Exkurs: Dr. Hans Quambusch

Der Ehemann der Käuferin des Hauses Friedrichstr. 8, Dr. Hans Quambusch, spielte im NS-Staat zumindest eine so bedeutende Rolle, dass der Autor des Personenlexikons zum Dritten Reich ihn, wenn auch nur mit einem kurzen Artikel, in sein Standardwerk aufgenommen hat.[1]
Der am 7. September 1886 in Düsseldorf geborene Hans Quambusch hatte 1913 sein Assessorenexamen bestanden und war anschließend an verschiedenen Gerichten im heutigen Nordrhein-Westfalen tätig gewesen. Wegen einer Rheumaerkrankung ließ er sich bereits 1930 nach Wiesbaden an das dortige Amtsgericht versetzen, um in der Kurstadt neben seiner beruflichen Tätigkeit auch sein chronisches Leiden behandeln zu lassen. 1934 wurde er als Oberstaatsanwalt nach Münster berufen, kehrte dann 1937 in der gleichen Funktion wieder nach Wiesbaden zurück. Er übte dieses Amt bis zu seiner Entlassung durch die amerikanischen Militärbehörden im Jahr 1945 aus. Auf Grund seiner zentralen Funktion in der Rechtssprechung, die in diesem Unrechtsstaat zweifellos Teil des verbrecherischen Gesamtsystems war, mussten die Besatzungsbehörden davon ausgehen, dass auch er persönlich schuldig geworden war.
Zwar hatten ihn die Amerikaner, nachdem sie die Regierungsgewalt in ihrer Besatzungszone übernommen hatten, am 11. Juni 1945 zunächst noch vorläufig in seinem Amt belassen, dann aber gemäß der Direktive, dass alle Amtsträger im Justizbereich mit dem Rang eines Oberstaatsanwalts automatisch der Beschuldigtengruppe II, den Belasteten, zuzuordnen seien, am 8. Oktober 1945 vom Dienst suspendiert. Unter diese Kategorie der Belasteten, wurden alle Aktivisten, Militaristen und Nutznießer verstanden, insgesamt also diejenigen, die man als wesentliche Stützen des Systems ansehen musste. Nach Quambuschs Darstellung handelte es sich bei seiner Entlassung aber um einen rein formalen Akt, denn die amerikanischen Behörden hätten ihm schon damals seine baldige Wiedereinstellung in Aussicht gestellt.[2]

Meldebogen von Dr. Hans Quambusch
Meldebogen von Dr. Hans Quambusch
HHStAW W1829 (1)

Auf seinem Meldebogen, der seinem späteren Spruchkammerverfahren zu Grunde lag, hatte er jedwede Mitgliedschaft in einer der verschiedenen Parteigliederungen bzw. der Partei selbst verneint. Eingeräumt hatte er allerdings die Mitgliedschaft in der NS-Volkswohlfahrt (NSV) und dem NS-Rechtswahrerbund, denen er jeweils von 1935 bis 1945 angehörte,[3] beides zwar keine verbrecherischen Organisationen, dennoch tragende Säulen des Gesamtsystems. Während die NSV, neben der allgemeinen Zielsetzung, „rassisch wertvolle erbgesunde Familien zu unterstützen“, nach dem Aufnahmestopp der NSDAP auch die Aufgabe hatte, für die breite Bevölkerung als Massenorganisation zu fungieren, war der Rechtswahrerbund eine Standesorganisation, der beizutreten aber keineswegs verpflichtend war. Wer dennoch in diesen Bund eintrat, tat das, um damit ein Zeichen der Loyalität mit dem System zu setzen. Dr. Quambusch gab allerdings an, er sei in diese „unbescholtenen“ Organisationen gegangen, um damit der wiederholten Aufforderung seiner Vorgesetzten in Münster, in die NSDAP einzutreten, auszuweichen. In Münster habe er sich ohnehin durch Anklageerhebung gegen führende Parteimitglieder mehrfach Ärger eingehandelt und seine Versetzung nach Wiesbaden sei eine gegen ihn gerichtete Strafmaßnahme gewesen, die auch finanzielle Einbußen zur Folge gehabt habe. Den damit verbundenen Bruch in seiner Karriere, hätte er aber bewusst in Kauf genommen, so seine Einlassungen im Spruchkammerverfahren. Er galt in der städtischen Öffentlichkeit Wiesbadens während und unmittelbar nach der NS-Zeit auch nicht als Anhänger der Nationalsozialisten, sodass er tatsächlich bald mit seiner Rehabilitierung rechnen konnte.

