Ludwig Louis Stern


Lortzingstraße_7_1925
Lortzingstr. 7 um 1925
Archiv D. Schaller
Lortzingstr. 7
Lage des ehemaligen Judenhauses Lortzingstr. 7

 

 

 

 

 


Zu den wenigen überlebenden Bewohnern des Judenhauses Lortzingstr. 7 zählt Ludwig Stern. Ursprünglich stammte die Familie Stern aus Unterfranken, er selbst war am 25. November 1874 in der Bischofsstadt Würzburg geboren worden.[1] Solche alten religiösen und politischen Zentren waren zumeist auch Orte früher jüdischer Besiedlung, waren Orte ihres wirtschaftlichen Erfolgs, aber zugleich auch immer schon solche der Verfolgung und Vertreibung. So spiegelt auch die Familienhistorie der Sterns dieses Auf und Ab jüdischen Lebens exemplarisch wider. Sie beginnt mit Vertreibung und endet mit Vertreibung.

Stammbau Stern Mayer
Stammbaum der Familien Stern und Mayer
GDB

Im 16. Jahrhundert waren die Würzburger Juden vom Fürstbischof aus der Stadt gejagt und gezwungen worden, sich in den umliegenden Landgemeinden niederzulassen. Eine dieser Orte war Allersheim, etwa 25 km südlich vom Bischofssitz gelegen. Vermutlich waren damals noch keine Vorfahren der späteren Familie Stern selbst an diesem Exodus beteiligt, im 17. und 18. Jahrhundert gab es dort nur wenige jüdische Familien, aber Anteil an diesem kollektiven Schicksal haben sie dennoch. Allmählich wuchs ihre Zahl in Allersheim und Mitte des 19. Jahrhunderts stellten die Bewohner mosaischen Glaubens etwa ein Viertel der dortigen Bevölkerung. Ein Friedhof, auf dem im Laufe der Jahre etwa 4000 Bestattungen von Verstorbenen aus der gesamten Region stattgefunden hatten, gehörte neben einer Synagoge zu den Einrichtungen der Gemeinde, die mit Nathaniel Gabriel Weissbart im 19. Jahrhundert auch einen bedeutenden Rabbiner hervorbrachte.[2]

Grabmal von Josef und Karoline Stern auf dem Jüdischen Friedhof n Würzburg

In einem Judenmatrikel des Jahres 1817, in dem die Namen der Haushaltsvorstände erstmals mit neuen, festen Familiennamen eingetragen waren, taucht in Allersheim auch ein Manasses Salomon Stern als Warenhändler auf.[3] Aber die Vorfahren der Sterns lassen sich sogar noch bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Der erste bekannte Name ist ein Schlomo Stern, dessen Sohn Menachem Mannes Stern am 26. März 1790 in Allersheim im Ortsteil Giebelstadt geboren wurde und dort am 23. März 1865 verstarb.[4] Eines seiner Kinder war Salomon Seligmann Salman Stern, geboren am 26. März 1808 und gestorben am 29. März 1879, der Großvater von Ludwig Stern, dem Wiesbadener Judenhausbewohner.[5] Dessen Vater, der am 4. Januar 1845 geborene Josef Stern, war noch in Allersheim zur Welt gekommen, aber er war dann derjenige, der 1874 wieder nach Würzburg zurückkehrte,[6] von wo die Allersheimer Juden einst vertrieben worden waren. Im gleichen Jahr heiratete er Karoline Kaufmann, eine am 25. August 1848 geborene Tochter des Hausier- und Lederhändlers Lazar / Leser Kaufmann aus Fechenbach im Kreis Miltenberg.[7]
Über den Beruf des Josef Stern findet man in den Quellen unterschiedliche Angaben. So soll er laut dem Heiratseintrags seines Sohnes Salomon im Jahr 1920 Zigarrenfabrikant gewesen sein,[8] in Würzburg ist er auch als Getreidehändler registriert [9] und zumindest zuletzt – um 1878 – hatte er seinen überregional agierenden ‚Weingroßhandel Josef Stern’ aufgebaut,[10] auf dem letztlich der wachsende Reichtum der Familie gründete. Bald gehörten auch ein Weingut und entsprechende Weinberge zum Grundvermögen von Josef Stern. Die Wohnung der Familie lag in der Textorstr. 26 in der Altstadt von Würzburg.

Acht Kinder waren aus dieser Ehe hervorgegangen, von denen der am 25. November 1874 geborene Ludwig, häufig auch Louis genannt, das älteste war.[11] Er führte nach dem Tod des Vaters als Erstgeborener die Geschäfte des als GmbH organisierten und damals noch prosperierenden Unternehmens weiter. Aber auch andere Mitglieder der Familie waren auf unterschiedliche Weise mit dem elterlichen Unternehmen verwoben, einige auch als Gesellschafter.

