinanzpräsidenten nicht als Käufer der Lanzstr.6 in Frage komme.[105]

Ein weiterer Kriegsheld des Ersten Weltkriegs, Oberst der Luftwaffe, ging ebenfalls leer aus, obwohl er Vater von vier Kindern war, von denen ein Sohn bereits im Zweiten Weltkrieg gefallen war und zwei weitere an der Front standen. Die Schwiegermutter, nach seinen Angaben einer alten nassauischen Familie entstammend, sollte mit in das Haus einziehen. Er war aber dadurch disqualifiziert, weil seine attestierte Kriegsbeschädigung – „allgemeine Nervenschwäche, chronische Schwerhörigkeit“ – ihm nur eine 25prozentige Erwerbsminderung eingebracht hatte.[106]

Sogar ein Freiherr zu Putlitz gesellte sich noch im Januar 1943 zu dem Kreis der Aspiranten. Zwar lebte er damals in Posen, hatte aber früher mehr als 25 Jahre in Wiesbaden gewohnt, wo er, neben einer weiteren Wohnung in Berlin, drei Hausgrundstücke besaß. Eines davon war das spätere Judenhaus Mainzer Str. 2, das er „in der Inflationszeit an den jüdischen Arzt Dr. Hirsch verkauft“ hatte. Die „Rückerwerbung der Villa“ sei fehlgeschlagen, weil er mit seinem entsprechenden Antrag – zu ergänzen: bei der Ariserung jüdischer Vermögenswerte – zu spät gekommen sei.[107] Die „leidende“ Ehefrau, schmerzhafte Fußknöchelbrüche, erworben bei einem Dienstunfall, und der Verlust von einer Millionen Goldmark – angeblich durch einen Juden Bork – wurden von ihm noch als weitere Punkte für seine besondere Eignung aufgeführt. Aber auch er erhielt das Judenhaus nicht.

Am 14. April 1943 wurden dann drei Schreiben mit ähnlichem Wortlaut aufgesetzt, in denen die Entscheidung des Oberfinanzpräsidenten mitgeteilt wurde, dass das ehemalige Judenhaus nicht zum Verkauf anstehen würde, sondern von der Wohnungsfürsorge zur Unterbringung von Beamten im Bereich des Finanzamts Wiesbaden genutzt werden solle.[108]

Der Verkauf des Hauses wird zurückgestellt und für eine Vermietung an Beamte freigegeben HHStAW 519/2 2101 I (o.P.)
Der Verkauf des Hauses wird zurückgestellt und für eine Vermietung an Beamte freigegeben
HHStAW 519/2 2101 I (o.P.)

Nachdem diese Grundsatzentscheidung getroffen worden war, sollte das Haus nun gemäß den Vorgaben vermietet werden. Dazu wurden zunächst der Wert der Immobilie und anhand von örtlichen Vergleichsmieten mögliche Mietforderungen berechnet. Am 1. Januar 1939 war die Immobilie – jetzt wieder – mit einem Einheitswert von 27.300 RM taxiert worden, ihr Verkaufswert wurde mit 35.000 RM und die jährlichen Mieteinnahmen mit 2.100 RM angesetzt, was für künftige Mieter einen Mietzins von etwa 120 RM pro Wohnung bedeute.[109]

Die Wohnung im Erdgeschoss war inzwischen renoviert worden und am 1. September 1943 konnte dort der Obersteuerinspektor beim Wiesbadener Finanzamt Leo Columbus einziehen.[110] Keine Frage, wer an der Quelle saß, war im Vorteil!

