Johanna Lewy war im saarländischen Saarwellingen geboren worden, einer Kleinstadt nur wenige Kilometer nordöstlich von Saarlouis gelegen und heute auch diesem Landkreis zugeordnet. Um 1700 hatten sich, vermutlich aus dem Rhein-Nahe-Raum kommend, dort die ersten Juden niedergelassen, die auch schon den Familiennamen Lewy / Levy trugen. Durch ein napoleonisches Edikt vom April 1803 waren alle Juden gezwungen, grundsätzlich einen solchen Namen anzunehmen. Als positive Folge der französischen Besetzung der Region muss man die weitgehende rechtliche und administrative Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung ansehen, die, nachdem das Territorium dann an Preußen gefallen war, auch nicht mehr aufgehoben wurde. Dass es im Alltag, etwa in den beruflichen Möglichkeiten und den sozialen Beziehungen, real noch bei Weitem keine Gleichheit gab, steht dabei außer Frage.[1]
Aber auch in ihren traditionellen Berufen, zumeist im Handel, gelang es auch den Saarwellinger Juden im Laufe der Zeit einen gesellschaftlichen Aufstieg zu erreichen. So gehörte Jakob II Lewy, der Vater von Johanna, zu Beginn des 20sten Jahrhunderts nach der Einteilung in dem am Steueraufkommen orientierten preußischen Dreiklassenwahlrecht zur ersten Gruppe, stand unter den jüdischen Steuerzahlern sogar an dritter Stelle. Vor ihm rangierten nur noch der Metzger Moses Bonnem und deutlich davor mit mehr als der doppelten Steuerleistung der Mehlhändler Salomon Lazar.[2] Jakob II Lewy verdiente sein Geld ganz traditionell im Viehhandel. Sein Haus, in dem auch Stallungen untergebracht waren, stand zentral am Schlossplatz, dem heutigen Marktplatz von Saarwellingen.[3]
Der am 16. Juli 1840 geborene Jakob II Lewy hatte den Viehhandel bereits von seinem Vater Marx Markus Lewy, der am 28. August 1812 ebenfalls in Saarwellingen geboren wurde, übernommen. Dieser war mit Fanny Vogel Lazar verheiratet, die ebenfalls aus einer örtlichen Viehhändlerfamilie stammte.[4] Sowohl er als auch sein Vater waren nach Aussage ihres Enkels bzw. Urenkels im Ort hoch angesehen, gut integriert und sogar beide Mitglieder des Gemeinderats gewesen. Sie hätten ihre „Geschäfte korrekt betrieben, vier, fünf Generationen hintereinander.“ Es habe auch früher keine antisemitischen Anfeindungen gegeben, so Hans Lewy, der später im Exil den Namen Jean annahm: „Nein, da ist nie etwas gesprochen worden, ob das Juden waren oder ob das Leute waren, die aus Saarlouis oder egal, aus der ganzen Kante waren. Da gab es keinen Unterschied zwischen den Religionen, ob die Protestanten waren oder Katholiken waren oder Juden.“[5]
Marx Markus und Fanny Lewy hatten insgesamt dreizehn Kinder, von denen Jakob das älteste war.[6] Er selbst heiratete am 28. Juni 1870 in seinem Heimatort die aus dem etwa 25 km südöstlich von Saarbrücken gelegenen Gersheim stammende Henriette Lewy. Sie war dort am 10. Mai 1847 als Tochter von Markus und Sofia Susanne Lewy, geborene Mayer, zur Welt gekommen.[7] In dieser Ehe waren mit Simon, Myrtil, Elisa, Johanna, Ludwig und Lipman Oskar insgesamt sechs Kinder geboren worden. Offensichtlich waren zumindest alle Söhne in das väterliche Geschäft eingebunden. Alle wurden als Handelsmänner oder Kaufleute geführt, wobei die Angaben zu den Waren nicht eindeutig sind. Man kann sicher davon ausgehen, dass alle mit allen möglichen Produkten handelten und sie deshalb mal als Pferde-, Vieh-, Öl- oder Fetthändler bezeichnet wurden. Wie ein Neffe von Johanna Lewy später einmal sagte, waren seine Vorfahren „alle Viehkaufleute, als Viehhändler, und als Landleute, wie die Juden damals gelebt haben. Die haben den Handel gemacht, was die Bauern gebraucht haben, ob das Getreide war oder ob das Land war oder egal wie, auch Darlehen gemacht.“[8]
Der älteste Simon Lewy, geboren am 12. April 1871, war von Beruf zudem Bäcker und zog laut seiner Personenakte früher als Hausierer mit einer einspännigen Fuhre durchs Land.[9] Aber in der Steuerliste wird er auch als Viehhändler geführt und er muss ein recht ordentliches Einkommen gehabt haben, denn in dieser Liste ist er immerhin der zweiten Klasse zugeordnet. Auch sein jüngster Bruder Lippman, der ebenfalls noch lange im elterlichen Haus wohnte, gehörte dieser Steuerklasse an. Am 3. Januar 1905 heiratete Simon Lewy die am 26. September 1875 in Rodheim geborene Emma Stern.[10] In den folgenden Jahren kamen die beiden Kinder Sidonia Irene und Berthold in Saarwellingen zu Welt.[11]
Als das Saargebiet im Zuge der Kriegsvorbereitungen 1939 evakuiert wurde, zog Simon Lewy mit seiner Frau zunächst nach Frankfurt. Beide kamen dort in der Joseph-Haydn-Str. 56 bei Emmas Bruder Julius Stern unter. Da das Paar zumindest seit 1937 kein eigenes Einkommen mehr hatte, kam Julius Stern nun auch für den Unterhalt der Evakuierten auf. In den Jahren zuvor waren sie von ihrem Sohn Berthold unterstützt worden. Er war bereits im Juli 1937 mit dem Schiff ‚Manhattan’ von Hamburg aus nach New York ausgewandert.[12] Auch seine Schwester gelangte im Mai 1940 noch vor den Eltern ebenfalls mit der ‚Manhattan’ allerdings von Italien aus nach Amerika. Nicht nur konnte sie in New York bei ihrem Bruder wohnen, er hatte ihr auch die Passage bezahlt.[13]
Am 29. Mai hatten dann auch die Eltern bei der Devisenstelle in Frankfurt die Liste mit dem Umzugsgut für die für den Juni 1941 geplante Ausreise eingereicht. Zugleich bat Simon Lewy darum, die 850 RM, die sich noch auf seinem gesicherten Konto befanden, für die Kosten der Ausreise freizugeben. Zwar wurde das nicht genehmigt, aber immerhin erhöhte die Devisenstelle den monatlichen Freibetrag auf 300 RM.[14] Offensichtlich verzögerte sich die Ausreise, denn weder im Juni, noch am 11. Juli von Lissabon, wie dann wohl geplant,[15] sondern erst am 11. September 1941 verließ das Ehepaar Simon und Emma Lewy den europäischen Kontinent von Barcelona aus mit dem Schiff ‚Villa de Madrid’ Richtung New York, um dort auf ihre Kinder zu treffen.[16]
Weitaus weniger war über die übrigen Geschwister von Johanna Baer in Erfahrung zu bringen.
Ihr zweitältester Bruder, der am 1. Februar 1873 geborene Myrtil, wohnte auch im Haus am Markplatz, wo er sich wohl auf den Fett- und Ölhandel spezialisiert hatte. 1905 heiratete er die 25jährige Emma Weinberg aus Kaiserslautern, die etwa zwei Jahre später in Saarlouis den Sohn Simon Fritz gebar. Dessen Vater Myrtil fiel im Ersten Weltkrieg am 19. April 1918 im nordfranzösischen Douai.[17]
Die jüngere Schwester Elisa, geboren am 11. Oktober 1874, verstarb ebenfalls recht früh als ledige Frau und wurde am 26. Juni 1902 in Saarwellingen begraben.[18]
Auch über den Bruder Ludwig liegen nur wenige Informationen vor. Wie seine Geschwister wohnte der Kaufmann zunächst im elterlichen Haus am Schlossplatz. Allerdings wurde er im Unterschied zu seinen Brüdern nur in der dritten Steuerklasse geführt.[19]
Der Jüngste, Lippman Oskar, geboren am 27. Juli 1882, gehörte immerhin der zweiten Steuerklasse an.[20] Auch er wohnte ursprünglich im elterlichen Haus, war aber Ende der zwanziger Jahre in Völklingen ansässig. Am 3. Februar 1920 hatte er noch in Saarwellingen Elise, genannt Lissy, Lazar geheiratet, die Tochter von Ludwig und Karoline Lazar, geborene Rosenstiel.[21] Am 12. Dezember 1920 kam die Tochter Fränzel, später Frances, in Saarwellingen zur Welt, drei Jahre später, am 12. April 1923 der Sohn Hans.