Selma, die am 12. Januar 1876 geborene älteste Schwester von Ludwig,[12] war wohl nicht aktiv im Familienunternehmen tätig, aber auch sie gehörte zumindest zeitweise zu dessen Gesellschaftern. 1899 heiratete sie den am 29. Juli 1866 geborenen Kaufmann Ludwig Homburger aus Karlsruhe und zog mit ihm in dessen Heimatstadt.[13] Am 5. August des folgenden Jahres wurde dort ihre Tochter Hertha Julia geboren.[14] Am 9. April 1903 folgte noch ein Sohn, der den Namen Siegfried erhielt.[15]

Hirschbräu in Rottendorf um 1900 nach einer alten Postkarte
https://wuerzburgwiki.de/w/thumb.php?f=Rottendorfer_Brauerei.jpg&width=300

Möglicherweise hatte der Neffe den Namen nach Ludwigs bzw. Selmas Bruder Siegfried erhalten, der als drittes Kind von Josef und Karoline Stern am 26. Februar 1877 in Würzburg geboren wurde.[16] Nach seiner schulischen Laufbahn – er besuchte das Neue Gymnasium der Stadt – absolvierte er noch eine kaufmännische Ausbildung. Zusammen mit seinem am 17. September 1878 geborenen Bruder Adolf übernahm er, nachdem beide wohl zunächst im väterlichen Unternehmen tätig gewesen waren, 1903 für neun Jahre die Traditionsbrauerei ‚Hirschbräu’ in Rottendorf bei Würzburg, zu der auch eine Malzfabrik gehörte.[17] Nach einem Konkurs im Jahr 1912 zog Siegfried, der am 14. November 1907 in Reinheim Hilda Neumann geheiratet hatte, mit seiner Familie Ende 1913 nach Darmstadt.[18] Zuvor war am 3. November 1908 in Würzburg noch ihr Sohn Walter Josef zur Welt gekommen.[19] Aus dem Krieg kehrte der Vater, der, wie den verschiedenen Kriegsstammrollen zu entnehmen ist,[20] an diversen Schlachten teilgenommen hatte, mit Auszeichnungen dekoriert wieder nach Hause zurück. Bereits im November 1917 hatte man ihn vermutlich wegen einer Verletzung auf Dauer der „Etappe“ zugeteilt.[21]

Siegfrieds Kompagnon und Bruder Adolf hatte zunächst nach seiner Schul- und Militärzeit ebenfalls im elterlichen Betrieb mitgearbeitet und im Ersten Weltkrieg an der Front in Frankreich gestanden.[22] Noch während des Krieges heiratete er 1915 die katholische, in den USA geborene Maria Kundmüller, geschiedene Rackebrand.[23] Mit ihr zusammen baute er in Würzburg eine Kunsteisfabrik auf und betrieb ab 1920 ganz in der Tradition der Familie auch einen Weingroßhandel.

In welcher Verbindung die am 6. August 1880 geborene Fanny zum Unternehmen stand, ist nicht bekannt. Sie heiratete vermutlich 1904 in ihrer Heimatstadt den jüdischen Kaufmann Louis Grebenau, genannt Emil, aus Frankfurt; geboren worden war er aber im benachbarten Hauau.[24] Das Paar, dem in den folgenden Jahren fünf Kinder geboren wurden, wohnte nach der Eheschließung in den ersten Jahren in Frankfurt im Röderbergweg 39.[25]

Anders als seine Geschwister trat ihr am 9. Februar 1882 geborener Bruder Salomon, genannt Sally, nach seiner Schulzeit keine kaufmännische, sondern eine akademische Laufbahn an und ließ sich nach seinem Jura-Studium 1910 in Würzburg als Anwalt nieder.[26] Zugleich war er aber auch Gesellschafter der von seinem Bruder Max geführten ‚Würzburger Weinvertriebsgesellschaft’. Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg heiratete er am 6. September 1920 in seiner Heimatstadt Mattie Stark aus Ermetzhofen.[27] Das Paar hatte mit dem am 21. Juli 1921 geborenen Werner Josef und der am 4. April 1925 geborenen Karoline, genannt Lore, zwei Kinder.[28]

Max, geboren am 5. Juni 1883, absolvierte nach seiner schulischen Ausbildung eine kaufmännische Lehre in Frankfurt, war somit ebenfalls bestens für die Mitarbeit im elterlichen Unternehmen gerüstet. 1904 trat er als Gesellschafter und Prokurist in die mit der elterlichen Firma verbundenen und nach deren Konkurs 1912 als Nachfolgeunternehmen installierten ‚Würzburger Weinvertriebsgesellschaft Max Stern’ ein, die in der Domschulstraße lag und sich unter seiner Ägide zu einer der größten Weingroßhandlungen Deutschlands entwickelte.[29] Durch einen Pachtvertrag konnte er die alten Keller der Stiftsgüter nutzen, die sich unterhalb der Universität über eine Länge von 700 Metern ausdehnten und Platz für 500 Holzfässer mit insgesamt etwa 1 Mio. Liter Wein boten.[30]
Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er die vermutlich relativ gefahrlose Funktion eines Proviantinspektors ausübte, heiratete er 1919 Bertha Mannsbach, genannt Toni, aus dem heute nordrhein-westfälischen Beverungen. Dort war sie am 3. Juli 1900 als Tochter von Karl und Luisa Mannsbach zur Welt gekommen.[31]
Drei Töchter waren dem Paar nach ihrer Eheschließung geboren worden, zunächst Irene am 1. April 1920, dann Ursula am 19. September 1924 und zuletzt Margaret am 19. März 1929, alle in Würzburg in der Seelbergstr. 2, wo die Eltern ihren Wohnsitz hatten.[32]

Der jüngste Bruder von Ludwig war der am 25. November 1886 geborene Alfons. Auch er war nach seiner Schulzeit und einer kaufmännischen Ausbildung vermutlich zunächst in das elterliche Weingeschäft eingestiegen, arbeitete dann mit seinen Brüdern Adolf und Max zusammen in deren Unternehmen, bevor er sich dann 1921 mit einem eigenen Großhandel für Wein und Spirituosen selbständig machte.[33]

Wie genau die unterschiedlichen Unternehmungen der Geschwister durch wechselseitige Einlagen und Kooperationen im Laufe der Jahre miteinander verbunden waren, konnte im gegebenen Zusammenhang nicht recherchiert werden.