Dann erschien im Zusammenhang mit den Prozessen um die Euthanasiemorde in Hadamar, in denen Quambusch als Zeuge aufgetreten war, ein Artikel im Wiesbadener Kurier vom 17. Oktober 1945, der dessen dort gemachte Aussage, „alle Verwaltungs-, Justiz- und Polizeistellen, die Bevölkerung, jedermann wusste es, dass in Hadamar Kranke getötet wurden“ aufgriff und die Frage aufwarf, ob er in Kenntnis dieser Verbrechen sich als Oberstaatsanwalt nicht schuldig gemacht habe:

Quambusch
Wiesbadener Kurier vom 17.10.1945

„Im Hadamar-Prozeß wurde der frühere Staatsanwalt Quambusch als Zeuge vernommen, der – soweit wir wissen – kein Nazi war. Seine Aussage machte den ganzen Wahnsinn des Nazismus klar, und zugleich zerstörte sie die letzte Illusion über deutschen Mannesmut im Zivilleben. Herr Quambusch gab zu, er habe von den Verbrechen in Hadamar gehört, sich dann beim General-Staatsanwalt darüber unterrichtet und erfahren, daß Untersuchungen in solchen Angelegenheiten nach einem Führerbefehl verboten seien. Heil Hitler. Bisher hatten wir die Pflichten eines einfachen Bürgers dahin verstanden, daß er verpflichtet sei, einen Mord, von dem er erfahre, der Behörde zu melden; ein Staatsanwalt hatte die Pflicht, schon dem Verdacht eines Mordes nachzugehen. Dieser Herr Quambusch aber fragt seinen Vorgesetzten, ob es geraten scheine, solche Untersuchungen anzustellen, und nachdem leise abgewinkt wird, beruhigt er sich dabei. Wir sagten schon, daß uns nicht bekannt ist, daß Herr Quambusch ein Nazi war, es ist uns aber bekannt, daß er bei jeder Gelegenheit erklärt, das Nazi-System habe ihn angewidert, er hätte sein Amt am liebsten weggeworfen, er habe immer nur mitgemacht, um Schlimmeres zu verhüten. Wir fragen Herrn Dr. Quambusch, was er eigentlich verhütet hat Vielleicht gab es in Wiesbaden einmal ein paar Männer mit staatsfeindlichen Bestrebungen. Vielleicht wären diese Bestrebungen zur Tat gereift, und vielleicht – wir wissen es nicht – hat Herr Quambusch diese Leute festgesetzt und auf diese Weise das Schlimmste verhütet, das Schlimmste, daß Deutschland Frieden bekommen hätte. Aber daß wäre ja wohl denn alles, was Herr Dr. Quambusch verhindert hat.“[4]

Quambusch wehrte sich gegen diesen, seiner Ansicht nach verleumderischen Artikel. Es habe damals keine Chance gegeben, gegen das Morden behördlicherseits vorzugehen, allein seine Anfrage bei der übergeordneten Stelle bezüglich der Vorgänge in Hadamar, sei schon ein Zeichen für Mut und Risikobereitschaft gewesen. Der Wiesbadener Kurier entschuldigte sich dann im Januar 1946 für den früheren Artikel mit den Worten „Wir konnten uns inzwischen überzeugen, daß gerade dieser Mann nicht diesen Vorwurf verdiente. Er hat im Gegenteil sein hohes Amt in so entschlossener Einstellung gegen Hitler ausgeübt, dass wir heute den Eindruck haben, gerade Dr. Quambusch sei der berufene Mann, beim Aufbau der neuen Rechtspflege an vorderster Stelle zu stehen. (..) Wir bedauern diesen Fehler, da wir jetzt wissen, das dieser Mann ‚ein Gerechter’ war.“[5]

Hintergrund für diese neue Einschätzung waren die diversen Zeugnisse von Menschen, die mit dem System in Konflikt geraten waren und die Dr. Quambusch offenbar vor Schlimmerem bewahrt hatte. Eine Reihe dieser Zeugnisse bleibt sehr allgemein, bezeugen, dass der Oberstaatsanwalt schon immer ein Feind des Naziregimes und ein sehr hilfsbereiter Mensch gewesen sei, der keiner Gefahr auch für sein eigenes Leben aus dem Weg gegangen sei, um die Verfolgten zu schützen. Andere sind in den Formulierungen so übertrieben, dass sie insgesamt als wenig glaubhaft erscheinen müssen.[6] Dennoch wird man diese Affidavite, die er für seine Entlastung gesammelt hatte, nicht einfach als „Persilscheine“ abtun können, denn es befinden sich darunter auch solche, die glaubhaft sein Engagement in einzelnen Fällen bezeugen. Zumeist handelt es sich bei den Autoren um Freunde aus dem Justizsektor, aber auch Mitglieder aus jüdischen Familien sind darunter, die verfolgt worden waren.

Eidesstattliche Erklärung von Claire Guthmann für DR. Hans Quambusch
Hans Quambusch, Claire Guthmann
HHStAW 2010aE2

Ein besonderes Gewicht hat sicher die Aussage von Claire Guthmann, die Witwe des von den Nazis ermordeten Rechtsanwalts Berthold Guthmann, die selbst Überlebende aus Theresienstadt und Mitbegründerin der neuen Jüdischen Gemeinde in Wiesbaden war.
Dr. Quambusch und Berthold Guthmann kannten sich nach Angaben von Claire Guthmann bereits aus der Zeit seiner ersten Anstellung in Wiesbaden und waren seit dem auch freundschaftlich miteinander verbunden. Als Berthold Guthmann nach dem Novemberpogrom verhaftet und in das KZ-Buchenwald eingeliefert wurde, habe Dr. Quambusch ihr den Rat gegeben, ihren Mann bei den zuständigen Behörden „pro forma“ als „Konsulent“, als juristischen Vertreter der Wiesbadener Juden vorzuschlagen. „Nachdem“, so schreibt sie weiter, „mein Mann in Übereinstimmung mit allen zuständigen Behörden aus den Reihen der jüdischen Rechtsanwälte in Wiesbaden zum ‚Konsulenten’ ernannt worden war, ist es wiederum Herr OSTA Quambusch gewesen, der bei der SS-Lagerverwaltung durch Vermittlung der Parteibehörden die Entlassung meines Mannes forderte und diese schließlich auch erreichte.“[7]