Allerdings gab es bei der Neuvermietung der Wohnung im ersten Stock Probleme. Nach der „Freistellung“ des Hauses von seinen jüdischen Bewohnern war dieses ja nicht leer geworden, da die bombengeschädigte, arische Familie van Hees weiterhin Teile der ehemaligen Wohnung von Jacobsohns belegte. Dort hatten sie seit ihrer Einquartierung bisher mietfrei, d.h. bis zum 1. September 1942 auf Kosten der jüdischen Hauptmieter, wohnen und sogar deren Mobiliar nutzen können. Unmittelbar danach hatte van Hees beantragt einen Mietvertrag zu erhalten, was aber angesichts der damaligen Verkaufsverhandlungen unterblieb. Noch im November 1942 hatte die NSDAP Ortsgruppe van Hees darauf hingewiesen, dass er sich mit dem Kriegsschädenamt im Rathaus in Verbindung zu setzen habe, damit ihm eine andere Wohnung zugewiesen werden könne. Auch das Inventar könne er nicht länger nutzen, „da über die Möbel des Juden anderweitig Verfügung getroffen sei.“[111]
Bis zum 15. November 1942 habe er die Wohnung zu räumen, was aber nicht geschah. Die Mieter hatten einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der dem Verlangen widersprach und mit Blick auf den Wohnungsmarkt darauf hinwies, dass in dieser kurzen Frist eine neue Unterkunft auch mit Hilfe des Wohnungsamts nicht zu finden sei. Es sei der Familie eines deutschen an der Front stehenden Soldaten nicht zuzumuten, in die Obdachlosigkeit entlassen zu werden, zumal die ins Feld geführten Verkaufsverhandlungen noch zu keinem Ende gekommen seien. Man gewährte ihm eine um einen Monat verlängerte Frist und machte darauf aufmerksam, dass auch ein Kauf des Hauses – van Hees hatte diese Option angeboten – für ihn angesichts der bestehenden Bestimmungen nicht in Frage komme.[112] So blieb Frau van Hees mit den Kindern während der Verkaufsverhandlungen mit den verschiedenen Interessenten weiterhin im Haus wohnen. Als dann 1943 die Neuvermietung anstand, kam es erneut zum Konflikt zwischen der Familie und der Verwertungsstelle. Diese forderte jetzt rückwirkend die Miete für die Zeit „seit dem Abschub der Juden“. Der Mietrückstand belief sich auf mehr als 2.500 RM, weshalb das Finanzamt zunächst nicht bereit war, den Mietvertrag zu verlängern. Am 8. Dezember 1943 überwies dann das städtische Amt für Familienunterhalt die Mietschulden an das Finanzamt und es kam dann doch noch zum Abschluss eines Mietvertrags mit der Familie van Hees über die 4-Zimmerwohnung im Obergeschoss. Ihre Miete betrug die zuvor berechnete Summe von 120 RM. Der Vertrag stellte insofern eine Ausnahme dar, als der eingezogene Diplomkaufmann offenbar kein Beamter einer staatlichen Behörde war.

Die geschlossenen Mietverträge wurden jährlich zum 1. April erneuert, sodass die Bewohner nach der letzten Verlängerung im März 1944 eigentlich bis zum 31. März 1945 hätten bleiben können. Frau Bauschke war aber bereits am 1. November 1944 ausgezogen und ihre Wohnung war dann nicht mehr neu besetzt worden. Bei dem großen Angriff der britischen Luftwaffe in der Nacht zum 3. Februar 1945 wurde auch das Haus in der Lanzstr. 6 getroffen. Die dichte Wolkendecke verhinderte eine genaue Zielfindung, sodass es zu einer großen Streuung der Bombenlast kam. Neben den Haupttreffern im Kurviertel fielen Bomben auch auf die angrenzenden Villengebiete, sogar das Jagdschloss Platte erlitt in dieser Nacht erhebliche Schäden.[113]

Ruine Lanzstr. 6, Wiesbaden
Die Ruine der Villa Lanzstr. 6
Mit Dank an Herrn D. Schaller

Auch nach dem Krieg blieb das Wohngrundstück zunächst im Besitz des Deutschen Reichs, wurde aber dann am 20. Dezember 1947 von den amerikanischen Militärbehörden gesperrt, damit die Rechte möglicher Nachkommen der ehemaligen Eigentümer – man wusste damals noch nicht, ob es solche gab – gewahrt blieben.[114]

Da das Haus im Grundbuch auf den Namen von Olga Mayer eingetragen war, galt ihre Stieftochter Marcelle Blank nicht als erbberechtigt. Sie gab zwar im Entschädigungsverfahren an, es habe ein Testament existiert, in dem sie als Alleinerbin vorgesehen war, aber ein solches Testament konnte sie nicht vorlegen und auch keine Zeugen benennen, die eine solche Vereinbarung je gesehen hätten.[115] Der Bruder der Ermordeten und nächster erbberechtigter Verwandte, Robert Blum, war inzwischen in Südafrika verstorben. Ob er Nachkommen hatte, konnte nicht ermittelt werden. Die Erbansprüche von Marcelle Blank wurden „mangels Erbnachweises“ am 8. Juni 1953 endgültig abgewiesen.[116]

