Rheingauer Str. 5 (Marcobrunnerstr. 5)


Rheingauer Str. 5
Das Judenhaus Rheingauer Str. 5 nach der Zerstörung heute (Marcobrunnerstr. 5)
Eigene Aufnahme
Lage des früheren Judenhauses in der Rheingauer Str. 5 (Marcobrunnerstr. 5)

 

 

 

 

 

 

 


Heinz Lewin, Eigentümer des Judenhauses Rheingauer Str. 5, und seine Familie

 

Als das Haus Rheingauer Str. 5 zum Judenhaus erklärt wurde, hatte sein Eigentümer Heinz Lewin seine Heimatstadt Wiesbaden, in der er geboren wurde und aufgewachsen war, in der Hoffnung, so der Verfolgung entkommen zu können, schon längst verlassen. Doch für ihn gab es kein Entkommen. Auch er fiel zuletzt der Shoa zum Opfer.[1] Für die einundzwanzig jüdischen Bewohner, für die das Haus im Rheingauviertel die letzte Unterkunft vor der Deportation in den Tod war, gab es ebenfalls kein Entrinnen. Sobibor, Theresienstadt, Auschwitz oder Treblinka waren die Orte, wo sie auf bestialische Weise ermordet wurden. Einer der Bewohner, Heinrich Sichel, nahm sich im Angesicht der anstehenden Transporte noch im Judenhaus das Leben. Das Gebäude, das im Krieg zerstört wurde und durch einen charakterlosen Neubau ersetzt wurde, offenbart heute nichts mehr von den tragischen Schicksalen, die sich hier zugetragen haben. Nur drei Stolpersteine auf dem Gehweg der 1958 in Marcobrunnerstraße umbenannten Straße erinnern zumindest an drei der früheren Bewohner.

 

Herkunft der Familie Lewin und der in Berlin ansässige Zweig

Stammbaum der Familie Lewin
GDB

Wie so viele andere Juden, die in den zwanziger und dreißiger Jahren in Wiesbaden lebten, hatte auch die Familie Lewin osteuropäische Wurzeln.[2] Es ist kaum möglich, dieses Wurzelwerk der Familien, die oft untereinander durch Heirat miteinander verbunden waren, aufzudröseln, zumal auch die für westeuropäische Ohren nur schwer zu verstehenden Namen der Familien und der Ortschaften in den Dokumenten oft einfach nur nach dem Hörensagen festgehalten wurden. Oft wurde auch an Stelle der kleinen Weiler nur der nächstgrößere Ort vermerkt.[3] Sicher ist aber, dass Lewins aus dem Gebiet um Wilna stammten, eine Region, die zudem immer wieder wechselnden Territorien zugeordnet war. Mal gehörten die Bewohner zu Polen, dann zum Russischen Zarenreich, nach der Revolution dann zur Sowjetunion und heute ist das Gebiet Belarus bzw. Weißrussland zugeordnet. Und mit diesen Veränderungen war wiederum auch die Namensgebung einem ständigen Wandel unterworfen.

Der etwa 60 Kilometer südöstlich von Wilna gelegene Ort, von wo die Familie Lewin stammte, heißt heute Aschmjany. In der russischen Zeit hieß er Oschmjany, trug in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen, als er zu Polen gehörte, den Namen Ozmiana.[4] Ende des 19. Jahrhunderts hatte das Städtchen mit seinen etwa 5-6000 Einwohnern kaum mehr eine größere Bedeutung. Allerdings war es im Laufe des Jahrhunderts zu einem Zentrum jüdischer Binnenmigration geworden, sodass es möglich ist, dass auch die Lewins zu den damaligen Zuwanderern gehörten.

Russland, das erst durch die polnische Teilung zu einem Staat mit jüdischer Bevölkerung wurde, beherbergte Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Mal mehr als 5 Millionen Juden, somit fast die Hälfte des Weltjudentums. Die ungeliebten neuen Mitbewohner sollten unter den Zaren möglichst klein gehalten und von der russischen Bevölkerung separiert leben. Die sogenannten Siedlungsrayons, in denen sie zu leben gezwungen wurden, war nur eine der vielen restriktiven Maßnahmen der Obrigkeit, die den Juden das Leben im Russischen Reich unerträglich machten. Die kurze Phase der Lockerungen unter Zar Alexander II. hatten sie bitter mit einer noch größeren Verfolgungswelle nach dem tödlichen Attentat auf ihn zu bezahlen. Es gab somit im 19. Jahrhundert unzählige Gründe, das Land zu verlassen. Für die Juden im Raum Wilna kam die dortige extreme wirtschaftliche Not noch hinzu. Zwar litten die Juden in allen Rayons unter der Reglementierung ihrer Berufsausübung, die notwendig eine hohe Konkurrenz untereinander und eine geringe Kaufkraft zur Folge hatte. 1898, eigentlich eine Boomphase der russischen Wirtschaft, war ein Viertel der jüdischen Bevölkerung in den Rayons auf das jüdische Armenwesen angewiesen, in Wilna – Löwe nennt es einen „traurigen Rekord“ – sogar 37 Prozent.[5]
Was lag näher, als das Zarenreich zu verlassen? Natürlich war Amerika das Land, das am ehesten Freiheit und einen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg versprach. Etwa 1,5 Millionen Juden gelang in den Jahren zwischen 1870 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs der Sprung über den großen Teich, 120.000 schafften es zumindest bis nach England, aber ein großer Teil kam auch nur bis Berlin, wo sich in diesen Jahren besonders im Scheunenviertel ein vom Ostjudentum geprägtes Milieu entwickelte.[6] Viele waren nur mit einem Transitvisum in die Stadt gekommen, dann aber für viele Jahre oder sogar für ein ganzes Leben geblieben. Wie auch unter den heute aus aller Welt nach Europa oder in die USA strömenden Flüchtlingen war zunächst oft nur einer aus den Familien vorausgegangen und hatte dann, sobald er Fuß gefasst hatte, andere Mitglieder nachgeholt.

Berliner Adressbuch mit Lewins, die im Tabakgewerbe tätig waren

Mitunter konnten die Neuankömmlinge beruflich daran anknüpfen, was sie in ihrer Heimat gelernt hatten. Und in der großen Familie Lewin scheint das der Handel und die Verarbeitung von Tabak gewesen zu sein. Schon im Berliner Adressbuch von 1885 findet man einen Tabakhändler Hermann Lewin, wohnhaft in der Sophienstr. 18. Nur zehn Jahre später war die Zahl derjenigen, die in irgendeiner Weise mit diesem Handelsgut befasst war und die den Namen Lewin trug, auf mehr als zehn angestiegen. Ein I. Lewin, mit der Adresse Gormannstr. 5, war Agent für russische und türkische Tabake und zudem Zigaretten- und Tabakfabrikant.

Isaak Lewin
Sterbeeintrag von Isaak Lewin in Berlin 1902
Grabmal von Isaak und Riwe Lewin in Berlin
Privatarchiv Y. Mocatta

Zwar ist dem Adressbuch nicht zu entnehmen, ob die aufgeführten Personen miteinander in einem verwandtschaftlichen Verhältnis standen, aber zumindest für einige ist das anzunehmen. Auch weiß man nicht, ob sie aus der Gegend um Ozmiana stammten. Aber der genannte I. Lewin ist identisch mit dem am 14. Februar 1902 im Alter von 68 Jahren in Berlin verstorbenen Zigarettenfabrikanten Isaak Lewin, der laut seinem Sterbeeintrag aus Wilna in Russland stammte, wo er am 13. Mai 1833 geboren worden war.[7] Wahrscheinlich ist, dass damit nicht Wilna selbst, sondern auch die Umgebung gemeint ist, er somit auch aus Ozmiana stammen könnte. In dem Dokument sind auch seine Eltern Abel Wolf und Sarah Lewin, geborene Becker, aufgeführt, die dort bereits eine Zigarrenfabrik besaßen. Der genannte Isaak Lewin, der früher in der Gormannstr. 5 gewohnt hatte, war um die Jahrhundertwende in die Alte Schönhauserstr. 30 gezogen, wo er dann auch verstarb. Verheiratet war er mit Riwe / Riwka Pessia Lewin, die vermutlich auch aus diesem Familienverband stammte.[8] Ihre Eltern waren der Baumeister Isaak und Feige Lewin. Der Mädchenname von Feige war schon damals nicht mehr bekannt.

Baladon
Eintrag im Berlinder Adressbuch von 1905

Wie aus einem Eintrag im Berliner Adressbuch von 1905 hervorgeht, war die Zigarettenfabrik, die Isaak in Berlin betrieb und die unter dem Namen ‚Baladon‘ firmierte, bereits 1884 gegründet worden, also zu einer Zeit, als er selbst dort noch nicht im Adressbuch erfasst worden war. Möglicherweise handelt es sich bei dem oben genannten Hermann Lewin um einen nahen Verwandten von Isaak, der als erster in der Stadt Fuß gefasst und die Firma gegründet hatte.

Baladon-Werbung
https://alphabetilately.org/BloggerFrank/abc-sets.html
Tabakladen mit Baladon-Werbung
WDR Digit/Username

Nach dem Tod von Isaak Lewin im Jahr 1902 traten seine Witwe und die beiden Söhne Wolf und Hirsch Lewin als Inhaber in Erscheinung. Der ältere Wolf – manchmal auch Wolff geschrieben – war am 12. August 1868 in Trab bei Wilna geboren worden,[9] sein Bruder Hirsch, mit vollem Namen Salomon Hirsch Hermann, am 23. Dezember 1871 in Wilna, aber vermutlich waren sie in dem gleichen Ort in der Nähe von Wilna zur Welt gekommen.[10] Nach dem Tod der Mutter, sie verstarb am 24. Juli 1911 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin in der Elsasser Str.85,[11] wurden die beiden Söhne die alleinigen Inhaber der Zigarettenfabrik.

Der ältere Wolf Lewin, der sowohl die Nachricht vom Tod seines Vaters als auch die seiner Mutter dem Standesamt überbracht hatte, war am 7. Januar 1891 eine Ehe mit Slata Dolginower eingegangen. Auch sie war am 16. März 1868 in Oszmiana bei Wilna geboren worden.[12] Am 17. Februar 1892 kam dann in Berlin ihre Tochter Fanny zur Welt.[13] Und am 23. Juli des folgenden Jahres wurde noch ein Sohn geboren, der den Namen Rudolf Jakob erhielt.[14]

Über das Schicksal dieser Familie sind wir dank eines Interviews, das seine Tochter Edith Miriam 1998 der USC-Schoah Foundation gab, recht gut informiert.[15] Rudolf Lewin, ein angesehener Handelsvertreter in Berlin, war mit Ava, genannt Eva, Friedmann verheiratet. Seine Eltern, Wolf und Slata Lewin, die mit ihrer Zigarettenfabrik finanziell sehr gut gestellt waren, bewohnten in Berlin nicht nur ein sehr großes und schön ausgestattetes Appartement, sondern hatten auch dafür gesorgt, dass ihren Kindern vermeintlich einer gesicherten Zukunft entgegensehen konnten. Jedem wurde – so die Großenkelin – zunächst eine gute Ausbildung zuteil, dann wurde für alle jeweils ein eigenes Geschäft bzw. Unternehmen erworben, mit dem sie ihr Glück machen sollten. Einer der Söhne bekam ein Kino gekauft, in dem damals Stummfilme präsentiert wurden. Ihre Mutter Eva Lewin, so erinnerte sich Edith, begleitete damals die Vorstellungen oft auf einem Klavier. Es gab offensichtlich schon eine sehr frühe Verbindung einzelner Familienmitglieder zu dem neuen Medium Film, aber auch die Musik scheint schon immer eine Rolle bei den Lewins gespielt zu haben. So wurde auch eine der früh verstorbenen Schwestern von Rudolf selbst Klavierlehrerin. Rudolf dagegen war im eher profanen Ofen- und Heizungsgeschäft aktiv, aber ebenfalls recht erfolgreich. Man unternahm viele Reisen, blieb auch mal wegen des schlechten Wetters in Berlin einen ganzen Winter in Südfrankreich. Es war nach Bezeugen von Edith eine schöne und geborgene Kindheit, die sie in Berlin verbrachte, und selbst in den Jahren des aufkommenden Faschismus erlebte sie keine Demütigungen, Angriffe oder Beleidigungen, von denen viele andere jüdische Kinder immer wieder berichteten. Obwohl die Eltern als assimilierte Juden ihren religiösen und kulturellen Traditionen nur wenig Beachtung schenkten, hatten sie ihre Tochter in einer jüdischen Privatschule untergebracht, die für sie im Alltag auch als Schutzraum diente.
Die Ehe von Rudolf und Eva ging 1938 auseinander, aber beide konnten noch vor der Reichspogromnacht mit ihrer Tochter unter Zurücklassung des gesamten Vermögens nach England auswandern, zunächst ging Rudolf, dann einen Monat später am 15. Mai Eva mit ihrer Tochter. Dort lebten alle drei getrennt voneinander, Edith für längere Zeit unter wenig erfreulichen Bedingungen in einem Heim. Die Eltern, die keine Arbeitserlaubnis erhielten und ihr Leben mit Schwarzarbeit fristen mussten, konnten sie nicht unterhalten. Sie selbst schaffte es trotz aller Widrigkeiten immerhin, ihre Schulausbildung zu Ende zu bringen.
Ihre Mutter heiratete damals in England in zweiter Ehe einen Mann, der 1940 ein Visum für die USA erhielt. Mit ihm ging sie zunächst alleine in die Staaten, hatte aber zuvor die Versicherung erhalten, dass sie ihre Tochter wenige Wochen später nachholen dürfte. So konnte auch Edith bald danach in die Staaten nachkommen und dort ihr eigenes Leben in Freiheit aufbauen und nach einer zunächst gescheiterten Ehe im zweiten Anlauf eine Familie gründen. Nachkommen der nächsten Generation gibt es in den USA und in Israel.
Ihr Vater Rudolf Lewin, der ebenfalls eine neue Ehe eingegangen war und auch noch einmal einen Sohn bekommen hatte, war in England geblieben.

Sybelstr. 39 in Berlin – die letzte Wohnung von Wolf und Slata Lewin
Foto: B. Kubrak

Für Ediths Großeltern Wolf und Slata Lewin gab es jedoch kein glückliches Ende. Sie waren in Berlin geblieben, wo sie zuletzt mit einigen anderen jüdischen Mietern in der Sybelstr. 39 wohnten. Am 13. Januar 1942 hatten sie sich auf dem Bahnhof Grunewald einzufinden. Mit dem zweiten Transport von Berlin nach Riga, der die Bezeichnung ‚Da 44’ erhalten hatte, wurden sie mit weiteren 1000 Jüdinnen und Juden „in den Osten“ verbracht. Vermutlich wurden auch sie dort bald nach ihrer Ankunft erschossen.

Wolf und Slata Lewin
Transportliste der Deportation vom 19.1.1942 aus Berlin nach Riga
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127187383

 

Taube Lewin
Taube Lewin, geb. Trotzky
https://assets.yadvashem.org/image/upload/t_f_image/f_auto/v1/remote_media/photos4/hon/14190539.JPG?_a=BAKAACDY0

Auch Wolfs Bruder Hirsch Hermann hatte eine eigene Familie gegründet und ebenfalls eine Frau aus seiner russischen Heimat erwählt. Wann genau er die Ehe mit der am 23. Dezember 1873 in Wilna geborenen Taube Trotzky einging, ist nicht bekannt, aber im Sterbeeintrag ist sie als seine Witwe benannt. Hirsch Hermann war nur 42 Jahre alt geworden, als er am 6. Dezember 1914 in Berlin in der Linienstr. 216 verstarb.[16] Seine Frau Taube geriet noch in die Fänge der Nazis. Zuletzt hatte sie in Berlin in der Münzstr. 10 gewohnt. Am 2. Februar 1943 wurde sie dort abgeholt und nach Theresienstadt deportiert.

Taube Trotzky Lewin
Todesfallanzeige für Taube Lewin aus Theresienstadt
https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/6/7/2380_ca_object_representations_media_46734_large.jpg

Es handelte sich um einen der vielen, eher kleinen Transporte, die im Winter 1942/43 aus verschiedenen Städten des Reichs in die Lager gingen. Derjenige, der damals Berlin verließ, umfasste 89 Menschen, elf von ihnen gelang es im Ghetto irgendwie zu überleben.[17] Taube Lewin gehörte nicht zu ihnen. Sie verstarb dort am 21. August 1943 angeblich an Altersdemenz und Herzmuskelentartung.[18] Ihre Enkelin Vivianne Levi, die später in Australien lebte, vielleicht auch noch lebt, hat in Yad Vashem zum Gedenken an ihre Großmutter eine ‚Page of Testimony’ und auch ein Bild von ihr eingestellt.[19]

Vivianne ist eine der wenigen Nachkommen von Hirsch Hermann und Taube Lewin und ihren drei Kindern, die als Überlebende Zeugnis von dem Schicksal ihrer Familie ablegen konnte.
Am 25. Januar 1897 wurde als erstes Kind in der Ehe von Hermann Hirsch und Taube Lewin der Sohn Nicolai geboren. Damals wohnte die Familie noch in der Gormannstr. 5, der Vater wird hier, wie auch in den folgenden Geburtsanzeigen, noch als Zigarettenarbeiter bezeichnet.[20] Am 1. April 1899 wurde mit Julius ein weiterer Sohn geboren.[21] Inzwischen war die Familie in die Alte Schönhauser Straße verzogen, wo zuletzt auch der Großvater Isaak verstorben war. Dort kam am 20. Oktober 1900 dann noch die Tochter Fanny zur Welt.[22] Wie ihre Mutter wurden auch zwei der drei Kinder im Holocaust ermordet. Laut ‚Mapping the Lifes‘ war Nicolai 1939 vermutlich im Zusammenhang mit den Novemberereignissen des Vorjahres schon einmal in Torgau an der Elbe verhaftet worden.[23] Wo er die folgende Zeit bis zur erneuten Verhaftung verbrachte, konnte nicht ermittelt werden. Am 29. Januar 1943 trat er, der ledig gebliebene Mechaniker, von seiner Geburtsstadt Berlin aus den Weg nach Auschwitz an, wo er bald danach am 9. Februar ermordet wurde.[24] Auch er hatte wie seine Mutter zuletzt in der Münzstr. 10 gewohnt. Mit ihm waren sechs weitere Personen mit unterschiedlichen Familiennamen an diesen Tag aus dem dortigen Haus deportiert worden, sodass man vermuten kann, dass es sich um eine Art Judenhaus gehandelt haben muss.[25]

Auch seine Schwester Fanny überlebte die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nicht. Von ihr weiß man nicht einmal den genauen Ort und Tag, an dem sie ermordet wurde. Ihr Name steht aber auf der Liste eines Transports vom 15. August 1942, mit dem etwa 1 000 Menschen aus Berlin nach Riga verbracht wurden – auch bei ihr, die ebenfalls ledig geblieben war, ist als letzte Adresse die Münzstr. 10 angegeben.[26] Es handelte sich um den 18. Osttransport, mit dem die Berliner Juden in den Tod gebracht wurden. Diesmal ereilte dieser die Insassen in den Wäldern von Rumbula und Bikernieki in der Umgebung von Riga.[27]

Fanny Lewin
Transportliste der Deportation von Berlin nach Riga am 15. 8. 1942
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/127204879?s=Fanny%20Lewin&t=228847&p=0

 

Als einziges der drei Kinder überlebte Julius. Wann er aus Deutschland geflüchtet war, konnte nicht ermittelt werden, aber als im Mai 1939 die Volkszählung stattfand, wurde er bereits nicht mehr erfasst. Wohin und wie sein Fluchtweg aussah konnte bisher ebenfalls nicht rekonstruiert werden, aber ein Passagier namens Julius Lewin, der sich als Tabakexperte bezeichnete, befand sich auf einem Schiff, das am 11. November 1938 von Liverpool aus Kanada ansteuerte. Er, wie auch zwei weitere, etwas ältere Passagiere mit dem Nachnamen Lewin, hatten Australien als ihr eigentliches Reiseziel angegeben. Julius Lewin war staatenlos, die beiden anderen auf der Liste, das Ehepaar Wolf und Charlotte Lewin, besaßen dagegen noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Ob sie ebenfalls entfernte Mitglieder der Familie waren, konnte bisher nicht geklärt werden.[28] Aber mit Rosi Taborissky, inzwischen verheiratete Lewisohn, hatte sich damals auch eine nahe Verwandte mit ihrer Familie auf der ‚Duchess of Bedford’, einem Schiff der ‚Canadien-Pacific-Linie’, eingeschifft.[29]
Auf dem Schiff nach Kanada befanden sich auch der 30-jährige Architekt Rudolf Trostler und die 32-jährige Studentin Valentine Trostler.[30] Dass es sich um kein Ehepaar, sondern vermutlich um Geschwister handelte, ergibt sich aus einer Indexliste ausländischer Personen, die in Kanada 1938 anlandeten, darunter auch die beiden Trostlers. Valentine ist hier als „Miss“ bezeichnet, war somit noch ledig.[31]

 

 

 

 

Die Passagierliste der ‚Dutchess of Bedford‘ mit den verschiedenen Mitgliedern der Familie Lewin auf ihrem langen Weg nach Australien

Es scheint so, als hätten sich Julius Lewin und Valentine Trostler auf dieser Schiffsreise von Liverpool nach Quebec bzw. Montreal im November 1938 kennen gelernt, denn später waren sie Mann und Frau. Die lange Reise bot dazu auch jede Gelegenheit, denn – so hat die Tochter des Paares bestätigt – Julius hatte 1938 ursprünglich vor, mit dem Zug nach Holland und von dort aus mit dem Schiff weiter nach Australien zu emigrieren. Er änderte aber dann seinen Plan, als bekannt wurde, dass Juden beim Grenzübertritt in die Niederlande aus den Zügen herausgeholt würden. Mit dem Flugzeug landete er in Holland, fuhrt mit dem Schiff weiter nach England und bestieg in Liverpool die ‚Dutchess of Bedford’, die ihn und seine zukünftige Frau zunächst an die Ostküste Kanadas brachte. Auf dem Landweg ging es dann auf die andere Seite des Kontinents nach Vancouver, von wo aus er dann sein ursprüngliches Ziel Australien ansteuerte. Offenbar hatte auch Valentine Trostler das gleiche Ziel. Allerdings hatten sich die beiden in Australien zunächst wieder aus den Augen verloren, sich aber einige Jahre später wieder getroffen und dann auf dem Fünften Kontinent eine Familie gründeten, der zwei Töchter entsprangen. Eine von ihnen, Vivienne, war diejenige, die die ‚Page of Testimony’ für Taube Lewin in Vad Vashem hinterlegt hatte. Sie und ihre Schwester Francis haben mittlerweile ebenfalls eigene Familien gegründet und sind inzwischen selbst schon Großmütter geworden.[32]

 

Zwar sind in den Berliner Adressbüchern nur die beiden Söhne von Pessia und Isaak Lewin zu finden, aber das Paar hatte auch noch drei Töchter, die sich später alle in Wiesbaden niederließen. Die älteste war Chaja, die Mutter von Heinz Lewin. Sie war am 16. Juni 1866 ebenfalls im Kreis Wilna geboren worden.[33] Nach den beiden Brüdern Wolf und Hirsch Hermann war dann am 28. Mai 1875 Sarah gefolgt.[34] Das Geburtsdatum der letzten Tochter Gnessja oder Gunessia ist nicht bekannt, aber sie muss um 1878 zur Welt gekommen sein, wie man aus ihrem Sterbeeintrag – sie war am 10. April 1937 in Wiesbaden im Alter von 59 Jahren verstorben – ableiten kann.[35]

Nicht bekannt ist, ob auch eine oder beide Schwestern von Chaja, bevor sie nach Wiesbaden kamen, vielleicht noch eine Zeit in Berlin mit ihrer Familie verbracht hatten. Viele russische Juden kamen aber auch damals schon auf einem direkten Weg in die Kurstadt am Rhein, wo es schon längst eine recht große russisch-jüdische Gemeinschaft gab.