Vermutlich hätte es damals unter der großen Zahl jüdischer Anwälte auch andere qualifizierte Aspiranten für dieses Amt gegeben, das Berthold Guthmann zwar letztlich nicht vor dem Tod in Auschwitz, ihn und seine Familie immerhin zunächst vor den Deportationen bewahrt hatte. Es war also weder die Jüdische Gemeinde, noch waren es die jüdischen Anwälte, die darüber entschieden, wer dieses Amt ausüben sollte, die Amtsübertragung beruhte nicht einmal auf einer eigenständigen Initiative der NSDAP, sondern sie basierte auf einer persönlichen Verbindung zwischen Guthmann und einem Oberstaatsanwalt, der wiederum entsprechend gute Beziehungen zu NSDAP-Entscheidungsträgern haben musste, um eine solche Besetzung beeinflussen zu können. Der damalige Landgerichtspräsident stellte Guthmann zudem ein Zeugnis mit folgendem Inhalt aus: „Bei guter Befähigung hat Guthmann die ihm anvertrauten Interessen stets mit Fleiß, Sorgfalt und Sachlichkeit vertreten. Sein Auftreten vor Gericht war einwandfrei. Auch seine Führung hat nie Anlass zu Beanstandungen ergeben. Er hat ein ruhiges und zurückhaltendes Wesen und ist politisch nie hervorgetreten, hat insbesondere auch nie eine staatsfeindliche Gesinnung gezeigt. Er gehört zu den wenigen jüdischen Anwälten, denen nach der Machtergreifung das weitere Auftreten vor Gericht gestattet worden ist.“[8]
Wenn später Zweifel innerhalb der Wiesbadener Judenschaft an der Integrität von Guthmann und nach dem Krieg auch an der seiner Frau aufkamen, so sicher nicht zuletzt wegen dieser Amtsübertragung und dem vergifteten Lob des Landesgerichtspräsidenten.

Nach einem Anschlag von SA-Männern auf Guthmann und dessen Sohn Paul, war es dann Quambusch gewesen, der in seiner Funktion als Oberstaatsanwalt die Attentäter anklagte und erreichte, dass sie verurteilt wurden. Auch in Münster hatte er solche Übergriffe von SA-Leuten zur Anklage gebracht und sich damit nach eigenen Worten den Unmut der NSDAP-Oberen zugezogen. Eine Reihe solcher Interventionen gegen Maßnahmen des NS-Staates ließe sich anführen bzw. wurden in seinem umfassenden Tätigkeitsbericht von ihm selbst aufgezählt und mit entsprechenden eidesstattlichen Erklärungen der damaligen Opfer belegt.

Dennoch fragt man sich aus heutiger Sicht, ob das Urteil, das Claire Guthmann über Quambusch abschließend fällte – „Er hat an derart exponierter Stelle – als Oberstaatsanwalt – durch seine Haltung und Arbeitsweise den Nationalsozialismus aktiv bekämpft und Gerechtigkeit über alle Parteidoktrin gestellt“ – so stehen bleiben kann.[9]
Auffällig ist zunächst, dass in seinem umfassenden Tätigkeitsbericht, den er zum Zwecke seiner Wiedereinstellung der Spruchkammer übergab, nie ein Zweifel am eigenen Tun in diesem diktatorischen Staat zu finden ist. Im Gegenteil, die gesamte Darstellung gerinnt geradezu zu einem Heldenepos: So schreibt er über seinen Wechsel von Münster nach Wiesbaden: „Nachdem ich da [in Wiesbaden- K.F.] die Verhältnisse glaubte einigermassen erforscht zu haben und nachdem ich eine Weile geschwankt hatte, ob ich nicht versuchen solle, das nicht leichte Amt des Oberstaatsanwalts niederzulegen und auszuscheiden oder mich wenigstens endlich auf einen ruhigeren aber gefahrloseren Posten in der Justiz zurückzuziehen, beschloss ich, das Amt beizubehalten und die auf mir lastende Verantwortung weiter zu tragen.
Ich entschloss mich, den in Münster begonnenen Kampf gegen des Nationalsozialismus fortzusetzen, mich jedoch – gewitzigt und gewarnt durch die bösen und nachteiligen Erfahrungen in Münster – in der Form des Kampfes den veränderten Verhältnissen anzupassen und weit stärker zu tarnen als in Münster. Eine solche Tarnung war inzwischen offenbar lebensnotwendig geworden, denn ein nicht getarnter, ein völlig offener Kampf gegen den Nationalsozialismus, wie ich ihn zuweilen in Münster geführt hatte, wäre, wie die Dinge im Jahr 1937/38 lagen, selbstverständlich sinnlos gewesen, weil er zu meiner sofortigen Beseitigung geführt und mir die Fortsetzung des Kampfes, dessen Endstadium ja noch nicht begonnen zu haben schien, unmöglich gemacht, im Ergebnis alle mir und den vielen Opfern der Staatspolizei, denen es zu helfen galt, nur geschadet, dem nationalsozialistischen Regime jedoch nur genutzt haben würde. (…)
Wenn ich rückschauend über diesen Zweig meiner Wiesbadener Amtstätigkeit im Einzelnen berichten wollte, so müsste ich ein ziemlich umfangreiches Werk schreiben. Zwar gehört das, was ich in jenen harten Jahren auf diesem Gebiet getan habe, zu dem Besten, was ich in jahrzehntelanger Berufsarbeit im Dienste des Rechts leisten durfte, aber ich möchte der Versuchung widerstehen, hier eine ins Einzelne gehende Übersicht über meine politische Hilfstätigkeit während des Naziterrors zu geben. Das verbietet einmal die gebotene Kürze und Rücksicht auf die eng bemessene Zeit des Lesers. Sodann möchte ich den schon ohnehin beinahe zwangsläufig aufkommenden Verdacht vermeiden, als beabsichtige ich, mit jener ermüdenden Übersicht, die doch niemals vollständig sein könnte, einen Lobgesang auf mich selbst anzustimmen.“
[10] Gegenüber einer solch heroischen Gestalt, die sogar in der gezierten Bescheidenheit selbst noch einmal einen Lobgesang auf sich selbst anstimmt, ist Skepsis allemal angebracht.