 

Ludwig Stern

Ludwig Stern selbst besuchte die Würzburger Realschule und leistete als sogenannter Einjähriger 1894/95 seinen Militärdienst ab.[34] Anschließend trat er in das Unternehmen des Vaters ein. Vermutlich hat er in dieser Zeit auch verschiedene Reisen unternommen, war vielleicht sogar auch längere Zeit von zu Hause abwesend, um in anderen Weinhandelsunternehmen oder Kellereien sich weiterzuqualifizieren. Die Vermutung beruht auf der Geburt einer unehelichen Tochter namens Johanna, die am 20. November 1899 in Metz in Lothringen zu Welt kam. Wer die Mutter war, ist nicht bekannt, aber Johanna wurde von dem Straßburger Kaufmann Jean de Tultée adoptiert.[35] Über ihren weiteren Lebensweg liegen keine Informationen vor.

Bertha Stern, geb. Mayer
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Erst drei Jahre später, am 8. April 1902, ging er dann mit Bertha Mayer aus dem hessischen Rodheim v. d. H., heute im Wetteraukreis gelegen, eine Ehe ein. Bertha, geboren am 17. Dezember 1877,[36] war eine von fünf Töchtern des Ehepaars Jakob Hirsch Mayer und seiner Frau Bina, geborene Oppenheimer.[37] Sie bewohnten in Rodheim v. d. H. ein Haus in der Hauptstr. 21 und betrieben dort eine einträgliche Geflügelzucht, besaßen darüber hinaus aber noch einige Grundstücke als landwirtschaftliche Nutzflächen. Der bestens eingerichtete Gebäudekomplex bestand aus 5 Zimmern, drei Kammern Küche und Stallungen.[38]
Nach Aussage von Siegfried Stern, dem späteren Sohn von Ludwig und Bertha Stern, waren die Eltern seiner Mutter die reichsten Bewohner des „Bauernplatzes“ Rodheim, der damals etwa 2000 Einwohner zählte. Auch sollen sie die größten Steuerzahler der Gemeinde gewesen sein, weshalb man Jakob Hirsch Mayer bei allen Gemeinderatssitzungen, in denen finanzielle Angelegenheiten behandelt wurden, zu Rate gezogen habe. Vier der Töchter sollen bei ihrer Eheschließung eine Mitgift von jeweils 45.000 RM erhalten haben, der schwerhörigen Lea sollte sogar noch mehr übereignet werden, sofern sie keine Ehe eingehen würde.[39] Die „bekannt religiöse Familie“ besaß nach Angaben eines späteren Zeugen eine große Zahl wertvoller Kultgegenstände, lebte ansonsten aber sehr sparsam, weshalb sich im Laufe der Zeit ein beträchtliches Vermögen angesammelt hatte.[40]

Bei der Ehe zwischen Ludwig Stern und Bertha Mayer handelte es sich somit keineswegs um eine zwischen ungleichen Partnern, die Ehefrau brachte noch einmal beträchtliche finanzielle Ressourcen mit in die Ehe, die vermutlich zumindest teilweise auch in das Unternehmen flossen, das aber zum Zeitpunkt der Heirat noch in Händen des Vaters Josef lag.

Das Paar bezog eine Wohnung im Elternhaus in der Textorstr. 26, wo am 5. März 1903 ihr Sohn Siegfried geboren wurde.[41] Die Geburt wurde allerdings durch den damit verbundenen Tod der Mutter überschattet. Bertha Stern verstarb am 17. März 1903 mit nur 25 Jahren an den Folgen der Niederkunft.[42] Noch im selben Jahr musste Ludwig Stern einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen. Ein halbes Jahr nach seiner Frau verstarb am 26. November 1903 auch sein Vater Josef, der Seniorchef der Firma.[43]

Erst sechs Jahre nach dem Tod von Bertha heiratete Ludwig Stern am Heiligen Abend des Jahres 1909 in München die evangelische Charlotte Martha Bär, die am 28. Mai 1876 in Leipzig zur Welt gekommen war.[44] Nur vier Tage nach der Hochzeit, am 28. Dezember 1909, wurde die gemeinsame Tochter Ilse / Liselotte geboren.[45] Allerdings handelte es sich nicht um das erste, sondern bereits um das dritte Kind aus dieser Beziehung, die bisher wohl auch ohne amtlichen und kirchlichen Segen ausgekommen war. Bereits am 5. April 1906 waren zunächst Hans,[46] dann am 28. Oktober 1908 Fritz in Würzburg geboren worden.[47]

Martha Bär
Würzburg Stern Martha Bär
Würzburg Stern

Die etwas chaotischen Eintragungen für die Familie Stern in den Melderegistern der Stadt Würzburg
Stadtarchiv Würzburg EWMB j.R. Baer, Martha

 

 

 

 