Der Wiesbadener Zweig der Familie Lewin und der Aufstieg der Firma ‚Menes‘

Moshe / Moses Lewin
Privatarchiv Y. Mocatta

So müssen auch Chaja mit ihrem Mann Moshe / Moses Lewin, den sie am 3. April 1885 noch in ihrem russischen Heimatort Ozmiana geheiratet hatte, ohne größere Umwege nach Wiesbaden gekommen sein.[36] Ihr erstes Kind, die Tochter Sophie Blume, war am 10. Februar 1886 noch in Oszmiana zur Welt gekommen.[37] Aber schon das folgende und letzte Kind, der Sohn Heinrich, genannt Heinz, wurde mit dem Datum 22. März 1888 in den Geburtsregistern von Wiesbaden eingetragen.[38] Das Paar muss also zwischen 1886 und 1888 den Weg nach Hessen in die damals sehr attraktive Weltkurstadt gefunden haben.[39]
Auch Moses Lewin, der ebenfalls im Zigarettengeschäft tätig war, kam aus Oszmiana, wo er am 11. Januar 1862 als Sohn von Hirsch Lewin und seiner Frau Chaschl geboren worden war. Bei diesem Namen und dem Beruf liegt zunächst die Vermutung nahe, dass auch Moses zumindest aus dem weiteren familiären Umfeld seiner Frau stammte. Allerdings könnte es auch sein, dass Moses Lewin ursprünglich nicht aus der Familie Lewin stammte, sondern von Hirsch Lewin und seiner Frau adoptiert worden war. Es war damals in Russland nicht unüblich, dass Eltern, die mehr als einen Sohn hatten, ihren zweitgeborenen zur Adoption freizugaben, weil der einzige Sohn nicht zum Militär eingezogen wurde und man auf diese Weise dem eigenen zweitgeborenen Sohn das Leben sichern konnte, wenn er von einer Familie ohne männliche Nachkommen adoptiert wurde. Zumindest hat sich im späteren australischen Zweig der Lewins die Gewissheit bewahrt, dass Moses Lewin ursprünglich Moses Kaganoff oder Kaganovitch gehießen habe.[40]
In den Wiesbadener Adressbüchern ist 1890 erstmals ein Mitbürger Lewin, allerdings ohne Vornamen, vermerkt, sein Beruf „Cigarrenmacher“ und wohnhaft in der Tausnusstr. 21. Aber schon im Adressbuch 1891/92 ist dann die Firma ‚M. & Ch. Lewin, Cigaretten- und Tabakfabrik’ zu finden, die im ersten Stock des Hauses Webergasse 15 ihren Sitz hatte. Die Kürzel ‚M. und Ch.‘ stehen mit Sicherheit für Moses und Chaja. Offenbar hatten die beiden damals die erste Zigarettenfabrik in Wiesbaden gegründet. Noch im selben Jahr siedelten sich allerdings ganz in der Nähe zwei weitere Zigarettenproduzenten an, wobei die Firma ‚Ray O’, die die Zigarettenmarke ‚Sphinx’ in den Handel brachte, sich nicht auf Dauer etablieren konnte.[41] Eine wirkliche Konkurrenz wurde die ursprünglich in Dresden gegründete Zigarettenfabrik von Isaak Keiles, die ebenfalls in der Webergasse einen ihrer ersten Standorte hatte und in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung das Unternehmen von Moses und Chaja Lewin allmählich überflügelte.[42]

Menes Briefkopf
Briefkopf der Firma ‚Menes‘ von 1921
HHStAW 685 475 (1)
Menes
Briefkopf der Firma ‚Menes‘ 1925 Mit Bitte um Steuerstundung
HHStAW 685 475 (58)

 

 

 

 

 

 

 

Die Familie von Sarah Wittenberg, geborene Lewin

Aber zunächst liefen die Geschäfte der Lewins sehr gut und vermutlich auf Grund der prosperierenden Entwicklung vor der Jahrhundertwende kamen weitere Familienmitglieder von Berlin nach Wiesbaden. Chajas Schwester Sarah hatte am 26. Oktober 1892 in London den Zigarrenhändler Isaak Wittenberg ebenfalls aus Wilna oder der näheren Umgebung geheiratet.[43] Wann Isaak Wittenberg, der Sohn des zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits verstorbenen Nathan Wittenberg, geboren worden war, ließ sich nicht mehr exakt klären. In seiner Heiratsurkunde wird sein Alter mit 30 Jahren angegeben, was auf ein Geburtsjahr um 1862 schließen lässt.[44] Dies stimmt in etwa auch mit der Altersangabe auf seiner Sterbeurkunde überein, laut der der am 16. Januar 1922 in Wiesbaden Verstorbene 69 Jahre alt gewesen sein soll.[45]
Offen muss bleiben, wieso die Ehe in London in der dortigen East London Synagoge geschlossen wurde. Vielleicht war es damals für etwas betuchtere Paare Mode, in dieser europäischen Metropole den Bund der Ehe zu schließen, möglicherweise war Isaak Wittenberg aber auch für einen längeren Zeitraum aus beruflichen Gründen dort tätig, denn auch er übte, wie andere Familienmitglieder auch, einen Beruf in der Tabakbranche aus.[46] Offenbar ging das Paar aber bald nach der Hochzeit zunächst wieder nach Berlin zurück, wo am 22. August 1893 die Tochter Charlotte und zwei Jahre später am 29. Januar 1895 eine weitere Tochter namens Natalie Fanny geboren wurden.[47] In dem letztgenannten Jahr findet man dann auch einen „I. Wittenberg, Cigarren, Cigaretten u. Tabake Engr.“, wohnhaft in der Kommandantenstr. 54 im Berliner Adressbuch. In dieser Wohnung war auch die Tochter Natalie Fanny zur Welt gekommen, sodass kein Zweifel daran bestehen kann, dass der genannte I. Wittenberg der Ehemann von Sarah Lewin war.
Wie bereits angemerkt, kam das Paar mit seinen zwei Töchtern noch vor der Jahrhundertwende ebenfalls nach Wiesbaden und zog in Bahnhofstr. 20 ein, wo am 2. September 1899 ihr drittes Kind zur Welt kam, diesmal ein Sohn, der den Namen Nicolai Jakob erhielt.[48] Im dortigen Haus richteten sie ebenfalls eine Zigarettenfabrikation und eine Zigarrenhandlung ein. Zusätzlich wurden interessanterweise „Beehive“, d.h. eigentlich Bienenkörbe, in das Angebot aufgenommen.[49] In der Bahnhofstraße blieb die Familie auch das folgende Jahrzehnt wohnen, von den Bienenkörben liest man in den weiteren Adressbuchausgaben allerdings nichts mehr. Ob die beiden „verschwägerten“ Zigarettenfirmen von Moses Lewin und Isaak Wittenberg miteinander kooperierten, ist nicht bekannt, aber nahe liegend. Von der Bahnhofstraße wurde die Firma später in die Rheinbahnstr. 4 verlegt. Noch vor oder während des Ersten Weltkriegs konnten Wittenbergs das Nachbarhaus mit der Nr. 3 erwerben.[50]
Ihre älteste Tochter Charlotte hatte am 6. Februar 1913 den Fabrikanten Josef Waintraub geheiratet.[51] Der am 27. Februar 1888 in Proskurow in der heutigen Ukraine geborene Sohn von Aron Matys Mordgo und Chana Ester Waintraub, geborene Dlugolenski, wurde als Gesellschafter in die Zigarettenfirma des Schwiegervaters aufgenommen.

Interessanterweise versuchte er sich auch in der neuen Filmindustrie. Im Adressbuch von 1924/25 ist er als Geschäftsführer einer ‚Faun-Filmgesellschaft m.b.H.’ eingetragen, die – so erinnerten sich später damalige Bewohner die Geschäftsräume in der Adolfstr. 10 hatten.[52] Erfolgreicher war er aber dann in einer ganz anderen Branche.

Adolfstr. 10 heute
Eigene Aufnahme

Wie Charlottes Schwester Natalie Fanny später im Entschädigungsverfahren angab, hatte die Familie Wittenberg „sehr erhebliche Geldmittel der Familie Waintraub zur Gründung und zum Betrieb“ einer Wollwarenfabrik zur Verfügung gestellt, [53] die in dem von Josef Waintraub 1922 erworbenen Haus Adolfstr. 10 angesiedelt wurde. Laut Handelsregister war die ‚Waintraub & Co.’ Dann am 1. März 1924 gegründet worden, persönlich haftende Gesellschafter waren der Vater Aron und sein Sohn Josef Waintraub. Dessen Frau Charlotte wurde, sicher auch wegen des Geldes der Familie Wittenberg, die Stellung einer Prokuristin anvertraut [54]
Der mit modernsten Maschinen ausgestattete Fabrik entwickelte sich recht erfolgreich und beschäftigte zumindest zeitweise bis zu 30 Angestellte.[55]. Es gelang damals sogar einen örtlichen Konkurrenten, die ‚Strickwarenfabrik Offenbacher & Co.’ Zu übernehmen und so die Kapazitäten und den Absatz zu steigern.[56]
Das frisch vermählte Paar wohnte zunächst noch in der Rheinbahnstr. 4 bei Wittenbergs, zog aber 1915 in die Nikolasstraße, die heutige Bahnhofstraße. Nach dem Ende des Krieges kam die Familie, der inzwischen am 1. November 1913 der Sohn Rolf geboren worden war,[57] wieder zurück in die Rheinbahnstraße und zog dort in das von den Eltern erworbene Haus mit der Nr. 3 ein. Nach dem Tod von Aron Waintraub – er verstarb am 31. Oktober 1925 in Wiesbaden [58] – fiel das Haus in der Adolfstr. 10 an sein einziges Kind, seinen Sohn Josef, das Hausgrundstück in der Rheingaustr. 3 gehörte in den gemeinsamen Besitz der Erbengemeinschaft Wittenberg, d.h. der Witwe Sarah Wittenberg und ihren drei Kindern.[59] Nachdem die beiden Seniorchefs verstorben waren, führte Josef Waintraub mit seiner Frau die beiden Betriebe weiter.

Sowohl an der Zigarettenfabrik als auch an der Wollwarenfabrik war auch Charlottes Bruder Nicolai beteiligt. Er hatte nach dem Abitur am Städtischen Reformgymnasium, der heutigen Oranienschule, sein Abitur abgelegt und an der Universität in Frankfurt ein Jurastudium begonnen.[60] Nachdem das neue Unternehmen seiner Schwester und seines Schwagers gegründet worden war, stieg er auch als Teilhaber dort ein und erhielt etwa 1.000 RM als Vergütung.[61]
Auch er wohnte mit seiner Mutter in einer gemeinsamen 5-Zimmer-Wohnung in der Rheinbahnstr. 3. Über das erlesene, später geraubte Mobiliar der Wohnung, die u.a. mit einem Rokokosalon ausgestattet war, gab er später im Entschädigungsverfahren umfassend Auskunft.[62]

Charlottes Schwester Natalie Fanny hatte am 11. März 1919 in Wiesbaden den von Diez an der Lahn stammenden Arzt Dr. Walther Lomnitz geehelicht.[63] Als seine Eltern Siegfried und Betty Lomnitz, geborene Müller, um 1932/33 nach Wiesbaden kamen, fanden sie eine Unterkunft im Haus von Josef Waintraub in der Adolfstr. 10. Später zogen dann auch sie in das Haus der Wittenbergs in die Rheinbahnstr. 3.[64]
Wittenberg HochzeitWittenberg Hochzeit

 

 

 

 

 

Hochzeitsfeier von Natalie Wittenberg und Dr. Walther Lomnitz in Wiesbaden
Privatarchiv Y. Mocatta

Walther Lomnitz selbst führte seine internistische Praxis in der Taunusstr. 5, wo er auch mit seiner Frau wohnte. Zwei Kinder waren dem Paar geboren worden, zunächst Mary Elvira am 4. Dezember 1922, dann am 21. Juli 1929 noch der Sohn Werner, der aber am gleichen Tag noch verstarb.[65] In den dreißiger Jahren war die Familie noch in den dritten Stock des Nachbarhauses Taunusstr. 3 umgezogen. Die Praxis richtete Walther Lomnitz dort in der ersten Etage ein.

 

Die Familie von Gnessja Innese Taborissky, geborene Lewin

Isaak und Riwe Pessia wurde zuletzt noch eine weitere Tochter geboren, die den Namen Gunessia / Gnessja oder auch Innese erhielt. Wann sie geboren wurde, ist nicht genau bekannt, aber da sie am 10. April 1937 in Wiesbaden im Alter von 59 Jahren verstarb, muss sie um 1878 – auch in ihrem Eintrag ist der Geburtsort nur vage mit Wilna angegeben – geboren worden sein.[66]

Georg Taborissky
Das Grab von Georg Taborissky in Mannheim – möglicherweise der Ehemann von Gnessja Lewin
https://www.marchivum.de/sites/default/files/grabbilder1986/D2-B-02-15%20Film%20Nr%20465_0035.jpg

Über das Leben von Gnessja / Innese ist nur wenig bekannt. Sie war verheiratet mit einem Georg Taborissky, genannt Grisha, über den man aber noch weniger weiß. Allerdings gab es in Mannheim einen Georg Taborissky – der Name wird sicher nicht allzu oft vorkommen – der dort auf dem jüdischen Friedhof begraben liegt. Auf dem Grabstein ist sein Geburtsdatum, leider ohne Geburtsort, mit dem 29. Januar 1874 und sein Todestag mit dem 14. September 1910 angegeben.[67] Ein Eintrag im Adressbuch weist ihn als Cigarren-, Cigaretten- und Tabakhändler aus.[68] Er würde somit bestens in die Familie Lewin passen, aber ob er der früh verstorbene Ehemann von Inesse war, bleibt bisher nur eine vage Vermutung. Bekannt ist aber, dass Gnessja / Innese eine Tochter namens Rosi hatte, denn die wird später im Testament ihres Onkels Moses aus dem Jahr 1937 erwähnt. Es heißt darin, Rosi Lewisohn, geborene Taborissky, und wohnhaft in Quedlinburg im Harz, solle seine Möbel erben. In dem besagten Jahr gab es in Quedlinburg allerdings nur die Familie eines Max Lewinsohn, wohnhaft in der Adelheidstr. 15 und von Beruf Filialleiter. Vermutlich handelt es sich um eine Verschreibung, denn ein Max Lewisohn war auch der Unterzeichner der Sterbeurkunde von Moses Lewin. In diesem Dokument wird er als Geschäftsführer – von welchem Geschäft ist nicht gesagt – bezeichnet. Er wohnte damals in der Taunusstr. 3,[69] wo auch die Familie Lomnitz ihre Wohnung und Praxis hatte. Möglicherweise waren der Neffe und die Nichte nur zu Besuch nach Wiesbaden gekommen, um beim Ableben ihres Onkels anwesend zu sein. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei den genannten Rosi und Max Lewi(n)sohn um die Tochter und den Schwiegersohn von Genssja / Inesse Taborissky.
Um 1920 muss das Paar aber in Nürnberg gelebt haben, denn dort wurde am 10. Oktober 1919 ihr einziges Kind, der Sohn Gerhard geboren. Eine erhaltene Gefangenenkarte enthält die Information, dass er sich am 30. Januar 1938 nach Quedlinburg abmeldete, um aber sofort für ein halbes Jahr nach Berlin zu gehen. Am 31. Juli 1938 kam er dann nach Quedlinburg zurück, wo er dann zusammen mit seinen Eltern die Ausreise aus Deutschland in Angriff nahm.[70]

Wie bereits erwähnt war die Familie von Rosi Lewinsohn mit ihrem Cousin Julius Lewin auf der ‚Dutch of Bedford’ im November 1938 von England aus über Kanada ebenfalls nach Australien ausgewandert. Nach Angabe von Yvonne Mocatta lebte die Familie später in der Nähe von Melbourne, wo Rosi am 9. Juli 1985 verstarb, wie sie von deren Sohn Gerhard / Gerald erfuhr.[71] Wann dessen Vater verstarb, ist nicht bekannt.

Karteikarte von Gerhard Lewisohn, der später den Namen Gerad Lewison annahm
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/11215762?s=Gerhard%20Lewisohn&t=2575414&p=0

Moses und Chaja Lewin

Auch die Familie von Moses und Chaja Lewin hatte sich inzwischen vergrößert. Ihre Tochter Sophie hatte am 29. Mai 1906 in Wiesbaden den Rechtskandidaten und späteren Rechtsanwalt Salomon Max Baum, geboren am 12. Mai 1884 im westfälischen Mengede / Dortmund, geheiratet.[72]
In ihrer Ehe wurden mit Heinz Egmont am 10. August 1907 und Rolf Adalbert am 4. Oktober 1908 zwei Söhne geboren.[73] Später verließ die Familie die Kurstadt. Max Baum hatte als promovierter Jurist zunächst eine Anstellung in Bonn, später dann in Frankfurt gefunden. Im Jahr 1922 trat er, damals noch wohnhaft in Frankfurt, als Trauzeuge bei der Hochzeit von Fanny Lewin in Berlin in Erscheinung. Fanny, geboren am 17. Februar 1892 in Berlin, war die Tochter von Wolf und Slata Lewin, geborene Dolginower. Ein Abraham Rewitsch, der aus dem heute ukrainischen Poltawa stammte, wo er am 25. Mai 1897 zur Welt gekommen war, wurde am 26. Januar 1922 Fannys Ehemann.[74]

Max Baum – Antrag auf die Einbürgerung in die USA, darin Angaben zu seinen damaligen Familienverhältnissen
https://www.ancestry.de/search/collections/2280/records/6716567

Was aus der Ehe wurde, ist nicht bekannt, bekannt ist dagegen, dass bald darauf diejenige von Max Salomon und Sophie Baum scheiterte. Am 29. Februar 1924 wurde die Verbindung offiziell geschieden.[75] Ob Sophie mit den Kindern anschließend wieder nach Wiesbaden zurückkam, ist nicht klar. Allerdings gab ihr Vater Moses später an, dass er sowohl seine Tochter als auch deren Kinder schon seit vielen Jahren finanziell unterstützt habe, weil ihr geschiedener Mann dazu nicht bereit gewesen sei.
Max Baum ging später noch zwei weitere Ehen ein, emigrierte während der NS-Zeit in die USA und kam zuletzt wieder nach Deutschland, nach Berlin zurück, wo er am 23. Februar 1983 verstarb.[76]

Sophies Bruder Heinz war in Wiesbaden geblieben, wo er die Schule besuchte und sich nach dem Willen des Vaters auf die spätere Übernahme der Firma vorbereitete. Ob er auch eine entsprechende Ausbildung im handwerklichen oder im kaufmännischen Bereich absolvierte, ist anzunehmen, aber nicht dokumentiert. Ohnehin hatte der Sohn eher wenig Interesse an der ihm zugedachten Rolle als Unternehmer. In einem späteren Interview mit der Neuen Berliner Zeitung vom 21. Juli 1921 sagte er:
„Wie ich dazu kam, Komponist zu werden? Sehr einfach! Ich wurde es nicht, ich war es! Meine musikalische Begabung war von solcher Eminenz, dass meine Mutter heute noch erzählt, sie habe schon bei meiner Geburt die Englein im Himmel pfeifen hören!! Wenn ich damals schon Musik aus Himmelssphären auf Erden zaubere, wie musste sich das Talent erst später entwickeln! Mit 6 Jahren sogenanntes Wunderkind auf dem Klavier. Mit 12 Jahren bereits gelungener Liederkomponist. Knapp hatte ich meine Studien beendet, da war ich bereits mit 17 Jahren ‚aufgeführter’ Komponist.“[77]
Ganz offensichtlich waren seine Eltern in diesen Jahren finanziell so gut gestellt, dass sie es sich leisten konnten, die Talente und musischen Interessen ihres Sohnes ohne Einschränkungen zu fördern. Zwar liegen keine Steuerakten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vor, die Auskunft über die Entwicklung des Unternehmens geben könnten, aber aus den Zahlen unmittelbar vor Kriegsbeginn kann man schließen, dass es sehr erfolgreiche Jahre gewesen sein müssen.
Nach der Gründung der Firma 1891 war man mehrfach umgezogen – sicher auch ein Indiz für den wirtschaftlichen Erfolg und den Expansionswillen der Eigentümer. Als solche wurden Moses und Chaja Lewin immer gemeinsam in den Akten geführt. 1895 eröffneten sie in der Langgasse 21 eine neue Dependance, die, anders als die in der Nähe der Kuranlagen, stärker im geschäftlichen Zentrum der Stadt lag. Auch Wittenbergs hatten inzwischen in der Taunusstr. 5 eine zweite Verkaufsstelle eröffnet. Lewins bewohnten aber weiterhin das Haus in der Webergasse, zogen dann um die Jahrhundertwende zunächst in die Grabenstr. 2 und kurz darauf in den zweiten Stock der Moritzstr. 9. Um 1903 wurde dann das Gebäude in der Webergasse 10 als Produktionsstandort für die Zigaretten gekauft, die jetzt erstmals im Adressbuch auch mit ihrem Markennamen ‚Menes’ beworben wurden.

Werbung von Hohlwein für die ‚Menes‘ Zigarettenmarke ‚Bulgarenheld‘ 1915
https://artvee.com/dl/bulgaren-held-zigarettenfabrik-menes-wiesbaden/

Aber nicht nur im Adressbuch, sondern entsprechend dem Trend der Zeit investierte man einiges an Geld in Werbekampagnen, die nicht nur den Verkauf des neuartigen Massenkonsumartikels Zigarette ankurbeln sollten, sondern auch den jeweiligen Zeitgeist widerspiegelten. Es waren zunächst die Portraits des Adels, besonders die der liebreizend anzusehenden adligen Frauen, die die Plakate zierten und die Blicke potentieller Konsumenten auf sich zogen. Die adligen Herren – Freiherr von Kleydorff, Prinz Heinrich zu Waldeck oder Prinz Thurn und Taxis – durften stattdessen als Markennamen herhalten. Es waren Zeiten des Umbruchs, denn eigentlich verkörperte die Zigarette gegenüber der biederen Zigarre die Moderne, die Schnelllebigkeit auch im Genuss.[78] Die Einführung des Zigarettenpäckchens gehörte sicher zu einer der bedeutendsten Innovationen von ‚Menes’: normiert, sicher verpackt und immer griffbereit war jetzt dieses neue Genussmittel. Von daher ist es nur logisch, dass die überkommenen Werbeträger von einer modernen Plakatkunst abgelöst wurden, wie sie der geniale Grafiker Ludwig Hohlwein seit dem Beginn der Jahrhundertwende konzipierte. Dass dieser Künstler, der für alle großen Firmen Deutschlands – etwa Adler, Mercedes, Lufthansa oder Leica – damals Werbeplakate entwarf, auch für ‚Menes’ arbeitete, hatte sicher seinen Grund darin, dass er selbst auch aus Wiesbaden stammte, vielleicht sogar selbst Konsument dieser heimischen Zigarette war. Wieso dieser große Künstler später völlig nach rechts abdriftete, 1933 der NSDAP beitrat und sich mit seiner Kunst in deren Dienst stellte, bleibt ein Geheimnis.[79] Auch ‚Menes’ hatte, dem damaligen Trend folgend, seine Päckchen mit Sammelbildern ausgestattet, aber nicht, wie bei manch anderen Produkten, mit Bildern aus den Kolonien, sondern – ganz modern – mit Fußballbildern, dem neuen Trendsport der einfachen Leute. Auf einem der Plakate, leider ist es nicht datiert, sind die Filialen der Firma festgehalten: Mannheim, Stuttgart, Mainz und Darmstadt.[80] Allerdings ist nicht klar, was unter dem Begriff der Filiale zu verstehen ist. In den Steuerunterlagen sind solche Dependancen nicht erwähnt. Vermutlich gab es Handelsvertreter in den genannten Städten, die die dortigen Einzelhändler mit den Waren belieferten.

Rheingauer Str. 7
Kauf des Hauses Rheingauer Str. 7
HHStAW 685 475 (57)

Angesichts dieser wirtschaftlichen Erfolge verwundert es nicht, wenn laut Adressbuch 1906/07 Lewins inzwischen eine weitere Immobilie in der Dotzheimer Str. 39 erworben hatten, wo sie dann im ersten Stock auch eine Wohnung bezogen. Und nur ein weiteres Jahr später sind sie, bzw. genauer, ist die Firma als Eigentümerin des Hausgrundstücks Rheingauerstr. 7 gelistet.[81] In diesem Gebäude wurden nun über viele Jahre im Parterre, wo auch ein Kontor eingerichtet war, die Zigaretten produziert. Die Eigentümer selbst wohnten in der ersten Etage. Schon 1913 zogen sie aber wieder um und mieteten sich im Eckhaus Kirchgasse 18 / Luisenstraße 41 ein, wo zunächst auch ihr Sohn Heinz gemeldet war.[82]

 

Der Komponist Heinz Lewin

Heinz Lewin
Heinz Lewin 1931
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Als Berufsbezeichnung von Heinz Lewin ist im Adressbuch von 1914 „Komponist“ angegeben. Und tatsächlich war er das inzwischen mit großem Erfolg geworden. Erstmals wurde eine seiner Kompositionen in Wiesbaden selbst, im Walhalla-Theater aufgeführt. Noch war es kein großes Werk, sondern zunächst nur das Lied, ‚Frühlingsglaube’, das in der Operette ‚Frühlingsluft’ der Komponisten Lindau und Wilhelm eingebaut worden war. Heinz war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 16 Jahre alt.
Zwei Jahre später kam dann ebenfalls in der Walhalla seine erste Operette ‚Kurzschluss’ zur Aufführung, die allerdings nur wenig Anerkennung fand. Mit seinem folgenden Werk, der Operette ‚Prinzpapa’, eroberte er aber dann im Jahr 1906 die Bühnen nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland, wie viele Ankündigungen und Kritiken der damaligen Tageszeitungen belegen.

Konzertsaal Walhalla in Wiesbaden Anfang des 20. Jahrhunderts

Den umfassendsten und geradezu euphorischen Artikel zu dieser Premiere erschien damals am 11. Juni 1908 im ‚Generalanzeiger’, in dem der junge Künstler schon als „Nebenbuhler“ von Franz Lehar gesehen wurde:Prinzpapa Lewin

Gerade einige Lieder aus dem ‚Prinzpapa’, etwa „Ja’s gibt kein Örtchen, Wörtchen“, „Liebchen lass das Köpchen hängen nimmermehr“, „Darling, ich liebe dich“ „Mir ist so leicht, als ob ich Flügel hätt’“, avancierten zu Hits, die unter Begleitung von kleinen Salonorchestern auch einzeln vorgetragen wurden. Sein ‚Principessa’-Tango’ galt in der Berliner Tanzschule – so Lewins Enkelin Yvonne Mocatta – als die authentischste Musik zum Erlernen des neuen Modetanzes.[83]

Principessa TangoPrincipessa Tango

 

 

 

 

 

 

 

PrincipessaPrincipessa Tango

 

 

 

 

 

 

Heinz Lewins ‚Principessa-Tango‘ mit Anleitung zum Zanz
Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Spangenberg’sches Konservatorium
Mit Genehmigung des Stadtarchivs Wiesbaden

Seinen Erfolg hatte er aber nicht nur seinem Talent, sondern auch seiner Ausbildung am ‚Spangenberg’schen Conservatorium‘ in der Wilhelmstr. 16 zu verdanken, wo er die notwendigen handwerklichen Fertigkeiten des Komponierens erlernte – übrigens zur selben Zeit, als der spätere Startenor Richard Tauber dort eingeschrieben war.