Liste von Informanten des SD der SS (Auszug)
HHStAW 2010aE2 (11)

Diese berechtigte Skepsis wird noch dadurch verstärkt, dass unmittelbar nach dem Krieg eine Liste sogenannter „Vertrauensmänner“ der Staatspolizei, genauer der Gestapo Wiesbadens, auftauchte, auf der sich neben bekannten lokalen NSDAP-Größen wie Mix, Piekarsky und Bodewig auch der Name von Hans Quambusch befand.[11]

Zunächst stellte Quambusch die Echtheit dieser Liste in Frage, d.h. ob sie tatsächlich aus einer Behörde stammte oder aber erst nach der Befreiung in denunziatorischer Absicht erstellt worden war. Offensichtlich war letzteres aber nicht der Fall. Die Liste stammte vom SD, dem Sicherheitsdienst der SS, und war der ‚Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte in Wiesbaden’ übergeben worden. Der Überbringer soll ein Herr Windgasse gewesen sein, der – so Quambusch – mehrfach vorbestraft sei, u.a. wegen „schwerer Zuhälterei an der eigenen Ehefrau“. Eine Liste, deren Überbringer sich moralisch in solcher Weise selbst diskeditiert hatte, kann – so ist insinuiert – selbst nicht der Wahrheit entsprechen. Wie sie in die Hände von Windgasse gelangte, konnte damals nicht geklärt werden.