Die unternehmerische Tätigkeit von Ludwig Stern ist nur schwer zu durchschauen. Neben der Firma des Vaters leitete er ab 1910 auch die Weingroßhandlung ‚Johann Heinrich Henniger’ aus Würzburg, zunächst bis 1933 alleine, danach als Mitinhaber.[48] Die elterliche Firma ging allerdings 1916 während des Ersten Weltkriegs in Konkurs, existierte aber dennoch unter dem Namen des Vaters weiter und wurde 1936 nach Wiesbaden verlegt.[49] Möglicherweise handelte es sich dabei aber auch nur um eine finanzstrategische Aktion, denn dem Firmenchef war nicht nur das ‚König-Ludwig-Kreuz’ für seine Verdienste für die Kriegswirtschaft verliehen worden, sondern man muss konstatieren, dass er aus dem Massensterben des Krieges als einer der Profiteure hervorging. Mit Lieferungen an das Heer hatte er beträchtliche Gewinne erwirtschaften können, sodass er in den zwanziger Jahren nach Aussage seines Sohnes Siegfried angeblich das größte Einkommen im Finanzamtsbezirk Würzburg anmelden konnte.[50] Sein wirtschaftlichen Aktivitäten hatte er derweil unter der neuen Firma ‚Ludwig Stern – Würzburg’ ausgedehnt und neben dem Handel mit Wein ein weiteres Standbein mit dem Vertrieb von Weinfässern aufgebaut. 1936 wurde auch diese Firma in Würzburg ab- und in Wiesbaden angemeldet.[51] Auch als Immobilienmakler trat er, wenn auch eher nebenbei, in Würzburg auf. Offenbar konnte er in diesem Geschäftsfeld aber für sich selbst ein beträchtliches Immobilienvermögen anhäufen. Seit dem 1. Juni 1930 waren auch die beiden Söhne Hans und Fritz mit einem Gehalt von je 300 RM angestellt.[52]

Im November 1930 fand bei ihm eine umfassende Steuerprüfung statt, in der die Entwicklung des Unternehmens von 1927 an durchleuchtet wurde.[53] In der Firma waren in diesen Jahren neben einem Prokuristen, einem kaufmännischen Kellermeister weitere elf Angestellte im Büro tätig, 13 Küfer und ein Chauffeur wurden als Arbeiter aufgeführt
Ende des Jahres 1926 betrug das Vermögen der Firma knapp 1 Mio. RM und ein Jahr später sogar mehr als 1,1 Mio. RM. 1928 war es wieder leicht gesunken, lag aber immer noch über der Millionengrenze. Die Umsätze in den betreffenden Jahren 1927 bis 1929 sanken allmählich, sicher auch infolge der sich abzeichnenden Weltwirtschaftskrise, von 1,40 Mio. über 1,15 Mio. auf zuletzt 825 Tsd. RM.
Aber das war nicht der Grund für den folgenden Einbruch in der Geschäftsentwicklung: Am Jahresende 1929 betrug das Vermögen der Firma nur noch 63.000 RM, d.h. nahezu die gesamte finanzielle Substanz war innerhalb eines Jahres aufgebraucht worden. Das lag nicht daran, dass in diesem Jahr 35.000 RM an Privatentnahmen und 45.000 RM an Spesen herausgezogen wurden, diese Summen entsprechen im Wesentlichen auch denen der vergangenen Jahre, beträchtlicher war hingegen eine Summe von 120.000 RM, die die Tochter Ilse anlässlich ihrer Hochzeit in Berlin für die Ausrichtung der Feier, die Aussteuer und als Mitgift in bar erhalten hatte.[54] Laut einer Aktennotiz des Finanzamts Würzburg „war der Verlust auf gewagte Finanzierungs- und Warengeschäfte und den Preisrückgang am Weinmarkt im Jahre 1929 (zurückzuführen)“[55]
Ludwig Stern habe damals – so die Notiz des Finanzbeamten – eigentlich die Liquidation der Firma beabsichtigt, war aber offenbar mit diesem Ansinnen am Widerstand der Gläubiger gescheitert. Letztlich konnten aber deren Ansprüche nur zu einem geringen Teil befriedigt werden. Die Firma existierte offenbar, allerdings nach diesem Einbruch mit einem weit geringeren Geschäftsumfang weiter. Genauere Zahlen liegen aber für die frühen dreißiger Jahre nicht vor.

Immobilienbesitz von Ludwig Stern 1931
HHStAW 685 778a (4)

Festgehalten sind in einer Aufstellung der Vermögensteuerakten aus dem Jahr 1931 immerhin die Werte der sich in seinem Besitz befindlichen Immobilien, die allerdings vermutlich belastet waren. Er besaß damals Miethäuser in Würzburg und Augsburg im Wert von etwa 210.000 RM, dazu auch schon ein Haus in Wiesbaden im Wert von 59.000 RM.[56] Bei letzterem handelte es sich um das Haus in der Rüdesheimer Str. 20, das er schon in der Inflationszeit gekauft haben muss. Im Wiesbadener Adressbuch von 1924/25 ist er erstmals als Eigentümer der Immobilie, die zuvor dem Würzburger Kaufmann S. Rothstein gehört hatte, eingetragen. Die übrigen Häuser in Würzburg hatte er wohl erst gegen Ende der Zwanziger Jahre erworben, unmittelbar bevor es fast zum Zusammenbruch seines Unternehmens gekommen war. Trotz des horrenden Verlusts soll er sich damals noch an der insolvent gegangenen ‚Pfälzischen Weinkellerei GmbH‘ und dem ‚Boxbeutel-Weinvertrieb, Kitzingen’ beteiligt haben.[57]