Um 1909 war die Operette „Morgen wieder lustik“ (sic!) und 1911 „Der lustige Kakadu“ fertiggestellt. Angeblich saß ein solcher immer auf seinen Schultern, während er seine Noten niederschrieb. Allein in Wiesbaden wurde das Werk in der Walhalla 25 Mal hintereinander aufgeführt, immer vor vollem Haus und mit dem Komponisten selbst am Pult.

Plakat zur Aufführung „Wenn im Frühling der Hollunder …“

Sein Onkel Georg Taborissky, genannt Grisha, war voll des Lobes über das künstlerische Schaffen seines Neffen. Im November 1917 schrieb er ihm:
“So mein lieber Junge, du kannst es mir nicht als eine Schmeichelei annehmen, du kennst mich genau, ich bin kein Schmeichler. Du hast Licht in unsere Mitte, unsere Familie gebracht, und das tut wohl. Du hast uns mit deinem Namen veredelt und wir müssen zu dem lieben Gott beten, dass er dich lange, lange Jahre gesund und munter erhalten soll, zu unserer aller Glück und Freude.“[84]
Während des Ersten Weltkriegs komponierte er auch Musik – vielleicht Marschmusik – für das deutsche Militär, wie seine Enkelin Yvonne Mocatta jüngst herausfand. Zumindest hatte er als 22-Jähriger auch schon einen Marsch für die dänischen Truppen geschrieben[85] Ob diese auch aufgeführt oder von den Truppen zumindest eingeübt worden waren, ist bisher nicht bekannt.
Neben verschiedenen einzelnen Kompositionen vollendete er dann noch die – wie er sie selbst nannte – „Operettenposse“ „Wenn im Frühling der Hollunder ..!“ Als er 1921 der Berliner Zeitung ein Interview gab, hatte er gerade sein neuestes, seiner Ansicht nach bestes Werk „Der schlummernde Amor“ vollendet. Aber das war dann schon nach dem Ersten Weltkrieg, der nicht nur für Deutschland und die Welt insgesamt, sondern auch für die Familie Lewin und ihr Unternehmen eine dramatische Zäsur bedeutete.

Lewin Anzeigen
Diverse Ankündigungen zu Aufführungen von Lewins Werken in der Hochzeit seines Schaffens

Zuvor, in der Zeit seiner größten Erfolge, hatte Heinz Lewin am 17. Oktober 1912 in England in St. Pancras / London Jenny Trabsky geheiratet.[86] Dort fand die offizielle standesamtliche Trauung statt, gefeiert worden war aber nicht nur in London, sondern auch in Wiesbaden im renommierten ‚Hotel Kronprinz’.
Auch Jenny Eugenie, wie sie mit vollem Namen hieß, hatte russische Wurzeln. Sie überbrachte dem Standesamt Berlin Zehlendorf am 14. August 1929 die Nachricht vom Tod ihres Vaters Georg Trabsky, der am 9. August in Berlin im Alter von achtzig Jahren verstorben war. Er selbst, wie auch seine Frau Marie, geborene Feigelmann, stammten ursprünglich aus Russland.[87] Wo Jenny bis zu ihrer Ehe mit Heinz Lewin gelebt hatte, ist nicht bekannt, aber möglicherweise waren sich die beiden in Berlin begegnet, wo ihr zukünftiger Ehemann sich im Rahmen seines künstlerischen Engagements immer wieder aufgehalten hatte.

Nach der Hochzeit 1914 bezog das Paar in Wiesbaden eine eigene Wohnung in der dritten Etage des Hauses Schillerplatz 2, dem heutigen Luisenplatz, ein Haus, das von dem bekannten Wiesbadener Regierungsbaumeister, dem Juden Albert Hess, errichtet worden war. Am 20. Februar 1914, ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn, kam hier ihr einziges Kind, der Sohn Rolf Arthur, zur Welt.[88]
Den Schulunterlagen der Riehlschule in Biebrich, einer Mittelschule, ist zu entnehmen, dass Rolf dort angemeldet war, dann aber im Sommer 1929 mit dem Vermerk „verzogen nach Berlin“ abgemeldet wurde.

Jenny Trabsky
Jenny Lewin, geborene Trabsky
https://media.geni.com/p5/7232/2297/5344483669b47c15/jenny_trabsky_medium.jpg?hash=a53a7df4173792f81a9a1c036a65ce84fc99bb5fe5e62d9745910693ea9d4cd2.1746773999

Der Hintergrund für diese Notiz ist das Scheitern der Ehe seiner Eltern schon im Jahr 1922.[89] Jenny Lewin war danach zurück zu ihren Eltern nach Berlin gegangen und hatte zunächst in deren Pelzatelier mitgearbeitet.[90] Wenn die zeitliche Abfolge richtig ist, dann wäre Rolf noch weitere sieben Jahre bei seinem Vater, bzw. vermutlich primär bei den Großeltern in Wiesbaden geblieben, bevor er dann 1929 zu seiner Mutter nach Berlin zog. Aber auch sein Vater hatte spätestens 1927 Wiesbaden verlassen und sich, wie sein Vater Moses in der Steuererklärung dieses Jahres angab, „auf Reisen“ begeben.[91] Es sei wohl das Künstler- und Bohemeleben von Heinz Lewin gewesen, das die Ehe mit Jenny, die eine eher konventionelle Einstellung zum Eheleben besaß, allmählich zerrüttet habe, so die Enkelin.

Neben den privaten Problemen zeigten sich seit dem Krieg aber auch erste Krisenzeichen in der Unternehmensentwicklung. Bis 1913, so lässt sich aus den Zahlen der letzten Vorkriegsbilanz schließen, war es immer nur nach oben gegangen. Das Vermögen von Moses und Chaja Lewin wurde damals vom Finanzamt Wiesbaden mit insgesamt 325.400 RM bewertet, knapp 290.000 RM davon betrug das Betriebsvermögen, zu dem aber auch Immobilien gehörten. Das Einkommen von Moses Lewin belief sich auf 115.000 RM, somit rund 10.000 RM pro Monat. Schulden, die das Vermögen geschmälert hätten, gab es nicht.[92]
1916 ist in der Steuererklärung erstmals erwähnt, dass Heinz mit einem Anteil von 40 Prozent als Gesellschafter in die OHG aufgenommen wurde. Formal erhielt er in diesem Jahr von seinen Eltern eine Schenkung von 200.000 RM.[93] Der Vater muss sich damals schon auf die Rolle eines stillen Teilhabers zurückgezogen haben, denn in einem Schreiben von Heinz Lewin vom 8. März 1915 nennt er sich den alleinigen Inhaber der Zigarettenfabrik, erteilt aber im gleichen Schreiben seinem Vater die Generalvollmacht in allen geschäftlichen Belangen.[94]

Der Niedergang der Firma

Die wenigen Geschäftszahlen, die aus den ersten Nachkriegsjahren vorliegen, sind wegen der damals galoppierenden Inflation nur wenig aussagekräftig. So darf man auch die weitere Schenkung des Vaters im Jahr 1919 an seine beiden Kinder im Wert von je 100.000 RM nicht überbewerten.[95] Aber schon die erste Bilanz des Jahres 1919, für deren Abgabe Heinz Lewin das Finanzamt immer wieder um Aufschub bitten musste,[96] versprach nichts Gutes. Auf der Passiva-Seite waren inzwischen „diverse Darlehen“ von mehr als 400.000 RM aufgelaufen. In seiner privaten Einkommensteuererklärung von 1920 gab er zwar an, ein Einkommen von etwa 1,3 Millionen RM gehabt zu haben,[97] aber im gleichen Jahr musste er das Finanzamt bitten, ihm die Steuerforderungen von fast 400.000 RM zu stunden, um sie in Raten mit je 50.000 RM abtragen zu dürfen.[98] Auch 1921 lag das Einkommen von Heinz nur knapp unter der Millionengrenze.[99] Große Zahlen, die als solche wenig aussagekräftig sind, die aber dennoch die schwieriger gewordene Lage des Unternehmens offenbaren. In einem ausführlichen Brief an das Finanzamt vom 25. August 1922 schilderte Heinz Lewin seine Situation und kündigte für das laufende Jahr einen Verlust von rund 50.000 RM an. Auch im folgenden Jahr, kündigte er der Behörde an, sei keine Konsolidierung zu erwarten:
Ob das Geschäftsjahr 1923 mit einem Gewinn abschliesst, vermag ich nicht zu sagen, möchte aber darauf hinweisen, dass der Warenabsatz seit Anfang dieses Jahres, infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse, die dortseitig zu Genüge bekannt sind, vollständig stockt.
Um Angestellte nicht der Erwerbslosen-Fürsorge zur Last fallen zu lassen, habe ich die Fabrikation, die monatelang stillgelegen hat, wieder aufgenommen – allerdings nur in beschränktem Umfange – muss aber in den nächsten Tagen wieder schliessen, weil die Einnahmen einschließlich der an das Reich abzuführenden Beträge für Steuerzeichen, nicht zur Deckung der Löhne und Gehälter ausreichen (…)
Infolge der Geldentwertung ist die Belastung der Zigarette ins unermessliche gestiegen und es gibt keine Fabrik im Deutschen Reiche, die in der Lage wäre, die hunderte von Milliarden Mark Steuerzeichen aufzubringen, um einen Absatz zu erzielen.
Die Zigarettenfabrik Menes hat z.B. einen Halbjahreskontingent von 90 Millionen Stück, abgesetzt werden heute monatlich bestenfalls 500.000 Stück, das sind im Halbjahr 3 Millionen Stück. Es dürfte ohne weiteres einleuchten, dass ein solcher kläglicher Absatz keine Gewinne bringen kann, die gestatten, die geforderte Einkommensteuer zu entrichten.
[100]
Es steht außer Frage, dass ein Unternehmen, das Genussartikel produzierte, in einer Phase, in der die Menschen kaum noch in der Lage waren, ihr tägliches Brot zu kaufen, besonders leiden musste. Die harte Deflationspolitik nach der Währungsreform, unter der nicht nur die Arbeiterschaft, sondern auch mittelständische Unternehmen wegen des Einbruchs der Nachfrage und den erhöhten Steuerbelastungen zu leiden hatten, trafen auch ‚Menes’ schwer. Ebenfalls ist zu bedenken, dass nach dem Verlust der deutschen Kolonien, mit dem auf den internationalen Märkten faktisch wertlos gewordenen Geld, kaum Tabakimporte zu bewerkstelligen waren. Auch mag die Einschränkung des Marktes durch die Franzosen, die Moses Lewin anführte, zur Absatzkrise beigetragen haben.

Einen genaueren Einblick in die tatsächliche Situation liefert die Steuererklärung des Jahres 1924, da inzwischen die Währungsreform durchgeführt worden war. Und es ist zu erkennen, dass Moses Lewin während der Krise versucht hatte, die vorhandenen Vermögenswerte durch den Kauf von Immobilien zu sichern. Zum Teil wurden diese im Namen der Firma, zum anderen Teil privat im eigenen Namen erworben.
Im ersten Nachkriegsadressbuch von 1920 erscheint Moses Lewin als Eigentümer des Hauses Eltviller Str. 8 und der beiden Häuser in der Dotzheimer Str. 152 und 28. Wann genau die Käufe getätigt wurden ließ sich nicht ermitteln, aber 1918 gehörten sie auf jeden Fall noch nicht zum Besitzstand der Lewins. Formal waren sie, wie auch der nächste Erwerb, auf den Namen der Firma getätigt worden.

Zum Jahreswechsel 1923/24 kaufte ebenfalls die Firma ‚Menes‘, trotz der bereits schwierigen finanziellen Situation, auch noch das Nachbargrundstück ihres bisherigen Firmensitzes in der Rheingauerstraße, das Haus mit der Nummer 5, das später zum Judenhaus werden sollte.[101]

Vorbesitzer des Hauses, das 1904 erstmals in das Grundbuch der Stadt Wiesbaden Band 24 Blatt 3671 Innen eingetragen worden war, war das Holländische Ehepaar Scharenberg, die es selbst erst 1922 erworben hatten.[102] Am 20. Dezember 1923 wurde dann ein Vertrag zwischen den bisherigen Eigentümern und dem Kaufmann Georg Sternberger geschlossen, der angab, so ist es im Vertrag festgehalten, „als Bevollmächtigter des Industriellen Heinz Lewin in Wiesbaden in seiner Eigenschaft als alleiniger Inhaber des unter der Firma Zigarettenfabrik „Menes“ M & Ch. Lewin in Wiesbaden bestehenden Handelsgeschäfts zu handeln“. Der Kaufpreis für die Rheingauer Str. 5 betrug 27.200 Goldmark.[103]

Heinz Lewin
Villa von Heinz Lewin in der Parkstr. 69
Eigene Aufnahme

Der Wert der Eltvillerstr. 8 und der der beiden Gebäude in der Dotzheimer Str. 152 und 28 betrug ohne Abschreibungen mehr als 900.000 RM, nach Abzug der Abschreibungen allerdings nur noch auf 280.000 RM.[104] Ebenfalls 1924 kaufte Heinz Lewin eine Villa in der Parkstr. 69 für insgesamt 60.000 RM, wovon 15.000 RM sofort in bar gezahlt wurden.[105]
Angesichts der sich rapide verschlechternden Rentabilität des Unternehmens, die schon Mitte der 20er Jahre zur Folge hatte, dass Moses und Heinz Lewin immer öfter in Verzug mit ihren Steuerverpflichtungen gerieten und immer wieder um Stundungen beim Finanzamt bitten mussten, ist diese Sammlung von Immobilienvermögen nicht wirklich nachzuvollziehen. Laut Bilanz von 1924 waren inzwischen Verbindlichkeiten in der Höhe von einer halben Millionen RM aufgelaufen.[106] In der Halbjahresbilanz von 1925 hatten sich diese um weitere 100.000 RM erhöht.[107]

Moses Lewin, der als stiller Gesellschafter mit einem Anteil von 60 Prozent des Kapitals weiterhin entsprechend am Gewinn und Verlust beteiligt war, konnte in diesen Jahren noch immer zwischen 18.000 und 20.000 RM an Barentnahmen aus der Firma für seinen eigenen Lebensunterhalt herausholen. Damit finanzierte er nicht nur den Lebensunterhalt für sich und seine kränkelnde Frau, einen beträchtlichen Teil musste er auch für seine inzwischen geschiedene Tochter Sophie aufwenden. Sie war chronisch an der Lunge erkrankt und befand sich nach Angabe ihres Vaters ständig, von kurzen Ausnahmen abgesehen, in einem Sanatorium in Davos. Da sie und wohl auch die Kinder von ihrem geschiedenen Mann weiterhin keinerlei Unterstützung erhielten, sah sich ihr Vater bzw. Großvater in der Pflicht, die Kosten zu übernehmen.[108] Immer wieder musste er beim Finanzamt um die Anerkennung dieser Aufwendungen als steuermindernde Ausgaben kämpfen.[109] Natürlich erklären diese Belastungen nicht den Niedergang der Firma, aber sie verschärften zweifellos die schwierige finanzielle Lage in den folgenden Jahren.
Am 28. September 1928 schilderte er dem Finanzamt Wiesbaden seine desolate finanzielle Lage:
„Die von mir vor 40 Jahren gegründete Zigarettenfabrik Menes war ein Unternehmen, das sich aus kleinen Anfängen entwickelt hatte und dessen Einkünfte es mir gestatteten, ein Vermögen anzusammeln, das nach meiner Vermögenserklärung vom 1. Januar 1924 über R.Mk. 300.000 betrug.

Umzug von Moses und Chaja Lewin in die Rheingauer Str. 5
HHStAW 685 476b (o.P.).

Die Ungunst der Zeitverhältnisse brachte von diesem Zeitpunkt an der Firma nur Verluste, es mussten Darlehen aufgenommen werden und zur Sicherung des Geldgebers, habe ich obwohl seit 1915 nur stiller Teilhaber, meinen persönlichen Grundbesitz verpfänden müssen. Alle diese Opfer waren vergeblich gebracht, der Betrieb musste mit Beginn dieses Jahres geschlossen werden.
Die Wohnung Luisenstrasse 41, die mich 1927 mit allen Nebenleistungen auch rund R.Mk. 2.500, – kostete, habe ich aufgegeben und bin nach Rheingaustrasse 7 gezogen, wo ich die ehemaligen Büroräume bewohne.
Heute stehe ich im 66. Lebensjahre und muss versuchen, mir eine neue Existenz aufzubauen, dabei habe ich eine seit Jahren herzleidende Frau, die auch besonderer Pflege bedarf.“

Er bat um die Stundung der vierteljährlichen Einkommenssteuervorauszahlungen, „weil ein Einkommen nicht vorhanden ist“.[110]

Rheingauer Str. 7. Vermutlich hatte das Haus mit der Nummer 5 vor der Zerstörung eine ähnliche Fassade
Eigene Aufnahme

Als das Finanzamt 1928 Moses Lewin wieder zur Vermögensteuer heranziehen wollte, schrieb er zurück, dass das Unternehmen auch im vergangenen Jahr einen Verlust von weiteren 150.000 RM erwirtschaftet habe und er „wie schon mehrfach dargelegt, völlig vermögenslos geworden“ sei.[111] Die Häuser in der Eltviller Str. 7 und in der Rheingauer Str. 7 standen zu diesem Zeitpunkt schon unter der Zwangsverwaltung. Die holländische Firma ‚Hollandsch-Turksche Tabak Maatschappy‘, der größte Gläubiger, zog inzwischen selbst die Mieten der dortigen Bewohner ein.[112] Am 23. Mai 1929 verkauften Moses und Chaja Lewin zur Schuldentilgung ihr Haus in der Eltviller Str. 8 an das Gläubiger-Unternehmen in Holland für 58.000 RM.[113] Sie selbst waren, wie Moses Lewin schon in dem oben zitierten Brief erwähnt hatte, seit Mai 1928 Bewohner ihres Hauses in der Rheingauer Str. 7.[114]
1930 war die finanzielle Situation schon so prekär, dass er auch weiteres Eigentum verkaufen musste. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1930 gab er an: „Lebe vom Verkauf meiner Gebrauchsgegenstände & Möbel. Sonstiges Einkommen habe ich nicht.“[115]

Wenn Moses Lewin in seinem Schreiben die „Ungunst der Zeitverhältnisse“ ins Feld führt, so ist das nur teilweise berechtigt. Natürlich lag, bedingt durch Krieg und Inflation, eine schwere Krise hinter der gesamten deutschen Wirtschaft, aber gerade in den Jahren nach 1924 ging es in den sogenannten „goldenen Zwanzigern“ allmählich wieder bergauf. Und es ist auch nicht richtig, dass gerade die Zigaretten- und Tabakindustrie besonders leiden musste. Die jüdischen Anteilseigner des Wiesbadener Konkurrenzunternehmens Keiles konnten in dem gleichen Zeitraum ihr Einkommen aus dem Gewerbe von 3.000 RM im Jahr 1925 auf 13.000 RM im folgenden und zuletzt auf 30.000 RM im Jahr 1927 erhöhen. Umsätze von monatlich mehr als 100.000 RM erreichte allein einer ihrer Vertreter, der für den Raum Wiesbaden und Mainz zuständig war.[116]

Die tatsächlichen Gründe, weshalb die traditionsreiche Firma ‚Menes‘im Juni 1926 ihre Pforten schloss,[117] wird man nicht mehr wirklich klären können. Möglicherweise hatte man sich mit dem Kauf der verschiedenen Immobilien einfach verspekuliert. Mit den Mieteinnahmen waren die hohen Belastungen durch Steuern, Hypothekenzinsen und Unterhalt offenbar nicht zu finanzieren und vielleicht hat Heinz Lewin wegen seines künstlerischen Engagements dem Unternehmen auch einfach nicht die genügende Aufmerksamkeit geschenkt.

Zwar befand sich die Firma in „stiller Liquidation“,[118] aber dennoch waren Zigaretten der Marke ‚Menes‘ im Handel noch immer zu bekommen, sie stammten jetzt aus Offenbach am Main, wo sie in der ‚Vereinigten Tabak- und Zigarettenfabrik GmbH.‘ produziert wurden.[119] Auf welchen Verträgen dieses Geschäft basierte, ist nicht bekannt, möglicherweise konnten Lewins allein den Markennamen verkaufen, vielleicht aber auch das Tabaklager, das laut Bilanz des Jahres 1927 noch einen Wert von etwa 63.000 RM hatte. Auch lagerten in diesem Jahr noch unversteuerte Zigaretten im Wert von fast 30.000 RM in Wiesbaden.[120] Möglicherweise wurden noch vorhandene Schulden bei der Firma auf diese Weise beglichen.

In seiner Steuererklärung 1931 schrieb Moses Lewin, dass er inzwischen bei dieser Firma eine Anstellung gefunden habe, für die er monatlich netto 282 RM erhielt.[121] Umso erstaunlicher ist, dass er 1933 und auch im folgenden Jahr angeblich freiwillig Spenden in Höhe von 500 RM bzw. 450 RM zur „Förderung der nationalen Arbeit“ –faktisch für die NSDAP – gemacht hatte. [122] Allerdings war die Freiwilligkeit tatsächlich meist eine erzwungene, denn diese Spende wurde im Allgemeinen direkt vom Lohn abgezogen. Immerhin verdiente Moses Lewin 1931 für seine Arbeit bei den „Vereinigten Tabak- und Zigarettenfabriken“ 3.000 RM und im folgenden Jahr sogar 3.875 RM brutto.[123] Offenbar bezog er auch weiterhin dieses Einkommen, denn am 19. Juni 1933 erhielt er die Mitteilung von seinem Arbeitgeber, dass die bisher monatlich überwiesene Zahlung von 400 RM – es handele sich um „eine Unterstützung (…) mit der Einschränkung des jederzeitigen Widerrufs“ – wegen der angespannten Wirtschaftslage auf 340 RM reduziert werden müsse.[124] Aber auch 1933 bekam er ein Bruttogehalt von 5.870 RM, netto etwas mehr als 5.000 RM.[125] Sein Gesamteinkommen lag 1933 sogar bei fast 10.000 RM, wobei aber nicht konkretisiert ist, aus welchen Quellen die zusätzlichen Einnahmen stammten.[126] Noch gewährte das Finanzamt dem jüdischen Steuerpflichtigen sogar eine festgelegte Ratenzahlung für die fälligen Steuern.

Zumindest finanziell scheint sich für das Ehepaar Lewin die Situation damals etwas entspannt zu haben, denn auch 1934 verdiente er fast 10.000 RM.[127] In den folgenden beiden Jahren verringerte sich zwar sein zu versteuerndes Einkommen auf etwa 8.000 RM, aber das war in jedem Fall mehr, als viele andere Menschen – seien es Juden oder Nichtjuden – in diesen Krisenjahren zum Leben hatten.[128] Dafür musste er aber auch jeden Tag die beschwerliche Fahrt zu seiner Arbeitsstelle in Offenbach auf sich nehmen.[129]

Am 8. April 1936 teilte er dann dem Finanzamt mit, dass seine bisherigen Einkommensquellen versiegt seien. Seit dem 1. Dezember 1935 war die Unterstützungszahlung des Fachverbands der Zigarettenindustrie und seit dem 1. Mai 1936 die Pensionszahlungen eingestellt worden.[130] Es waren nur noch 300 RM, die ihm in diesem Jahr zum Leben blieben. In den folgenden Jahren konnte er überhaupt kein Einkommen mehr angeben.

Hinzu kam, dass am 18. Januar 1936 seine Frau Chaja im Alter von 69 Jahren in Wiesbaden verstorben war,[131] sodass er nun, abgesehen von den Verwandten seiner Frau, alleine in Wiesbaden zurückgeblieben war.