Gleichwohl suchte Quambusch nach Erklärungen dafür, wie sein Name auf diese Liste geraten konnte. Mit dem S.D. hätte er – anders als mit der Staatspolizei – auch beruflich nie etwas zu tun gehabt. In seinen weiteren Ausführungen gibt er dann doch zumindest eine indirekte Zusammenarbeit mit dem S.D. zu, allerdings auf eine Weise, die die Existenz seines Namens auf der Liste erklären könnte, ihm aber zugleich seine saubere Weste nicht beschmutzt: „Meine einzige, indirekt dem S.D. betreffende Tätigkeit hat darin bestanden, dass ich innerhalb der Jahre 1940 bis 1944 nach meiner Erinnerung ein oder auch mehrere Male dem mich befragenden Landgerichtspräsidenten Hefermehl in Wiesbaden über irgendwelche mir entfallenen Punkte aus den allgemeinen Strafgesetzen eine Rechtsauskunft, die er von mir erbat, gegeben habe. Hierbei erzählte mir der Landgerichtspräsident, er sei von irgend einer Dienststelle des auch ihm im übrigen unbekannten S.D. um diese Auskunft gebeten worden und wolle sich der Sicherheit halber vorher bei mir über den Inhalt und die Bedeutung der betr. Gesetzesstellen unterrichten. Es ist möglich, dass Herr Hefermehl bei seiner Auskunft dem S.D. mitgeteilt hat, die Auskunft rühre vom Oberstaatsanwalt, also von mir her, und dass aus diesem Grunde der S.D. mich als ‚Vertrauensmann’ in irgend eine seiner Listen aufgenommen hat.“[12] Da kommen schon einige Zweifel auf, wenn ein Landgerichtspräsident, der im Übrigen ebenfalls auf dieser Liste erscheint und zudem auch die Berufung von Berthold Guthmann zum Konsulenten unterstützt hatte,[13] sich bei einem Oberstaatsanwalt Rechtsauskünfte einholt, völlig abstrakt, ohne einen konkreten Fall, sprich eine konkrete Person, im Auge zu haben. Auch bleibt die Frage, wie oft es solche Kontakte gab, mit „ein oder auch mehrere Male“ sehr im Vagen. Dass die konkreten Punkte, um die es ging, ihm entfallen waren und auch „irgendeine Dienststelle“ des S.D. die Anfrage gestellt hatte, ist verwunderlich, wenn der Mann seine Heldentaten andererseits noch sehr genau erinnern konnte. Aber laut dieser Aussage gab es nur einen sehr indirekten, über den Gerichtspräsidenten hergestellten Kontakt zum S.D.
Im Juli 1945 gab Quambusch eine weitere Erklärung für sein Erscheinen auf der besagten Liste ab, in der er zwar ebenfalls der Kontakt zum S.D. leugnete, aber zumindest den zu bekannten Größen der Partei und der Gestapo in Wiesbaden eingestand:
“Die Beamten der Staatspolizei in Wiesbaden baten häufiger entweder persönlich oder telefonisch in politischen Strafsachen um mein juristisches Urteil. Sie hatten diese juristischen Belehrungen notwendig, denn es waren unter ihnen viele, die zwar als Spürhunde und Terroristen für die nationalsozialistische Regierung brauchbar waren, in juristischen Fragen jedoch unfähig waren. Die meisten von ihnen waren nämlich nicht fähig, einen politischen Straffall nach der tatsächlichen Seite des richtigen juristischen Urteils klar zu beurteilen. In dieser Unsicherheit fragten sie oft, bevor die verfolgte Person dem Richter zwecks Erlass des Haftbefehls vorführten, um meine juristische Beurteilung des Falls. In solchen Fällen war es für mich eine Selbstverständlichkeit, die Beamten der Staatspolizei so zu belehren und so zu beraten, wie es für die unglücklichen Opfer am besten war. Auf diese Weise habe ich Jahre hindurch vielen Verfolgten geholfen, darunter sehr oft solchen, die es nie erfahren haben, wer ihnen geholfen und wer ihr schweres Schicksal gemildert hat.“ Außerdem will er durch diese Kontakte die Absichten der Gestapo ausgehorcht, Pläne durchkreuzt und Gefährdete gewarnt haben. Auch diesmal verzichtete er darauf, konkrete Fälle zu benennen.
“Wenn es mir bei diesen gefährlichen Bemühungen, der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, in schwierigster Lage gelang, die Geheime Staatspolizei Jahre hindurch zu täuschen, so bin ich stolz auf dieses Ergebnis. Wenn diese Täuschung eine so vollständige war, dass die geheime Staatspolizei, deren Dummheit fast ebensogroß (sic) war wie ihre Schlechtigkeit, allen Ernstes mich als ihren Vertrauensmann angesehen und mich auf die Liste ihrer Vertrauensmänner – hoffentlich an erster Stelle – gesetzt hat, so besitze ich genügend Humor, um trotz der Schwere der Lage meines Vaterlandes in dieser Stunde herzlich zu lachen!“[14]

Ein halbes Jahr später nennt er dann auch eine seiner Kontaktpersonen bei der Gestapo namentlich: „Unter diesen ist mir genau in der Erinnerung der wegen seiner Brutalität und seiner Feindschaft gegen die Juden weithin berüchtigte Angestellte Bodewig, ein Mann von geringer Intelligenz, aber ein ehrgeiziger Beamter und aktiv fanatischer Nationalsozialist schlimmster Art.“ Ohne Zweifel eine richtig Charakterisierung von Bodewig, mit der Quambusch aber seine eigene Person in ein umso helleres Licht setzen möchte. Abgesehen von dem eher peinlichen Gesülze ist bei dieser Darstellung kaum nachvollziehbar, wieso dieser fanatische Nationalsozialist Bodewig, der sich ansonsten um gesetzliche Bestimmungen wenig scherte, zu dem zumindest für Nazis angeblich nicht koscheren Quambusch ging, um sich bei mehrfache Treffen rechtlich beraten zu lassen. Immerhin war aus einer unverdächtigen, zunächst einmaligen, vielleicht auch mehrfachen Beratung des Landgerichtspräsidenten im Laufe der Zeit ein doch häufigeres Zusammentreffen mit einem der schlimmsten Nazis in Wiesbaden geworden. Um die nach dem Krieg zu legitimieren musste man schon gute Gründe vorbringen können, zumal wenn man das Amt eines Oberstaatsanwalts in dem neuen deutschen Rechtsstaat übernehmen wollte. Und Opferschutz machte sich da allemal gut.

Oberstaatsanwalt Quambusch verhindert eine vorzeitige Entlassung von Fritz Beckhardt
HHStAW 409-4 312 (o.P.)