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten begann er seine noch vorhandenen Vermögenswerte in Würzburg und im Umland abzustoßen. Allerdings waren die Gründe dafür wohl nicht primär der politischen Entwicklung, sondern seiner finanziellen Lage geschuldet. So wurde der Familiensitz in der Textorstr. 26 zwar 1933 für 59.000 RM verkauft, der Einheitswert belief sich auf 42.800 RM -, aber die Verhandlungen darüber waren schon seit 1930 im Gange und wurden weitgehend von der Hausbank geführt.[58] Dann verkaufte er im Januar 1933 ein Haus in Augsburg [59] und im März 1934 einen Weinberg für 2.400 Goldmark.[60] Im März 1935 verkaufte seine Frau – das Paar lebte laut Vertrag in Gütertrennung – ein Gartenhaus in der Würzburger Waltherstraße für 12.500 RM.[61] Im Juni 1936 ging ein weiteres Haus in Augsburg für 1.500 RM – sicher ein eher symbolischer Preis – an die gemeinsame Tochter Ilse über.[62]

Der Eingang zum Haus Rüdesheimer Str. 20 heute
Eigene Aufnahme

Das Einkommen des einst so erfolgreichen Geschäftsmanns war inzwischen deutlich geschrumpft. In seiner Einkommensteuererklärung von 1935, noch abgegeben in Würzburg, bezifferte er dieses auf 1.735 RM.[63] Auch mit dem Haus in der Rüdesheimer Straße, das zwar Mieteinnahmen von etwas mehr als 6.000 RM abwarf, wurden durch Belastungen und Steuern Verluste von mehr als 2.500 RM erwirtschaftet.[64]

Trotz seiner beträchtlichen Einbußen war Ludwig Louis Stern eigentlich noch immer ein recht wohlhabender Mann, als er 1936 nach einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt in Frankfurt nach Wiesbaden zog.
Laut einer zum 30. Juni 1935 erstellten Vermögensübersicht besaß er zu diesem Zeitpunkt noch ein Vermögen von etwas mehr als 130.000 RM, das sich aus verschiedensten Komponenten wie Forderungen, Hypotheken, Wechseln, einem noch beträchtlichen Warenlager und Wertpapieren zusammensetzte. Allerdings standen auf der Passivseite etwa 50.000 RM an Schulden gegenüber, sodass sich das Vermögen insgesamt auf einen Betrag von 80.000 RM reduzierte.[65] Immobilien sind in der Aufstellung nicht mehr aufgeführt. In der letzten Vermögensteuererklärung aus Würzburg 1936 ist dagegen noch ein Grundvermögen von 92.900 RM angesetzt. Auf einer eingeklebten Notiz ist aber dann zu lesen, dass es sich um das Eigentum seiner Frau handelte. Die Vermögenssteuer wurde entsprechend neu, nur noch auf der Basis eines Betriebsvermögens von 23.000 RM berechnet.[66]

Korrigierte Vermögens-steuerberechnung von 1936 für Ludwig Stern
HHStAW 685 778a (o.P.)

Auch diese Veranlagung wurde dann sogar später – noch im Jahr 1940 – korrigiert und die Vermögenssteuer von Ludwig Stern für das Steuerjahr 1936 rückwirkend auf Null herabgesetzt. Als Begründung heißt es, dass die Eheleute bereits am Stichtag 1. Januar 1935 getrennt gelebt hätten und eine gemeinsame Veranlagung daher nicht rechtens gewesen sei.[67] Eine Überprüfung hatte ergeben, dass Martha Stern mit ihrer Tochter Ilse sogar schon seit dem 10. April 1932 in Wiesbaden im Haus in der Rüdesheimer Str. 20 wohnte. Offiziell war der Umzug von Wiesbaden aber – anders als bei ihrer Tochter Ilse Schwarz – erst am 20. Mai 1936 registriert worden.[68]

Grundliste Textorstr. 26, Stadtarchiv Würzburg

Die Immobilie hatte er vermutlich ebenfalls kurz vor oder bald nach dem Machtantritt der Nazis seiner Frau überschrieben.[69]
Es könnten aber auch andere als politische Motive bei der Eigentumsübertragung eine Rolle gespielt haben. Die Akten gewähren selbstverständlich keinen Einblick in das Privatleben des Ehepaars. In einem Schreiben von Ludwig Stern an die Devisenstelle vom 28. Juni 1938 heißt es allerdings: „Meine Ehefrau beabsichtigt sich von mir scheiden zu lassen, da sie nach den Nürnberger Gesetzen arisch ist.“ Das klingt so, als habe Martha Stern – wie in vielen anderen sogenannten Mischehen auch – ihren jüdischen Mann aus rassistischen Gründen verlassen wollen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bis 1935 in den Steuererklärungen die Ehefrau als der israelischen Religionsgemeinschaft zugehörig geführt ist. Erst ab 1936 ist dann wieder evangelisch, ihre ursprüngliche Konfession, eingetragen.[70] Ob die „Rassenfrage“ aber der wirkliche Grund der Trennung bereits vor 1933 war, erscheint wenig wahrscheinlich.