1953 meldete sich beim Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung der erste Interessent, der die beiden Trümmergrundstücke Lanzstr. 2 und 6 erwerben wollte.[117] Zumindest ein weiterer Bewerber kontaktiert den zunächst eingesetzten Treuhänder für die Immobilien. Im wurde aber im gleichen Jahr mitgeteilt, dass die Treuhandverwaltung aufgehoben sei und nicht mehr er, sondern die Oberfinanzdirektion in Frankfurt für weitere Verhandlungen zuständig sei.[118] Der Verkauf des ehemals jüdischen, jetzt juristisch „herrenlosen“ Grundstücks in der Lanzstr. 6 zog sich noch weitere fünf Jahre hin, dann wurde es 1958 von einem Ingenieur aus Minden dem „Gross-Deutschen Reich“ (!) abgekauft.[119] Bis zu diesem Jahr ist in den Wiesbadener Adressbüchern unter der Lanzstr. 6 immer nur „Trümmergrundstück, Ehem. Deutsches Reich“ zu lesen. Im folgenden Buch von 1959/60 ist dann als Eigentümer ein Dr. Karl Raab, Ingenieur, ausgewiesen, der das auf dem Grundstück neu errichtete Haus an sechs Parteien vermietet hatte.

 

 

Veröffentlicht: 12. 12. 2023

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] Denkmaltopographie – Kulturdenkmäler in Hessen, Wiesbaden, Bd. Wiesbaden II – Die Villengebiete, S. 346-357, zur Bebauung in der Lanzstraße siehe S. 367-372.

[2] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 41 Bl. 810 Außen.

[3] Ein Brief einer Stuttgarter Firma, an der Olga Mayer beteiligt war, ging im April 1936 an die Anschrift Mühlhausen, Lindenbühl 3. Offensichtlich war das Paar zuletzt noch einmal umgezogen, siehe HHStAW 685 560a (17, 23).

[4] HHStAW 685 560c (11).

[5] Mitteilung des Gemeindearchivs Bockenheim vom 3.11.2023. Der Vater Moses Mayer war am 13.1.1838 in Großbockenheim, die Mutter Martha um 1838 in Mosheim geboren worden. Im Weiteren heißt es in der Mitteilung „In Groß- und Kleinbockenheim finden sich bis 1940 mehrere jüdische Familien namens Mayer – die verwandtschaftlichen Verflechtungen sind schwer zu durchschauen.“

[6] Siehe Eintrag auf der Meldekarte. ISG_A.12.02_M03703.

[7] https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10374229?p=26&cq=M%C3%BCller&lang=de. (Zugriff: 20.11.2023).

[8] Auskunft Stadtarchiv Herxheim vom 6.11.2023.

[9] Siehe dazu den Artikel über Otto Mayers Schwägerin Emma Esther Löwenstein, geborene Blum, die ebenfalls Bewohnerin des Judenhauses Lanzstr. 6 war.

[10] Sie zu den Geburts- und Todesdaten https://gw-geneanet-org.translate.goog/jlibmann?lang=fr&pz=jacques&nz=libmann&p=sara&n=blum&oc=79&_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de. (Zugriff: 20.11.2023) In Straßburg waren ihre Eltern Alexander Levy am 21.10.1886 und seine Frau Sara am 21.12.1911 verstorben. Die Angaben bei Geneanet sind allerdings nicht gesichert. So ist das Geburtsjahr von Ester Blum dort mit 1837 angegeben. Das Stadtarchiv von Herxheim gibt dagegen das Jahr 1833 an.

[11] Es handelte sich laut Geneanet um Naphtalie Levy (1857-1913), Jules Israel Levy (1858-?) und Anna Levy (1860-1911), seit dem 19.1.1882 verheiratet mit Eugène Marc Gimpel. Ebd.

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Geburtsregister Frankfurt 922 / 1900.

[16] Auskunft des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt vom 3.11.2023.