Keinen Opferschutz gewährte er allerdings dem im Ersten Weltkrieg hoch dekorierten Kampfflieger Fritz Beckhardt, einem Wiesbadener Juden, der es ‚Jude mit dem Hakenkreuz’ zu großer Bekanntheit gebracht hatte.[15] Nach Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 geriet Beckhardt mit dem Staat in Konflikt, weil er eine Beziehung zu einer arischen Frau, seiner Hausangestellten, unterhielt und sogar Vater eines Kindes aus dieser Beziehung wurde. Mit den neuen Rassegesetzen galt diese Beziehung als „Rassenschande“ und Beckhardt wurde auf Grund einer Denunziation zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung der Hälfte der Strafe hätte es die Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung gegeben, zumal die Beurteilungen über ihn, soweit es das Verhalten im Gefängnis und die Arbeitsleistung betrafen, alle sehr positiv waren. Einzig die Tatsache, dass er Jude war, verhinderte offenbar diese Möglichkeit: „B. ist Jude u. denkt u. fühlt als solche“, so die Aussage von einem der Aufseher.[16] Vor dem Hintergrund der genannten positiven Punkte in den Beurteilungen und besonders angesichts der militärischen Leistungen für das „Vaterland“ wäre es sicher nicht unmöglich und auch sicher keine Gefährdung seiner eigenen Person gewesen, wenn der Oberstaatsanwalt für eine Verkürzung der Strafzeit plädiert hätte. Stattdessen formulierte er knapp und klar, er habe „keine Veranlassung gefunden, einen Gnadenerweis zu befürworten“.[17]
Aber nicht nur damals, sondern nach dem Ende der verhängten Strafe war er es erneut, der eine Freilassung verhinderte. Zwar überließ er es diesmal seinem Vertreter, das Votum der Gestapo mitzuteilen, aber der Erste Staatsanwalt unterzeichnete ausdrücklich „in Vertretung“, weshalb man davon ausgehen muss, dass sein Vorgesetzter die Entscheidung billigte. Für Fritz Beckhardt bedeutete das neun weitere Monate „Schutzhaft“ in Buchenwald. Erst danach kam er frei und konnte mit seiner Familie auswandern.
Die ganze Sache hat noch dadurch ein besonderes „Geschmäckle“, weil der Anwalt von Fritz Beckhardt der Konsulent Berthold Guthmann war, der angeblich mit Quambusch in einem besonderen Vertrauensverhältnis stand. Guthmann war aber auch eng mit Fritz Beckhardt befreundet. Beide waren aktive Mitglieder im ‚Kampfbund jüdischer Frontsoldaten’(‚KjF’), kannten sich seit Jahren und hatten diverse Konfrontationen mit dem Nazi-Mob gemeinsam durchgestanden. Man muss sich aber fragen, ob Beckhardt etwas von der Beziehung zwischen seinem Verteidiger und seinem Chefankläger wusste ? Ob er wusste, dass es da logischerweise Interessenskonflikte gab und Guthmann möglicherweise in einem Loyalitätskonflikt stand? Wie dem auch sei, es war Quambusch, der nicht einmal dem „Freund“ eines „Freundes“ zu helfen bereit war, selbst dann nicht, wenn für ihn persönlich nichts auf dem Spiel stand.

Aber all das tat der weiteren Karriere von Dr. Quambusch keinen Abbruch. Die Amerikaner, die Quambusch zunächst entlassen hatten, standen mit ihrem eingeschlagenen harten Kurs bei der Entnazifizierung bald vor einem Dilemma. Allein in Wiesbaden, wo zu Kriegsbeginn 14 Staatsanwälte tätig gewesen waren, durften ein Jahr nach Kriegsende nur noch fünf ihren Dienst ausüben, in Frankfurt und Darmstadt hatte sich die Zahl sogar halbiert und bei den Richtern sah es noch schlimmer aus. Deren Zahl war in Wiesbaden in diesem Zeitraum von einundzwanzig auf sechs geschrumpft.[18] Ersatz für die wegen ihrer Amtsführung im NS-Staat entlassenen Juristen war kaum zu finden, stattdessen hatten die Besatzungsbehörden eine große Zahl völlig unfähiger Bewerber eingestellt, wie Raim nachweisen konnte. So schien ein Staatsanwalt, der nicht einmal Mitglied in der NSDAP war, auch glaubhafte Entlastungszeugen vorweisen konnte, zumindest ein kleineres Übel zu sein. Dennoch waren sie bei Quambusch angesichts der Anschuldigungen zögerlich geblieben, obwohl ihm anfangs eine schnelle Wiedereinstellung zugesagt worden war.

Vor dem gleichen Problem, unbescholtene Juristen zu finden, standen die Deutschen, als mit dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ vom 5. März 1946 die Entnazifizierung in deren Hände gelegt wurde. Am 2. Juli 1946 ersuchte Quambusch noch einmal bei der amerikanischen Militärregierung um seine Wiedereinsetzung. Diese wiederum gab den Fall angesichts der veränderten Zuständigkeiten an die Deutschen mit dem Hinweis weiter, dass er mit höchster Priorität in den laufenden Spruchkammerverfahren zu behandeln sei.[19] Am 5. August 1946 übertrug der Hessische Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung die Angelegenheit mit dem Vermerk „Zur sofortigen vordringlichen Behandlung“ an die Spruchkammer Wiesbaden.[20] In dem mitgelieferten Arbeitsbogen heißt es ergänzend zu den früheren, von Quambusch auf dem Meldebogen selbst gemachten Angaben: „Mitarbeiter der Ortsgruppe Süd 1938“, was sich nur auf die NSDAP beziehen kann, und „Vermutlich Auskunftsdienst bei dem SD in der SS“.