Einiges spricht eher dafür, dass die Trennung tatsächlich eher persönliche Gründe hatte, aber offenbar ohne ein tiefes Zerwürfnis erfolgte. Gleichwohl bot sich nach 1933 so die Chance, das Vermögen gegen die Zugriffe des NS-Staates abzusichern, wie man an der Wiesbadener Immobilie sehen kann. Auch die Übereignung einer Lebensversicherung im Wert von 10.000 Goldmark an seine Frau im Januar 1938 ist Indiz für diese Vermutung. Denn die ursprüngliche Vereinbarung, dass sowohl seine Frau, als auch seine Tochter Ilse, die nach NS-Status Halbjüdin war, Bezugsberechtigte im Todesfall sein sollten, wurde ausdrücklich aufgehoben und der alleinige Nutzen auf Martha Stern übertragen. Eine Halbjüdin, früher verheiratet mit einem Volljuden, wäre unter den gegebenen Verhältnissen wohl kaum an das Geld herangekommen. Wenn aber die getrennt lebende Frau alleinige Nutznießerin der Versicherung sein sollte, für die Ludwig Stern sogar weiterhin die Prämien bezahlte, dann kann es zwischen den beiden kaum zu einer Beziehungskrise gekommen sein, die zu einer tiefen Feindschaft geführt hatte. Im Gegenteil, Ludwig Stern durfte den Versicherungsschein sogar nutzen, um ihn für den Ankauf von Wein zu beleihen und damit seinen Weinhandel, den er in Wiesbaden nach seinem Umzug betrieb, zu finanzieren.[71] Auch hatte sich Ludwig Stern noch vor der Scheidung notariell verpflichtet, seine Frau auf unbestimmte Dauer mit einer Summe von 1.700 RM jährlich zu unterstützen.
Dass seine Frau, seine Tochter und sein Enkel in Wiesbaden wohnten, spielte sicher auch eine entscheidende Rolle bei seiner Entscheidung, seinen Lebensabend selbst auch in der Kurstadt zu verbringen. Noch gab es damals 1936 – gerade vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele – Hoffnungen, dass sich die politischen Verhältnisse noch einmal zum Positiven wenden würden.

Als er im Frühsommer 1936 nach Wiesbaden kam, zog er freilich nicht in das früher von ihm erworbene Haus in der Rüdesheimer Straße, in der seine Frau und Tochter wohnten. Er bezog stattdessen eine Wohnung im Haus Schlichterstr. 10 im ersten Stock.[72] Den Meldebogen hatte er schon am 20. Mai in Wiesbaden ausgefüllt, abgegeben hatte er ihn bei der Meldebehörde aber erst am 11. Juni 1936. Auf dem Meldeschein ist festgehalten, dass er verheiratet, aber „getrennt lebend“ sei.[73]

Ludwig Sterns Ummeldung von Würzburg nach Wiesbaden
HHStAW 685 778b (4)

Die Aufgaben im Haushalt übernahm Bertha, genannt Bertel Straus, eine Jüdin, die ursprünglich aus Weinheim an der Bergstraße stammte, inzwischen auch geschieden war und sich als Hausgehilfin ihren Lebensunterhalt verdiente.[74] Zusammen zogen beide später auch in das Judenhaus. Während er aber noch aus Europa herauskam, fielen sie und ihr Sohn Hans dem Holocaust zum Opfer.

Nach seinem Umzug meldete Ludwig Stern noch im gleichen Jahr auch in Wiesbaden unter seiner Wohnanschrift ein Weingroßhandelsgeschäft mit einem Betriebskapital von knapp 20.000 RM im Handelsregister an.[75] Neben seinen Einkünften aus dem eigenen Betrieb bezog er auch Provisionen für die Vermittlung von Verträgen für andere Unternehmen, so etwa für den bereits erwähnten ‚Fränkischen Boxbeutelvertrieb’.[76] Die Geschäfte scheinen zunächst auch recht gut angelaufen zu sein, denn 1936 – allerdings verbrachte er nur die Hälfte des Jahres in Wiesbaden – gab er ein Einkommen von etwa 8.000 RM an, im folgenden Jahr dann aber nur noch 2.500.[77] Der Ertrag seines Geschäfts lag aber bei knapp 4.000 RM.[78] Aber selbst in diesem Jahr konnte er Umsätze von mehr als 100.000 RM verzeichnen, die er sogar im folgenden Jahr noch einmal um mehr als 20 Prozent steigern konnte.[79] 1938, dem Jahr der bisher schlimmsten Verfolgung, meldete er dem Finanzamt einen zu versteuernden Betriebsgewinn von 7.400 RM. Das Gewerbekapital war auf 23.000 RM angestiegen und sein Einkommen lag noch immer bei etwa 6.000 RM.[80]

Weinangebote der Firma Ludwig Stern vor und nach dem Umzug der Firma von Würzburg nach Wiesbaden
HHStAW 518 43055 (58 und 60)

 

 

 

 

Allerdings hatte Ludwig Stern offenbar Probleme beim Einkauf von Weinen, wie eine Steuerprüfung 1939 ergab. Wesentliche Bestände im Wert von mehreren Tausend Reichsmark hatte er mittelbar über die ‚Weinvermittlung Carl Roth‘ aus Wiesbaden beziehen müssen, weil die eigentlichen Lieferanten nicht mehr bereit waren, jüdische Weinhändler zu beliefern.[81]

Trotz des nicht zu leugnenden wirtschaftlichen Erfolgs bedeutete auch für Ludwig Stern das Jahr 1938 das Ende seiner beruflichen Laufbahn. Von den marodierenden Banden der SA war auch er im November betroffen. Wie der Schaden entstanden war, wurde von ihm nicht erläutert, aber er soll in Wiesbaden und Würzburg insgesamt 2.400 RM betragen haben.[82] Seine Tochter gab an, der Laden ihres Vaters in Wiesbaden sei in der „Kristallnacht zusammengeschlagen“ und er selbst sei in München kurzzeitig verhaftet worden. Nur wegen seiner lebensbedrohlichen Diabetes sei er kurz nach der Festnahme wieder frei gekommen.[83]