 

Heinz Lewin in Berlin

Lewin
Heinz Lewin war aus Wiesbaden weggezogen und die Firma war aufgelöst, wie Moses Lewin dem Finanzamt mitteilte
HHStAW 685 475 (132)

Sein Sohn Heinz hatte die Stadt schon vor Jahren verlassen, nachdem klar war, dass die Firma nicht mehr zu retten war. Irgendwann zwischen 1927 und 1929 war er nach Berlin verzogen, um dort seine Karriere als Musiker voranzubringen.[132] In der Brückenallee 11, im stark jüdisch geprägten Hansaviertel, war er seit dem 7. Oktober 1929 offiziell gemeldet.[133] 8 Prozent der dort lebenden Bevölkerung waren jüdischen Glaubens, doppelt so viel wie im übrigen Berlin. Neben vielen koscheren Geschäften gab es in diesem Bezirk drei Synagogen. Jüdisches Leben war hier im Alltag präsent und musste – noch nicht – im Verborgenen gelebt werden.[134]
Aber es waren wohl primär andere Gründe, die ihn nach Berlin gezogen hatten. Die Stadt war damals in jeder Hinsicht das europäische Epizentrum kultureller Vielfalt, sowohl in der Musik, dem Theater und in der Literatur. Überall in der Stadt gab es Salons oder Kleinkunstbühnen, wo man seine Lieder und Kompositionen darbieten konnte. Auch hatte sich dort inzwischen die Filmindustrie etabliert, die durch die Entwicklung und Verbreitung des Tonfilms auch für Komponisten eine große Attraktivität besaß. Bevor auch die Stimmen der Schauspieler aufgenommen wurden, gab es eine Zwischenphase, in der weiterhin Stummfilme gedreht wurden, die aber nun eine zusätzliche Tonspur mit Musik enthielten – ein ganz neues Arbeitsfeld für Komponisten, zumal für einen wie Heinz Lewin, dessen Musik Kritiker als „hübsch, gefällig und flott instrumentiert“ klassifizierten: Leichte Musik in schweren Zeiten.[135] Berlin avancierte zudem auch als Metropole der neuen Schallplattenindustrie, ebenfalls ein völlig neuer Markt für Musikschaffende. Dass es Heinz Lewin in diese Stadt zog, ist nur zu verständlich. Abgesehen von den vielen Möglichkeiten, die sich ihm dort boten, spielte es sicher auch eine Rolle, dass, abgesehen von seiner geschiedenen Frau, viele weitere Verwandte, die Mischpoke im guten Sinne, noch immer in Berlin zu Hause waren, u.a. die Familie seiner Schwester Sophie Baum mit den beiden Söhnen Heinz und Rolf. Die beiden waren seit 1927 bzw. 1929 in der Filmbranche tätig und konnten für ihren Onkel vermutlich die nötigen Kontakte herstellen.

1931 kam der Film „Moritz macht sein Glück“ in die Kinos, zwei Lieder von Heinz Lewin wurden darin vorgetragen. Im Mai konnte dann auch die Wiesbadener Bevölkerung den Film im Walhalla genießen.
Im folgenden Jahr kamen sogar vier Filme heraus, an denen Heinz Lewin mit Kompositionen beteiligt war, zunächst „Kriminalreporter Holm“, dann „Das Millionentestament“. Es folgte „Das Geheimnis des blauen Zimmers“, ein Gruselfilm, und zuletzt „Schlumpsi fährt zum Wintersport“.[136]
Es scheint so, als sei Heinz Lewin auf dem Weg zu einer großen Karriere in der Filmindustrie gewesen. Einige der Filme wurden sogar in einer englischen Fassung produziert, so der Film „Das Geheimnis des blauen Zimmers“ , der als Remake in Hollywood unter dem Titel „Secret of the blue room“ veröffentlicht wurde.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Ein völlig anderes Bild zeigt sich, wenn man Heinz Lewins Steuerakten aus diesen Jahren betrachtet. Danach blieben die Hoffnungen, die er mit seinem Umzug in die deutsche Metropole sicher verbunden hatte, unerfüllt. Von Aufführungen seiner früheren Werke findet man keine Ankündigungen mehr in der Presse, geschweige denn euphorische Kritiken. Es wurde eher still um Heinz Lewin. Seinen Namen liest man nun auf dem Abspann der Filme oder auch auf den Filmplakaten, aber da dann wesentlich kleiner gedruckt, als die der neuen Leinwandstars.
Natürlich geben die Steuerakten nur einen sehr schmalen Einblick in sein damaliges Leben, aber aus ihnen geht hervor, dass es ihm finanziell wegen der aufgelaufenen Schulden auch weiterhin schlecht ging. Wieder findet man Bitten um Fristverlängerung für seine Steuererklärungen. In der für das Jahr 1929, in dem er nur zeitweise in Berlin wohnte, gab er ein Jahreseinkommen von rund 3.300 RM an. Gerade mal 358 RM hatte er als Künstler verdient, eingeschlossen der Gema-Einnahmen. Zu hoffen ist, dass er vielleicht – wie in Künstlerkreisen nicht unüblich – auch einige Einnahmen verbuchen konnte, von denen die Steuerbehörde nichts erfuhr. Die größere Summe resultierte noch aus den Mieteinnahmen des Hauses Rheingauer Str. 5. Seine geschiedene Frau erhielt von den Einnahmen 3.000 RM und sein 16-jähriger Sohn 1.200 RM zum Unterhalt im Jahr. Er ergänzte sein Schreiben an das Finanzamt: „Ich erhalte Unterstützung von meinen Eltern in Wiesb., Rheingauerstr. 7. Ich zahle 200 RM Miete.“[137]

Lewin
Angabe zur finanziellen Lage von Heinz Lewin in der Steuererklärung 1930
HHStAW 685 (140)

Genauer erläuterte er seine Situation in einem Brief vom 4. September 1930 an das Hauptzollamt Charlottenburg: Das Haus in der Rheingauer Str. 7 war mit einer Sicherheitshypothek über 110.000 RM zu Gunsten des Zollamts belastet und im Oktober 1928 der Gläubigerfirma ‚Hollandsch-Turkschen-Tabak Maastschappij’ zum Kauf angeboten worden.[138] Am 24. Februar 1930 verzichteten der bisherigen Eigentümer auf den Besitz an diesem Hausgrundstück. Es wurde „herrenlos“, wie es im Grundbuch heißt.[139] Bei der Versteigerung am 20. November 1930 erhielt dann die holländische Gläubigerfirma mit dem Angebot von 42.500 RM den Zuschlag.[140]

Geschichte der Rheingauer Str. 7 im Grundbuch
Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 275 Bl. 101
Rheingauer Str. 7
Briefkopf des größten Gläubigers von Heinz Lewin, der einen Großteil der Immobilien von Heinz Lewin übernahm
Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 275 Bl. 101

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Immobilie Dotzheimer Str. 28 war am 23. Mai 1929 bereits zwangsversteigert worden [141] und das dortige Haus mit der Nummer 152, wie auch Heinz Lewins früherer Wohnsitz in der Parkstraße hatte ebenfalls die holländische Firma „mit allen Rechten und Pflichten“ übernommen.[142] Ihr hatte Heinz Lewin insgesamt 400.000 RM geschuldet.[143]
Er erklärte den wirtschaftlichen Niedergang seiner Firma in seinem Schreiben an das Berliner Finanzamt erneut mit den Folgen des passiven Widerstands während der französischen Okkupation. Er habe eine Forderung von 3,3 Millionen aus den besetzten Gebieten, habe aber nur 2 Millionen angemeldet. Diese Forderungen seien noch nicht anerkannt und er habe auch noch kein Geld aus diesen Ansprüchen erhalten.

Heinz Lewin
1931 arbeite Heinz Lewin an einem neuen Stück
HHStAW 685 475 (153)

Zunächst vertröstete er das Finanzamt mit der Hoffnung auf seinen künftigen Erfolg als Musiker: „Meine Komponistentätigkeit übe ich erst seit einiger Zeit wieder aus und habe einstweilen noch keine Einnahmen, da ich z. Zt. noch an einem größeren Bühnenstück arbeite.“[144] Angesichts einer Überschuldung von rund 250.000 RM verzichtete das zuständige Finanzamt auf die Veranlagung zur Vermögensteuer.[145]
Er lebte, so muss man sagen, von der Hand in den Mund, und selbst dazu hätte es ohne die Unterstützung der Eltern nicht gereicht. Um das Geld aufzubringen, waren auch diese gezwungen, Wertgegenstände „aus besseren Zeiten“ zu verkaufen.[146] 1.200 RM zahlten sie ihm im Jahr 1929, er selbst nahm durch Versteigerung von Wertsachen neben seinem Einkommen von 3.800 RM – vermutlich aus seiner Komponistentätigkeit – noch einmal etwa 1.000 RM zusätzlich ein. Insgesamt konnte er seinen Finanzbedarf des Jahres 1929 von 8.600 RM gerade so decken.[147]

Brückenallee in Berlin
zeitgenössische Aufnahme

So ganz nebenbei erwähnt er in einem seiner Schreiben an das Finanzamt, dass er seit dem 23. September 1930 mit der Künstlerin Thea Kerbler verheiratet sei.[148] Als Anschrift von Thea Kerbler, geboren am 1. September 1897 in Kaposvar in Österreich-Ungarn, ist in der Heiratsurkunde die Brückenallee 11, die Wohnung von Heinz Lewin, angegeben.[149] In einem Brief an das Finanzamt Berlin des folgenden Jahres gab sie an, erst im September 1930, also unmittelbar vor der Hochzeit, nach Berlin gekommen zu sein.[150] Wann und wo sich die beiden kennengelernt hatten, ist nicht bekannt, aber möglicherweise hatte sich Heinz Lewin zuvor in der Tschechoslowakei aufgehalten. Eine mögliche Verbindung dorthin ergab sich auch durch den Beitritt von Heinz Lewin in die ‚Schlaraffia Berolina’, einer 1859 von Prager Musikern gegründeten Loge, die sich, wie ursprünglich die meisten Logen, in ihren Zielen an den Ideen der Aufklärung orientierte. 25 Prozent ihrer Mitglieder waren jüdischen Glaubens.
Aber Heinz Lewins zweite Frau, die unter dem Künstlernamen Eva Hesse auftrat – sie soll Tänzerin gewesen sein – konnte mit ihrem Einkommen, die finanzielle Lage des Paares nicht verbessern. 1930 hatte auch sie gerade mal 150 RM als Gage eingenommen und gehörte somit ebenfalls zu denjenigen, die von der Einkommensteuer befreit waren.[151] Das Einkommen ihres Ehemanns betrug nach seinen Angaben in dem genannten Jahr etwa 2.700 RM.[152]
Die Verbindung der beiden war auch nur von kurzer Dauer. Bereits am 15. Oktober 1932 wurde die Ehe offiziell wieder geschieden. Thea Kerbler verließ am 17. Januar 1932 Berlin, um sich in Hamburg niederzulassen.[153]

Als Einkünfte für das Jahr 1931 gab Heinz Lewin an, ein Honorar über 1.100 RM für die Chansons einer Revue erhalten zu haben. Weitere 600 RM will er als „Gefälligkeitshonorar für die Vermittlung von Bekanntschaften zweier Herren“ erhalten haben – was immer damit gemeint sein könnte.[154] Weiteres Geld hatte er sich durch den Verkauf eines Teppichs und eines Bildes beschafft. Ansonsten – so ergänzte er, „hatte meine geschiedene Frau auch einiges zum Haushalt, Essen insb., beigetragen“.[155] Viel kann das aber angesichts ihrer dürftigen Einkünfte nicht gewesen sein. Wie knapp das damals noch verheiratete Paar im Jahr 1931 haushalten musste, zeigt sich auch darin, dass Heinz Lewin eine Steuerschuld von 97 RM in monatlichen Raten von jeweils 16 RM abzahlen musste.[156]

Deklariertes Einkommen 1932
HHStAW 685 475 (190)

Etwas besser sah es im folgenden Jahr 1932 aus, in dem er knapp 1.900 RM verdiente. Insgesamt flossen ihm sogar 4.660 RM aus den Filmen zu, allein für den „Kriminalassessor Holm“ erhielt 2.000 RM. In seinen Steuerakten ist auch der Nachweis über seine Mitarbeit am Film „Das Geheimnis des blauen Zimmers“ enthalten. Für seine Tätigkeit als „Musikautor“ im Zeitraum vom 27. Oktober bis zum 5. November 1932 war ihm die Summer von 500 RM zugeflossen.[157] Das nur einwöchige Engagement wurde zwar nicht schlecht bezahlt, konnte aber auch keine Sicherheit bieten. Die Einkünfte reichten nur aus, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Zudem standen den Einnahmen von 1932 auch Kosten in der Höhe von rund 2.500 RM gegenüber.[158] Im Juni 1933 beantragte sein Steuerberater, die Einkommensteuervorauszahlung für seinen Mandanten zu stunden, da dieser im laufenden Jahr ganz sicher deutlich weniger verdienen werde. „Die Notlage drückt gerade auf meinen Auftraggeber sehr schwer, da derselbe seine Existenz als Komponist in der Filmbranche verloren hat, desgleichen die sonstigen Einnahmen aus dem Verkauf seiner musikalischen Aufführungsrechte. Er ist demzufolge gezwungen, seinen Lebensunterhalt aus den geringen Einkünften seines Hauses in Wiesbaden zu bestreiten, welche naturgemäß nicht ausreichen, um eine Vorauszahlung von 52 RM zu leisten.“[159]
Irgendwie muss es demnach Heinz Lewin gelungen sein, das Wiesbadener Haus in der Rheingauer Str. 5, das zeitweise unter Zwangsverwaltung stand und keine Mieteinkünfte erbrachte, sogar auch von einer Zwangsversteigerung bedroht war, wieder von der finanziellen Kontrolle durch die Behörden zu befreien – wie das gelang, ist nicht mehr rekonstruierbar. Auch lastete weiterhin eine hohe Hypothek auf der Immobilie. Allerdings konnte er nach Abzug aller Kosten mit 133,97 RM nur einen minimalen Gewinn aus dem Objekt erzielen. Zudem stand noch die Begleichung von Rechnungen über 450 RM aus.

Umzug von Moses und Chaja Lewin in die Rheingauer Str. 5
HHStAW 685 476b (o.P.).

Immerhin war das schöne Gebäude mit seinen Jugendstilelementen das einzige aus dem ehemaligen Immobilienvermögen, das Lewins geblieben war. Vielleicht war die Aufhebung der Zwangsverwaltung der Grund dafür, dass seine Eltern am 10. April 1933 vom Nachbarhaus Rheingauer Str. 7 in das Haus ihres Sohnes umgezogen waren.[160]
Heinz Lewin erhielt 1933 noch einmal 1.800 RM von der GEMA. Dieser Betrag resultierte vermutlich aus der Mitarbeit an seinem letzten Film „Die Nacht im Forsthaus“, der 1933 noch in die Kinos kam. Aber damit war seine Karriere im Nazideutschland endgültig zu Ende. Der Steuerberater hatte in seinem Schreiben an das Finanzamt schon darauf hingewiesen, dass sein „Auftraggeber jüdischer Konfession ist und demzufolge Einkünfte aus seiner beruflichen Tätigkeit als Komponist nicht mehr zu erwarten hat.“[161]

Um angesichts des erstarkenden Antisemitismus nicht schon wegen seines Namens ausgegrenzt zu werden, hatte Heinz Lewin schon in den Jahren zuvor den Künstlernamen Heinz Letton angenommen. Aber ab 1933 boten solche Vorsichtsmaßnahmen für Juden keinen Schutz mehr. Sein Sohn Rolf, der inzwischen in Berlin sein Abitur abgelegt und ein Jurastudium aufgenommen hatte, wurde von Mitgliedern des ‚Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB)’ an der Universität angegriffen und verprügelt. Der Rektor griff ein und konnte ihn in dieser konkreten Situation noch einmal vor der unmittelbaren Gewalt des studentischen Mobs beschützen. Aber Rolf wollte sich nicht länger dieser permanenten Bedrohung aussetzen. Schon im April 1933 verließ er Deutschland, um sich in London niederzulassen. Im britischen Exil, wo er seinen Vornamen in Ralph änderte, setzte er dann sein Jurastudium fort.

Papiere von Heinz Lewin, ausgestellt für die Reise nach London 1933
https://assets.yadvashem.org/image/upload/t_f_image/f_auto/v1/remote_media/docs4/hon/14445089/00001.JPG?_a=BAKAACDY0

Sein Vater besuchte ihn dort noch einmal vom 9. bis zum 18. November 1933.
Auch Heinz und Rolf Baum, die Cousins von Rolf / Ralph, verließen schon in diesem frühen Stadium Deutschland und damit auch ihre Arbeit in der Berliner Filmindustrie. Sie gingen nach Paris. Vermutlich waren die beiden ausgewandert, nachdem ihre Mutter, die Schwester von Heinz Lewin, am 21. April 1933 in Berlin an ihrem chronischen Lungenleiden verstorben war.[162]

 

Zeit der Emigration und Verfolgung

Drei Jahre später, 1936, emigrierte auch Heinz Lewin selbst in das Nachbarland, wo sich seit 1933 eine große Zahl von Künstlern in der Hoffnung niedergelassen hatte, dort vor weiterer Verfolgung geschützt zu sein. Zuletzt hatte er in Berlin am Kurfürstendamm 168 gewohnt, von wo er sich laut Polizeipräsidium am 30. Juni 1936 nach Frankreich abmeldete.[163] Wo Heinz Lewin sich in der Zeit zwischen 1933 und 1936 aufhielt, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Er soll sich, bevor er in das benachbarte Frankreich floh, auf der Suche nach Arbeit eine Zeit lang in Prag und auch in Wien aufgehalten haben.

Chaja Lewin
Das Grab von Chala Lewin auf dem Jüdischen Friedhof Platter Straße
Eigene Aufnahme
Das Grab von Moses Lewin auf dem Jüdischen Friedhof Platter Straße
Eigene Aufnahme

Am 18. Januar 1936, ein halbes Jahr bevor Heinz emigrierte, verstarb seine Mutter in Wiesbaden nach langem Leiden.[164] Sein Vater blieb in der Wohnung Rheingauer Str. 5, war auch nicht ganz allein, denn es gab die Geschwister seiner verstorbenen Frau, die ebenfalls noch in Wiesbaden lebten und zu denen er offenbar eine sehr gute Beziehung hatte. Nach dem Tod von Chaja verfasste er im September 1936 ein erstes Testament, in dem er seine Schwägerin Innese Taborissky zur Erbin des gesamten Mobiliars machte. Sein Sohn Heinz sollte das noch vorhandene Barvermögen erben. Falls auch dieser bei seinem Tod bereits verstorben sein sollte, wäre das Geld an dessen in London lebenden Enkel Rolf / Ralph und die beiden Enkel Heinz und Rolf Baum, die Kinder seiner verstorbenen Tochter, in Paris gegangen.[165] Das Testament musste dann noch einmal neu verfasst werden, weil auch Innese am 10. April 1937 in Wiesbaden verstarb, und zwar in der Wohnung ihres Schwagers Moses.[166] Vermutlich waren die beiden nach dem Tod von Chaja zusammengezogen, um einen gemeinsamen Haushalt zu führen.
In seiner am 28. November 1937 neu verfassten letztwilligen Verfügung sollte nun Rosi Lewisohn, die Tochter von Georg und Gnessia / Innese Taborissky, die Möbel erhalten, die zuvor ihrer Mutter versprochen worden waren. Alles Übrige war jetzt seinem Sohn Heinz zugedacht. Im Besonderen sollte ihm die inzwischen auf 21.000 RM geschrumpfte Hypothek gehören, mit der das Hausgrundstück Rheingauer Str. 5 zu Gunsten des Vaters belastet war. Faktisch bedeutete diese Regelung, dass Heinz, dem das Haus gehörte, ein Stück weit entschuldet worden wäre.[167]

Im Sommer des folgenden Jahres kam es zu einem Briefwechsel zwischen Moses und Heinz Lewin sowie einem Anwalt, in dem diese Hypothek noch einmal eine Rolle spielte. Da das Haus weiterhin so gut wie keine Gewinne abwarf, der Vater aber in Geldnot war, überlegte Moses Lewin offenbar, die Hypothek abzutreten oder sogar das Haus zu verkaufen. Beides war aber ohne Einwilligung von Heinz nicht möglich, weshalb sein Vater und der Anwalt ihn um die entsprechende Zustimmung baten. Das war aber eine rechtlich ziemlich komplizierte Angelegenheit, die von Frankreich aus mit notariellen Beglaubigungen verbunden gewesen wäre, in die unter Umständen sogar die deutsche Botschaft hätte involviert werden müssen. Vom Anfang August 1938 ist ein handgeschriebener Zettel erhalten geblieben, in dem der Vater seinem Sohn noch einmal die Dringlichkeit der Angelegenheit ans Herz legt. Er schreibt darin auch, dass er ihm lange nicht mehr geschrieben habe, weil er sehr krank und deshalb nicht mehr aus dem Haus gekommen sei. Es war wohl der letzte Brief an seinen Sohn in Frankreich, der erhalten geblieben ist.
Offenbar gelang es noch im letzten Moment, die Hypothek abzutreten. Mit Datum 1. August 1938 wurde im Grundbuch festgehalten, dass Gertraud Herxheimer, die katholische Witwe des berühmten jüdischen Medizinprofessors und Pathologen Dr. Gotthold Herxheimer die Hypothek über 21.000 RM übernommen hatte.[168] Aber genutzt hat ihm dies nur noch wenig. Nur wenige Wochen später, am 30. September 1938, verstarb Moses Lewin in seiner Wohnung in der Rheingauer Str. 5 an Lungentuberkulose.[169]

Isaak Wittenberg
Todesanzeige für Isaak Wittenberg vom 17. 1. 1922

Zuvor hatte er aber noch einmal ein drittes Testament verfasst, in dem sein Sohn nicht mehr erwähnt wurde. Die Gründe dafür sind aber nicht bekannt. Möglicherweise war die Kommunikation mit ihm unter den gegebenen Bedingungen – das hatte die Frage um die Hypothek gezeigt – zu kompliziert geworden. Als Alleinerbin setzte er am 19. September 1938 nun seine Schwägerin Sarah Wittenberg ein. Nach dem Tod ihres Ehemanns Isaak Wittenberg am 16. Januar 1922 [170] war sie die letzte enge Verwandte, die damals noch in Wiesbaden lebte. Einem weiteren Brief vom 20. Mai 1939 an Heinz ist zu entnehmen, dass Sarah Wittenberg tatsächlich die Erbin wurde.[171]

 

Sarah Wittenberg, geborene Lewin und die Familie ihrer Tochter Charlotte Waintraub

Allerdings wurde der Plan, auf diese Weise das Erbe in sichere Hände zu geben, durch einen Willkürakt der NS-Regierung im Herbst 1938 zunichtegemacht. Am 27. und 28. Oktober wurden alle polnischen Juden – es handelte sich um rund 17 000 Menschen – aus Deutschland ausgewiesen und in das Niemandsland hinter der Grenze verbracht.[172] Diese Aktion hatte dann das Attentat Grünspans auf den Botschaftsbeamten Ernst vom Rath in Paris und die Reichspogromnacht zur Folge.[173] Zu den Ausgewiesenen gehörten auch Sarah Wittenberg und die Familie ihrer Tochter Charlotte Waintraub.[174] Alle drei bewohnten zu diesem Zeitpunkt das Haus Rheinbahnstr. 3, das zuvor Isaak Wittenberg, seit 1931 der Erbengemeinschaft Wittenberg gehörte.
Charlottes Schwester Natalie Fanny, verheiratet mit dem Arzt Dr. Walther Lomnitz, bezeugte in einer eidesstattlichen Erklärung die damaligen Vorgänge:
“Am 28.ten Oktober 1938 nachts um 11 Uhr erhielt meine Schwester, Frau Charlotte Waintraub, geb. Wittenberg, die Aufforderung der Gestapo oder einer sonstigen Behoerde, sich am folgenden Morgen um 6 Uhr am Hauptbahnhof Wiesbaden einzufinden.
Dies bedeutete die Deportation. Meine Schwester wurde im gleichen Eisenbahnzug, in dem meine Mutter, Frau Sarah Wittenberg, geb. Lewin, war, abtransportiert.
Mein Mann hatte noch versucht, den Abtransport zu verhindern, er begab sich dafuer auf den Hauptbahnhof in Wiesbaden, es war aber vergeblich.“
[175]

Sarah Wittenberg, ihre Tochter Charlotte und deren Ehemann Josef Waintraub blieben nicht im Niemandsland an der Grenze zu Polen. Sie zogen weiter nach Lodz, wo sie möglicherweise Verwandte oder Bekannte hatten.[176] Eine Maria Glas berichtete später im Entschädigungsverfahren, dass sie bis zu ihrer eigenen Flucht aus Polen öfter Kontakt mit Sarah Wittenberg gehabt habe. Sie konnte auch berichten, dass Sarah versucht hatte, die Möbel und anderes Inventar ihrer Wiesbadener Wohnung nach Polen schicken zu lassen. Diese seien aber an der Grenze festgehalten und konfisziert worden. Frau Wittenberg habe damals „völlig mittellos und in größter Not“ in Lodz gelebt.

Die Vertriebenen konnten offenbar weiterhin Kontakt zu anderen Familienmitgliedern, die damals nicht ausgewiesen worden waren, halten, sogar mit Heinz in Paris, wie man aus einem Brief schließen kann, der am 20. Mai 1939 aus Lodz an ihn gerichtet wurde.

Aber dieser Brief wirft neue Fragen auf. Unklar ist zunächst, wer genau ihn verfasst hatte. Unterzeichnet ist er nur mit einem Kürzel, das man mit gutem Willen als „Deine Ch“ – vielleicht für Charlotte, aber in jedem Fall eine Frau – deuten könnte. Auch die in der letzten Zeile übermittelten knappen Grüße von „Ma und Jo“ helfen zur Identifikation des Absenders nicht wirklich weiter. Möglicherweise sind damit Mama, d.h. Sarah Wittenberg, und Charlottes Mann Josef gemeint. Aber das ist eine sehr gewagte Interpretation. Allerdings spricht der Inhalt des Briefes auch dafür, dass Charlotte Waintraub die Verfasserin war, denn es geht darin um die Erbschaft von Moses Lewin, die ja an die Mutter gefallen war und die im Brief auch als Erbin bezeichnet wird. Diese hatte den Wiesbadener Konsulenten Berthold Guthmann mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt.