Wenn es tatsächlich ein friedvolles Zusammenleben zwischen Juden und Restbevölkerung in Saarwellingen frührer gegeben haben sollte, dann wird sich nach dem Ersten Weltkrieg mit der antisemitisch aufgeladenen Kriegsschuldfrage auch dort allmählich die politische Stimmung verändert haben. Die faktische Einbindung des Saargebietes in den französischen Staat mit Besatzungssoldaten aus den französischen Kolonien haben unzweifelhaft den Samen dafür gelegt, dass die Saarländer, als sie 1935 – grob gesagt – die Wahl zwischen Freiheit und Despotie hatten, sich für letztere entschieden. Und einem aufgepeitschten Nationalismus ist der Antisemitismus unweigerlich inhärent. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch dort schon 1933, als das Saargebiet rechtlich noch unter dem Mandat des Völkerbunds stand, am 1. April ein Boykott jüdischer Geschäfte gab. Zwar hatte der Landrat mit einer entsprechenden Anordnung versucht, solche Aktionen zu unterbinden, aber gelungen ist ihm das nur zum Teil. Auch wurden Juden, die zuvor am gesellschaftlichen Leben normal teilhatten, inzwischen ausgegrenzt und gemieden, wie ein jüdischer Zeitzeuge später berichtete: „Schon vor der Abstimmung wollten einige mit mir nicht mehr gehen. Danach bin ich allein gegangen. Jüdische Kinder wurden von der Hitlerjugend mit Gewalt von Spielplätzen vertrieben. In unserem Geschäft wurden die Kunden immer weniger. Manche sagten uns, dass es ihnen leid tut. Sie könnten aber dem Druck nicht länger standhalten. Das begann schon vor der Abstimmung. Viele haben sich von uns abgewandt. Meine Freunde haben aber trotz Druck weiter mit mir gespielt. Als ich merkte, dass der Druck zu groß wurde, habe ich von mir aus den Kontakt abgebrochen.“[22]
Auch Jean Lewy bezeugte später, dass der Wandel in der Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung bereits vor 1931 begonnen hatte. So sei sein Großvater von einem Nachbarsjungen, der sich der NS-Bewegung angeschlossen hatte, bespuckt worden. Aber, und auch das gehört zur Wahrheit: Die Mutter des Jungen kam hinzu und ohrfeigte ihren Sohn für diese Tat.[23]
Viele Oppositionelle aber auch Juden verließen ihre Heimat, nachdem die überdeutliche Mehrheit für den Slogan „Heim ins Reich“ votiert hatte und zum 1. März 1935 die Wiedereingliederung des Gebiets in das Deutsche Reich vollzogen wurde. So auch die Familie von Lippmann Oskar Lewy, die 1936 zunächst nach Luxemburg floh. 1941 zog sie unter dem Druck der Besatzer weiter nach Frankreich, zunächst das besetzte Gebiet durchquerend gelangte sie nach Toulouse, wo ein Bruder von Lippman Oskar – vermutlich Ludwig – inzwischen auch im Exil lebte. Er nahm die Familie auf. Als die Deportationen 1942 auch die im „freien“ Teil Frankreichs lebenden Juden bedrohten, ging Hans / Jean in den Untergrund und schloss sich der Resistance an. Ausgestattet mit falschen Papieren auf den Namen Jean Paul Wingert, die ihm ein französischer Polizist verschafft hatte, überlebte er die Hitlerzeit irgendwo in der französischen Provinz. Die Eltern hatten auf einem Bauerhof bei Grenade, nördlich von Toulouse, Arbeit gefunden. Wann Lippman Oskar Lewy verstarb ist nicht bekannt, seine Frau Elise hat überlebt und nach dem Krieg wieder in Saarbrücken gewohnt, wo sie 1985 verstarb.
Das Schicksal von Fränzel Lewy konnte nicht sicher geklärt werden. Sie scheint nach der ersten Flucht nach Luxemburg später in England gewohnt zu haben, dann aber irgendwann in die USA ausgereist zu sein, wo sie vermutlich heiratete und den Namen Frances Kaufmann trug. Am 26. Januar 2002 ist sie im Staat New York verstorben.[24]
Ihr Bruder Jean, der 1948 Juliane Weil aus Strasbourg heiratete, lebte nach dem Krieg im französischen Sarreguemines, dem ehemaligen Saargemünd, wo er am 4. Mai 2004 verstarb.[25]
Die spätere Judenhausbewohnerin Johanna Baer, am 3. März 1876 in Saarwellingen als Johanna Lewy geboren, war erst um das Jahr 1940 nach Wiesbaden gekommen. Genauere Angaben können wegen der im Krieg zerstörten Einwohnerkartei nicht gemacht werden. Sie hatte im Mai 1939 bei der Volkszählung noch in Pirmasens gewohnt, wo sie ursprünglich mit dem Vieh- und Lederhändler Adolf Baer verheiratet war. Die Ehe war am 13. August 1903 in ihrer Heimatstadt geschlossen worden.[26] Aus dem Heiratseintrag ist zu erfahren, dass auch die Eltern ihres Ehemanns, Jakob und seine Frau Rosina Baer, geborene Weil, in Pirmasens lebten und als Händler, vermutlich als Vieh- und Lederhändler tätig waren.[27]
In der Schuhstadt Pirmasens war für die meisten der in dieser Branche tätigen Juden – 1911 waren 9 der 16 Pirmasenser Viehhändler Juden – normalerweise ein relativ gutes Auskommen sicher. Der große Familienverband der Baers hatte in diesem Wirtschaftszweig offenbar eine bedeutende und traditionsreiche Rolle inne, allerdings hatte man sich zunehmend vom Viehhandel abgewendet und sich mehr auf den lukrativeren Lederhandel konzentriert. Die Jakob Baer GmbH. in der Schlossstr. 13 war wohl das Herz des Unternehmens, dessen genaue Struktur aber heute nicht mehr rekonstruierbar ist. Teilhaber daran waren laut Adressbuch von 1931 Julius und Louis Baer. Louis, geboren am 24. Februar 1877,[28] war wie Adolf einer der Söhne von Jakob Baer. Er wohnte auch am Firmensitz in der Schloßstraße, während sein Kompagnon Julius Baer sein Geschäft in der Höfelgasse hatte. Dessen Eltern waren Friedrich und Karoline Baer, geborene Haber.[29] Möglicherweise waren die beiden Teilhaber Cousins, was die Vermutung zulässt, dass die Handelgesellschaft schon von den vorherigen Generationen aufgebaut worden war. Auch der am 27. Mai 1875 geborene Heinrich Baer, ein weiterer Sohn von Jakob und Rosina Baer,[30] war in dieser Branche tätig. Seine Lederhandlung in der Turmstr. 7 hatte 1931 allerdings bereits einen neuen Inhaber, womöglich ein Nichtjude. Heinrich Baer war um diese Zeit schon mit seiner Frau von Pirmasens nach Wiesbaden verzogen, möglicherweise um dem dort damals schon bedrohlichen Antisemitismus zu entfliehen. Er und auch seine am 24. Oktober 1886 geborene Schwester Selma Baer verbrachten ihre letzten Lebenszeit in der hessischen Kurstadt.[31]
Ein Jahr nach der Heirat von Adolf Baer und Johanna Lewy kam am 29. Mai 1904 die Tochter Stefanie, genannt Steffy, zur Welt, am 18. Februar 1907 eine weitere Tochter namens Selma Lizzy. Es folgten noch die beiden Söhne Kurt, geboren am 11. November 1905, und Paul, der am 7. März 1911 wie alle Geschwister in Pirmasens zur Welt kam. Bald danach wurde der Vater, wie auch seine Brüder, während des Ersten Weltkriegs zum Militärdienst eingezogen.[32]
Adolf Baer gehörte auch zu den aktiven Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde, wo er 1928 den Vorsitz der Chewra-Kadischah, der Beerdigungsbruderschaft, innehatte. Zu ihren Aufgaben gehörte nicht nur die Begleitung der Toten auf ihrem letzten Gang, sondern auch die Friedhofsverwaltung insgesamt.[33]
Die Familie lebte spätestens seit 1925 im eigenen Haus in der Bitscherstr. 12. 1931, dem Todesjahr von Adolf Baer,[34] wohnte dort noch der Bruder Heinrich, der zuletzt mit seinem Bruder Louis wohl auch die Lederhandlung geführt hatte. Auf den Namen von Johanna Baer war laut Adressbuch die „Viehkommission“, also der Viehhandel eingetragen.
Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik muss das Leben für Juden in Pirmasens unerträglich geworden sein.[35] Schon Jahre bevor die Nazis im Reich die Macht gewonnen hatten, galt die Stadt als eine Hochburg der „Bewegung“. 1926 war in der „C.V.-Zeitung“, den „Blättern für Deutschtum und Judentum – Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ ein alarmierender Aufruf eines Pfälzer Christen erschienen, in dem es mit Blick auf die Pirmasenser Verhältnisse hieß:
“Nun sind die Verhältnisse für unsere pfälzische Bevölkerung etwas erträglicher geworden, und in diesem Augenblick tritt in unserem schönen Gottesgarten ein neuer Störenfried auf – die Nationalsozialisten, die Streicher-Garde. (…) Es ist unerhört! Seit Menschengedenken war die gesamte Bevölkerung der Pfalz mit allen Konfessionen in treuer Arbeit vereint. Wem wäre es je in den Sinn gekommen, gegen einen Israeliten etwas zu unternehmen? Es gab kein paritätischers Ländchen, als unsere Pfalz. Nun wollen die Nationalsozialisten diesen schönen Frieden stören. Uns Pfälzer, die wir in der Ferne weilen, kränkt es tief, daß die alte Eintracht in der Pfalz durch verantwortungslose Menschen verlorengehen könnte und uns dadurch die Heimat verleidet werden könnte. Gibt es etwas Traurigeres? Wir haben in unseren Reihen auch brave und tüchtige Israeliten, die ihre Pfalz lieber haben und treuer an ihrer Heimat hängen als der ganze völkische Block in der Pfalz. Liebe Pfälzer Landsleute! Stehet auf und kämpft gegen den Nationalsozialismus! Er ist ein Fremdkörper und eine Wucherpflanze, die von Nürnberg aus in die Pfalz verpflanzt wurde.“[36]
Und die Propagandamaschinerie der Zentrale lief tatsächlich auf vollen Touren. 1928 traten Prominente wie Strasser und Julius Streicher auf und noch im gleichen Jahr kam Joseph Goebbels zu einer Propagandaveranstaltung unter dem Slogan „An den Galgen mit den Volksverrätern!“, um gegen die Linke und Juden zu hetzen. Lastwagen, besetzt mit bewaffneten SA-Leuten, brausten durch die Stadt, um allen klar zu machen, wem die Straßen gehören sollten. Und 1932 sprach Hitler selbst auf dem dortigen Festplatz vor 60.000 Menschen. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, die böse Saat sei nur von außen in die Pfalz herein getragen worden. Bereits 1922 hatte sich in Pirmasens eine der ersten NSDAP-Ortsgruppen in Deutschland überhaupt gebildet und dort begannen der spätere Gauleiter Bürckel, der berüchtigte Mitorganisator der Wagner-Bürckel-Aktion, und der spätere Reichsinnenminister Wilhelm Frick ihre Karrieren. Als bei den Reichstagswahlen 1924 die NSDAP landesweit gerade mal 5,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, erzielte sie in Pirmasens schon mehr als 23 Prozent.
1929 sah sich der Synagogenrat genötigt, in einem offenen Brief die wachsende Pogromstimmung in der Stadt anzuprangern. Umzüge, bei denen die bekannten Schilder „Die Juden sind unser Unglück“ getragen und Sprüche wie „Juda verrecke“ gebrüllt wurden, hatten ein Klima geschaffen, in dem die jüdischen Bürger zusehends um ihr Leben fürchten mussten. Schon Im März 1933 war es zu ersten systematischen Gewaltaktionen gekommen, bei denen die Scheiben der jüdischen Geschäfte eingeschlagen wurden,[37] und der Boykottaufruf am 1. April wurde von der Bevölkerung weitgehend mitgetragen. Ziel dieser Kampagne war es im Besonderen, jüdische Händler und Unternehmer aus dem heimischen Schuh- und Lederhandel herauszudrängen und die Fabrikation zu arisieren, tatsächlich konnte aber erst 1938 die letzte jüdische Schuhfabrik in „volksdeutsche Hände“ überführt werden.
Angesichts der ständigen Demütigungen und Bedrohungen, angesichts der permanenten Angst um das eigene Lebenswerks, sahen in Pirmasens bereits 1938/39 viele derjenigen Juden, die bisher noch nicht in das vermeintlich sichere Ausland abgewandert waren, besonders nach den Ereignissen vom 9. November, in ihrer Flucht in den Tod den einzigen noch möglichen Ausweg.[38]
Verbürgt ist, dass auch Louis Baer unmittelbares Opfer der Aktionen in der Pogromnacht wurde. Die örtlichen Nazibanden raubten alle Juden, deren sie habhaft werden konnten, auf die schnödeste Art einfach aus. Sie mussten ihr Bargeld, das sie zufällig bei sich trugen, oder andere Wertgegenstände wie Uhren oder Ringe in eine Kiste legen, die dann dem Grenzpolizeikommissariat Pirmasens übergeben wurde. Manchen händigte man zynischerweise sogar eine Quittung für die erzwungene „Spende“ aus. In der nicht ganz fehlerfreien Liste, auf der die damals Bestohlenen mit Namen, Adresse und auch dem jeweilig vereinnahmten Betrag festgehalten wurden, ist auch Ludwig / Louis Baer aufgeführt. Ihm hatte man 40 RM abgenommen Insgesamt waren mehr als 11.000 RM zusammengekommen. Etwa 100 RM waren unter dem Posten „Fahrtkosten“ in der Bilanz abgezogen worden, Fahrtkosten die dadurch angefallen waren, dass man die etwa 40 zusammengetriebenen Juden, nachdem man sie ausgeraubt hatte, anschließend mit Bussen an die französische Grenze gebracht hatte – ein deutliches Hinweis darauf, was ihnen bald bevorstehen würde, sollten sie nicht freiwillig das Land verlassen.[39]
Im November 1938 lebten in Pirmasens noch 256 Juden – knapp 20 Jahre zuvor waren es noch weit mehr als 1200 Erwachsene gewesen. [40] Das Ziel Pirmasens zu einer „judenfreien“ Stadt zu machen, kam man immer näher.[41]
Auch Louis Baer hatte die Botschaft verstanden und im Sommer 1939 die Ausreise seiner Familie vorbereitet. Verheiratet war er mit Marie Frohmann, die am 6. Juni in Erlangen geboren worden war. Am 24. Oktober 1933 hatte in Würzburg die Hochzeit stattgefunden.[42] Bereits am 13. September 1931 war ihr Sohn Rolf in Rodalben, dann am 6. September 1934 in Pirmasens ein weiterer Sohn namens Hans zur Welt gekommen.[43] Zumindest die Mutter war mit den beiden Kindern am 12. Juli 1939 über die Grenze nach Frankreich gegangen,[44] ob Louis damals auch schon dabei war, ist nicht sicher. Aber gemeinsam bestiegen sie im Dezember 1939 in London ein Schiff, die ‚Highland Patriot’, das sie alle nach Argentinien in das sichere Exil brachte.[45]
Sie waren durch ihre rechtzeitige Flucht auch nicht mehr von den Evakuierungsmaßnahmen betroffen, die im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs auch für Pirmasens, das in der sogenannten ‚Roten Zone’ lag, anberaumt wurden. Im Unterschied zur nichtjüdischen Bevölkerung wurde den Juden nach einem Jahr die Rückkehr in ihre Heimat verweigert. Zwar steht Johanna Baer nicht auf der Liste der damals „Evakuierten“,[46] aber in einem Schreiben an die Devisenstelle in Frankfurt vom November 1940 erwähnt sie, dass sie „bis zum Ausbruch des Krieges im August (!) 1939 in Pirmasens, Bitschergasse 12 (gewohnt habe)“. Sie hatte wohl unmittelbar vor den behördlichen Maßnahmen Pirmasens selbst schon verlassen. Für sie gab es damals noch Alternativen, sogar die Hoffnung, noch aus Deutschland herauskommen zu können.
Das Haus in der Bitschergasse war längst auf die vier Kinder übertragen worden, die alle die deutsche Grenze bereits überschritten hatten. Von ihnen hatte die Mutter das Recht erhalten, das Haus zu verkaufen und mit dem Geld ihre eigene Ausreise zu finanzieren und – sofern nötig – bis dahin ihren Lebensunterhalt mit den Mieteinnahmen von monatlich 80 RM zu bestreiten.[47] Als dann die Menschen aus der ‚Roten Zone’ evakuiert bzw. die Juden vertrieben wurden, konnte sie bei ihrer Verwandtschaft in Wiesbaden unterkommen.