Neben den unmittelbaren Schäden „anlässlich der bekannten Vorgänge vom 10. November 1938“ – wie er formulierte -, musste er auch andere indirekte Einbußen durch diese Ereignisse verbuchen. Viele jüdische Geschäftspartner waren inzwischen selbst insolvent geworden oder hatten im Laufe des Jahres die Flucht ergriffen, ohne noch die offenen Rechnungen – auch bei ihren Leidensgenossen – zu begleichen. Eine Liste solcher offenen Rechnungen vom Dezember 1938, von denen nicht klar war, welche noch beglichen würden, summierte sich auf einen Betrag von etwa 11.000 RM.[84]

Als am 26 April 1938 alle Juden verpflichtet wurden, ihr gesamtes, an diesem Stichtag vorhandenes Vermögen dem Staat zu melden,[85] hatte Ludwig Stern noch einen Betrag von rund 28.000 RM angeben. Jetzt, nach den Ereignissen vom November und anderen Verlusten korrigierte er diesen Wert auf knapp 18.000 RM.[86] Bei der Berechnung der Judenvermögensabgabe im Gefolge der Pogromnacht wurden dann auch noch die Unterhaltszahlungen an seine Frau abgezogen, sodass zur Berechnung der Sondersteuer insgesamt eine Summe von 10.000 RM zugrunde gelegt wurde. Das bedeutete zunächst eine Sühneleistung von 2.000 RM, zahlbar in vier Raten mit je 500 RM.[87] Auch die fünfte Rate war ihm in gleicher Höhe zunächst auferlegt worden.

Die Veranlagung zur „Sühneabgabe“ von Ludwig Stern wird rückwirkend wieder aufgehoben
HHStAW 685 778a (33)

Offenbar hatten aber die Finanzbehörden selbst die Übersicht über die Vermögensverhältnisse von Ludwig Stern verloren: Was gehörte der geschiedenen Frau, was ihm ? Seit wann lebten sie getrennt ? All diese Fragen wurden erst 1939 endgültig geklärt und hatten zur Folge, dass die Vermögensbasis bezogen auf das Jahr 1938 auf etwa 3.000 RM zusammengeschmolzen war, womit Ludwig Stern unter der Bemessungsgrenze lag und die Zahlungsverpflichtung aufgehoben wurde.[88]

In Ludwig Sterns Steuererklärung des Jahres 1939 heißt es dann, das „der Betrieb am 31. Dezember 1938 von Amtswegen stillgelegt“ worden sei.[89] Schon im November des Jahres hatte er der Devisenstelle versichert, dass seine flüssigen Mittel inzwischen völlig erschöpft seien und er inzwischen seiner Bank mehr als 5.500 RM schulde.[90] Er habe, so ergänzte er, seinen „Lebensunterhalt 1939 von der Substanz bestreiten müssen“,[91] wobei man sich fragen muss, welche Substanz das noch gewesen sein kann. Zwar gab es noch Vermögenswerte in Form von Außenständen und anderen nicht realisierbaren Forderungen, aber die reichten zum Leben kaum aus. Er bat daher im April 1940 darum, dass die gegen ihn verhängte Sicherungsanordnung aufgehoben werde. Falls dies nicht geschehe, solle wenigstens der Freibetrag auf 400 RM angehoben werde, da er „als alleinstehender 65 jähriger Mann gezwungen sei, eine Hausangestellte zu halten“. Inzwischen war auch die Scheidung von seiner Ehefrau vollzogen, woraus für ihn Verpflichtungen in der Höhe von ca. 11.000 RM erwachsen waren. „Um meinen Haushalt aufrecht erhalten zu können, war ich genötigt, verwandtschaftliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“ [92]

Tatsächlich muss es Ludwig Stern 1939 finanziell so schlecht gegangen sein, dass seine Schwester, die inzwischen verwitwete Fanny Grebenau, im Dezember 1939 die Devisenstelle um Erlaubnis bat, ihrem Bruder monatlich einen Betrag von 200 RM zur Verfügung stellen zu dürfen.[93] Es dauerte bis Ende Mai des folgenden Jahres, bis die Unterstützungszahlungen dann tatsächlich genehmigt wurden, weil man zunächst einen „glaubwürdigen“ Nachweis der Bedürftigkeit einforderte.[94]

Zollfahndungsstelle Mainz und Devisenstelle Frankfurt werden aktiv
HHStAW 519/3 7804 (1)

Die Devisenstelle war ins Spiel gekommen, nachdem die Zollfahndungsstelle Mainz im Oktober 1938 die Frankfurter Behörde darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Ludwig Stern von seiner Frau getrennt lebe und er einen Sohn habe, der bereits ausgewandert sei. Auch er selbst hege solche Absichten.[95] Bereits im Mai 1937 hatte er beim Wiesbadener Finanzamt um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für eine Passverlängerung gebeten, aber damals noch explizit gesagt: „Eine Auswanderung kommt nicht in Frage.“ Der Beamte hatte handschriftlich auf dem Schreiben festgehalten, dass der „Pfl.[ichtige] eine Reise zur Weltausstellung nach Paris beabsichtigt“.[96] Wenn das stimmt, dann ist das wohl ein Indiz dafür, dass Ludwig Stern seine Lage damals noch als relativ ungefährdet einschätzte, vielleicht war es aber auch ein Versuch, auf einen plötzlich notwendigen Grenzübertritt vorbereitet zu sein. 1938 war die Entscheidung, Deutschland verlassen zu wollen, aber dann grundsätzlich getroffen. Ursprüngliche hatte er wohl vor, nach England zu gehen, zumindest hatte das seine Schwester Fanny in ihrem Schreiben an die Devisenstelle angegeben, in dem sie im Dezember 1939 um die Erlaubnis gebeten hatte, dem, nach ihren Worten inzwischen „schwer leidenden“ Bruder, Geld schenken zu dürfen.[97]