Moses Lewin
Die selbst nach NS-Recht unberechtigte Forderung der JVA wird zurückgenommen
HHStAW 685 476e (3)

Bestätigt wird dies durch zwei Schreiben von Berthold Guthmann, die dieser am 6. und 9. Mai 1939 an das Finanzamt Wiesbaden richtete. Das Finanzamt hatte nämlich von den 5.000 RM, die Sarah Wittenberg von ihrem Schwager Moses geerbt hatte, für die ersten beiden Raten der Judenvermögensabgabe 2.535 RM verlangt. Der Konsulent konnte die Zahlung verhindern, indem er darauf hinwies, dass Moses Lewin bereits vor der Reichspogromnacht verstorben war und er somit nicht unter die Verordnung gefallen sein konnte.[177]
Nebenbei erwähnt die Autorin, dass sie möglicherweise in nächster Zeit selbst die Erlaubnis zur befristeten Rückkehr nach Wiesbaden „zwecks Liquidation“ erhalten würde. Eigentlich kann damit nur die Liquidation des Haushalts gemeint gewesen sein, denn die Wollwarenfabrik war nach Angaben ihres Sohnes Rolf bereits seit 1935 aufgegeben worden, aber vielleicht standen auch hier noch endgültige Regelungen aus.[178]
Irritierend an diesem Dokument ist, dass der Brief an Heinz gerichtet war, er aber im Text selbst indirekt als dritte Person angesprochen wird. Es heißt im Zusammenhang mit den von Moses zurückgelassenen Einrichtungsgegenständen:
Wegen der Möbel etc. frage ich wiederholt an, was damit geschehen soll. Da die Transportkosten und sämtliche Spesen ab Grenze von dem Empfänger bezahlt werden müssen, weiss ich nicht, ob es rentiert, diese dem Sohn zu schicken, da doch wertvolle Sachen alle von dem Verstorbenen verkauft wurden. Es wäre vielleicht nur ratsam, Kleider, Wäsche etc. und sonstige Sachen, an denen dem Sohn gelegen ist, zu verpacken und zu versuchen, hierfür eine Genehmigung für den Versand zu beantragen.“[179]
Wie dem auch sei, der Brief muss Heinz erreicht haben, denn er ist in seinem Nachlass aufgefunden worden. Was mit den Möbeln geschah, ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass Sarah Wittenberg, vielleicht auch ihre Tochter, noch einmal nach Wiesbaden zurückkam bzw. kamen. Am 13. Juli 1939 schrieb sie von Wiesbaden aus, sogar von ihrer früheren Adresse in der Rheinbahnstr. 3, einen Brief an die Devisenstelle in Frankfurt, man möge ihren Antrag auf Mitnahme des Umzugsguts, für das bereits die notwendigen Formulare eingereicht worden seien, beschleunigt bearbeiten, da sie bis zum Ende der folgenden Woche Wiesbaden wieder verlassen und zurück nach Lodz müsse – „nach über 50 jährigem Aufenthalt in Deutschland und mehr als 40 jähriger Ansässigkeit in Wiesbaden“.[180].
Die entsprechenden Umzugslisten, die Angaben über ihr letztes Einkommen und das noch vorhandene Vermögen – es betrug 2.200 RM – waren am 12. Juni 1939 fertiggestellt worden. Akkurat waren alle, auch die kleinsten Sachen wie Korken oder Salzfässchen, wenn notwendig mit Anschaffungsdatum, sowie alle Buchtitel, aber auch das gesamte Mobiliar aufgeführt.[181] Es lässt sich an dieser Liste erkennen, in welch einem begüterten Haushalt die Familie Waintraub einst lebte, bevor man sie aus Deutschland verjagte.
Sarah Wittenberg kehrte zurück nach Lodz, die Möbel kamen dort, wie bereits erwähnt, nicht mehr an, obwohl der Mitnahmeantrag ohne Einschränkungen genehmigt worden war.[182] Am 3. September 1939 war die Grenze zu Polen geschlossen worden, sodass die beauftragte Spedition Jacobi die Fracht im Wert von knapp 16.000 RM nicht mehr liefern konnte, sie diese stattdessen in Wiesbaden einlagern musste. Auf Grund eines später eingeleiteten Strafverfahrens – der Grund dafür ist nicht bekannt – wurde der gesamte Lift von den Finanzbehörden beschlagnahmt und vermutlich versteigert.[183]
Alle drei damals aus Deutschland Vertriebene, Mutter, Tochter und Schwiegersohn, blieben nach ihrer Rückkehr nach Polen verschollen. Die bereits erwähnte Bekannte von Sarah in Lodz hatte von Cousinen, die den Holocaust überlebten, erfahren, dass sie zum Zeitpunkt des Überfalls der Deutschen auf Polen noch immer dort lebten, später aber in das Warschauer Ghetto verbracht wurden. Dort soll sich Sarah Wittenberg zusammen mit 10 bis 12 Personen ein Zimmer geteilt haben. Etwa zum Jahreswechsel 1940/41 soll sie dann in ein nicht bekanntes KZ deportiert und ermordet worden sein.[184]

Auch von Charlotte und Josef Waintraub ist nicht bekannt, wo und wann sie umgebracht wurden. Die letzte Nachricht, die ihre Schwester Natalie Fanny erhielt, stammte vom Dezember 1940, ebenfalls aus dem Warschauer Ghetto.[185] Auch für diese beiden wurde das Ende des Krieges, hier der 9. Mai 1945, amtlich als Todestag festgelegt.[186]

Anders als seine Eltern und seine Großmutter gehörte Rolf Waintraub nicht zu den Deportierten dieses Tages. Er war bereits im April 1935 nach Palästina ausgewandert. In Wiesbaden hatte er zuvor bis 1932 das Realgymnasium, die heutige Gutenbergschule, besucht. Nach dem Abitur nahm er in Frankfurt ein Medizinstudium auf,[187] wurde aber nach dem Machtantritt der Nazis exmatrikuliert, sodass er sein Studium abbrechen musste. Wegen mangelnder finanzieller Mittel konnte er dies auch in Palästina nicht mehr aufnehmen. Er verdiente dort seinen Lebensunterhalt als kaufmännischer Angestellter.[188] 1947 erhielt er die Möglichkeit zur Immigration in die USA, wo er im Rahmen seiner Einbürgerung den Namen Ralph Winthrop annahm.[189] Er ließ sich im Staat New York nieder und übte auch dort den Beruf eines Kaufmanns aus. Nach dem Krieg strengte er die Entschädigungsverfahren für sich und seine Eltern an. Am 24. Mai 1996 verstarb er in Los Angeles.[190]

Anders als Charlotte gelang es ihren beiden Geschwistern Natalie Fanny und Nicolai rechtzeitig, Deutschland zu verlassen und die Zeit der Verfolgung zu überleben.

 

Walther und Fanny Lomnitz, geborene Wittenberg

Natalie Fanny, genannt Netti, verheiratet mit dem Internisten Dr. Walther Lomnitz, wohnte zuletzt in der Taunusstr. 3, wo ihr Mann eine recht gut gehende internistische Praxis führte, die ihm in den dreißiger Jahren und auch nach der Machtübernahme der Nazis noch immer ein durchschnittliches Einkommen von etwa 15.000 RM im Jahr einbrachte.[191] Aber es war ihm offenbar klar, dass er über kurz oder lang seinen Beruf nicht mehr würde ausüben können. 1934 trat Walther Lomnitz zunächst alleine eine dreiwöchige Reise in die USA an, vermutlich um die dort sich für die Familie bietenden Möglichkeiten zu eruieren.[192] 1937 war die Entscheidung dann endgültig gefallen. Im Dezember 1937 beantragte er die für die Ausreise notwendigen steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen beim Finanzamt und der Stadt Wiesbaden. Auf dem entsprechenden Vordruck hatte er die jährlichen Einkünfte zwischen 1931 und 1936 genau aufgeführt und auch sein Vermögen zum Stichtag 1. Januar 1931 und zum 1. Januar 1935 angegeben. Betrug dies zunächst noch mehr als 38.000 RM, so hatte es sich in den folgenden vier Jahren um rund 10.000 RM vermindert. Im September 1939 besaß er nur noch 19.000 RM. Da die Familie Lomnitz an den Hausgrundstücken Rheinbahnstr. 3 und Adolfstr. 10 mit jeweils einem Achtel beteiligt war, die Hausgrundstücke waren 1935 mit einem Einheitswert von 25.000 RM und 67.000 RM taxiert worden, hafteten auch sie anteilmäßig für die Verbindlichkeiten, die als Hypotheken darauf lasteten. Als die beiden Immobilien 1940 bzw. 1941 zwangsversteigert wurden,[193] war die Familie Lomnitz längst außer Landes, hätte ohnehin daraus keinen Erlös mehr erzielen können. Sonstiges Vermögen besitze er nicht, erklärte er bei Abgabe der Vermögenserklärung gegenüber dem Finanzamt.[194]
Immerhin wurde er von diesem als „steuerlich zuverlässig“ beurteilt, sodass nichts gegen die Herausgabe der erwünschten Bescheinigungen sprach. Am 12. August 1938 wurde diese vom Wiesbadener Polizeipräsidenten für die Stadt ausgestellt,[195] die des Finanzamts folgte am 24. August 1938.[196]
Schon Anfang September war das Umzugsgut gepackt, drei Listen in 4-facher Ausfertigung zur Kontrolle der Devisenstelle übermittelt worden und auch ein Nachfolger für die Praxis war bereits gefunden.[197]
Am 17. November 1938 konnte die Familie auf dem Schiff ‚Manhattan’ von Le Harve aus die Reise in die Freiheit antreten.[198] New York erreichten sie am 25. des Monats. Als Kontaktperson in den Staaten hatten sie eine Tante Martha Geiga in New York angegeben. Über ihr weiteres Leben in Amerika liegen keine genaueren Informationen vor. Beim Zensus von 1940 sind sie zwar als Bewohner der Stadt New York registriert, aber einen Beruf übten sie offensichtlich noch nicht aus. Beim folgenden Zensus 10 Jahre später wurde Walther Lomnitz aber wieder als Internist geführt. Inzwischen wohnte auch einer seiner Neffen, der im Ölgeschäft tätig war, mit in ihrem Haus.[199]

In Deutschland lief inzwischen ein Verfahren, um den Familienmitgliedern Lomnitz die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen und ihr noch vorhandenes Vermögen – viel kann es nicht mehr gewesen sein – zu konfiszieren.[200] Walther Lomnitz und seine Frau erhielten am 13. April bzw. am 18. Mai 1944 stattdessen die amerikanische Staatsbürgerschaft.[201] Tochter Mary beantrage sie am 12. Juni 1942.[202]
Walther Lomnitz verstarb schon am 11. Oktober 1955,[203] seine Frau am 12. Februar 1980 in New York. Ihre Tochter Mary, verheiratete Silvestri, wurde am 2. August 2001 zu Grabe getragen.[204]

Nicolai Wittenberg und seine Familie

Als Kontaktperson in Europa hatte die Familie Lomnitz Nikolai Wittenberg angegeben, der zu dieser Zeit Deutschland allerdings ebenfalls bereits verlassen hatte. Anders als die Familie Lomnitz war er aber in Europa und damit im Zugriff seiner Verfolger geblieben. Dennoch gelang es ihm mit sehr viel Glück, ebenfalls zu überleben.[205]

Die Wollwarenfabrik war am 22. März 1932 als Personengesellschaft aufgelöst worden und Josef Waintraub als alleiniger Inhaber installiert worden.[206] Der konkrete Anlass dafür ist nicht bekannt. Aber es war offensichtlich nicht die Weltwirtschaftskrise, die dafür den Ausschlag gab, sondern es muss damals, noch vor 1933, schon massive antisemitische Bedrohungen gegeben haben. In jedem Fall handelte es sich nicht um eine reine Umorganisation des Unternehmens, sondern um den ersten Schritt zur völligen Abwicklung des Unternehmens. Schon im Oktober 1933 wurden die Fabrikräume von einer ‚Heinrich Scholl Grosshandlung’ für diverse Putzmittel übernommen. Der neue Mieter gab im Entschädigungsverfahren an, es habe sich bei der dort bisher produzierenden Firma Weintraub um einen Betrieb gehandelt, „der sich eines guten Rufes (erfreute) und allgemein als ein seriöses, geordnetes und gutlaufendes Unternehmen in Wiesbaden bekannt“ gewesen sei. „Bei der Übernahme der Räume versicherten mir die Inhaber, dass sie nur unter dem Druck der damaligen Verhältnisse die Fabrikation einstellen und ins Ausland gehen würden.“ [207]

Demnach müsste die Produktion spätestens im Herbst 1933 eingestellt worden sein, die endgültige Liquidation des Unternehmens zog sich aber noch bis in den Januar 1935 hin.[208] Vermutlich ging es nur noch um den Verkauf des Maschinenparks und Lagerbestände, eine Aufgabe, die Josef Waintraub übernahm. Man habe unter dem Druck der Verhältnisse mit 80.000 RM dafür nur einen Bruchteil des wirklichen Wertes – er schätzte ihn auf 280.000 RM – erhalten.[209]

Zu diesem Zeitpunkt hatte Nicolai Wittenberg Deutschland bereits verlassen. Als Vorsitzender des jüdischen Sportclubs ‚Hakoah‘ sah er sich in einer besonders gefährdeten Position. Laut Angabe der Polizei Wiesbadens hatte er, der zuletzt in der Adolfstr. 10 gewohnt hatte, die Stadt im Mai / Juni mit dem Ziel Paris verlassen.[210]

Durch seine Flucht war er schon von 1933 an weitgehend ohne eigenes Einkommen. Nur durch die Unterstützung der Familie habe er in Frankreich überleben können. Ein steuerpflichtiges Einkommen habe er in all den Jahren im Exil nie gehabt, gab er im Entschädigungsverfahren an.

Nicolai Lewin
Heirat von Nicolai Lewin und Maria Dinges im französischen Exil
HHStAW 518 80305 (172)

Noch im selben Jahr 1933 war ihm seine damalige Freundin bzw. Verlobte Maria Dinges, geboren am 13. Mai 1903 in Wiesbaden, gefolgt.[211] Auch sie, die keine Jüdin war, hatte ihre Stellung als kaufmännische Angestellte in der Wollwarenfabrik ‚Waintraub & Co’ ihres Partners verloren. Am 23. April 1935 konnten die beiden dann in Paris heiraten.[212] Aber eine Arbeitserlaubnis erhielt auch sie dort nicht.
Wie viele andere Emigranten bewarb sich ihr Mann Nicolai möglicherweise bei der Fremdenlegion, um so sein Aufenthaltsrecht in Frankreich zu sichern. Zumindest gab seine Frau an, er habe bei Ausbruch des Krieges Militärdienst in Nordafrika geleistet, sei aber dann zurückgekommen.[213] Eigenartigerweise erwähnt er selbst einen solchen Dienst in seinem eigenen Verfahren nicht. Er gibt hingegen an, bei Ausbruch des Krieges zunächst interniert, aber im Dezember 1939 wieder freigelassen worden zu sein.[214] Auch seine Frau Maria war für kurze Zeit in Gurs interniert, konnte aber nach ihren Angaben von dort entkommen. Übereinstimmend sind die Angaben dahingehend, dass sie sich danach gemeinsam in dem etwa 50 km nördlich von Toulouse gelegenen Montauban niederließen. Nicolai Wittenberg fand damals für eine gewisse Zeit sogar Arbeit in einer Radiofabrik.

Maria Wissant, Dinges, Wittenberg
Maria Wittenberg, geb. Dinges. Passfoto in ihrem illegalen französischen Pass auf den Namen Maria Wissant
HHStAW 518 80118 I (78)

In Montauban kam am 6. Juni 1941 ihr Sohn Pierre zur Welt.[215] Fälschlicherweise wurde Maria Wittenberg von den dortigen Behörden selbst auch als Jüdin registriert, was sie faktisch in den folgenden Jahren auch zur rassisch Verfolgten werden ließ. Erst kurz vor der Befreiung wurde dieser Fehler nach erheblichem bürokratischen Aufwand behoben.
Im September 1943 wurde ihr Mann Nicolai im Petain-Frankreich verhaftet, als auch dort die Jagd auf Juden begann, und in Marseille den Deutschen übergeben, die ihn in eine jüdische Arbeitsbrigade steckten. Die Kompanie wurde in einem mit Stacheldraht und Wachen umgebenen Barackenlager l’Alveyra-Caronte im Süden Frankreichs untergebracht. Nicolai konnte sich sogar später noch an den Namen seines deutschen Aufsehers erinnern. Schwerbewaffnete Männer der SS oder des SD bewachten die Brigade, die für die ‚Organisation Todt beim Bau des Südwalls schuften musste.[216] Die Gefahr, dort ums Leben zu kommen oder in ein Konzentrationslager im Osten abgeschoben zu werden, war allgegenwärtig, weshalb sich Nicolai Wittenberg im März 1944 zur lebensgefährlichen Flucht entschloss. An einem arbeitsfreien Sonntag gelang es ihm, unter dem Stacheldraht unbemerkt durchzukriechen und sich zurück nach Montauban durchzuschlagen. Nach Angaben eines weiteren Überlebenden, der zwei Wochen vor Nikolai geflohen war, wurden die Zurückgebliebenen einen Monat später nach dem Osten, vermutlich nach Kowno, abtransportiert und ermordet.[217]
Bis zum Kriegsende hielt sich Nicolai in der Umgebung von Montauban, häufig die Wohnung wechselnd, versteckt. Kontakt mit seiner Frau und seinem Sohn war in dieser Zeit für alle zu gefährlich und nicht möglich. Allerdings hatten sie gefälschte Pässe, die beide auf den Namen Wissant ausgestellt waren. Immer wieder wurde auch Maria die Inhaftierung angedroht, sollte sie das Versteck ihres Mannes, das auch ihr unbekannt war, nicht preisgeben. Sie sah sich daher gezwungen, selbst in die Illegalität zu gehen und brachte ihren Sohn zumindest tagsüber bei katholischen Schwestern unter. Sie selbst übernachtete bei wechselnden französischen Freunden und Bekannten, die bereit waren, die damit verbundenen Gefahren auf sich zu nehmen. Mit Geld und Nahrung wurde sie von einer jüdischen Hilfsorganisation in Montauban unterstützt. Eine der sich dort engagierenden Frauen, die sogar in einer eidesstattlichen Versicherung im Entschädigungsverfahren für Maria Wittenberg eintrat, war Marta Cohn-Bendit, die Mutter des später so bekannten Daniel Cohn-Bendit.[218] Die Familie war damals selbst aus Frankfurt nach Frankreich geflohen. Marta Cohn-Bendit bestätigte, in welch schwierigen Verhältnissen Maria Wittenberg in all den Jahren des Exils, besonders in den letzten Jahren, leben musste.
Eine Entschädigung erhielt sie vom deutschen Staat dennoch nicht. Vor ihrer selbst gewählten Flucht habe sie nicht zu den Verfolgten gehört. Dass sie ihre Stellung in einem jüdischen Unternehmen verloren habe, sei kein Schaden an ihrem beruflichen Fortkommen gewesen, denn sie habe gar nicht mehr versucht, 1933 in Deutschland Arbeit zu finden, was ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre.[219] Dieser Zynismus war durch die damalige Gesetzgebung abgedeckt und in verschiedenen Verfahren immer wieder bestätigt worden. Immerhin konnte sie auf Grund eines Vergleichs doch noch eine kleine Entschädigung für den erlittenen gesundheitlichen Schaden durchsetzen.[220]

Das Paar lebte nach der Befreiung in der französischen Hauptstadt, wo Nicolai noch einmal eine führende Stellung als kaufmännischer Direktor in einem französischen Textilunternehmen übernahm.[221] Aber gesundheitlich war er durch die Jahre der Verfolgung so sehr angeschlagen, dass er schon am 8. März 1955 in Paris verstarb.[222] Seine Frau lebte noch weitere 30 Jahre in der französischen Hauptstadt, wo sie am 31. Oktober 1984 zu Grabe getragen wurde.[223]
Ihr Sohn Jacques, der in Paris zunächst die Volkschule, dann das Gymnasium besucht hatte, ging 1959 an das Collège Colbert, um dort die Reifeprüfung für ein Studium abzulegen, was ihm allerdings nicht gelang. Stattdessen widmete er sich in den folgenden Jahren intensiv dem Studium der englischen Sprache, das er dann auch erfolgreiche abschließen konnte. Um sich auch kaufmännisch weiterzubilden, leistete Ende 1960 er ein knapp zweimonatiges Praktikum bei einer Transportgesellschaft in Frankfurt. Nach einem mehrmonatigen Militärdienst, aus dem er Ende 1962 entlassen wurde, erhielt er eine feste Anstellung bei der französischen Firma ‚Sinprochin’.[224] Seit dem 15. Juni 1963 ist er verheiratet mit Eva Mackenbruck, der am 21. April 1941 geborenen Tochter von Heinrich Anton und Maria Wilhelmine Mackenbruck, geborene Jansen, aus Witten.[225]

 

 

Heinz Lewin in Frankreich, Jenny in Berlin und Ralph in London

Über die Jahre, die Heinz Lewin im französischen Exil verbrachte, liegen nur noch wenige Dokumente vor. Immerhin hatten die Nazis, anders als viele seiner früheren Bewunderer, den „Musikjuden“ Lewin auch nach seiner Flucht nicht vergessen. In drei zwischen 1935 und 1940 erschienenen Lexika jüdischer Musiker ist er namentlich aufgeführt.[226]

Lexikon Juden MusikLexikon Juden MusikLexikon Juden Musik

 

 

 

 

 

 

Lexikon Juden MusikLexikon Juden MusikLexikon Juden Musik

 

 

 

 

 

 

 

Lexikon Juden MusikLexikon Juden Musik

 

 

 

 

 

 

Heinz Lewin in zeitgenössischen antisemitischen Musiklexika

Zwar war er im Nachbarland zunächst in Sicherheit, aber weiterhin im Visier seiner Verfolger. Zudem verschärfte sich seine wirtschaftliche Situation aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis zusehends. Er versuchte zwar auch weiterhin, als Komponist seinen Lebensunterhalt zu verdienen, war dabei aber auf vielseitige Unterstützung angewiesen. Seine Enkelin gab an, dass er für andere komponierte und die Honorare über verschiedene Umwege einzog. So erhielt er z. Bsp. von der ‚Italien Performing Rights Society‘ – eine Art italienischer GEMA – Geld, das ihm über seinen Neffen Heinz / Henri Baum zugestellt wurde. Für wen er dort konkret arbeitete und welche Kompositionen er realisierte, konnte bis heute nicht ermittelt werden. Für die Zusammenarbeit mit einem Herrn Smyth liegt ein konkreter Vertrag vor, der allerdings eher verwirrend ist. In ihm war festgelegt, dass Heinz Lewin innerhalb von 10 bis 14 Tagen die Musik für verschiedene Filme komponieren solle, für welchen Lohn, ist eigenartigerweise darin nicht festgelegt. Zudem hatte er dafür, dass er den Auftrag überhaupt erhielt, die Hälfte der Rechte und damit der Erträge aus den Werken, die ihm normalerweise zustehen würden, an eine jeweils noch zu benennende Person abzutreten. Immerhin sollte sein Name im Vorspann und auf den Filmplakaten erscheinen, nicht aber auf irgendwelchen Einreichungen bei der ‚Secam‘.[227] Hier durfte nur der Name des jeweiligen Dritten erscheinen.[228] Wie Heinz Lewin dann zu seinem Geld kam, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen, auch nicht, wie es möglich war, ohne Arbeitserlaubnis als Autor bzw. Komponist von Werken überhaupt in Erscheinung zu treten.

Es gab auch noch Verwandte in Italien und in Südfrankreich, über die ebenfalls solche Aufträge irgendwie abgewickelt wurden. Aber all das reichte nicht aus, um in Paris zu überleben. Solange es möglich war wurde Heinz Lewin von England aus finanziell auch von seinem Sohn Ralph unterstützt. Aber auch das war mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden.

Ralph, der in England sein Jurastudium zunächst hatte fortsetzen können, hatte alles versucht, um seine Eltern von Berlin bzw. Paris ebenfalls auf die Insel zu holen, um sie dort in Sicherheit zu bringen – jedoch ohne Erfolg.