Die erste Adresse, die auf ihrer Gestapokarteikarte notiert ist, ist die Lanzstr. 3. Sie hatte dort bei ihrer Schwägerin Berta Baer eine Zuflucht gefunden. Bertha Baer, geboren am 6. November 1876 in Offenburg, war die Witwe von Heinrich Baer, dem Bruder ihres Mannes Adolf Baer. Dieser war im Alter von 56 Jahren fast genau zwei Monate nach seinem Bruder Adolf am 9. August 1931 in Wiesbaden verstorben.[48] Möglicherweise waren Heinrich und Berta Baer bereits Anfang der dreißiger Jahre von Pirmasens weggezogen, als dort die Nationalsozialisten mit ihren antisemitischen Aktionen zunehmend zur Bedrohung wurden.[49] Die Einmietung bei der Schwägerin war aber offensichtlich nur als kurzfristige Zwischenlösung gedacht, denn schon am 8. Januar 1940 zog sie in die Kirchgasse 50, wo sie Untermieterin der Familie Fried wurde. Angesichts des Schicksals, das diese Familie bereits erfahren hatte, musste Johanna Baer wissen, dass auch Wiesbaden für sie kein sicherer Ort sein würde. Nicht nur hatte die Familie Fried ihr Geschäft in Nordenstadt verloren, Ludwig Hirsch Fried war in der Reichspogromnacht auch nach Buchenwald verschleppt und nach seiner Rückkehr zur Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtet worden.[50] Vermutlich hatte Johanna Baer die Räume von der Familie Schiffer erhalten, die kurz zuvor emigriert war. Martha Schiffer, die Schwester von Ludwig Hirsch Fried, war mit ihrem Mann, dem Zahnarzt Josef Schiffer, und ihrem Sohn Herbert im Juli 1939 nach Belgien geflohen. Sie konnten aber auch dort ihren Verfolgern letztlich nicht entkommen und wurden in Auschwitz ermordet.
Während ihres Aufenthalts in der Kirchgasse kam Johanna Baer unter die Kuratel der Devisenstelle Frankfurt. Der Anlass war ein kleiner. Das Telegrafenamt Neustadt fragte bei der Devisenstelle an, ob gegen Frau Baer bereits eine Kontensicherung veranlasst worden sei. Ihr würde noch eine Entschädigungszahlung zustehen, da auf dem Dach ihres ehemaligen Hauses in Pirmasens ein Ständer für eine Sendeanlage aufgestellt worden war, wofür ihr jährlich ein Betrag von 30 RM zustehe. Die Devisenstelle forderte daraufhin Johanna Baer zur Abgabe einer Vermögenserklärung auf, die diese am 9. November 1940 übermittelte. Auf ihrem Bankkonto befanden sich 150 RM, zudem hatte sie noch eine Forderung an den Käufer ihres Hauses, der auch die Möbel des Schlafzimmers übernommen, aber noch nicht bezahlt hatte. Das Haus war am 16 September 1940 von einem Nachbarn – die näheren Umstände sind nicht bekannt – zum Preis von 17.000 RM erworben worden. Nach Abzug von Hypotheken- und Steuerschulden sollte sie den Restbetrag von 8.000 RM erhalten. Das ihr noch zustehende Geld hatte sie noch nicht bekommen, da der Verkauf selbst noch nicht genehmigt war. Auch fehlten noch die Vollmachten von zwei Kindern, die wegen der Probleme im Postverkehr auch etwa ein Jahr nach dem Verkauf noch nicht in Deutschland angekommen waren. Die einzigen Ausgaben, die sie hatte, waren die monatlichen Mietkosten von 30 RM. Verpflegung erhielt sie kostenlos von der Küche der Jüdischen Gemeinde in Wiesbaden.[51] Die Devisenstelle erlaubte angesichts ihrer finanziellen Situation, dass sie das Geld des Telegraphenamts in bar entgegennehmen dürfe und man verzichtete sogar auf die Anlage eines Sicherungskontos, zumindest bis das Geld für den Hausverkauf bei ihr eingegangen sei.[52]
Aber auch im Mai 1941 hatte sie, wie sie der Devisenstelle mitteilte, noch immer kein Geld gesehen. Das ganze Verkaufsprozedere kam ins Stocken, weil die ausstehende Vollmacht noch immer nicht vom Deutschen Konsulat in New York legalisiert worden war. Im Juli 1941 waren dann alle Hindernisse beseitigt und das Geld auf die Auswanderersperrkonten der vier Kinder überwiesen worden. Damit waren auch die Voraussetzungen für die Errichtung des gesicherten Kontos gegeben, das Johanna Baer bei der Deutschen Bank unmittelbar nach dem Eingang des Geldes beantragte. Auch bat sie um einen Freibetrag von 135 RM, um jetzt ohne Unterstützung der Jüdischen Gemeinde für ihren Unterhalt selbst aufkommen zu können.[53] Der weitere Vorgang ist in der Akte der Devisenstelle nicht mehr festgehalten worden. Aber für ihre eigene Rettung konnte das Geld nicht mehr genutzt werden. Am 23 Oktober 1941 verfügte das Reichssicherheitshauptamt den Stopp jeglicher Auswanderungen. Die „Endlösung“ war in der Planung schon längst an die Stelle der Vertreibung getreten und im selben Monat rollten die ersten Züge in die Vernichtungslager im Osten. Johanna Baer blieb nichts anderes übrig, als in Wiesbaden zu warten, bis auch ihr Name auf einer der Deportationslisten stehen würde.
Im Mai 1942 kam es drei Wochen vor der ersten größeren Deportation zu einer Veränderung in der Kirchgasse. Die Familie Fried zog aus nicht bekannten Gründen zum Ersten des Monats in die Kapellenstr. 26,[54] womit auch Johanna Baer gezwungen war, sich eine neue Wohnung zu suchen. Offensichtlich wurde sie diesmal von ihrer zweiten in Wiesbaden lebenden Schwägerin Selma Wolff aufgenommen.[55] Sie war in diesen krisengeschüttelten Zwischenkriegsjahren schon mehrfach Opfer der politischen Verhältnisse geworden. Ihr Mann, der Arzt Hugo Wolff war ursprünglich an der Universität Straßburg angestellt, wo das Paar vor dem Ersten Weltkrieg lebte. Wie Selma Wolff in der Steuererklärung von 1938 angab, war ihr Mann nach den Vorgaben des Formulars „der Rasse nach jüdisch“, gehörte aber keiner Religionsgemeinschaft an.[56] In Straßburg hatten sie sich 1913 kurz vor Kriegsbeginn gerade ein eigenes, großes Haus erbaut, das mit der Niederlage und den Bestimmungen des Versailler Vertrags verloren ging. Eine Tante, die nach dem Krieg in Europa weilte, gab ihrem Neffen damals ein Darlehen über 10.000 US-Dollar, das mit der zu erwartenden Entschädigung des Deutschen Reichs für die durch die territorialen Abtretungen erlittenen Verluste getilgt werden sollte.[57] Mit diesem Geld erwarb das Paar im Jahr 1920 das Haus in der Wiesbadener Weinbergstr. 21.[58] Selma Wolff hatte im Dezember 1940 an die Devisenstelle geschrieben, dass das Haus als Unterkunft für ihren damals schwerkranken Mann dienen sollte.[59] Laut Wiesbadener Adressbuch von 1925/26 unterhielt er dort damals noch eine Praxis für Nerven- und Blasenleiden, aber es scheint unwahrscheinlich, dass er damals noch praktizierte. Schon im folgenden Adressbuch ist als Eigentümerin des Hauses die Witwe Selma Wolff angegeben. Wann er wo verstarb, konnte bisher nicht geklärt werden.[60]
Inzwischen war auch sie völlig verarmt, denn ihrem Vermögen – Wertpapiere und das Haus selbst – im Wert von 55.000 RM standen Schulden von 42.000 RM gegenüber, der Darlehensbetrag, den sie der Tante ihres Mannes in den USA bzw. deren Familie schuldete. Ein weiterer Darlehensbetrag belief sich auf 8.000 RM, sodass ihr rein rechnerisch ein Restvermögen von 5.000 RM blieb. Davon, so schrieb sie der Devisenstelle im Dezember 1940 könne sie nicht einmal die fälligen Darlehenszinsen bezahlen.[61] In der Vermögenserklärung vom April des folgenden Jahres gab sie an, sogar 60.000 RM Schulden zu haben.[62] Das Finanzamt Wiesbaden war dagegen bei der Berechnung der Judenvermögensabgabe im Januar 1939 zunächst auf ein zu veranlagendes Gesamtvermögen von 40.000 RM gekommen und verlangte eine Abgabe von insgesamt 8.000 RM, zahlbar in vier Raten.[63]