[17] Geburtsregister Oldenburg 12 / 1900. Die Eltern waren der Kaufmann Otto Blank, geboren am 25.8.1866 in Coppenbrücke, und seine 1870 geborene Frau Anna, mit Mädchenname Bornstein. Sie hatten am 4.8.1895 geheiratet und neben Hans auch eine Tochter namens Käthe, geboren am 2.10.1897 in Oldenburg. Käthe verstarb im Juni 1932 in Hamburg. Die Eltern gehörten laut Meyer dem gehobenen jüdischen Mittelstand der Stadt an. Otto Blank besaß mit seinem Bruder Max an der Ecke Achtern- / Baumgartenstraße ein Textilgeschäft. Ott und Anna Blank verstarben beide 1941 in Berlin, offenbar aber nicht unmittelbar durch Maßnahmen des NS-Staats, zumindest sind ihre Namen nicht im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz aufgeführt. Meyer, Im Jahre  1933 in Oldenburg ansässige jüdische Familien S. 42 und 52.

[18] Mitteilung des Stadtarchivs Mühlhausen vom 16.11.2023.

[19] HHStAW 518 38047 (5).

[20] Sterberegister Mühlhausen 105 /1923.

[21] Immerhin fällte Müntzer in seinen Schriften im Unterschied zu Luther ein eher freundliches Urteil über die Juden, die er wie die Türken = Muslime zwar als zu missionierende „Ungläubige“ ansah, aber gerade deren soziale Haltung gegenüber ihresgleichen hervorhob: „Sie [die Juden] helfen ihren Brüdern, wir [die Christen] nehmens unseren Brüdern und niemand ist uns so lieb wie wir uns selber.“ Zit. Nach Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 27.

[22] Ebd. S. 30 ff. Ein von antisemitischen Ressentiments und Judenhass triefender Artikel eines Wilhelm Auener in den Mühlhäuser Geschichtsblätter aus dem Jahr 1938 legt unfreiwillig die Diskriminierungen der Juden in dem Zeitraum zwischen Mittelalter und dem Beginn des 18. Jahrhunderts in Mühlhausen offen. Dass die Juden damals nicht aus der Stadt vertrieben wurden, wie es angeblich die Bürger forderten, sondern von den städtischen Eliten, die in sich geschlossene Oligarchie der Ratsfamilien mit Unterstützung kaiserlicher Gesandter dort verbleiben durften, sieht der Autor als den größten Fehler dieser Zeit an. Sein Ideal, eine judenfreie Stadt, sah er, wenn auch nicht explizit formuliert, durch die damalige Politik des NS-Staates endlich in erreichbarer Nähe, nun sogar auch auf nationaler Ebene. Dass er dabei auch schon einem liquidatorischen Antisemitismus huldigte, zeigt sich in Sätzen wie: „Wenn damals die unerwünschten Gäste [Juden] nicht auch in Deutschland, wie sie in England und Frankreich und in den vereinigten Spanischen Königreichen vertrieben worden waren, völlig ausgerottet wurden, so lag das (…) an der staatlichen Zersplitterung; sie ermöglichte denen, die nicht nach Polen oder anderen östlichen Ländern gewandert waren, sich in den geistlichen oder weltlichen Zwergstaaten des Reichs niederzulassen.“ Ein Vers, der auf einen der führenden Juden von Mühlhausen, Abraham Sußmann, gedichtet worden war, nachdem dieser mit anderen Juden angeblich einen Brunnen bei einem Gelage verunreinigt hatte – die alte Mär von der Brunnenvergiftung wird hier wieder bemüht – ist da noch deutlicher:
“Sußmann ist ein Galgendieb;
Wenn man ihm den Kopf abhieb’,
Tät man keine Sünde.
Der Magistrat aber ließ die Dinge treiben“-
anstatt – so muss man wohl ergänzen – den Juden den Kopf abzuschlagen. Auener, Juden im reichsstädtischen Mühlhausen, Teil II, S. 44 und 74.

[23] Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 35.

[24] Ebd.

[25] Ebd. S. 57, dazu Auskunft des Stadtarchivs Mühlhausen vom 17.11.2023. Die Familie hatte schon im 19. Jahrhundert mit zinslosen Krediten wesentlich zum Bau der dortigen Synagoge beigetragen.

[26] HHStAW 518 38051 (110).

[27] Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 61.

[28] Distanzen, S. 64.

[29] StadtA Mühlhausen 11/1436/6 Bd.2 Bl. 10v/11r, zit. nach Distanzen S. 66 f.

[30] Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 61.

[31] Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 69 f. Zum weiteren Schicksal dieser jüdischen Kaufhäuser unter den Nazis siehe Ausgegrenzt und ausgeplündert, S. 78-86, 94-98.