Jenny Lewin Trabsky
Jenny Lewin, Geborene Trabsky
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Seine Mutter Jenny Lewin wurde am 13. Januar 1942 aus ihrer Berliner Wohnung in der Helmstedter Str. 23 in Wilmersdorf geholt und in das Ghetto von Riga deportiert.[229] Als Sammellager für diesen achten Osttransport aus der Reichshauptstadt diente die im Bezirk Tiergarten gelegene Synagoge an der Lewetzowstr. 7-8. Die meisten der 1034 Menschen mussten von dort aus den langen Weg bis zum Bahnhof Grunewald zu Fuß antreten. Dort bestiegen sie einfache Personenwagen der 3. Klasse, die sie in drei Tagen nach Riga brachten.[230]
Riga war inzwischen durch die Deutschen und ihre lettischen Hilfspolizisten zum Schlachthof geworden. Zunächst war die große Zahl der in der Stadt lebenden Juden im Spätherbst 1941 zwangsweise in das dortige Ghetto eingewiesen worden. Die Menschen hatten gehofft, dort trotz der schlimmen Lebensbedingungen endlich vor weiteren Drangsalierungen geschützt zu sein. Es kam aber anders. Die SS-Führung unter Himmler hatte den SS- und Polizeiführer Jeckel im November 1941 beauftragt, das Ghetto für die aus dem Westen anrollenden Transporte mit vielen Tausenden Juden zu räumen, sprich: das Ghetto mit seinen Bewohnern zu liquidieren. Am 30. November, dem sogenannten Rigaer Blutsonntag, und am 8. / 9. Dezember wurden insgesamt etwa 27 800 Menschen im Ghetto selbst oder in den angrenzenden Wäldern ermordet.[231] So war Platz für die Neuankömmlinge geschaffen worden, auch für Jenny Lewin. Zwischen dem 10. November 1941 und dem 21. JANUAR 1942 erreichten zehn Transporte mit jeweils etwas mehr als Tausend Jüdinnen und Juden aus den verschiedenen Städten des Altreichs, darunter vier aus Berlin, das Ghetto von Riga. Zeugnisse von der Ankunft verschiedener Züge sind dank der wenigen Überlebenden erhalten geblieben.[232]
Die Insassen der ersten Züge, die nach dem Massaker dort ankamen, „trafen das Ghetto noch mit blutgetränkten Straßen an, mit aufgeschichteten Leichen und ausgeräuberten und durchwühlten Wohnungen“.[233]
Der Schock konnte kaum größer sein, aber es war nur der Vorgeschmack auf das Leben, auf das alltägliche Sterben durch Hunger, Kälte, Krankheiten oder durch die Salven von Gewehrkugeln. Wann und wie Jenny Lewin dort ermordet wurde, ist nicht bekannt. Es muss ein schrecklicher, ein elender Tod gewesen sein.

Umzäunung des Ghettos von Riga im Okt. 1941
Foto: Muzejs „Ebreji Latvijā“, Riga, MEL

Wie lange Heinz Lewin mit seiner geschiedenen Frau, wie lange ihr Sohn Ralph noch mit seiner Mutter in Kontakt gestanden hatte, lässt sich nicht exakt rekonstruieren. Zunächst war Heinz Lewin in seinem französischen Exil in einer vergleichsweise sicheren Situation. Die ersten Flüchtlinge aus Deutschland waren unter der Volksfrontregierung noch mit viel Verständnis aufgenommen worden, aber angesichts der wachsenden Zahl der Emigranten auch aus anderen Ländern, im Besonderen aus Spanien und dann auch aus dem faschistischen Italien veränderte sich die Haltung der Einheimischen gegenüber den Fremden.[234] Gerade die Deutschen wurden auch dann, wenn sie unzweifelhaft Verfolgte waren, zunehmend als feindliche Ausländer wahrgenommen. Manche befürchteten, dass mit ihnen deutsche Spione über die Grenze kamen, andere sahen in ihnen Kriegstreiber, die versuchten Frankreich in einen Krieg mit Deutschland zu ziehen und wiederum andere, besonders die Konservativen, identifizierten die Geflohenen als Linke, die im Nachbarland den politischen Gegner unterstützen und zum Aufruhr aufrufen würden. Da es sich zudem in der überwiegenden Zahl um Juden handelte, fand das Narrativ von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung besonders in den Kreisen Gehör, in denen der tief verwurzelte Antisemitismus nie seine Wirksamkeit verloren hatte.[235]
Nach dem Ende der Volksfront werden im Mai 1938 die ersten Dekrete erlassen, die es ermöglichten, „étranger indésirable“ – unerwünschte Ausländer – auszuweisen oder sie unter Polizeiaufsicht zu stellen. Im Juni wurden dann die ersten provisorischen Lager eingerichtet, die damals noch zur Aufnahme der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien dienten, aber schon als „Camps de Concentration“ bezeichnet wurden, wenngleich sie keinesfalls mit den deutschen Konzentrationslagern gleichgesetzt werden können. Aber auch die dort Untergebrachten wurden in sogenannten „Compagnies de travailleurs étrangers“ (CTE), später als „Groupes de Travailleurs Étrangers“ (GTE) bezeichnet, eingeteilt und zur Zwangsarbeit herangezogen. Bei Kriegsbeginn war das Lagersystem „bereits voll ausgebildet“, wie Eggers schreibt.[236]

Briefe belegen, dass sich Heinz Lewin von August 1936 unter verschiedenen Adressen bis in den Spätsommer 1938 in Paris, bald danach, nämlich im September dann in Argentat-sur-Dordogne, im Gebiet östlich von Bordeaux, aufhielt, wo später die Resistance sehr aktiv war.[237] Es ist aber nicht bekannt, ob er damals Kontakte zum Widerstand aufbaute.
Laut eines unvollständigen Schreibens hatte er damals darum gebeten, sich zum einen in einem anderen Ort – der Name ist nicht mit Sicherheit zu entziffern – niederlassen zu dürfen und zum anderen hatte er einen Ausweis für deutsche Flüchtlinge beantragt. Zwar waren beide Anfragen vom Innenministerium am 20. September 1938 grundsätzlich bewilligt, aber an das Vorhandensein eines gültigen Arbeitsvertrags geknüpft worden.[238] Ob er einen solchen vorweisen konnte, ist nicht bekannt, aber nach allem was man über seine Situation weiß, eher unwahrscheinlich.

Die Situation für die Flüchtlinge wurde zunehmend bedrohlich, und auch bei Heinz Lewin machte sich noch vor Kriegsbeginn allmählich Verzweiflung breit. Noch war es keine unmittelbare Todesgefahr, der er ausgesetzt war, aber die Sorgen um die Existenz, ließen auch ihn an den Tod denken. Wie verzweifelt er bereits 1939 war, zeigt ein Brief, den er ein halbes Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 10. März 1939 an seinen Sohn schrieb:
„Mein Sohn,

auf meinen letzten Brief hast du es vorgezogen, in keiner Weise zu reagieren. Es hat also den Anschein, dass du es vorziehst, mich gänzlich aufzugeben. Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?
Ich kann dir nur versichern, wäre es umgekehrt, so hätte mein Sohnregelmäßig zum 1. jeden Monats sein Geld zum Leben gehabt & wenn es gar nicht anders mehr möglich gewesen wäre, hätte ich ihn zu mir genommen, um mein Leben mit ihm zu teilen. – Deiner Mutter hatte ich noch jahrelang in Berlin monatlich 300 Mk = 25 Pfd. Gegeben, obwohl ich alles andere als im Gelde schwamm, außerdem bin ich für Dich und Deine Erziehung aufgekommen.

Du gibst mich nun kaltblütig auf, dann bleibt mir auf Ehrenwort kein anderer Weg mehr, als Schluss mit mir zu machen. Wenn ich bis nächste Woche nichts zahle, droht man mir mit Exmittierung. Verdient habe ich nichts und ist es nicht meine Schuld. Es gibt hier junge, kräftige Emmigranten (sic!) in Hülle & Fülle, die nichts verdienen können & umkommen, wenn sie nicht irgend einen Verwandten haben, der sich um sie kümmert. Es geht nicht so, „Sieh zu, dass du verdienst“ (oder verrecke).
Wie ich Dir schrieb, besteht jetzt die Aussicht, aber bis die Sachen den französischen Text haben, [?] sind, etc. – vergeht noch etwas Zeit, habe ich aber nicht die Möglichkeit es auszuhalten, so hat auch das keinen Wert mehr für mich und ehe ich mich auf die Straße setzen lasse, schieße ich mir eine Kugel in’s Herz, für den Revolver habe ich schon lange vorgesorgt gehabt. So und nicht anders ist meine Situation. An dir liegt die Entscheidung.
Dein Vater“
[239]

Man muss diesen Brief, es war vermutlich der letzte, der seinen Sohn erreichte, eher als Dokument der Verzweiflung, denn als Beleg für eine Enttäuschung über die scheinbar fehlende Unterstützung durch Ralph lesen, zumal es Belege für Geldtransfers seines Sohnes an seinen Vater in Frankreich gibt. Man weiß nicht, wann welche Briefe damals in Europa ihren Adressaten fanden, ob sie ihn überhaupt erreichten. Das gilt ganz sicher auch für Überweisungen. Auch wenn die jeweiligen Aufenthaltsorte von Heinz Lewin damals in Frankreich in ihrer zeitlichen Abfolge nur noch schwer zu rekonstruieren sind, so ist doch sicher, dass sich in dieser Zeit seine Anschrift mehrfach änderte, ob freiwillig oder erzwungen, ist ebenfalls nicht immer klar.

Aber auch in England konnten die Geflüchteten mit ähnlichen Argumenten wie in Frankreich inzwischen keineswegs mehr auf Mitleid und Hilfe hoffen. Die dort ergriffenen Maßnahmen hatten zur Folge, dass die Verbindung zwischen Vater und Sohn nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Spätestens mit dem Ausbruch des Kriegs wurden die Emigranten in England ebenfalls als ‚allien enemys‘ interniert und besonderen Sicherheitsüberprüfungen unterworfen. Auch Ralph musste sich diesem Prozedere unterwerfen. Wann genau er interniert wurde, ist den vorhandenen Dokumenten nicht zu entnehmen. Am 4. Oktober 1939 wurde er allerdings – wie die meisten der als ungefährlich kategorisierten Ausländer – zunächst wieder entlassen.[240] Ob es danach noch einmal eine Verbindung zwischen Vater und Sohn gab, ist nicht bekannt, vermutlich aber eher nicht. Das Entlassungsdatum auf seiner Karteikarte bedeutete nämlich keineswegs die endgültige Freilassung. Am 3. Januar 1940 wurde Ralph erneut interniert und dann im Sommer nach Kanada gebracht. Um die eigenen Behörden und das eigene Sozialsystem zu entlasten, verschiffte die britische Regierung einen Teil der insgesamt 27 000 internierten Deutschen und Österreicher, zumeist geflüchtete Juden oder Widerständler, in ihre Dominions, hauptsächlich nach Kanada und Australien. Nur wenige davon waren zuvor der Kategorie C zugeordnet worden, die tatsächlich als Sicherheitsrisiko galten.[241] Nur drei der vier Schiffe nach Kanada kamen dort auch an, die ‚Arondora’ mit mehr etwa 1150 Passagieren wurde von der deutschen Marine torpediert und sank. Die etwa 350 Überlebenden wurden nach ihrer Rettung weiter nach Australien verschifft und dort festgehalten.
Glücklicherweise war Ralph auf einem der drei anderen Schiffe. Er erreichte Kanada, wo er etwa eineinhalb Jahre bleiben musste. Erst am 30. Juni 1941 kehrte er nach Großbritannien zurück, wo er dann am 14. Juli 1941 endgültig seine Freiheit erhielt.[242] Dort trat er in das Pionier-Korps der britischen Armee ein, um sich am Kampf um die Befreiung seines Heimatlands zu beteiligen. Sein früher begonnenes Jurastudium nahm er nicht wieder auf. Seine Mutter hatte ihm bei seiner Emigration Kontakte zur britischen Pelzindustrie vermittelt, wodurch er als Vertreter für Knöpfe von Pelzmänteln eine langfristig lukrative Beschäftigung fand. Nur nebenbei sei erwähnt, dass auch er sich in seinen Musestunden mit Kompositionen befasste, die zumindest teilweise auch veröffentlicht wurden, wie seine Tochter berichten konnte.

Am 3. September, dem Tag, an dem Frankreich Deutschland den Krieg erklärte, hatten sich auch alle in Paris lebenden Männer feindlicher Staaten, es handelte sich um insgesamt etwa 25 000, in verschiedenen Stadien, wie dem ‚Stadion de France’, die als provisorische Sammellager dienten, aber auch in Gefängnissen, einzufinden.[243] Unter denjenigen, die sich im ‚Stadion de France’ befanden, war nachweislich auch Rolf Baum, vermutlich aber auch sein Bruder und wahrscheinlich auch ihr Onkel Heinz. Ob die drei aber damals noch in Kontakt miteinander standen, weiß man nicht.
Nach einem kurzen Aufenthalt wurden sie in die verschiedenen Lager gebracht, die besonders im Süden Frankreichs in den Jahren zuvor, als die Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkriegs über die Grenze strömten, dort angelegt worden waren. Heinz Lewin kam aber zunächst nach Francillon, südlich von Paris. Es handelte sich um ein primitives Lager, bestehend aus nicht beheizbaren Scheunen, das im November 1939 mit etwa 500 bis 600 seinen Höchststand an Gefangenen erreicht hatte. Wie viele andere hatte auch Heinz Lewin vermutlich die Absicht gehabt, durch seinen Eintritt in die Fremdenlegion, sich einer längeren Internierung zu entziehen. Ihm blieb dieser Weg allerdings versperrt, da er wegen eines Leistenbruchs – möglicherweise aus früheren Jahren -, körperlich als ungeeignet klassifiziert wurde. Dennoch ließ er sich vom Leiter des Camps im Dezember 1939 bestätigen, dass er zumindest die Absicht zum Eintritt gehabt hatte.[244] Unabhängig davon wurde er aber bald, sogar mit der Möglichkeit, nach Paris zurückkehren zu dürfen, zunächst wieder entlassen.

Wann und wo er unter welchen Bedingungen danach erneut festgenommen wurde, ist bisher nicht bekannt. Er kam, vermutlich war es seine letzte Station in Freiheit, von Neuilly, einem Vorort von Paris, in das Lager Septfonds in der Nähe von Toulouse – ebenfalls eine Einrichtung, die ursprünglich für spanische Bürgerkriegsflüchtlinge geschaffen worden war, dann aber nach dem Waffenstillstand 1940 als Lager bzw. Demobilisierungszentrum, für Ausländer genutzt wurde, die sich der französischen Fremdenlegion angeschlossen hatten, darunter wiederum viele Spanier und Juden. Organisatorisch wurden die Juden dann unter dem Vorwand, kulturell homogene Gruppen schaffen zu wollen, sogenannte ‚Groupes homogènes’, in eigenen ‚Groupes palestiniens’ zusammengefasst, die von Anbeginn schlechtere Lebensbedingungen als die meisten anderen hatten. Allerdings waren die realen Begebenheiten in den verschiedenen Lagern für alle Internierte völlig verschieden und weitgehend von den jeweiligen Kommandanten abhängig.

Das Lager in Septfonds scheint darunter eines der besten gewesen zu sein. So heißt es bei Eggers:
„Auch der Kommandant des GTE 302, „groupe palestinien“, in Septfonds (Tarn-et-Garonne) wird nur lobend in den verschiedenen Rapporten der Hilfsorganisationen erwähnt. Er sei ‚gut, gerecht, ein exzellenter Organisator, kurz, ein Chef’. Dank seiner Initiative sei das geistige Leben in diesem GTE von außergewöhnlicher Qualität: es gebe ein Orchester, einen Chor. Volkshochschulkurse mit einer Bibliothek, eine Leihbücherei für die detaches, Archäologie- und Kunstzirkel. Das Orchester und der Chor geben Konzerte in den Dorfkirchen der Gegend. Leider besteht der Kommandant darauf, daß die Einnahmen aus den Konzerten dem Secours National oder der Kriegsgefangenenhilfe zukommen, anstatt für die Arbeiter verwendet zu werden. Und wie überall fehlt es auch hier an Kleidung, besonders Unterwäsche und Schuhen. Um Abhilfe zu schaffen, hat der Kommandant eine Schuhmacherei und eine Schneiderei eingerichtet, wo zumindest das Vorhandene repariert werden kann. Um das Essen zu verbessern, haben die Internierten bewässerte Gemüsegärten und Kartoffelfelder angelegt. Auf Anordnung des Kommandanten wird auf dem angeschlagenen Menü das Gewicht der Portionen angezeigt, so daß die andernorts übliche Nahrungsmittelschiebung in Septfonds praktisch ausgeschlossen ist. Dies macht sich bemerkbar, die Internierten sehen weniger unterernährt aus als anderswo. Trotzdem sind bis Juni 1942 unter den 400 Männern 15 Fälle von Hungerödemen aufgetreten.
Im allgemeinen stehen im Frühjahr und Sommer 1942 engagierte Kommandanten an der Spitze der GTE, die Verständnis für ihre Arbeiter haben und versuchen, im Rahmen der Grenzen, die ihnen gesetzt sind, deren Lage zu verbessern.“[
245]

Der Chor und das Orchester waren selbstverständlich die Einrichtungen, in denen sich Heinz Lewin engagierte, in denen er eine führende Rolle einnahm. Mit neuen eigenen Kompositionen und als Leiter von Chor und Orchester schrieb er sich in die traurige Geschichte dieses Lagers ein.[246] Ein wunderbares Foto – vermutlich bei einer Probe im Freien aufgenommen – ist erhalten geblieben: Heinz am Klavier, mit einer Hand auf den Tasten, mit der anderen die Sänger und Instrumentalisten dirigierend. Schaut man in Gesichter der Männer, dann mag man nicht glauben, dass es sich um ein Bild aus einem Internierungslager handelt, so viel Freude und Engagement strahlen sie aus. Es ist nichts mehr zu spüren von der Verzweiflung, unter der Heinz Lewin im März 1939 in Paris – noch in Freiheit – so sehr gelitten hatte. Trotz aller Not und Bedrängnis, hier war er in seinem Element: in der Musik.
Vergleicht man seinen Marche, den die Männer auf ihrem Weg zur Arbeit sangen, etwa mit dem bekannten Lied „Die Moorsoldaten“, das die Gefangenen des Lagers Börgermoor auf ihrem Gang begleitete, dann ist trotz des ähnlichen Textes, der Unterschied unüberhörbar. Die eine Melodie, schwer und langsam, die Last des Weges ist im Takt und der Melodieführung spürbar, die andere von Lewin dagegen leicht, aufmunternd und fast zum Tanz auffordernd.[247]
Es war der französische Captaine Prevot, der den Gefangenen nicht nur die Erlaubnis zu solchen Aktivitäten gab, sondern sie darin sogar bestärkte, ihnen sogar die Möglichkeit verschaffte, öffentliche Konzerte in der Umgebung des Lagers zu veranstalten. Der Captaine hat sogar alles gesammelt, was an Kunst in seinem Lager entstand, ob musikalische Werke oder bildende Kunst. Einer der dort internierten bildenden Künstler war Johan Roempler, der seine Gemälde und Zeichnungen auch mit ‚Jever’ unterzeichnete. Von ihm stammen wunderschöne Karikaturen, fast Comics, mit denen er das Leben im Lager festhielt und auch die musikalische Arbeit seines Mitgefangenen Heinz Lewin dokumentierte. Heute liegen diese Schätze genauso im Archiv des Lagers, wie die Notenblätter der Kompositionen, die Heinz Lewin dort geschaffen hatte; zum Teil sind die Noten sogar auf den Rückseiten der Zeichnungen notiert. Bei einem Besuch seiner Enkelin Yvonne Mocatta in Septfonds entdeckte sie Musik ihres Großvaters, von der sie noch nie etwas gewusst, geschweige denn gehört hatte, darunter der ‚Marche’ und der ‚Rumba d’Amour’

Aber auch Captaine Prevot konnte nicht verhindern, dass seine jüdische „Künstlerbrigade“ irgendwann das Schicksal fast aller internierten Juden ereilte. Zwei Tage konnte er noch für sie herausschlagen, um ein letztes Abschiedskonzert zu geben.
Am 24. August 1942 wurden die ersten 84 Juden aus Septfonds in das Sammellager nach Drancy verbracht, weiter Transporte folgten am 26. und 27., dann wieder am 1., 3. und 9. September. Hans Lewin war einer von denjenigen, die im Zug vom 3. September saßen. In Drancy gab es nur einen kurzen Zwischenstopp, um den endgültigen Transport zusammenzustellen. Am 9. September brachte ein Transport etwa 1000 Juden nach Auschwitz, darunter knapp 200 aus Septfonds. Ob Heinz Lewin noch Tage, vielleicht Wochen oder sogar Monate Lebenszeit im Todeslager blieben oder ob er sofort nach Ankunft in die Gaskammer getrieben wurde, ist nicht bekannt.

Gedenkstätte für die jüdischen Gefangenen in Septfonds
Foto: V. Couchman
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9f/Septfonds_-_Camp_de_Judes_Memorial.jpg/960px-Septfonds_-_Camp_de_Judes_Memorial.jpg?20231203171400

Zum achtzigsten Jahrestag der Befreiung von Auschwitz organisierte die Familie in London eine Gedenkveranstaltung auch für Heinz Lewin, bei der seine Musik, manche Stücke zum ersten Mal, vorgetragen wurde. Seinem Großenkel Rabbi Lawrence gelang es in einer berührenden Rede an das Leben und Wirken seines Urgroßvaters zu erinnern. Er schloss mit den Worten: „Heinz lives on today with you, our survivers. And Heinz Lewin lives on today, here in this room in front of his grand-daughter, his great grandson and great-great grandchildren; a great-grandson and great-granddaughter in Australia, a great grand-daughter and in Israel and even great-great-great grandchildren who will never let him be lost or forgotten. Truly, a celebration of liberation from generation to generation. His creativity and dreams were extinguished by the Nazis. But here today they find new life and Heinz Lewin finds new life before a new audience, beyond anything, beyond family he might ever have imagined. May his memory be an inspiration and a blessing.”[248]

Die Stadt Wiesbaden hatte die Chance, ihren Teil zur Erinnerung an Heinz Lewin, einen Sohn ihrer Stadt, beizutragen. Sie hat diese Chance vertan, man muss sagen, schändlich vertan.
Als vor einigen Jahren die Diskussion um den Namen einer Straße in einem der Wiesbadener Villenviertel losbrach, die mit dem Namen des Komponisten, Nazi-Verehrers und Antisemiten Pfitzner „geehrt“ wurde, entstand eine Initiative, die den Vorschlag machte, Heinz Lewin als würdigen Namenspate zu wählen.[249] Es ergab sich eine breite öffentliche Debatte, in der zumindest der Name des inzwischen weitgehend vergessenen Komponisten wieder in Erinnerung gerufen wurde. Der Ortsbeirat, in dem die Straße lag, lehnte eine Umbenennung mit den üblichen Argumenten – zu großer Verwaltungsaufwand für Stadt und Bewohner der Straße – mit seiner Mehrheit von CDU und FDP ab. Es sollte bei der Ehrung eines unbelehrbaren Nazis bleiben.

Brahmsstraße statt Heinz Lewin Straße
Eigene Aufnahme (vergrößertes Erläuterungsschild)

Aber die Diskussion ließ sich trotz des Votums nicht mehr einfangen. Mit Fanny Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn, wurde dann noch ein Kompromiss ins Spiel gebracht, der zudem noch den Vorteil hatte, dass damit auch eine jüdische Frau – Frauen sind als Namenspaten sicher nicht nur in Wiesbaden völlig unterrepräsentiert – geehrt worden wäre.[250] Stattdessen entschieden sich der Ortsbeirat und dann auch die Stadt im April 2021 für Johannes Brahms als Namensgeber,[251] weder Jude noch Frau und schon gar nicht beides: Der ideale Name für eine Stadt, die sich mit ihrer jüngeren Vergangenheit schon immer schwergetan hat.[252] Und auch der Name von Heinz Lewin verschwand wieder aus der öffentlichen Diskussion, bis ihn Carol Falling mit ihrer im Rahmen des Projekts ‚Stadtteilhistoriker’ erstellten wunderbaren Videodokumentation wieder dem Vergessen entrisst. Vielleicht wären jetzt nach dieser Veröffentlichung die Chancen, ihn wenigstens mit einem Straßenschild zu ehren, etwas größer als seinerzeit. Immerhin liegt vor dem Haus am Luisenplatz 2, in dem er einmal mit seiner damaligen und später ebenfalls ermordeten Frau Jenny wohnte, seit dem 28. Juni 2019 für ihn – und nur für ihn ! – ein Stolperstein. Allerdings liegt der eigentlich nicht an der richtigen Stelle, denn zuletzt, vor seinem Umzug nach Berlin, wohnte er in Wiesbaden in seiner Villa in der Parkstr. 68. Das war hier seine letzte frei gewählte Unterkunft, aber anders als die Parkstraße ist der Luisenplatz im Zentrum der Stadt gelegen und das kleine Memorial kann dort eher wahrgenommen werden. Dass aber nicht an seine Frau erinnert wird, ist nicht zu verstehen, noch weniger, dass ihr Name auch auf dem Namensband der Gedenkstätte am Michelsberg fehlt.

Heinz Lewin
Der Name von Heins Lewin auf dem Namensband der Gedenkstätte am MIchelsberg
Eigene Aufnahme

 

 

 

 

Das Schicksal des Judenhauses Rheingauer Str. 5 selbst

So wie das Leben seines Eigentümers unter den Nazis vernichtet wurde, so wurde auch sein Haus, das er nie selbst bewohnte, als Folge des Krieges, den Hitler in seinem Wahn angezettelt hatte, zerstört. In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945 wurde die Stadt vom schlimmsten Angriff der Royal Airforce während des gesamten Krieges heimgesucht.[253] Wegen schlechter Wetterverhältnisse war ein zielgenauer Abwurf der aus Spreng- und Brandbomben bestehenden Bombenlast auf Industriegebiete nicht möglich, sodass es zu einer Streuung des Bombardements über das ganze Stadtgebiet kam. Das Jagdschloss Platte weit außerhalb wurde genauso getroffen, wie das Kurviertel und die Wellritzstraße. Ein Volltreffer erhielt auch das Haus in der Rheingauer Str. 5, das in Schutt und Asche fiel. Nur vom Hinterhaus blieben Teile als Ruine stehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Haus seine ehemalige Funktion als Judenhaus längst verloren. Längst war nicht nur der Eigentümer, sondern auch die jüdischen Bewohner deportiert und ermordet worden.