Gegen diesen Bescheid legte Selma Wolff Widerspruch ein und ihr wurden die Beträge zunächst auch gestundet, bis sie Nachweise über ihre Schulden vorlegen konnte. Sogar das Finanzamt Pirmasens übermittelte im Februar 1939 den Wiesbadener Kollegen ein Schreiben, in dem es heißt: „Die Eheleute Baer haben seit Jahren zum Lebensunterhalt ihrer Verwandten Selma Sara Wolff in Wiesbaden, Weinbergstr. 21, durch kleinere und größere Darlehen, Steuerzahlungen usw. beigetragen. Die Auslagen betrugen bis zum 31.12.1938 = 14 827.25 RM (laut Kontobuch). Nach Angaben des Baer soll die Forderung wertlos sein, denn S. Wolff sei zahlungsunfähig. Ihr Hausgrundstück habe sie gegen Übernahme der Belastungen auf ihre Haushälterin übertragen.“[64]
Bei der Haushälterin handelte es sich um die nichtjüdische Alwine Müller, die seit etwa 15 Jahren in ihren Diensten stand und im Haus die Mansardenräume bewohnte. Sie fungierte zugleich als Hausverwalterin, denn der erste Stock war an andere Bewohner vermietet. Selma Wolff selbst bewohnte die Erdgeschosswohnung. Es muss ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zwischen den beiden Frauen bestanden haben, denn Selma Wolff hatte die Übereignung des Hauses testamentarisch festgelegt, um sie damit „für ihre treuen Dienste und aufopfernde Pflege (zu) entschädigen, die ich nicht bezahlen konnte“.[65] Der verpfändete Geldbetrag, den das Reich als Entschädigung für den Verlust des Straßburger Hauses gezahlt hatte, sollte an die Erben der Tante in den USA gehen.[66]
Selma Wolff war inzwischen ernsthaft erkrankt, hatte sich im Herbst / Winter 1940/41 mehreren Operationen unterziehen müssen und war über viele Wochen ans Bett gefesselt, sodass sie auf die Hilfe ihrer Pflegerin dringend angewiesen war. Hohe Kosten für Medikamente schmälerten zudem ihr Budget für den Lebensunterhalt. Man kann sich vorstellen, in welch auswegloser Situation sie sich befand, als im Mai 1942 ihre Nichte bei ihr einzog: Krank, verarmt und vermutlich ohne einen Rest an Lebenswille. Nur zwei Wochen nach dem Einzug von Johanna Baer und nicht einmal eine Woche vor der ersten größeren Deportation aus Wiesbaden nahm sich Selma Wolff das Leben. Sie wurde am Morgen des 17. Mai tot in ihrer Wohnung aufgefunden.[67] Nicht bekannt ist, ob dieser Schritt mit ihrer Schwägerin Johanna abgesprochen war.
Neben allem anderen war damit für diese nach nur sechs Wochen ein erneuter Wohnungswechsel verbunden. Am 15. Juni 1942 musste sie in das Judenhaus in der Adelheidstr. 94 ziehen, wo sie im dritten Stockwerk ein Zimmer erhielt.[68] Dort hatte bis zum 10. Juni das Ehepaar Aron und Lina Seelig gewohnt, die an diesem Tag über Lublin nach Sobibor in den Tod geschickt worden waren. Johanna Baer blieb ein knappes Vierteljahr in dem Judenhaus. Wann genau sie am Ende noch einmal in das Judenhaus Herrngartenstr. 11 umziehen musste, ist nicht bekannt. Aber es wird vermutlich kurzfristig vor dem Deportationstermin geschehen sein, denn ein Eintrag auf der Gestapokarteikarte wurde nicht mehr vorgenommen. Die Menschen besaßen ohnehin nichts mehr und man konnte sie nach Belieben auch sehr kurzfristig von dem einem in ein anderes Haus verfrachten.[69] Für die Betroffene wird es ohnehin gleichgültig gewesen sein, aus welchem der Ghettohäuser sie die Fahrt nach Theresienstadt hatte antreten müssen. Aber selbst Theresienstadt war wieder nur eine Zwischenstation auf ihrem Weg in den Tod. Im September / Oktober verließen insgesamt elf Transporte das dortige Ghetto und brachten knapp 20.000 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka. Der Zug mit der Bezeichnung „Bs“, der Theresienstadt am 29. September verließ, erreichte sein Ziel am 1. oder 2. Oktober. An einem dieser Tage wurde Johanna Baer, geborene Lewy, in einer der Gaskammern von Treblinka ermordet.[70]
Von den vier Kindern des Ehepaars Adolf und Johanna Baer konnten die beiden Söhne der Vernichtung entkommen, die beiden Töchter hingegen fielen dem Holocaust zum Opfer.
Die älteste Tochter Steffy hatte schon früh, möglicherweise vermittelt über ihre Tante Selma Wolff, Kontakte nach Wiesbaden aufgenommen. Sie hatte sich im Februar 1928 mit dem in Wiesbaden geborenen Walter Schestowitz verlobt. Die Feier hatte im Haus der Tante in der Weinbergstr. 21 stattgefunden. Walther Schestowitz, geboren am 16. August 1898,[71] war der Sohn von Ernst und Bella Schestowitz, geborene Wieler, die neben Walther noch die beiden Töchter Susanna Fanny und Margarete hatten.[72] Nur wenige Wochen später, am 25. März 1928 fand die Eheschließung statt.[73] Offenbar ist die Beziehung wohl nicht zuletzt unter dem Druck der verheerenden Weltwirtschaftskrise bald wieder zerbrochen. Bereits 1929 teilte der als Provisionskaufmann tätige Walther Schestowitz dem Finanzamt Wiesbaden mit, dass das vergangene Geschäftsjahr sehr schlecht gewesen sei und er nur durch Provisonsvorschüsse auf das Jahr 1929 sich „über Wasser (habe) halten können“.[74] Steuerschulden, so versprach er, wolle er in monatlichen Raten abzahlen, ein Antrag, der – so ist der handschriftlichen Notiz auf dem Brief zu entnehmen – abgelehnt wurde. Vermutlich war er nicht zum ersten Mal bei der Behörde in Verzug geraten. Im Januar 1931 war es dann seine Frau, die beim Finanzamt erneut, aber diesmal erfolgreich um Stundung der Steuerrückstände bat. Durch schlechte Geschäftslage habe ihr Mann seine Vertretung verloren und sei schon seit Wochen ohne Verdienst.[75] Als das Finanzamt bei der Wiesbaden Polizei am 2. April 1931 nach dem derzeitigen Wohnsitz von Walther Schestowitz nachfragte, erhielt es die Auskunft, dass dieser sich seit Dezember 1938 in Wien aufhalte.[76] Noch im gleichen Monat traf beim Finanzamt Wiesbaden ein Brief seiner Frau aus Pirmasens ein, wohin sie nach der Trennung wieder zurückgekehrt war: „Ich erkläre hiermit, dass mein Mann mich verlassen hat, sich seit dem in Wien aufhält und ich bis heute keinen Pfennig für meinen Lebensunterhalt von ihm bekommen habe. Ich war daher gezwungen, meinen Haushalt Rüdesheimerstraße 30 aufzulösen. Ich bin daher seither ohne Mittel und lebe bei meinen Eltern. Auf Grund dieser Erklärung bitte ich um eine Bescheinigung, damit mir das Armenrecht zur Scheidung zugesprochen werden kann.“[77]
Die Ehe wurde später förmlich geschieden.[78] Walter Schestowitz tauchte 1938 in Zagreb auf, von wo aus er einen Antrag auf einen neuen Reispass für seine geplante Ausreise stellte. Die Gestapo fragte in Wiesbaden nach noch bestehenden Steuerrückständen und vorhandenen Vermögenswerten nach, was beides vom Finanzamt verneint wurde.[79] 1939 konnte er unter Verlust seiner deutschen Staatsbürgerschaft zusammen mit seiner Mutter Bella Schestowitz in die USA emigrieren[80]
Seiner geschiedenen Frau blieb dieses Glück versagt. Sie war wohl auch aus Deutschland ausgereist, aber nur bis Belgien gekommen, wo ihr Bruder Kurt bei seiner Flucht in die USA im Sommer 1940 noch einmal bei ihr für mehrer Monate eine Zwischenstation einlegte.[81] Sie selbst blieb aber zurück und wurde von den deutschen Besatzern zusammen mit vielen anderen tausend deutschen und belgischen Juden in das Sammellager Mechelen / Malines verbracht. In einem der siebzehn Transporte, mit denen insgesamt etwa 17.000 Juden und Roma innerhalb weniger Wochen zwischen August und Oktober 1942 von dort nach Auschwitz deportiert wurden, war auch Steffy Baer / Schestowitz. Laut Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz kam sie am 4. August 1942 in Vernichtungslager an und wurde unmittelbar nach der Ankunft in einer der dortigen Gaskammern ermordet.