[32] Georg Koppel war mit 3.600 Mk Staatssteuer und 2.160 Mk Kirchsteuer nach den Fabrikanten Josef und Max Elias der drittgrößte jüdische Steuerzahler der Stadt, siehe Distanzen, S. 67. Auch die Familie Oppé war mit Armin Oppé und danach mit dessen Sohn Louis seit 1848 im Stadtparlament aktiv. Letzterer war sogar zwischen 1900 und 1906 Vorsitzender der Versammlung. Liesenberg, Juden in Mühlhausen, S. 62.

[33] Ebd. S. 72 f.

[34] Siehe dazu ebd. S.75-78.

[35] HHStAW 518 38051 (109). Die besonders hohen Zahlen des Jahres 1934 erklärte der frühere leitende Angestellte damit, dass wegen der allgemeinen Knappheit alte, unmoderne und zum Teil schon abgeschrieben Stoffe doch noch zu guten Preisen hatten verkauft werden können.

[36] Ebd. (107).

[37] Ebd. (85-87).

[38] Ebd. (88).

[39] Ebd. (110).

[40] Das Heiratsdatum beruht nicht auf einem amtlichen Dokument, sondern auf der Angabe, die Albert Mayer mehrfach in seinen Steuerangaben gemacht hat, z.B. HHStAW 685 560 c (32).

[41] Geburtsregister Benfeld 42 / 1876.

[42] Auskunft des Stadtarchivs vom 16.11.2023.

[43] Die größte Zahl der im Stuttgarter Raum ansässigen Familien mit diesem Namen war laut der Angaben in den einschlägigen Internet-Archiven, dieser Konfession. Im badischen Raum gab es auch namensgleiche Familien mit katholischem Glauben, Juden mit diesem Namen konnten nicht gefunden werden. Siehe dazu https://gw.geneanet.org/jlibmann?lang=de&pz=jacques&nz=libmann&p=sara&n=blum&oc=79. (Zugriff: 20.11.2023).

[44] In der Vermögenserklärung nach Stand 27.4.1938, somit zu einem Zeitpunkt, in dem Olga Bauerle bereits mit Albert Mayer verheiratet war, heißt es in dem entsprechenden Formular, sie sei „der Rasse nach jüdisch“ und gehöre „der evangelischen Religionsgemeinschaft an“. HHStAW 685 560b (1).

[45] HHStAW 685 560 a (15) Vermögensteuer.

[46] Ebd. (passim S. 1-17). Wie aus einem Schreiben der Firma Bauerle aus dem Jahr 1936 hervorgeht, ebd. (17), schuldete Frau Mayer der Gesellschaft aber die Erhöhung ihrer Einlage um knapp 28.000 RM, sodass das reale Vermögen um diesen Betrag gemindert werden muss, sich dieses zudem durch Privatentnahmen auf nur noch 49.000 RM reduziert hatte.

[47] Ebd. (22).

[48] Ebd. (24).

[49] Ebd. (23).

[50] Ebd. (38). Die zuvor geforderte Summe von 46.000 RM war inzwischen um rund 10.000 RM reduziert worden, da Albert Mayer den beträchtlichen Vermögensverlust beim Verkauf der Firma anführen konnte, ebd. (34).

[51] Ebd. (42), dazu auch HHStAW 518 38051 (24).

[52] HHStAW 519/3 4659 (1-7).

[53] Ebd. (8, 9).

[54] Ebd. (1). Der Name ist dem Schreiben zwar nicht genannt, da aber Regina seine einzige Schwester war, kann es sich nur um diese handeln.

[55] HHStAW 685 560 b (15) Vermögenssteuer.

[56] Ebd. (5). 1935 war der Einheitswert des Hauses noch mit nur 27.300 RM, Stadtarchiv Wiesbaden WI / 3 983, dann 1937 mit 37.700 RM veranschlagt worden, siehe auch HHStAW 685 560 a (35). Ganz sicher war die angebliche Wertsteigerung innerhalb von nur wenigen Jahren nicht auf Investitionen des Eigentümers zurückzuführen, der allerdings das bisherige Einfamilienhaus durch kleine bauliche Maßnahmen in zwei getrennte Wohnungen, eine im Erd-, eine weitere im Obergeschoss, aufgeteilt hatte. Diese „Wertsteigerung“ diente vielmehr dazu, die Eigentümerin bei der Judenvermögensabgabe noch mehr bluten zu lassen. Als das Haus nach den Deportationen im Herbst 1942 kurzfristig zu Verkauf anstand, wurde der Einheitswert wieder mit 27.500 bzw. 27.300 angesetzt.