Am 28. Oktober 1943, also etwa ein Jahr nach dem Tod von Heinz Lewin, beantragte das Finanzamt Wiesbaden mit Verweis auf seine am 30. Juni 1936 erfolgten Abmeldung aus Berlin und Deutschland den „Vermögensverfall“, wie der Raub jüdischer Vermögen im damaligen Amtsdeutsch genannt wurde.[254] Es dauerte ein halbes Jahr bis der Antrag positiv beschieden wurde. Das mit der Verwaltung deutscher Auslandsvermögen zuständige Finanzamt in Berlin Moabit war offenbar mit der Vielzahl solcher Anträge überfordert. Erst am 3. März 1944 wurde das Finanzamt Wiesbaden vom Oberfinanzpräsidenten Berlin – Brandenburg mit der Verwaltung und Verwertung der Rheingau-Str. 5 beauftragt.[255] Das Finanzamt wurde aufgefordert festzustellen, welchen Wert das Hausrundstück damals – noch unzerstört  – hatte und welche Verbindlichkeiten noch auf ihm lasteten. Auch sollte geklärt werden, ob es für „reichseigene Zwecke“ genutzt werden könne, etwa zur Unterbringung von Behörden oder auch als Dienstwohnungen für Beamte. Falls eine solche Nutzung nicht in Frage käme, könnte auch ein Verkauf der Immobilie in Betracht gezogen werden. Dem Oberfinanzpräsidenten seien dann die entsprechenden vertraglichen Abmachungen mitzuteilen.[256] Ob solche Verhandlungen damals noch geführt wurden, ist nicht bekannt, aber in jedem Fall kam ein solcher Verkauf nicht mehr zustande. Abrechnungen des vom Finanzamt eingesetzten Hausverwalters sind ebenfalls nicht erhalten geblieben.
Erst aus der Zeit nach dem Ende des Krieges liegen wieder Dokumente vor. Die amerikanische Militärregierung hatte Ernst Oberländer zum neuen Verwalter der zerstörten Immobilie eingesetzt. Überschüsse hatte der bisherige Verwalter Haase dem Finanzamt zumindest zuletzt nicht mehr überwiesen, da nach dessen Ansicht die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt waren.
Das war tatsächlich der Fall, denn obwohl der „Vermögensverfall“ nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz eingetreten war, hatte keine Übertragung des Grundstücks im Grundbuch mehr stattgefunden.[257] Die Ruine und der Boden, auf dem sie stand, waren somit noch immer Eigentum von Heinz Lewin bzw. seines einzigen Erben Ralph Lewin. Da zu diesem Zeitpunkt der ehemalige Eigentümer tot und der Erbe noch nicht ermittelt war bzw. kein Erbschein vorlag, trat 1951 die IRSO, die ‚Jewish Restitution Successor Organization’, an deren Stelle und forderte die Rückerstattung der Immobilie.[258]
Am 20. Mai 1952 wurde die Forderung dann von Ralph Lewin, der sich inzwischen gemeldet hatte, selbst gestellt.[259] Laut dem Schreiben seines Anwalts vom 13. Januar 1953 schlug dieser einen Vergleich dergestalt vor, dass er auf eine förmliche Rückerstattung unter der Bedingung verzichtet, dass ihm der Kriegsschaden am Haus erstattet würde und er nicht für die Kosten des Vergleichs aufkommen müsste. Er habe in London genug damit zu tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und könne sich deshalb nicht um die Ruine kümmern.[260] Das Amt für Vermögenskontrolle war damit im Prinzip einverstanden, beharrte aber aus formalrechtlichen Gründen auf einer Rückerstattung.[261]

Das als Verzichtserklärung interpretierte Schreiben des Anwalts an das Amt für Vermögenskontrolle
HHStAW 460 F 6451

Dies wurde aber von Ralph Lewin und seinem Anwalt mit der folgenden Begründung abgelehnt:
Das Grundstück ist voellig zerbombt, die Hypotheken zur Hypothekenumstellungsschuld erschoepfen den Wert des Grundstuecks, obwohl schon eine entsprechende Herabsetzung dieser Schuld auf Grund des Soforthilfegesetzes erfolgt ist. Solange nicht das Grundstück, das keine Nutzungen bringt, verwertet werden kann, würde es lediglich eine Belastung darstellen. Mittel zur Zahlung der Verwaltungskosten, Hypotheken und Steuern stehen nicht zur Verfuegung. Auch bei einem Verkaufe, der bei gebombten Grundstücken bekanntlich schwierig ist, kann leicht ein Defizit entstehen. Das Grundstück ist in der Tat nach der 11ten Durchführungsverordnung dem Deutschen Reich verfallen, und es ist wirtschaftlich entschieden das Gesündeste, dass es in den Händen des Fiskus bleibt.“[262]
Die Oberfinanzdirektion ließ sich auf einen Vergleich nicht ein, da Kriegsschädensansprüche unbedingt an den Eigentümer des Grundstücks gebunden seien, die förmliche Rückerstattung somit Voraussetzung für eventuelle Zahlungen seien.[263]

„Die Rückerstattung hat sich durch Rücknahme erledigt“ !
HHStAW VH 2182-184

Statt einen Vergleich zu suchen, wurde die Frage vom Oberfinanzpräsidenten direkt an die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht verwiesen, was der Anwalt von Ralph Lewin vergeblich zu verhindern suchte: „Mein Mandant ist nicht in der Lage, Gebühren für eine weitere Wahrnehmung seiner Rechte aufzuwenden und nimmt daher, nachdem ein Vergleich leider nicht zustande gekommen ist, von der weiteren Verfolgung dieser Ansprüche Abstand.“[264] Der Verzicht ist datiert mit dem 8. Februar 1954. Am 25. März desselben Jahres wurde dem Amt für Vermögenskontrolle mitgeteilt: „Die Rückerstattungssache hat sich durch Rücknahme erledigt.“[265]
Allerdings forderte der Anwalt dann am 27. Januar 1955 doch wieder die Rückerstattung, was dann zu einem Prozess führte, den Ralph Lewin und sein Anwalt am 15. April 1955 mit dem Hinweis auf den früheren Verzicht verloren. Obendrein wurden dem Erben wegen der Niederlage auch noch Verfahrenskosten auferlegt.[266]

Noch vor Beendigung dieses Verfahrens war das Grundstück vom Treuhänder verkauft worden. Am 31. August 1955 erwarb es der in New York lebende Anwalt Paul Weiden für 27.624 DM, nachdem am 25. März 1954 der Sperrvermerk durch die Vermögenskontrolle aufgehoben worden war. Der Käufer übernahm die darauf lastenden Hypotheken in Höhe von 17.500 DM, die noch fälligen Zinsen von 4.500 DM und Steuern von etwa 1.500 DM. Der Rest – etwa 4.000 DM – wurde an den Treuhänder ausgezahlt.[267] Wer diesen Rest letztlich erhielt, ist nicht bekannt.

Zwei Jahre später wurde das Grundstück zunächst an eine Firma ‚Mineral-Mahlerei GmbH.’ verkauft, dann, im Juli 1957, erwarb das Gelände die ‚Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Wiesbaden’, die auf dem bisherigen Trümmergrundstück neue Wohneinheiten zur Vermietung errichtete.[268]

 

Veröffentlicht: 18. 05. 2025

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] Wichtige Informationen und Bildmaterial zum Schicksal von Heinz Lewin und seiner Familie verdankt der Autor der in London lebenden Enkelin von Heinz Lewin, Yvonne Mocatta, die alle Fragen zu seinem Leben und Schicksal bereitwillig beantwortete, sogar weitere Familienmitglieder, verstreut in der ganzen Welt, zusätzlich befragt hat. Ihr Sohn Rabbi Lawrence hat ein Video über seinen Urgroßvater erstellt, der in Youtube unter https://www.youtube.com/watch?v=pOt60FkIYfk zu sehen ist. Unbedingt sehenswert ist auch die von Carol Falling im Rahmen des Wiesbadener Projekts ‚Stadtteilhistoriker‘ erstellte Dokumentation, die in drei Teilen ebenfalls in Youtube eingestellt ist, siehe https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA, https://www.youtube.com/watch?v=KSsvHqN6HQ4&t=938s und https://www.youtube.com/watch?v=KkqLYQ5UgKE&t=38s. Auch das Aktive Museum Spiegelgasse Wiesbaden hat für ihn ein Erinnerungsblatt herausgegeben, das unter https://www.am-spiegelgasse.de/offline/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Lewin-Heinz.pdf zu finden ist. Für alle Links (Zugriff: 5.5.2025).

Wegen der hohen Kosten für legale Kopien der vielen Plakate und Fotos konnten diese nur zum geringsten Teil in dieser Dokumentation aufgenommen werden. Viele sind aber in den genannten Videos zu sehen, weshalb deren Rezeption dringend empfohlen wird. Wenn im Folgenden auf solche Bilder Bezug genommen wird, ist ein Verweis auf das entsprechende Video eingefügt.
Angesichts der vielen Namen im folgenden Text macht es Sinn, den folgenden Stammbaum der Familie mit der rechten Maustaste in einem eigenen Tab zu öffnen, damit man bei der Lektüre immer auf ihn zugreifen kann.

[2] Nach Post, Ostjüdische Flüchtlinge, S. 231, hatte 1925 ein Drittel der damals in Wiesbaden lebenden Juden osteuropäische Wurzeln.

[3] So ist z.B. in der Heiratsurkunde der Geburtsort von Heinz’ Schwester Sophie mit Oszmiany angegeben, siehe Heiratsregister Wiesbaden 418 / 1906, der Geburtsort des Vaters Moses in seinem Sterbeeintrag dann mit Oschmjana, siehe Sterberegister Wiesbaden 1532 / 1938. Die Schwester der Mutter soll dagegen in Osimiajn geboren sein. Es handelt sich aber immer um den gleichen Ort. Aber nicht nur die Ortsnamen, sondern auch die Personennamen unterschieden sich in ihrer Schreibweise in den Dokumenten sehr häufig.

[4] Weil die polnische Zeit die hier relevante Phase ist, wird im Weiteren der polnische Name verwendet.

[5] Löwe, Antisemitismus in der Zarenzeit, S. 186.

[6] Siehe dazu die Beschreibung von Joseph Roth, Juden auf Wanderschaft, besonders S. 47 ff.

[7] Sterberegister Berlin 253 / 1902. Das Geburtsdatum ist mit Bleistift auf der Sterbeurkunde als Beischrift notiert. Laut Sterbeurkunde waren seine Eltern Abel Wolf – ebenfalls Cigarrenfabrikant ! – und Sarah Becker.

[8] Sterberegister Berlin 1196 / 1911. Ein nicht wirklich zu klärendes Rätsel besteht darin, dass in dem Sterbeeintrag von Isaak Lewin seine Witwe mit dem Namen Rebekka Eysick angegeben ist. Aus den verschiedenen Geburtsanzeigen der gemeinsamen Kinder und dem hier zitierten Sterbeeintrag steht aber außer Frage, dass Riwe Pessia seine Frau war. Es kann auch nicht sein, dass Rebekka seine zweite Frau war, denn Riwe Pessia hat ihren Ehemann überlebt. Wenn man nicht von einem Fehler der Behörden ausgehen will, dann muss mit den unterschiedlichen Namen die identische Person gemeint sein. Allerdings gibt es noch eine weitere Unklarheit. Im Sterbeeintrag seiner Frau Riwe Pessia ist der Name ihres Vaters mit Isaak Lewin angegeben. Auf dem Grabstein heißt es dagegen, dass Riwe Pessia eine geborene Gottfried gewesen sei.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung, die Edith Rosenthal in ihrem Interview gemacht hat – siehe Anm. 15. Sie sagt darin, dass ihre Vorfahren nicht schon immer den Namen Lewin trugen. Es scheint mit Hilfe der Rabbiner im früheren Russland nicht allzu schwierig gewesen zu sein, den Namen zu ändern.

[9] Heiratsregister Berlin 11 /1891.

[10] Das Geburtsdatum ist auf seinem Sterbeeintrag mit Bleistift notiert, siehe Sterberegister Berlin 1875 / 1914.

[11] Sterberegister Berlin 1196 / 1911.

[12] Heiratsregister Berlin 11 / 1891. Das Geburtsjahr von Slata ist im Heiratseintrag mit 1866 angegeben, ihre Tochter hat in der ‚Page of Testimony’ für ihre Mutter dagegen das Geburtsjahr 1868 angegeben. Das wurde auch in Yad Vashem und auch im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz übernommen. Desgleichen hat es die Stolpersteingruppe in Berlin angegeben, siehe https://www.stolpersteine-berlin.de/de/sybelstr/39/wolf-lewin. (Zugriff: 5.5.2025). Welche Angabe richtig ist, konnte nicht geklärt werden. Hier wurde das Jahr genommen, das in dem einzig bekannten amtlichen Dokument, dem Heiratseintrag, angegeben ist, also 1866.

[13] Geburtsregister Berlin 428 / 1892.

[14] Geburtsregister Berlin 1414 / 1893.

[15] https://vha-1usc-1edu-1vd5a2vg0042f.proxy.fid-lizenzen.de/testimony/48158?from=search&seg=66&mm=fin. (Zugriff: 5.5.2025). Das Interview kann nur mit einer besonderen Lizenz gehört werden. Die folgenden Ausführungen beruhen auf diesem Interview.

[16] Sterberegister Berlin 1875 / 1914.

[17] https://www.holocaust.cz/de/transport/373-i89-berlin-theresienstadt/. (Zugriff: 5.5.2025).

[18] https://www.mappingthelives.org/bio/701995fa-72aa-483c-af6e-102178f8308c?restrict_to_map_bounds=false&coordinates_show_all=false&forename=Taube&surname=Lewin&res_single_fd=false&birth_single_fd=false&death_single_fd=false&deportation_single_fd=false&emigration_single_fd=false&expulsion_single_fd=false&imprisonment_single_fd=false&lat=50.3061856&lon=12.3007083&zoom=6&map_agg=residence&language=de und https://ca.jewishmuseum.cz/media/zmarch/images/4/6/7/2380_ca_object_representations_media_46734_large.jpg. (Zugriff: 5.5.2025).

[19] https://assets.yadvashem.org/image/upload/t_f_image/f_auto/v1/remote_media/arch1_yadvashem/04081004_278_6955/125.jpg?_a=BAKAACDY0. (Zugriff: 5.5.2025).

[20] Geburtsregister Berlin 190 / 1897.

[21] Geburtsregister Berlin 589 / 1899.

[22] Geburtsregister Berlin 1975 / 1900

[23] https://www.mappingthelives.org/bio/af49ebcf-b69d-41ae-8d5e-bdb49bfc9f17?restrict_to_map_bounds=false&coordinates_show_all=false&forename=Nicolai&surname=Lewin&res_single_fd=false&birth_single_fd=false&death_single_fd=false&deportation_single_fd=false&emigration_single_fd=false&expulsion_single_fd=false&imprisonment_single_fd=false&lat=50.3061856&lon=12.3007083&zoom=6&map_agg=residence&language=de. (Zugriff: 5.5.2025).

[24] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020101/0023/1709394/001.jpg. (Zugriff: 5.5.2025).

[25] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/Ous_partitions/29/@Maint/ab/ft/sp/001.jpg. (Zugriff: 5.5.2025).

[26] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/Ous_partitions/29/@Maint/ab/fi/yy/001.jpg. (Zugriff: 5.5.2025).

[27] Siehe zu dem Transport Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 255 f.

[28] https://www.ancestry.de/search/collections/2997/records/145798046?tid=&pid=&queryId=75ce4407-efdd-4b6b-9b52-162e410d4630&_phsrc=svo6750&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025).

[29] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/search/collections/2997/records/145798046?tid=&pid=&queryId=75ce4407-efdd-4b6b-9b52-162e410d4630&_phsrc=svo6750&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025). Näheres siehe unten.

[30] https://www.ancestry.de/search/collections/2997/records/145798241?tid=&pid=&queryId=ba873072-fe5b-448b-bbb0-3270f2a3f540&_phsrc=svo6751&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025).

[31] https://www.ancestry.de/search/collections/60579/records/929669. (Zugriff: 5.5.2025).

[32] https://www.geni.com/family-tree/index/2157103. (Zugriff: 5.5.2025). In Australien wurde der Name Lewisohn in Lewison anglisiert.

[33] HHStAW 685 476b (95).

[34] HHStAW 518 80452 (23).

[35] Sterberegister Wiesbaden 627 / 1937.

[36] Das Heiratsdatum ist in seinem Sterbeeintrag Sterberegister Wiesbaden 1532 / 1938 vermerkt.

[37] Heiratsregister Wiesbaden 418 / 1906.

[38] Geburtsregister Wiesbaden 348 / 1888.

[39] Ein Moses Lewin ist in den Berliner Adressbüchern in den davor liegenden Jahren nicht zu finden, weshalb man annehmen kann, dass das Paar sich dort zumindest nicht länger aufgehalten hat.

[40] Information Y. Mocatta.

[41] Sie hatte sowohl in der Langgasse 39 als auch in der Webergasse 18 eine Niederlassung. Die Firma existierte auch bis in die Mitte der 90er Jahre.

[42] Siehe Müller-Dannhausen, Keiles, S.13.

[43] HHStAW 518 80452 (36).

[44] Ebd. (36). Der Name seiner Mutter ist in der Urkunde nicht angegeben.

[45] Sterberegister Wiesbaden 101 / 1922.

[46] In den Berliner Adressbüchern der 90er Jahre sind ein G. und ein W. Wittenberg als „Cigarrenfabrikanten“ eingetragen.

[47] Geburtsregister Berlin IX 1641 / 1893 und Geburtsregister Berlin VI 182 / 1895.

[48] Geburtsregister Wiesbaden 1432 / 1899.

[49] Siehe Wiesbadener Adressbuch 1899/90. Vermutlich wurden besondere Tabake angeboten, die in den speziellen Raucherzeugern von Imkern benutzt wurden, um die Bienen abzuwehren.

[50] Laut einer Zeugin im Entschädigungsverfahren gehörte das Haus seit 1920 Wittenbergs, im Adressbuch von 1918 wird die Firma aber bereits als Eigentümer der Immobilie aufgeführt. Das Gebäude existiert heute nicht mehr. Das Grundstück ist heute Teil des Rhein-Main-Congress-Centers Geländes.

[51] Heiratsregister Wiesbaden 51 / 1913.

[52] HHStAW 518 80305 (101). Der Name der Firma ist von den damaligen Zeugen fälschlicherweise mit ‚Frauenfilm GmbH.’ angegeben. Ob sie tatsächlich bis in die 30er Jahre bestand, wie die Zeugen aussagten, muss bezweifelt werde, zumindest wird das durch die Wiesbadener Adressbücher nicht bestätigt.

[53] Ebd. (119).

[54] Ebd. (83, 84).

[55] Ebd. (18, 34, 100).

[56] Ebd. (10).

[57] Geburtsregister Wiesbaden 1418 / 1913.

[58] Sterberegister Wiesbaden 1252 / 1925. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof Schöne Aussicht begraben.

[59] In den Adressbüchern ist Sarah Wittenberg mehrfach mit dem Vornamen Sophie eingetragen. Ob es sich dabei um einen Fehler handelt oder ob sie diesen Vornamen genutzt hat, um antisemitischen Vorurteilen zu begegnen, ist nicht klar.

[60] Er war dort vom 21.5.1917 bis zum 30.4.1922 eingeschrieben, siehe HHStAW 518 80305 (91).

[61] Ebd. (106-110). Der hinlänglich für die Entschädigungsverfahren bekannte und unsägliche Gutachter Blum hatte zwar eine Beteiligung bezweifelt, sie wurde aber von der Entschädigungsbehörde dennoch anerkannt. Auch behauptete Blum völlig ohne Angabe von Unterlagen, Nicolai Wittenberg habe ein „bescheidenes Einkommen“ von vielleicht 100 RM im Monat gehabt. Ebd. (100). Bezeichnend für seine Einstellung gegenüber den Verfolgten ist der Schlusssatz des 1960 (!) in miserablem Deutsch verfassten Gutachtens: „Die Familie Waintraub und auch Wittenberg haben nach 1933 Wiesbaden verlassen und sei der Angefragte im Jahre 1938 nach Lodz verzogen.“

[62] HHStAW 518 80305 (11 f.).

[63] Heiratsregister Wiesbaden 133 / 1919. Walther Lomnitz war der Sohn von Siegfried und Betty Lomnitz. In den Steuerakten von Walther Lomnitz ist ein Schreiben von Isaak Wittenberg, dem Vater von Natalie, enthalten, aus dem hervorgeht, dass seine Tochter 1917 sich mit Rudolf Jakob Lewin, dem Sohn von Isaak und Riwe Pessia Lewin, verlobt hatte. Dieser wurde dann laut Vertrag vom 23.11.1917 als offizieller Teilhaber anstelle seiner Braut, die bisher Gesellschafterin war, in die Firma aufgenommen. Natalie brachte 70.000 RM, Rudolf Lewin weitere 130.000 RM, also zusammen 200.000 RM in die Firma ein. Es heißt dann weiter, dass die Firma 1918 liquidiert und die Tochter entsprechend ihrer Teilhaberschaft abgefunden worden sei. Dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, ob – was zu vermuten ist – die Eheschließung nicht zustande kam und die Firma deswegen liquidiert wurde. Auch ist nicht klar, welche Firma liquidiert wurde, denn die Firma ‚Wittenberg & Co.’ existierte bis 1937. Siehe zu dem Vorgang HHStAW 685 513a (13).

[64] Im Jüdischen Adressbuch von 1935 ist die ganze Familie mit dieser Adresse notiert. Abgesehen von Sydney Lomnitz, dem Bruder von Walther, der in Auschwitz ermordet wurde, konnte die übrige Familie, seine Schwester Wally, sein Bruder Günther und seine Eltern, in die USA auswandern.

[65] Geburtsregister Wiesbaden 1575 / 1922 und 972 / 1929.

[66] Sterberegister Wiesbaden 627 / 1937.

[67] https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/d2-b-03-14-taborissky-georg. (Zugriff: 5.5.2025).

[68] Deutsches Reichs-Adressbuch, Sonderband 8, Baden Elsass-Lothringen, Hohenzollern, Württemberg 1908, S. 106.

[69] Sterberegister Wiesbaden 1532 / 1938.

[70] https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/11215762?s=Gerhard%20Lewisohn&t=2575414&p=0. (Zugriff: 5.5.2025).

[71] Gerhard Lewison, der seinen Vornamen in Gerald änderte, war seit 1947 mit Ella Lasky verheiratet. https://www.ancestry.de/search/collections/61649/records/1085998. (Zugriff: 5.5.2025). Er verstarb am 1.5.2008 in Forest Hill, Victoria. Siehe https://www.findagrave.com/memorial/244440655/gerald-lewison. (Zugriff: 5.5.2025).

[72] Heiratsregister Wiesbaden 418 / 1906. Seine Eltern waren der Kaufmann Isaak Baum und seine Frau Emma, geborene Cohn, die beide in Dortmund lebten. Max Baum wohnte damals in der Dotzheimer Str. 39 in Wiesbaden.

[73] Geburtsregister Wiesbaden 1486 / 1907 und Datenbank Jüdische Bürger Wiesbadens des Stadtarchivs Wiesbaden.

[74] Heiratsregister Berlin Charlottenburg 1303 / 1926.

[75] Heiratsregister Wiesbaden 418 / 1906.

[76] Sterberegister Berlin Wilmersdorf 408 / 1983.Am 20.12.1930 hatte er zunächst in Berlin Irmgard Else Lucie Oeser geheiratet. Diese Ehe wurde schon nach einem Jahr am 20.12.1931 wieder geschieden, siehe Heiratsregister Berlin Wilmersdorf 1298 / 1930. Am 28.6.1939 heiratete er in New York die Dänin Eda Anna Müller / Miller, siehe https://www.ancestry.de/search/collections/61788/records/90253858. (Zugriff: 5.5.2025).

[77] Berliner Zeitung vom 21.7.1921, zit. nach C. Falling https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA. (Zugriff: 5.5.2025).

[78] Siehe dazu Schivelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft,  S. 108-158, besonders S. 122-142. Zu den vielen Plakaten und Werbeträgern siehe C. Falling https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA. (Zugriff: 5.5.2025).

[79] Zu Ludwig, Hohlwein siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Hohlwein. (Zugriff: 5.5.2025). Dort ist auch weiterführende Literatur zu finden. Diverse Plakate unter https://www.kunstkopie.de/a/ludwig-hohlwein.html. (Zugriff: 5.5.2025).

[80] siehe C. Falling https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA. (Zugriff: 5.5.2025).

[81] Im Grundbuch wurde es am 27.12.1906 eingetragen, siehe Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 275 Bl. 4094 Innen.

[82] Im zweiten Stock des Hauses hatte der bekannte jüdische Rechtsanwalt Moritz Marxheimer sein Notariat.

[83] https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA&t=41s. (Zugriff: 5.5.2025). Ein Ausschnitt daraus ist in dieser Dokumentation von C. Falling zu hören. Auf einen Artikel in den Salzburger Nachrichten vom 11.10.1913, in dem dieser Beschluss der ‚Genossenschaft deutscher Tanzlehrer’ publiziert wurde, hat mich freundlicherweise ebenfalls C. Falling aufmerksam gemacht.

[84] https://www.youtube.com/watch?v=Gy2xl6ZdlCI. (Zugriff: 5.5.2025). Georg Taborissky war der Ehemann von Chajas Schwester Gnessja.

[85] Mail Y. Mocatta vom 2.5.2025.