Vom Schicksal der zweiten Tochter, von Selma Lissy Baer, ist eigentlich nur bekannt, dass auch sie in der Shoa ihr Leben verlor. Auch sie hatte Deutschland verlassen und war nach Holland emigriert, wo sie zuletzt in Amsterdam in der Rubensstr. 64 gewohnt und als Dienstmädchen ihren Lebensunterhalt verdient hatte.[82] Aber das Exil in den Niederlanden wurde zur Falle, als die deutschen Truppen das Land besetzten und begannen, die dort lebenden Juden in Sammellagern zu konzentrieren, um sie dann systematisch in eines der Vernichtungslager zu deportieren. Zum Tag ihres Todes in Auschwitz liegen unterschiedliche Angaben vor. Während das Bundesarchiv Koblenz den 2. September 1942 angibt, heißt es in Yad Vashem mit Verweis auf das holländische Gedenkbuch, dass sie am 30 September 1942 ermordet worden sei.[83]
Der jüngste Bruder Paul war bereits vor der Weltwirtschaftskrise und damit auch vor der Errichtung der NS-Diktatur in Deutschland ausgewandert. Laut seinen Einwanderungsunterlagen war er am 26. Januar 1929 von Bremen aus mit dem Schiff ‚Columbus’ in New York angekommen und hatte sich anschließend in Chicago niedergelassen.[84] Die Adresse wurde zum Anlaufpunkt für seinen älteren Bruder Kurt, der erst sehr spät die Flucht aus Deutschland antrat. Paul Baer beantragte 1939 die amerikanische Staatsbürgerschaft und heiratete am 6. Januar 1943 die am 30. Juli 1914 geborene Irene Silverstein.[85]
Über das Schicksal von Kurt Baer sind wir sehr gut informiert, da er im Entschädigungsverfahren in einer eidesstattlichen Erklärung sehr detailliert Angaben zu seinem Lebensweg gemacht hat.[86]
Er war wohl derjenige, der eigentlich dafür ausersehen war, die elterliche Lederhandlung in Pirmasens zu übernehmen. Nach dem Ende der Schulausbildung, die er in Bad Dürkheim mit der Mittleren Reife abgeschloss, machte er zunächst eine Lehre in der Pirmasenser Schuhfabrik ‚Burkhard und Zell’, war danach bei verschiedenen Lederfirmen in Deutschland tätig, um dann zuletzt 1928 eine sehr aussichtsreiche Stellung bei der Breslauer Leder-Großhandelsfirma ‚Gnadenfeld und Schlesinger’ zu übernehmen, die ihre Produkte weit über Schlesien hinaus vermarktete. Ab 1930 wurde ihm die Aufgabe eines Reisevertreters übertragen, die dem damals Neunzehnjährigen trotz der Wirtschaftskrise ein beträchtliches Einkommen von mindestens 12.000 bis 14.000 RM im Jahr einbrachte. Er sei damals sogar von einem der Geschäftsführer als potentieller Nachfolger angesehen und entsprechend protegiert worden.
Ab den Jahren 1933/34 seien die Zeiten für ihn aber immer schwieriger geworden, weil seine ehemaligen Geschäftspartner von einem Juden nichts mehr kaufen wollten oder aber, weil jüdische Geschäftspartner selbst in so großen Schwierigkeiten waren, dass sie ihre Aufträge einschränken mussten. Abgesehen davon, sei er auch mit immer größere Schwierigkeiten beim Reisen konfrontiert worden, weil man ihn als Jude in Hotels immer öfters abwies. Mit der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze 1935 habe er unter erheblichen Verlusten bei seinem Einkommen seine Reisetätigkeit ganz einstellen müssen und habe bis zur Arisierung der Firma im Juli 1938 nur noch intern im Betrieb arbeiten können. Danach sei er von den neuen Eigentümern sofort entlassen worden und habe auch keine Anstellung mehr finden können.
Er sei danach zunächst kurz in Pirmasens gewesen, um seine inzwischen verwitwete Mutter zu besuchen, dann aber im Herbst 1938 nach Wiesbaden in das Haus seiner Tante Selma in der Weinbergstr. 21 gezogen. Von dort aus habe er seine Emigration in die USA vorbereitet. Um nicht doch noch in die Fänge der Nazis zu kommen, reiste er im Frühsommer 1939 mit einem Besuchsvisum nach Belgien zu seiner Schwester Steffy, um dort auf das Visum, das Affidavit seines Bruders und auch auf das Reisegeld zu warten, das ihm Paul vorstrecken wollte. Er selbst hatte für Belgien keine Arbeitserlaubnis, war also auf die finanzielle Unterstützung seines Bruders angewiesen. Von September 1939 bis zum März 1940 blieb er in Belgien, dann konnte er Ende März mit der ‚Staatendam’ der Holland-Linie die Überfahr nach Amerika antreten.[87] Nach seiner Ankunft in New York Anfang April zog er gleich weiter nach zu seinem Bruder nach Chicago. Zwar konnte er bei ihm wohnen, dennoch begann nun auch für ihn die schwierige Zeit eines Geflohenen, der zwar sein Leben gerettet, aber alle bisherigen Lebensleistungen verloren hatte. Mit unregelmäßigen Hilfsarbeiten versuchte er zunächst seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.[88] später wurde er in die Armee eingezogen, aus der er erst 1945 wieder entlassen wurde. Erst ab Oktober 1946 erhielt er eine feste Anstellung, die ihm zukünftig ein geregeltes Auskommen sicherte. Kurt Baer blieb in Chicago und ist dort, vermutlich ledig, am 15. Januar 1990 mit 84 Jahren verstorben.[89]
Veröffentlicht: 22. 07. 2020
Anmerkungen:
[1] Siehe Klauck, Hans-Peter; Mayer, Klaus, Gelöst ist die Schnur – gebrochen das Band. Die jüdische Gemeinde Saarwellingen – 1700-1940, Saarwellingen 2013, S. 15 ff. Die ersten jüdischen Haushaltsvorstände in Saarwellingen waren Simon Levy um 1660, Moses Levy um 1693 und Israel Levy um 1685.
[2] Ebd. S. 52. Während 1909 Jakob II Lewy 175 Mark zahlte, hatte Salomon Lazar 418 Mark aufzubringen. Insgesamt gehörten der obersten Steuerklasse damals 77 Haushaltsvorstände an, darunter waren 11 Juden, Jakob II Lewy stand an 23ster Stelle.
[3] Das Haus der Familie wurde 1883 folgendermaßen beschrieben: „Wohnhaus mit Stall und Scheune: 14,80 m lang, 11,40 m breit 1. und 2. Stock, 2 Treppen. Im Erdgeschoss ein Schaufenster, 8 zweiflüglige und ein einflügliges Fenster, i Paar Fensterläden. 1. Etage: 1 Küche mit Backofen, in der Küche befindet sich eine Pumpe, 2 Stuben, 1 Kammer, 1 Stall, 1 Scheune. 2. Etage: 4 Zimmer, 1 Heuboden. Die Fachwerkwände sind über 100 Jahre alt, die Mauerwände 34 Jahre alt. 1883 wurde das Strohdach beseitigt und durch ein Ziegeldach ersetzt.“ Ebd. S. 305, Anm. 1. Siehe die Abbildungen des Hauses und auch den Grundriss ebd. S. 89.
[4] Die Ehe war 1839 geschlossen worden. Ihre Eltern waren Leiser Moses Lazar und Esther Franck, ebd. S. 258.
[5] Ebd. S. 315.
[6] Ebd. S. 297 f.
[7] Ebd. S. 304.
[8] Ebd. S. 315.
[9] Ebd. S. 312.
[10] Sie war die Tochter von David und Klara Stern, geborene Goldschmidt, ebd.
[11] Sidonia Irene wurde am 29.1.1906 und Berthold am 25.1.1907 geboren ebd.