[57] Nach einer Aufstellung im Rahmen des Entschädigungsverfahren wurden für die Judenvermögensabgabe von Albert Mayer insgesamt für sich und seine Frau rund 27.000 RM entrichtet, nach Berechnung des Anwalts von Marcelle Blank belief sich die Summe sogar auf  knapp 36.000 RM, siehe HHStAW 518 38051 (67, 69).

[58] HHStAW 685 560 b (20).

[59] HHStAW 685 560 c (87, 88, 98).

[60] HHStAW Wi-Wsb 534 III (o.P.).

[61] HHStAW 685 560 a (43). Die Argumentation ist in einem Brief des Geschäftsführers Franz Bauerle an Frau Mayer vom 26.3.1940 wiedergegeben

[62] Siehe zum Begriff „Finanztod“ grundsätzlich Füllberg-Stollberg, Sozialer Tod, der die Begrifflichkeit H.G. Adlers, Der verwaltete Mensch, aufgreift und die Rolle der Devisenstellen in dieser Phase der Existenzvernichtung jüdischen Lebens analysiert.

[63] HHStAW 685 560 c (27, 36, 46, 48, 75).

[64] HHStAW 518 38051 (104). Nach dieser Aufstellung des Finanzamt Wiesbaden von 1957 betrugen die Einkommen 1936 etwa 11.500, dann 13.500 RM, 1938 eigenartigerweise nur 5.000, obwohl Olga Mayer in diesem Jahr noch ihren Anteil am Stuttgarter Unternehmen besaß, 1939 waren es wieder etwa 12,600 RM. 1940, dem Jahr des Verkaufs der Anteile, erhielt sie wohl nur noch 5.000 RM und 1941 betrug das Einkommen der beiden laut dieser Aufstellung nur noch 423 RM. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu betrachten, denn sie stimmen nicht mit anderen Angaben über die Einkünfte überein, was aber auch daran liegen kann, dass nie klar ist, ob das versteuerte oder das zu versteuernde Einkommen gemeint ist, auch nicht ob die Angaben sich auf die Einkünfte vor oder nach der Überprüfung durch die Finanzbehörden beziehen. Deshalb können sie hier nur als grobe Orientierung fungieren.

[65] HHStAW 519/3 4659 (22).

[66] Ebd. (27, 29, 31).

[67] Ebd. (28).

[68] Ebd. (30).

[69] Ebd. (33).

[70] HHStAW 519/2 2101 III (1).

[71] Ebd. (o.P.).

[72] Sterberegister Wiesbaden 1443 / 1942. Welches tragische Geschehen Hintergrund für diesen Tod war, lässt sich im Rahmen dieser Recherche nicht klären, aber die Koinzidenz des Auszugs der Frau aus der gemeinsamen Wohnung in der Steingasse 23 und der Todestag des Ehemanns ist zumindest merkwürdig. Zu erwarten gewesen wäre, dass die Witwe sich einige Wochen später eine neue Bleibe gesucht hätte. Die Ehe der beiden war am 17.6.1939 geschlossen worden, war also noch nicht einmal drei Jahre alt.

[73] Siehe das vollständige Schreiben in Bembenek / Ulrich, Widerstand und Verfolgung, S. 301 ff.

[74] HHStAW 518 38047 (79). Marcelle Blank wurde dafür eine Entschädigungsleistung von 4.400 DM gezahlt.

[75] HHStAW 518 38047 (27, 83 ff.).

[76] Zum Transport siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 317 f. und ausführlich Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 132-169, wo auch die Fotos, die damals in Wiesbaden sowohl in der Friedrichstraße als auch am Bahnhof von einem unbekannten Fotografen aufgenommen wurden, veröffentlicht sind.

[77] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/24158-albert-mayer/. und https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/24374-olga-mayer/. (Zugriff: 20.11.2023).

[78] HHStAW 469/33 2307 (16).

[79] Ebd. (6) und https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/24374-olga-mayer/. (Zugriff: 20.11.2023).