Quambusch
Einstellung des Verfahrens gegen Dr. Quambusch
HHStAW W1829 (22)

Ungeachtet dessen bescheinigte der Hessische Minister der Justiz in einer beigefügten Stellungnahme, „dass Dr. Quambusch sein Amt als Oberstaatsanwalt in untadeliger Weise geführt und sich als aktiver Gegner des Nationalsozialismus und Beschützer derjenigen erwiesen hat, die vom Nationalsozialismus verfolgt wurden. Die Rückkehr des Dr. Quambusch in sein Amt als Oberstaatsanwalt würde einen großen Gewinn für die Justizverwaltung bedeuten und ich wäre dankbar, wenn sie so bald als möglich verwirklicht werden könnte.“[21]

Diesem Wunsch und dieser Einschätzung entsprach die Spruchkammer in ihrem Urteil vom 5. September 1946 und schloss die Akte Quambusch: „Sie [die Spruchkammer – K.F.] gibt ihrer Genugtuung Ausdruck durch ihren Spruch, einen aufrechten, mutigen Mann wieder rehabilitieren und damit ihm den ihm zukommenden Platz im Wiederaufbau unserers (sic) armen Vaterlandes öffnen zu können.“[22]

Damit waren alle Hemmnisse für die Karriere von Dr. Quambusch im Nachkriegsdeutschland beseitigt. Er stieg auf zum Generalstaatsanwalt am Deutschen Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet in Köln [23] und wurde mit der Oberaufsicht über alle Spruchkammerverfahren in der britischen Besatzungszone betraut. Schon 1952 ehrte man ihn mit dem Großen Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, aber das hatte man auch einem „furchtbaren Juristen“ wie Hans Filbinger umgehängt.

In dem gesamten Verfahren um die Wiedereinstellung und Rehabilitierung von Hans Quambusch spielte der Kauf des Hauses Friedrichstr. 8 in Wiesbaden von der Jüdin Aurelie Kahn keine Rolle, obwohl er damit ebenfalls als Nutznießer der NS-Herrschaft zum Kreis der Belasteten gehörte. Im Gesetz heißt es diesbezüglich unter Artikel 9, Absatz I 3: „Nutznießer ist, wer auf Kosten der politisch, religiös oder rassisch Verfolgten unmittelbar oder mittelbar, insbesondere im Zusammenhang mit Enteignungen, Zwangsverkäufen und dergleichen, übermäßige Vorteile für sich oder andere erlangte oder erstrebte.“[24]

Auch wenn seine Frau als Käuferin auftrat, so war er zumindest mittelbarer Nutznießer und obwohl der Vertrag nicht rechtskräftig wurde, so war allein das Erstreben eines solchen Nutzens vom Gesetz als hinreichender Grund für eine Einstufung in die Gruppe II festgelegt worden. Und dieser Nutzen war allein schon dadurch gegeben, dass das Ehepaar Quambusch über längere Zeit, bis Herbst 1944, die Mieteinnahmen für das Haus einstrich.[25] Dass der vereinbarte Preis deutlich unter dem Wert der Immobilie lag, sogar unter dem Einheitswert, ergibt sich aus dem gesamten Vertragswerk, in dem auch ein recht hoher Abgeltungsbetrag festgeschrieben war.
Interessant ist zudem auch hier wieder die Anwesenheit von Berthold Guthmann bei der Unterzeichnung des Vertrages. Er fungierte vermutlich in seiner Rolle als Konsulent für Aurelie Kahn als Vertrauensperson, war aber vermutlich auch derjenige, der als Freund des Ehepaars Quambusch das Geschäft angebahnt hatte. Man muss sich unweigerlich fragen, ob er in dieser Interessenskonstellation eine neutrale Position überhaupt hatte einnehmen können, zumal er Quambusch seine Entlassung aus dem KZ und auch die Funktionsstelle des Konsulenten zu verdanken hatte.

Als später die Frage strittig war, ob der Kaufvertrag zwischen Aurelie Kahn und Quambuschs tatsächlich Rechtskraft erhalten hatte, nahm der damalige Vorsitzende des Finanzamts Wiesbaden in einem Schreiben an das Ehepaar Quambusch noch einmal Bezug auf Guthmann. Die gesamte Verkaufsangelegenheit war inzwischen höchst kompliziert geworden, weil der Vertrag noch vor dem Erlass der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, aber unter Vorbehalt irgendwelcher Einwände durch die zuständige Entjudungsstelle abgeschlossen worden war. Die genannte Verordnung legte fest, dass das gesamte Vermögen der Flüchtlinge, auch das Immobilienvermögen, dem Reich verfallen würde, sobald die Reichsgrenze überschritten war. Die Entjudungsstelle hatte ihre Einwilligung aber erst nach Erlass der Verordnung gegeben, jetzt allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Oberfinanzpräsidenten, der zuständig für die dem Reich verfallenen Vermögen war. Dies betraf aber nur den Teil der in die USA ausgewanderten Töchter, nicht aber für die nach Palästina emigrierten Töchter der verstorbenen Erna Hess, geborene Kahn, denn diese waren – so ist dem Brief zu entnehmen – nach Angabe von Berthold Guthmann palästinensische Staatsbürger geworden. Sie konnten – wenn auch nicht völlig frei – über ihr Vermögen und den Verkauf bestimmen. Der Vorsitzende des Finanzamts deutet an, dass man dieser Angabe von Guthmann nicht unbedingt Glauben schenken müsse, was ihm sicher Recht gewesen wäre. Denn sollten die Enkelinen von Aurelie Kahn bisher keine fremde Staatsbürgerschaft haben, dann wäre das gesamte Vermögen dem Reich verfallen und der Vertrag dann völlig hinfällig. Wenn aber Guthmanns Angabe den Tatsachen entsprochen hätte, dann wäre die Verwertung der Immobilie für das Reich sehr kompliziert geworden und der Verkauf der Immobile die bessere Lösung gewesen, nicht nur für den Fiskus, sondern auch für Aurelie Kahn, die allerdings keinen Zugriff auf das Geld gehabt hätte. Am besten wäre diese Lösung aber für das Ehepaar Quambusch gewesen, das dann günstig an die gewünschte Immobilie gekommen wäre.
Mit einem zynischen Unterton merkt der Vorsteher des Finanzamts dann noch an, dass „Guthmann nicht näher befragt werden (kann), weil er nach Theresienstadt verbracht worden“ sei. Dorthin hatte man ihn mit seiner Frau und den beiden Kindern am 17. Juni 1943 von Frankfurt aus, wo er bis zu diesem Zeitpunkt für die ‚Reichsvereinigung der Juden’ tätig war, deportiert. Am 1. Oktober 1944 wurde er mit seinem Sohn weiter nach Auschwitz gebracht und vermutlich unmittelbar nach seiner Ankunft ermordet, während der Leidensweg für seinen Sohn Paul noch immer nicht zu Ende war.[26] Er wurde in Mauthausen ermordet.
Als Claire Guthmann ihr Affidavit für Hans Quambusch am 12. Oktober 1945 schrieb, wusste sie noch nichts über sein Schicksal, vermutlich auch nichts über das ihres Sohnes. Ihr Mann sei „seit seiner Verbringung in ein Konzentrationslager im Jahr 1943 noch nicht wieder zurückgekehrt“, schrieb sie einleitend. Und er kehrte auch nicht mehr zurück.