[12] HHStAW 519/3 27282 (2, 3). Siehe dazu auch https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6006-0445?treeid=&personid=&hintid=&queryId=445b11f17b333dfd762f007cb22af98d&usePUB=true&_phsrc=ryV1377&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=23358124&backurl=https%3A%2F%2Fsearch.ancestry.de%2Fcgi-bin%2Fsse.dll%3Findiv%3D1%26dbid%3D7488%26h%3D23358124%26tid%3D%26pid%3D%26queryId%3D445b11f17b333dfd762f007cb22af98d%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1377%26_phstart%3DsuccessSource. (Zugriff: 9.7.2020). Nach der Passagierliste der ‚Manhattan’ war seine Anlaufstelle in New York sein Cousin Ludwig Stern. Berthold Lewy war im Januar 1944 bis zum Oktober 1945 noch in die Armee eingezogen worden. Er verstarb am 7.8.1988 in den USA. Siehe https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=2441&h=13921252&tid=&pid=&queryId=445b11f17b333dfd762f007cb22af98d&usePUB=true&_phsrc=ryV1379&_phstart=successSource. (Zugriff: 9.7.2020).
[13] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/7488/images/NYT715_6466-0398?treeid=&personid=&hintid=&queryId=6df3d02af5c0e112c3e1bd805dbc4280&usePUB=true&_phsrc=ryV1383&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=1006482199&backurl=https%3A%2F%2Fsearch.ancestry.de%2Fcgi-bin%2Fsse.dll%3Findiv%3D1%26dbid%3D7488%26h%3D1006482199%26tid%3D%26pid%3D%26queryId%3D6df3d02af5c0e112c3e1bd805dbc4280%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1383%26_phstart%3DsuccessSource. (Zugriff: 9.7.2020). Die 1945 eingebürgerte Sidonia Lewy verstarb laut Sterbeindex des US-Sozialversicherungsindex sie am 28.12.2002 offenbar ledig. https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=3693&h=36661406&tid=&pid=&queryId=6df3d02af5c0e112c3e1bd805dbc4280&usePUB=true&_phsrc=ryV1385&_phstart=successSource. (Zugriff: 9.7.2020).
[14] HHStAW 519/3 29868 (1, 6, 7, 8).
[15] Ebd. (8).
[16] https://www.ancestry.de/interactive/7488/NYT715_6583-0076/1006585912?backurl=https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/119380228/person/162197597648/facts. (Zugriff: 9.7.2020).
[17] Klauck / Mayer, Jüdische Gemeinde Saarwellingen, S. 312.
[18] Ebd. S. 304.
[19] Ebd. S. 52.
[20] Ebd. S.314, 52.
[21] Ebd. S. 314. Ludwig Lazar war ebenfalls Viehhändler und gehörte in der ersten Steuerklasse an. Er war sowohl in der Jüdischen Gemeinde als auch in kommunalen Gemeinderat aktives Mitglied. Bilder des Ehepaars Lazar sind zu finden ebd. S. 273.
[22] Ebd. S. 154.
[23] Ebd. S. 316.
[24] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/119380228/person/162151967283/facts. (Zugriff: 9.7.2020).
[25] Angaben nach Klauck / Mayer, Jüdische Gemeinde Saarwellingen, S. 314.
[26] Heiratsregister Saarwellingen 29 / 1903.
[27] Juden in Pirmasens – Spuren ihrer Geschichte, hg. Stadt Pirmasens, Pirmasens 2017, S. 249.
[28] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1631/images/31433_bh10180-00011?treeid=&personid=&hintid=&queryId=e9f9b31b1c88e45b40b0d5d85b872d96&usePUB=true&_phsrc=ryV1458&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=10879985&backurl=https%3A%2F%2Fsearch.ancestry.de%2Fcgi-bin%2Fsse.dll%3Findiv%3D1%26dbid%3D1631%26h%3D10879985%26tid%3D%26pid%3D%26queryId%3De9f9b31b1c88e45b40b0d5d85b872d96%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1458%26_phstart%3DsuccessSource. (Zugriff: 9.7.2020).
[29] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1631/images/31433_bh06783-00268?treeid=&personid=&hintid=&queryId=b2388fcef542bdef2a7097217eb5ef4e&usePUB=true&_phsrc=ryV1493&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=8286818&backurl=https%3A%2F%2Fsearch.ancestry.de%2Fcgi-bin%2Fsse.dll%3Findiv%3D1%26dbid%3D1631%26h%3D8286818%26tid%3D%26pid%3D%26queryId%3Db2388fcef542bdef2a7097217eb5ef4e%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1493%26_phstart%3DsuccessSource. (Zugriff: 9.7.2020).
[30] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1631/images/31421_BH20872-00204?pId=4668071&backurl=https%3A%2F%2Fsearch.ancestry.de%2Fcgi-bin%2Fsse.dll%3Findiv%3D1%26dbid%3D1631%26h%3D4668071%26tid%3D%26pid%3D%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1323%26_phstart%3Dsucce. (Zugriff: 9.7.2020).
[31] Jüdische Bürger Wiesbaden, Stadtarchiv Wiesbaden.
[32] In HHStAW 519/3 1527 (13) Sind die Kinder aufgezählt. Ihre Geburtsdaten sind folgenden Quellen entnommen: Für Steffy Baer siehe HHStAW 685 752 (9), für Selma Lizzy siehe den Eintrag im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz, für Kurt siehe Geburtsregister Pirmasens 1175 / 1905 und für Paul siehe https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=2238&h=40222472&tid=&pid=&queryId=979086748bc02a9fc330ddcc5c2aef79&usePUB=true&_phsrc=ryV1427&_phstart=successSource. (Zugriff: 9.7.2020). Wie der Kriegsrangliste https://www.ancestry.de/interactive/1631/31433_bh09992-00289/11806621?backurl=https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/119380228/person/162197597014/facts. (Zugriff: 9.7.2020). zu entnehmen ist, war die Mutter Rosina Baer zu Beginn des Ersten Weltkriegs bereits verstorben.
[33] Juden in Pirmasens, S. 209 f. und 255 f.
[34] https://www.ancestry.de/family-tree/person/tree/119380228/person/162197597014/story. (Zugriff: 9.7.2020).
[35] Zur Geschichte der Juden in Pirmasens siehe neben dem Buch ‚Juden in Pirmasens’ auch die beeindruckende bei Youtube eingestellte Schülerdokumentation https://www.youtube.com/watch?v=JgKNynlgxQI. (Zugriff: 9.7.2020).
[36] C.V.-Zeitung vom August 1926, zit. nach ebd. S. 354.
[37] Ebd. S. 363. Auch im Kaufhaus Baer war dies geschehen. Ob es sich dabei um das Geschäft von Johanna Baers Familie oder um eine andere Familie Baer handelte, konnte nicht geklärt werden.
[38] Ebd. S. 370. Zum Novemberpogrom siehe ausführlich die Erinnerungen von Karl Wolff, ebd. S. 450-471, auch Leo-Baeck-Institut
[39] Juden in Pirmasens, S. 383 ff. Nicht wirklich geklärt ist, in welchem Rahmen dieser Raubzug stattfand, ob eher spontan in den Straßen o9der erst, nachdem man die Juden im Volksgarten zusammengetrieben hatte, um sie von dort dann abzutransportieren.
[40] Ebd. S. 506.
[41] Ebd. 354-376.
[42] Eintrag auf der Kennkarte für Louis Baer, ausgestellt am 15.12.1938, Stadtarchiv Pirmasens. Vermutlich handelte es sich um die zweite Ehe von Ludwig / Louis Baer. Am 31.10.1909 war in Pirmasens ein Heinrich Baer geboren worden, dessen Eltern Ludwig und Paula Baer, geborene Wolff, waren. Leider sind in der Geburtsurkunde 1146 / 1909 Geburtsregister Pirmasens die Geburtsdaten der Eltern nicht angegeben. Als Indiz dafür, dass der Ludwig Baer aus diesem Geburtseintrag identisch mit dem der Kennkarte ist, kann seine Unterschrift gewertet werden. In beiden Fällen unterschrieb er mit Louis, wenngleich der Schriftzug nach fast 30 Jahren nicht völlig identisch ist. Die Indizien bleiben somit eher vage und bedürfen weiterer Recherchen.
[43] Juden in Pirmasens, S. 512.
[44] Ebd. S. 509.
[45] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/2997/images/41039_b001542-00292?treeid=&personid=&hintid=&queryId=34a161799a6d5f785ee0ef7d43bc5502&usePUB=true&_phsrc=ryV1461&_phstart=successSource&usePUBJs=true&pId=146552505&backurl=. (Zugriff: 9.7.2020).
[46], Juden in Pirmasens, S. 507.
[47] HHStAW 519/3 1527 (8).
[48] Sterberegister der Stadt Wiesbaden 977 / 1931. Zwar ist auf dem Todeseintrag die Adresse Seerobenstr. 14 angeben, aber es ist nicht sicher, ob die Familie damals auch dort gewohnt hatte. Ein entsprechender Eintrag im Wiesbadener Adressbuch fehlt. Der Mädchenname von Berta Baer war Kornemann.