[80] Siehe zu den Transporten Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S.  430-432.

[81] Sterberegister Bad Wildungen 214 / 1978 und Sterberegister Frankfurt 2810 / 1980.

[82] Auf sein Schicksal wird im Kapitel über Emma Löwenstein ausführlich eingegangen.

[83] HHStAW 519/2 2101 I (20).

[84] Ebd. (19 f.). Unter einem anderen Aspekt ist die Formulierung im letzten Paragraphen von Interesse, laut dem der Ehemann der Schenkerin „seine ehemännliche Zustimmung“ zu dem Vertrag gab.

[85] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/4324809:61060?tid=&pid=&queryId=99fb08b2615e05b6b753d9a7a7f7593a&_phsrc=svo2398&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.11.2023).

[86] Ebd. (22).

[87] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/6464-hedwig-blum, siehe dazu auch https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_swd_43t.html. (Zugriff: 20.11.2023).

[88] HHStAW WIK 5288 (55).

[89] Ebd. (31).

[90] Ebd. (22).

[91] Ebd. (54).

[92] HHStAW 519/2 I (4, 74, 75).

[93] Siehe dazu beispielsweise das mutige Handeln des Oberamtsrichters Dr. Schmidt-von Rhein bei der Arisierung des Judenhauses Grillparzerstr. 9 von Mathilde und Alice Straus, bei Sebald und Hedwig Strauss, Eigentümer des Judenhauses Bahnhofstr. 46, und bei Leopold und Dorothea Katzenstein Besitzer des Judenhauses in der Emser Str. 26a.

[94] HHStAW 519/2 I (15a).

[95] Ebd. III (13).

[96] Ebd. IV (18). Allerdings ist in dem Schreiben des Kreisleiters nur von einem Miet-, nicht aber von einem Kaufvertrag die Rede.

[97] Ebd. (15).

[98] Ebd. (17).

[99] Ebd. (21).

[100] Ebd. (29).

[101] Ebd. (30), dazu auch (33)

[102] Ebd.  (32). Das Haus gehörte ursprünglich dem jüdischen Ehepaar Julius und Johanna Moses, die aber beide schon in den zwanziger Jahren verstorben waren. Laut Jüdischem Adressbuch von 1935 wohnten inzwischen dort  die Familie von deren Sohn Paul.  Dieser wurde mit seiner Frau Ida Henriette, geborene Hirsch, am 1.9.1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Paul Moser nach nicht einmal vier Wochen verstarb, seine Frau wurde im Januar 1943 in Auschwitz ermordet. Ihre beiden Töchter Irma und Ilse war die Flucht in die USA gelungen.

[103] Ebd. (21a).

[104] Ebd. (32).

[105] Ebd. (44).

[106] Ebd. (27, 40).

[107] Ebd. (42).

[108] Ebd. (o.P.), dazu ebd. I (o.P.) vom 30.11.1943. Neben den genannten gab es wohl noch zwei weitere Interessenten, die in HHStAW 519/2 1381, einer Liste aller Kaufinteressenten für die verschiedenen jüdischen Häuser, aufgeführt sind. In der Akte ist aber von ihnen keine Korrespondenz erhalten geblieben. Einer hatte sein Interesse auch bald zurückgezogen.

[109] Ebd. III (1).

[110] Ebd. (19). Die Miete belief sich allerdings dann doch nur auf monatlich 95 RM, ebd. (35). Siehe zu seinem Bewerbungsschreiben um die Wohnung und zu seinen persönlichen Verhältnissen ebd. IV (61).

[111] Ebd. IV (35).

[112] Zum gesamten Vorgang siehe ebd. (35 f.).

[113] Zu dieser Bombennacht siehe Weichel, Wiesbaden im Bombenkrieg, S. 68-79.

[114] HHStAW 519/2 2101 I (33).

[115] Am 3.9.1957 war zunächst ein Erbschein ausgestellt worden, laut dem Marcelle die Erbin auch der Hinterlassenschaft von Olga Mayer sein sollte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass sie nur deren Stieftochter war, siehe HHStAW 518 38047 (25, 29, 30, 39). Dazu auch die Akten des Rückerstattungsverfahrens HHStAW WIK 5288, besonders (2).

[116] Ebd. (64).

[117] HHStAW Wi-Wsb 534 (22).

[118] Ebd. (24).

[119] Ebd. (50).