[86] hthttps://www.ancestry.de/search/collections/8913/records/29129605 und https://www.ancestry.de/search/collections/8913/records/17725785. (Zugriff: 5.5.2025).

[87] Sterberegister Berlin Zehlendorf 435 / 1929. Der frühere russische Wohnort ist mit Trabig angegeben, konnte aber nicht gefunden werden. Möglicherweise ist aber auch Trab gemeint, wo andere Mitglieder dr Familie Lewin herkamen, z.B. Wolf Lewin.

[88] https://www.ancestry.de/search/collections/7579/records/2301226. (Zugriff: 5.5.2025).

[89] Die zeitliche Angabe stammt von Yvonne Mocatta, der Enkelin von Heinz Lewin.

[90] So die Enkelin von Heinz Lewin in der Dokumentation von C. Falling https://www.youtube.com/watch?v=394bqGBYgDA. (Zugriff: 5.5.2025). Nach ihren Angaben besaß sie vermutlich nach dem Tod der Eltern zusammen mit einem Grigor Tarschis ein eigenes Geschäft, das aber schon 1935 von einem Lehrling demoliert wurde und 1938 ganz geschlossen werden musste.

[91] HHStAW 685 476b (132.

[92] HHStAW 685 476a (3).

[93] HHStAW 685 476a (5 f.).

[94] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 245 Bl. 3671 Innen (191).

[95] Ebd. (12).

[96] HHStAW 685 475. Mal begründete er die Verzögerung mit der Erkrankung des Personals, ebd. (4), mal mit einem eigenen Autounfall, ebd. (8).

[97] Möglicherweise ist in diesem Betrag auch eine Kreditaufnahme enthalten, die für den Kauf des Hauses Eltviller Str. 8, als deren Eigentümer Moses Lewin im ersten Nachkriegsadressbuch von 1920 erstmals erscheint.

[98] HHStAW 685 475 (35).

[99] Ebd. (25)

[100] Ebd. (49, auch in einer Buchprüfung im Jahr 1924 wird die zeitweise Stilllegung des Betriebs erwähnt, siehe HHStAW 685 476a (36).

[101] Ebd. (50). Der Vertrag war noch im Dezember 1923 geschlossen worden, der Eintrag ins Grundbuch erfolgte am 22. 2.1924.

[102] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 24 Bl. 3671 Innen (72 ff.).

[103] Ebd. 5.100 GM konnten bar bezahlt werden, der Rest von 22.100 GM wurde über eine Hypothek finanziert. Georg Sternberge war von Heinz Lewin am 21.7.1921 umfassende Prokura für alle möglichen Rechtsgeschäfte erteilt worden.

[104] HHStAW 685 476a.(31 f.) Diese Wertanpassung hatten die Finanzbehörden eingeführt, um den Immobilienbesitzern nach der Währungsreform die Zahlung der andernfalls unbezahlbaren Steuern zu ermöglichen.

[105] HHStAW 685 475 (13). Ein Fehler ist aber wohl in dem Formular gemacht worden, denn danach hätte die Grundbucheintragung 4 Monate vor dem Vertragsabschluss am 19.8.1924 erfolgt sein sollen.

[106] HHStAW 685 476a (31).

[107] HHStAW 685 476b (56).

[108] HHStAW 476b. (80 f.). Am 27.8.1928 teilte er dem Finanzamt Wiesbaden mit, dass von den rund 20.000 RM Entnahmen aus der Firma mehr als 7.000 RM für seine Tochter aufgewendet habe, ebd. (97, 100).

[109] So schrieb er am 28.9.1928: „Ihr Lungenleiden kann nach Ansicht der behandelnden Ärzte noch geheilt werden, die Vorbedingung dafür ist aber, dass sie auf mehrere Jahre den größten Teil des Jahres in Davos verbringt. Die Pflicht, ein Menschenleben zu erhalten, steht hier im Vordergrund und ich kann und darf mich ihr nicht entziehen.“ Ebd. (100).

[110] Ebd. (101).

[111] HHStAW 685 476a (57).

[112] Ebd. Die noch zu zahlende Vermögensteuer von 80 RM für das Jahr 1927 wurde nach einem Einspruch doch noch erlassen, ebd. (59).

[113] Ebd. (74).

[114] HHStAW 685 476b (95).

[115] HHStAW 685 476b (125).

[116] Müller-Dannhausen, Keiles, S.28 f.

[117] HHStAW 685 475 (126). Die Zeitangabe stimmt nicht mit der oben zitierten von Moses Lewin überein, aber die Auflösung der Firma wird sich auch nicht auf einen exakten Tag festlegen lassen, da sowohl Verbindlichkeiten als auch eigene Außenstände noch über einen längeren Zeitraum abgewickelt werden mussten.

[118] HHStAW 685 476a (61).

[119] HHStAW 685 476b (125).

[120] HHStAW 685 475 (136).

[121] HHStAW 685 476b (129).

[122] Ebd. (133 – 135). Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsspende. (Zugriff: 20.4.2024).

[123] Ebd. (139, 143).

[124] Ebd. (147).

[125] Ebd. (150).

[126] Ebd. (151). Es muss sich aber um steuerpflichtige Pensionsansprüche gehandelt haben, wie er in einem anderen Schreiben an das Finanzamt kurz anmerkte, ebd. (174)

[127] Ebd. (164).

[128] Ebd. (166, 170).

[129] Ebd. (169).

[130] Ebd. (174).

[131] Sterberegister Wiesbaden 112 / 1936.

[132] Allerdings hatte sein Vater schon seiner Steuerklärung für das Jahr 1927, die er am 22.2.1928 abgab, geschrieben: „Der Inhaber [der Firma – K.F.] Heinz Lewin ist nicht mehr hier wohnhaft & befindet sich auf Reisen. Der Betrieb ist eingestellt & vollständig aufgelöst.“ HHStAW 685 475 (132). Dennoch war er offiziell weiterhin in Wiesbaden in der Parkstr. 69 gemeldet und auch die Steuerbehörde richtete weiterhin bis 1929 die Post an seine dortige Adresse. Ebd. (135).

[133] Ebd. (136)

[134] https://hansaviertel.berlin/geschichte/juedische-nachbarn/. (Zugriff: 5.5.2025).

[135] https://www.youtube.com/watch?v=Gy2xl6ZdlCI. (Zugriff: 5.5.2025).

[136] Ein kleiner Ausschnitt des letztgenannten Films ist zu sehen in C. Falling https://www.youtube.com/watch?v=KSsvHqN6HQ4&t=938s. (Zugriff: 20.4.2024).
Einen Ausschnitt des Films „Secret of the Blue Room“ siehe unter https://www.youtube.com/watch?v=6bR9MbYBA-c. (Zugriff: 20.4.2024).

[137] HHStAW 685 475 (140).

[138] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 275 Bl. 4094 Innen.

[139] Ebd. (103).

[140] Ebd. (113). Die Hypothek zu Gunsten von Sophie Baum in Höhe von 10.000 RM wurden ihr ausgezahlt.

[141] HHStAW 685 476b (114)

[142] HHStAW 685 475 (141). Fälschlicherweise werden sowohl die Dotzheimer Str. 28 und die 152 in den Adressbüchern bis 1932/33 noch als Eigentum der Firma ‚Menes’ ausgegeben.

[143] Ebd. Am 25.7.1931 teilte der mit den Verkäufen befasste Rechtsanwalt mit, dass er dem Amtsgericht die fälligen Gebühren für die Umschreibung der Grundstücke Dotzheimer Str. 152, Parkstr. 69 und Rheingauer Str. 7 überwiesen habe, Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 275 Bl. 4094 Innen (121). Die Dotzheimer Str. 152 wurde 1940 von der holländischen Firma weiter an ein Wiesbadener Ehepaar für 25.000 RM verkauft, ebd. (135). Auch die Rheingauer Str. 7 veräußerte sie für 60.000 RM im Februar 1942 wieder an einen Wiesbadener Kaufmann, ebd. (144).

[144] HHStAW 685 475 (141). Worauf die Forderungen aus den von Frankreich besetzten Gebieten resultierten, an wen sie gerichtet und ob sie begründet waren, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Möglicherweise beruht auf dieser spätere Angabe die Vermutung der Nachkommen, die Firma sei durch die französischen Besatzer  in die Krise geraten.

[145] Ebd. (143).

[146] Ebd. (147).

[147] Ebd. (147).

[148] Ebd. (156).

[149] Heiratsregister Berlin 554 / 1930. Als Trauzeugen fungierten die beiden Neffen Heinz und Rolf Baum.

[150] HHStAW 685 475 (163).

[151] Ebd.

[152] Ebd. (153).

[153] Heiratsregister Berlin 554 / 1930 und HHStAW 685 475 (194). Ihr weiteres Schicksal ist knapp in einem schwedischen Buch beschrieben, auf das mich Y. Mocatta aufmerksam gemacht hat. Es heißt darin: “A strange human fate described in the book is Thea Kerbler-Stjärnlöf. She was born in 1897 in Budapest and later became a ballerina at the Vienna Opera! During her tours, she put “the whole of Europe at her feet” … Later she became a journalist. Due to her family’s Jewish origin, Thea was forced to flee, first to Norway in 1938 and then to Sweden two years later. After both marrying and divorcing in Sweden, she was employed as a cook at the Billingsberg retirement home in Stavnäs in 1952. She remained in Stavnäs until her death. There she was a colorful but popular feature.” Eine genaue Literaturangabe liegt leider nicht vor.

[154] HHStAW 685 475 (176).

[155] Ebd.

[156] Ebd. (160).

[157] Ebd. (173, 174, 193).

[158] Ebd. (190).

[159] Ebd. (198).

[160] HHStAW 685 476 (o.P.).

[161] Ebd. (201).

[162] Deutsches Exilarchiv EB 2012/153-D.01.0188. (Mit Dank für den Quellennachweis an C. Falling).

[163] HHStAW 591/2 207 I (o.P.). Im Berliner Adressbuch ist er letztmalig in der Ausgabe von 1935 mit der bisherigen Adresse Brückenallee aufgeführt.

[164] Sterberegister Wiesbaden 112 / 1936.

[165] Privatarchiv Y. Mocatta.

[166] Sterberegister Wiesbaden 627 / 1937. Im Testament ist der Name in der hier gewählten Form geschrieben, in der Sterbeurkunde dagegen als Gnessja.

[167] Testamente im Privatarchiv Y. Mocatta. Moses Lewin war es damals schon gelungen, wenigsten einen Teil der Hypothek von 4.000 RM durch Übertragung an Emilie Behr flüssig zu machen, sodass die Forderung an seinen Sohn sich nur noch auf 21.000 RM belief. Siehe Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 245 Bl. 3671 Innen (192).

[168] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 245 Bl. 3671 Innen Bd. II (2). Zur Familie Herxheimer siehe Streich, Familie Herxheimer, S. 22-31. Laut HHStAW 519/2 207 (o.P.) hatte laut einer am 25.4.1939 vorgenommenen Eintragung im Grundbuch die Gläubigerin Gertrud Herxheimer wieder ihren alten, nichtjüdischen Familiennamen „von Poschinger“ angenommen.

[169] Sterberegister Wiesbaden 1532 / 1938.

[170] Sterberegister Wiesbaden 101 / 1922.

[171] Privatarchiv Y. Mocatta, siehe dazu unten.

[172] Interessant ist allerdings, dass im Jüdischen Adressbuch von 1935 Sarah und ihr Sohn Nicolai Wittenberg nicht als polnische, sondern als russische Staatsbürger geführt wurden.

[173] Maurer, Abschiebung und Attentat, S. 52-73.

[174] HHStAW 518 56103 (8). Im Zusammenhang mit dem Entschädigungsverfahren 1957 erhielt der mit der Sache befasste Rechtsanwalt eine der unglaublichen, aber üblichen Auskünfte der Polizei Wiesbadens. Es heißt da: „Im Herbst 1938 haben die Eheleute Weintraub (sic!) Wiesbaden verlassen“ – gerade so, als sei das ihre eigene, freiwillige Entscheidung gewesen.

[175] HHStAW 518 56101 (6).

[176] HHStAW 518 80452 (19).

[177] HHStAW 685 476e (4, o.P.).

[178] HHStAW 518 56103 (6).

[179] Privatarchiv Y. Mocatta.

[180] HHStAW 518 56103 (41), auch HHStAW 519/3 20879 (1).

[181] HHStAW 519/3 20879 (passim).

[182] Ebd. (17).

[183] Ebd. (18, 19). Das Verfahren war offenbar vom Hauptzollamt initiier worden. Offenbar war man sich aber auch bei der angeschriebenen OFP nicht im Klaren, um was es ging, wie man aus der auf dem Schreiben handschriftlichen Notiz „Wo ist der Vorgang?“ schließen kann. Siehe auch HHStAW 518 80452 (50, 52 ff.). Siehe dazu auch die Rückerstattungsakte HHStAW Wi-Ffm- 15 329 N passim. Was tatsächlich mit den Einrichtungsgegenständen geschah, es handelte sich um 2 Schlafzimmer und ein Wohnzimmer und weiteren Hausrat, lies sich nicht mehr ermitteln. Die damalige Speditionsfirma existierte nach dem Krieg nicht mehr, sodass alle Nachforschungen letztlich im Sande verliefen. Man einigte sich auf einen Vergleich, laut dem den Erben ein Betrag von 12.000 DM zugestanden wurde.

[184] HHStAW 518 80452 (19). Ihr Todestag wurde amtlich auf den 8.5.1945 festgesetzt, siehe ebd. (23).

[185] HHStAW 518 56101 (6).

[186] HHStAW 518 56103 (39).

[187] HHStAW 518 80114 (7, 8).

[188] Ebd. (5).

[189] Ebd. (21).

[190] https://www.ancestry.de/search/collections/5180/records/8003578. (Zugriff: 5.5.2025).

[191] HHStAW 685 513a (73)

[192] https://www.ancestry.de/search/collections/7488/records/2017353037?tid=&pid=&queryId=743a7803-68d0-4ee5-b087-4afaa2077861&_phsrc=svo6646&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025).

[193] Laut Amtsgericht Wiesbaden vom 31.1.1941 erwarb ein Kaufmann Istikian das Haus Adolfsallee, ebd. (95), das Haus Rheinbahnstr. 3 wurde am 29.5.1941 versteigert, ebd. (99).

[194] Ebd. (83).

[195] Ebd. (o.P.).

[196] Ebd. (84).

[197] HHStAW 519/3 11491 (20).

[198] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/search/collections/7488/records/24990923. (Zugriff: 5.5.2025). Auf einer anderen Passagierliste, es handelt sich ebenfalls um die ‚Manhattan’, die einen Tag zuvor von Hamburg aus nach New York gestartet war, waren sie ebenfalls verzeichnet, dann aber wieder gestrichen worden. Es handelte sich dabei sicher um die gleiche Passage, nur hatten sie den Hafen, in dem sie das Schiff bestiegen, geändert. Siehe https://www.ancestry.de/search/collections/7488/records/24990959?tid=&pid=&queryId=768c2129-a97e-46fe-aaaf-e0b1489ed4a2&_phsrc=svo6658&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025).

[199] https://www.ancestry.de/search/collections/62308/records/292264234. (Zugriff: 5.5.2025).

[200] HHStAW 685 513a (101).

[201] https://www.ancestry.de/search/collections/7733/records/2337755 und https://www.ancestry.de/search/collections/7733/records/2465847 (Zugriff: 5.5.2025).

[202] https://www.ancestry.de/search/collections/2280/records/6252769?tid=&pid=&queryId=b0864673-e8c6-4b48-9419-6069425727a9&_phsrc=svo6695&_phstart=successSource. (Zugriff: 5.5.2025).

[203] https://www.ancestry.de/search/collections/61461/records/1734533. (Zugriff: 5.5.2025).

[204] https://www.ancestry.de/search/collections/60901/records/39059951. (Zugriff: 5.5.2025).

[205] Die folgenden Angaben beruhen auf seiner Aussage im Entschädigungsverfahren, siehe HHStAW 518 80452 (39-40).

[206] HHStAW 518 80305 (84).

[207] Ebd. (34).

[208] Ebd.  Im Handelsregister heißt es mit Datum 4.1.1935 „Die Firma ist erloschen.“

[209] HHStAW 518 80452 (39) und HHStAW 518 80305 (18).

[210] HHStAW 518 80305 (5). Er selbst nannte den Juni als Zeitpunkt der Flucht, ebd. (17).

[211] HHStAW 518 80118 (22). Ihre Eltern waren Pierre Dinges und Catherine Louise Ruebsamen. Mit vollem Namen hieß sie Maria Nina Amalie Sophie Dinges.

[212]. HHStAW 518 80305 (179).

[213] HHStAW 518 80118 (65).

[214] HHStAW 518 80305 (18).

[215] Ebd. (179) (Geburtsurkunde).

[216] Ebd. (15, 18, 19).

[217] Ebd. (15).

[218] Daniel Cohn-Bendit, genannt der ‚Rote Danny’, war einer der führenden Figuren im Französischen Mai 1968 und später dann auch in der westdeutschen Studentenbewegung in Frankfurt. Der ehemalige „Bürgerschreck“, Kinderladenmitarbeiter, Buchhändler und ehrenamtlicher Dezernent der Stadt Frankfurt war seit dieser Zeit unter anderem mit dem späteren deutschen Außenminister Joschka Fischer befreundet. Er selbst machte ebenfalls in der Partei ‚Die Grünen’ Karriere und saß für sie zuletzt im Europaparlament. Zur Familie Cohn-Bendt siehe als Einstieg auch https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Cohn-Bendit. (Zugriff: 5.5.2025).

[219] HHStAW 518 80118 (49, 53-58, 95-98).

[220] Ebd. (204).

[221] HHStAW 518 80305 (149).

[222] Ebd. (184).

[223] Ebd. Bd. II (79, 80).

[224] Zu seiner Biographie siehe HHStAW 518 80305 (264).

[225] Ebd. (253).

[226] Das musikalische Juden-ABC; Brückner-Rock Judentum und Musik; Stengel / Gerigk, Lexikon der Juden in der Musik. Soweit rezipiert war in der Nachkriegsgeschichte Heinz Lewin weitgehend vergessen. Ein kurzer Artikel über ihn findet sich in dem 2008 erschienen Band von Kay Weniger, Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der Verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933-1945, S. 400.

[227] Bei der ‚Secam‘, der ‘Société des Auteurs, Compositeurs et Éditeurs de Musique‘, handelt es sich um die französischen Verwertungsgesellschaft für Künstler im Bereich Musik, ebenfalls vergleichbar mit der deutschen GEMA.

[228] https://www.youtube.com/watch?v=KkqLYQ5UgKE. (Zugriff: 20.4.2024).

[229] https://www.mappingthelives.org/bio/07b7115a-738e-4f3c-9b2e-0bd513f21aaf?restrict_to_map_bounds=false&coordinates_show_all=false&forename=Jenny&surname=Trabsky&res_single_fd=false&birth_single_fd=false&death_single_fd=false&deportation_single_fd=false&emigration_single_fd=false&expulsion_single_fd=false&imprisonment_single_fd=false&lat=50.3061856&lon=12.3007083&zoom=6&map_agg=residence&language=de, dazu https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1104753. (Zugriff: 5.5.2025) Im Arolsen-Archiv liegt allerdings eine Karteikarte von ihr vor, auf der, abgesehen von ihren Personaldaten, Folgendes zu lesen ist: „III/4415 v. 27.10.1941 Lodz“. Was dieser Eintrag zu bedeuten hat, konnte bisher nicht geklärt werden.

[230] Zu diesem Transport siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 132.

[231] Löw, Deportiert, S. 66.

[232] Siehe dazu insgesamt die erschütternde Dokumentation von Andrea Löw, Deportiert, in der besonders die Transporte ins Baltikum, nach Riga und Minsk, anhand von Zeugenaussagen aufgearbeitet wurden. So berichtete etwa Leon Freier über die unmittelbare Ankunft in Riga: „Plötzlich fielen die SS-Banditen, mit Knüppeln und Pistolen bewaffnet, in die Waggons ein. Im Nebenwaggon höre ich Schüsse fallen, Scheiben klirrten, im nächsten Augenblick wurde unser Waggon gesäubert, wir wurden durch die Fenster gejagt.“ Ebd. S. 73.
Fanny Englard sah auf dem Bahnhof ihren ersten Toten. Ein alter Mann war aus dem Zug gefallen und konnte nicht mehr aufstehen. Einer der Wachmänner brüllte ihn an: „Saujude steh auf, steh auf! Vielleicht war er gelähmt vor Angst. Diese Angst, die die Nazis über uns brachten. Dann zog er seinen Revolver und erschoss den Juden. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Toten sah – so grauenvoll, er schoss ihm in den Kopf und zersplitterte seinen Schädel, die ganzen Gehirnstücke … es war alles s … voll Blut.“ Ebd. S. 75. Das sind nur zwei der vielen Aussagen über die Schrecken, die die Opfer schon bei ihrer Ankunft in diesem Ghetto von Riga erleiden mussten. Die Zeit danach war noch um ein Vielfaches schlimmer. Auch das ist in dem Bericht von Löw umfassend dokumentiert.

[233] Ebd. S. 12.

[234] 1933 waren etwa 25.000 der insgesamt 65.000 Flüchtlinge aus Deutschland nach Frankreich geflohen, bei Kriegsausbruch waren es etwa 54.000. Eggers, Unerwünschte Ausländer, S. 24, dazu auch Anm. 13.

[235] Ebd. S. 25. Zur französischen Flüchtlingspolitik und zum Entwicklung der Internierungspraxis siehe umfassend ebd., passim.

[236] Ebd. S. 48.

[237] Wie die Briefe später in den Besitz seines Sohnes Ralph gelangten, ist für die Enkelin von Heinz Lewin weiterhin ein Rätsel.

[238] Privatarchiv Y. Mocatta. Der Ort, wo er hinwollte, liest sich als „Grance“, aber den gibt es in Frankreich nicht. Es könnte sich um Grancey-sur-Ource zwischen Reims und Lyon handeln oder um Grancey-le-Château-Neuvelle, nördlich von Dijon, aber beides ist ungewiss.

[239] Privatarchiv Y. Mocatta.

[240] https://www.ancestry.de/search/collections/61665/records/126766?tid=&pid=&queryId=680665bc-73c2-42ad-9684-3d360a64c41f&_phsrc=vFm143&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.4.2024).

[241] Zur Internierungspolitik der Briten, besonders zur Internierung in Kanada siehe Strutz, Forced to flee and deemed suspect, (passim).

[242] https://www.ancestry.de/search/collections/61665/records/62307?tid=&pid=&queryId=3e366eb0-4765-4544-b7a5-87155152cc07&_phsrc=vFm145&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.4.2024).

[243] Eggers, Unerwünschte Ausländer, S.49 f.

[244] https://www.youtube.com/watch?v=KkqLYQ5UgKE. (Zugriff: 20.4.2024). Diejenigen, die in die Fremdenlegion aufgenommen wurden, setzte man aber nahezu ausschließlich in Nordafrika oder Syrien ein. Ein Einsatz gegen die deutschen Truppen kam aus verschiedenen Gründen – etwaige Gewissenskonflikte, Sabotage usw. – nicht in Frage.

[245] Eggers, Unerwünschte Ausländer, S.165.

[246] Im Wikipedia-Artikel über das Internierungslager Septfonds ist sein Name als einer der dort Internierten Persönlichkeiten aufgeführt, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Internierungslager_Septfonds. (Zugriff: 5.5.2025).

[247] Der Refrain des Marche lautet in freier Übertragung: „In Sonne und Regen, marschieren wir mit Liedern auf unseren Lippen, mit Pickeln und Schaufeln, wir schuften in den Wäldern, in den Feldern und auf den Wiesen,
Alles Glück ist vergessen, harte Arbeit und der Tag ist so lang, unermüdlich schuften wir, aber immer guten Muts (good hart), wir marschieren durch Ortschaften und schläfriges Land, immer das gleiche Lied singend.“
Zu hören ist der March unter https://www.youtube.com/watch?v=pOt60FkIYfk. (Zugriff: 5.5.2025).

[248] https://www.youtube.com/watch?v=pOt60FkIYfk. (Zugriff: 5.5.2025).

[249] Frankfurter Rundschau vom 14.2.2020.

[250] Wiesbadener Kurier vom 10.11.2020.

[251] Wiesbadener Kurier vom 8.4.2021.

[252] Siehe umfassend Kratz, Die Stadt und die Schuld.

[253] Weichel, Wiesbaden im Bombenkrieg, S. 70-81. Siehe auch die beiden Artikel von Hauzel in den Wiesbadener-Kurier-Ausgaben vom 31.1.2025 und vom 1.2.2025.

[254] HHStAW 519/2 2076 I (0.P.).

[255] Ebd.

[256] Ebd.

[257] HHStAW 460 F 6451 (30).

[258] Ebd. (2, 14).

[259] Ebd. (22).

[260] Ebd. (29).

[261] Ebd. (30).

[262] Ebd. (32).

[263] Ebd. (30, 37)

[264] Ebd.  II (8).

[265] HHStAW VH 2182-184 (o.P.).

[266] HHStAW 460 F 6451 (33). Die Kosten richteten sich nach dem neuen Einheitswert des Grundstücks, der am 1. März 1954 auf 17.700 DM festgelegt worden war, ebd. (10).

[267] Grundbuch der Stadt Wiesbaden Bd. 245 Bl. 3671 Innen (25-26, 31 f., 33, 42).

[268] HHStAW Wik 6451 (72).