[49] Heinrich Baer ist erstmals im Adressbuch von 1931 mit der Anschrift Nerostr. 14 erwähnt. Das es sich um den richtigen Heinrich Baer handelt ergibt sich aus der Telefonnummer, die identisch ist mit der, die 1934/35 für Berta Baer mit der Adresse Lanzstr. 3 eingetragen ist.
[50] Zur Familie Fried liegt ein Erinnerungsblatt des Aktiven Museums Spiegelgasse vor, siehe http://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/Erinnerungsblatt-Fried-Schiffer-080825.pdf. (Zugriff: 9.7.2020).
[51] HHStAW 519/3 1527 (7, 8).
[52] Ebd. (9).
[53] Ebd. (17).
[54] Die Familie Fried war zumindest noch durch das Mischehenprivileg geschützt, da Elisabeth Fried, geborene Salziger, eine zum Judentum konvertierte Christin war und die Tochter Anita als Halbjüdin galt. Sie und ihr Vater wurden 1945 doch noch nach Theresienstadt deportiert, konnten aber befreit werden.
[55] Selma Wolff war am 24.10.1886 in Pirmasens geboren worden, siehe HHStAW 685 866 (1).
[56] HHStAW 685 866 (1).
[57] Wolffs hatten sich die Entschädigung nicht auszahlen lassen, sondern sich eine mit 6% verzinste Reichsschuldbuchforderung in Höhe von 35.450 RM aushändigen lassen, siehe ebd.
[58] HHStAW 519/3 7033 (4), HHStAW 685 866 (2). Bei der Tante handelte es sich um Sophie Wolff, siehe HHStAW 519/3 7033 (15).
[59] An welcher Krankheit Hugo Wolff litt, lässt sich den überlieferten Dokumenten nicht entnehmen. Es könnte sich aber um einen Kriegsfolgeschaden handeln, denn Selma Wolff bezeichnete sich selbst als „Kriegswitwe“ und bezog auch eine Kriegswitwenrente, siehe HHStAW 685 866 (2, 13).
[60] Hugo Wolff ist aber offensichtlich nicht in Wiesbaden verstorben, denn es liegt im Sterberegister kein entsprechender Eintrag vor.
[61] HHStAW 519/3 7033 (6).
[62] Ebd. (14, 15). Neben den Schulden von 42.000 RM bei der Tante, die offensichtlich inzwischen auch verstorben war, für die als Vertreterin jetzt ein Lilly Scheuer-Wolff, wohnhaft in Montgomery, benannt ist, gab es auch Darlehensforderungen von Louis Baer, einem Verwandten aus Pirmasens, der inzwischen nach Argentinien ausgewandert war. Der Witwe des Generalarztes Hereaucourt, den die Familie vermutlich bereits aus der Zeit im Elsass kannte, die jetzt im Nerotal wohnte, schuldete sie weitere 8.000 RM. Aber insgesamt sind die verschiedenen Vermögenserklärungen nur wenig konsistent.
[63] HHStAW 685 866 (4). Nach einer Neuberechnung im April 1939 sollte sie noch 4.800 RM zahlen, ebd. (21). Im November 1939 wurde dann festgestellt, dass sie bisher keine Zahlungen geleistet hatte und auch zur 5. zusätzlichen Rate nicht herangezogen werden würde, ebd. (23).
[64] Ebd. (12). Bei den genannten Eheleuten Baer handelt es sich um den Bruder Louis Baer und dessen Frau Marie. Zumindest hatten diese ihr in einem Brief bestätigt, dass sie ihnen eigentlich eine größere Geldsumme, etwa 15.000 RM, schulden würde. Allerdings war dieser Brief nicht mit der Erwartung verbunden, dass sie das Geld zurückzahlen solle. HHStAW 685 866 (9). Die Familie Baer reist noch im selben Jahr nach Argentinien aus, s.o.
[65] HHStAW 519/3 7033 (33).
[66] Ebd. (33). Ob die Erben nach dem Tod von Selma Wolff tatsächlich das Geld in Empfang nehmen konnten, ist eher zweifelhaft, da das gesamte Vermögen der Verstorbenen am 26.2.1943 beschlagnahmt wurde, siehe ebd. (34). Die Verwaltung des Hauses Weinbergstr. 21 wurde dem Bankhaus Briel übertragen, das in einem Bericht über die Nachlassverwaltung feststellte, dass eine Übertragung des Grundstücks auf die im Testament Bedachte noch nicht stattgefunden habe. HHStAW 685 866 (o.P.). Wie sich aus einem Schreiben des Wiesbadener Magistrats vom 11.8.1959 an die Entschädigungsbehörde ergibt, ist Frau Müller später in den Besitz des Hauses in der Weinbergstraße gelangt, siehe HHStAW 518 46521 (31).
[67] Sterberegister der Stadt Wiesbaden 1110 / 1942.
[68] Unbekannte Liste X 1.
[69] Immerhin hat die Devisenstelle im Frankfurt auf dem Aktendeckel von Johanna Baer die letzte Adresse noch vermerkt.
[70] Zu den Transporten siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 224-229.
[71] Geburtsregister der Stadt Wiesbaden 1418 / 1898.
[72] Genealogische Datenbank der Paul Lazarus Sammlung, Wiesbaden. Ernst Schestowitz war um 1863 in Wendelsheim in Rheinhessen geboren worden, seine Frau am 11.6.1875 in Konstanz. Die beiden Töchter waren in Wiesbaden zur Welt gekommen, Susanna Fanny am 7.8.1899 und Margarete am 29.12.1900. Die Kaufmannsfamilie wohnte vor der Jahrhundertwende in der Großen Burgstr. 6, später in der Bülowstr. 1. Ernst Schestowitz verstarb am 15.7.1935 in Wiesbaden.
[73] HHStAW 685 752 (15).
[74] Ebd. (16).
[75] Ebd. (30).
[76] Ebd. (32).
[77] Ebd. (33).
[78] HHStAW 519/3 1527 (13).
[79] HHStAW 685 752 (43, 46, 47).
[80] Jüdische Bürger Wiesbadens, Stadtarchiv Wiesbaden. Seine Schwester Susanne war bereits am 28.9.1928 von Bremen aus mit dem Schiff ‚Columbus’ in die USA ausgereist, siehe https://www.ancestry.de/interactive/7488/NYT715_4354-0322?pid=2005313932&backurl=https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv%3D1%26dbid%3D7488%26h%3D2005313932%26tid%3D%26pid%3D%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1294%26_phstart%3DsuccessSource&treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&_phsrc=ryV1294&_phstart=successSource&usePUBJs=true. (Zugriff: 9.7.2020).
[81] HHStAW 518 46521 (31).
[82] https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020402/0006/112675327/001.jpg. (Zugriff: 9.7.2020).
[83] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de999140 und https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4214762&ind=1. (Zugriff: 9.7.2020).
[84] https://www.ancestry.de/interactive/61196/100609351_00037?pid=1355981&backurl=https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv%3D1%26dbid%3D61196%26h%3D1355981%26tid%3D%26pid%3D%26usePUB%3Dtrue%26_phsrc%3DryV1355%26_phstart%3DsuccessSource&treeid=&personid=&hintid=&usePUB=true&_phsrc=ryV1355&_phstart=successSource&usePUBJs=true. (Zugriff: 9.7.2020).
[85] https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?dbid=1500&h=1409463&indiv=try&o_vc=Record:OtherRecord&rhSource=60901. und https://search.ancestry.de/cgi-bin/sse.dll?indiv=1&dbid=60901&h=25631416&tid=&pid=&queryId=51593c1a66ccb3dff5b78d257385ae3a&usePUB=true&_phsrc=ryV1417&_phstart=successSource. (Zugriff: 9.7.2020). Paul Baer verstarb bereits am 21.7.1979 in Chicago, seine Frau im Oktober 1995. Ebd. und https://www.findagrave.com/memorial/143061810. (Zugriff: 9.7.2020).
[86] HHStAW 518 46521 (6-12). Auf diese Erklärung wird auch in den folgenden Darlegungen Bezug genommen.
[87] Mit ihm auf dem Schiff war ein Hans Baer aus Nürnberg. Vermutlich hatten die beiden die Reise gemeinsam angetreten, denn die Passagiere sind auf der Liste nach Gruppen und nicht alphabetisch sortiert. Ob es sich dabei um einen Verwandten handelt, konnte nicht ermittelt werden.
[88] Ebd. (49).
[89] https://www.findagrave.com/memorial/126429271. (Zugriff: 9.7.2020).