Dr. Hans Quambusch hatte nach Kriegsende noch gut zwanzig Jahre Lebenszeit und eine glänzende Karriere vor sich. Er verstarb am 30. Juni 1965 im Alter von fast 79 Jahren in Wiesbaden. Es bedarf sicher einer intensiveren Beschäftigung mit seiner Person und auch den Urteilen, an denen er als Anklagevertreter mitgewirkt hatte, um sich ein abschließendes Bild über ihn machen zu können.

 

 

Veröffentlicht: 30. 01. 2023
Letzte Revision: 23. 08. 2023

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] Klee, Personenlexikon zum Dritten Reich, S.474.

[2] HHStAW 2010a E2 (51).

[3] HHStAW W1829 (1).

[4] WK vom 7.10.1945.

[5] WK vom 23.1.1946. Hervorhebung im Original.

[6] So heißt es etwa bei einem Regierungsdirektor van Endert: „Wir waren uns alle einig in der Überzeugung, dass der Kampf gegen die Pest des Nazitums einer sittlichen Verpflichtung  nicht nur dem eigenen Volke, sondern der Menschheit gegenüber entspräche. An Mut und Klugheit in der kompromisslosen Durchführung dieser Auffassung hat sich Dr. Quambusch wohl kaum durch jemand übertreffen lassen.“ HHStAW W1829 (7). Abgesehen davon, dass es ganz sicher mutigere Menschen im Widerstand gegeben hat als den Oberstaatsanwalt Quambusch, wird von anderen seine Devise gelobt, einen verdeckten Kampf zu führen. „Die Machtmittel dieses Staates seien weit stärker als die Abwehrkräfte des einzelnen (sic). Deshalb müsse jeder einzelne sich tarnen und den Nationalsozialismus mit List bekämpfen.“ Ebd. (1). Hervorhebung im Original.

[7] Ebd. (8 f.).

[8] HHStAW 458 793. (o.P.).

[9] HHStAW W1829 (9).

[10] HHStAW W1829 (9).

[11] HHStAW 2010aE 11 f.

[12] HHStAW 505 393. Hervorhebung im Original.

[13] Siehe den obigen Artikel zu Berthold Guthmann, besonders die Anmerkung 68, https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/bahnhofstr-25/#_ftn68.

[14] Ebd. (23).

[15] Siehe dazu die Geschichte der Familie Beckhardt, verfasst von Lorenz Beckhardt, dem Enkel von Fritz Beckhardt: .Beckhardt, Jude mit dem Hakenkreuz. Allerdings war Beckhardt alles andere als ein Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung, das Hakenkreuz, das auf sein Flugzeug gemalt war, galt für ihn in seiner ursprünglichen Bedeutung als eine Art Amulett, als Glücksbringer.

[16] HHStAW 409/4 312 (12-17).

[17] Ebd.

[18] Raim, Justiz zwischen Diktatur und Demokratie, S. 281 f.

[19] Ebd. (48, 50).

[20] HHStAW W1829 (7).

[21] Ebd. (17).

[22] Ebd. (21, 22).

[23] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Obergericht_f%C3%BCr_das_Vereinigte_Wirtschaftsgebiet. (Zugriff: 20.01.2023).

[24] Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946, Art. 9, Abs. 3.

[25] HHStAW 519/2 2072 (o.P.). Schreiben der Hausverwaltung Henn vom 18.9.1944.

[26] Siehe zum Schicksal der Familie Guthmann umfassend https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/bahnhofstr-25/.