Im April 1940 beantragte er erneut eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Obwohl er faktisch nichts mehr besaß, verlangte man von ihm auf der Basis des letzten Vermögensteuerbescheids ein Reichsfluchtsteuer in Höhe von 1.391 RM.[98] Zwar hatte er die Summe damals tatsächlich aufgebracht und auch gezahlt, aber noch im April wurde die Forderung angesichts der inzwischen festgestellten veränderten Vermögensverhältnisse wieder aufgehoben. Etwa 350 RM erhielt er selbst zurück, der Rest der Summe ging an seine frühere Frau, die ihm vermutlich das Geld zunächst zur Verfügung gestellt hatte.[99] Knapp ein Jahr später, am 29. März 1941, erhielt er die für die Ausreisegenehmigung unabdingbare Unbedenklichkeitsbescheinigung, die besagte, dass er alle fälligen Reichssteuern bezahlt habe.[100]

Inzwischen hatte Ludwig Stern mit seiner Haushälterin Bertha Strauss die Wohnung gewechselt, vermutlich wechseln müssen. Eine explizite Anweisung des Wohnungsamtes oder einer anderen Behörde liegt als Quelle allerdings nicht vor. Auch ist auf seiner Gestapokarteikarte nicht vermerkt, wo er in dem Judenhaus in der Lortzingstr. 7 eine Unterkunft fand. Bertha Strauss bewohnte von Beginn an mit Selma Ebbe und zuletzt wohl auch mit ihrem Sohn Hans ein Mansardenzimmer unter dem Dach des Hauses. Dass auch Ludwig Stern dort bis zu seiner Auswanderung untergekommen war, ist sehr unwahrscheinlich. Als die verschiedenen Listen über die Bewohner der Judenhäuser erstellt wurden, hatte er Deutschland bereits verlassen.

Für ihn gab es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder folgte er seinen Kindern, die soweit ihnen die Flucht gelungen war, inzwischen in Palästina, Schweden und Griechenland lebten, oder er versuchte nach Amerika zu kommen, wo einige seiner Geschwister eine sichere Heimat gefunden hatten.

 

Die Schicksale der Kinder und des Enkels von Ludwig Stern

Ludwig Sterns Sohn Siegfried aus der ersten Ehe war bereits 1935 nach Palästina ausgewandert, weil er in Deutschland keine Chance sah, seinen Beruf als Jurist ausüben zu können. Nach seinem Besuch der Oberrealschule in Würzburg hatte er in seiner Heimatstadt und in München ein Jurastudium aufgenommen und dies 1927 mit einer Promotion abgeschlossen. Seine weitere Ausbildung als Referendar konnte er noch in München beenden können, wo er auch noch eine Kanzlei eröffnen konnte.[101] Aber eine Perspektive gab es nach 1933 für ihn nicht mehr. In Palästina angekommen heiratete er dort am 1. Juni 1937 Elisabeth Dann, eine Emigrantin aus Augsburg.[102] Wie auch für viele andere Emigranten war Palästina nicht das gelobte Land, das man sich erhofft hatte. Gerade Akademiker mit einer spezifischen, auf europäische bzw. auf deutsche Verhältnisse ausgerichteten Ausbildung hatten es sehr schwer, dort Fuß zu fassen. Dr. Siegfried Stern muss mit seiner Familie in all den Jahren in größter Not gelebt haben. Aus diesem Grund verzichteten später alle Geschwister seiner Mutter Bertha in den Rückerstattungsverfahren auf den ihnen jeweils gebührenden Anteil an dem früheren Landbesitz ihrer Eltern in Rodheim – „weil es einer sittlichen Pflicht entspricht“ – wie seine Cousine Channa Margot Loopuit formulierte.[103] Dr. Siegfried Stern legte in diesem Zusammenhang 1954 eine Bestätigung des israelischen Finanzministeriums vor, laut der weder er noch seine Frau vom April 1940 bis zum März 1952 einkommensteuerpflichtig gewesen seien. Weiter heißt es: „Aufgrund der in unseren Händen befindlichen Beweise bestätigen wir hiermit, dass HERR DR. SIEGFRIED STERN, wohnhaft in Haifa, Hatishbistr.Nr. 66, der z. Zt. über 50 Jahre alt ist, verheiratet ist und der Vater zweier minderjähriger Kinder. Dr. Stern ist hier als Anwalt tätig und ein Bewohner unserer Stadt seit 1935 bis heute.
Herr Dr. Stern befindet sich in einer sehr verzweifelten wirtschaftlichen Lage, die infolge seines Gesundheitszustandes und seinen Schwierigkeiten in der Beherrschung der Landessprache (Hebräisch) eintrat; sein kleines Einkommen ist ungenügend für seine und seiner Familie Erhaltung. Herr Dr. Stern hat keinerlei Vermögen.“
[104]

Siegfried Stern hatte mit seiner Familie die Shoa überlebt, aber um welchen Preis? Die wahrscheinliche Karriere eines promovierten Juristen aus einem sehr begüterten Elternhaus war durch die nationalsozialistische Rassenpolitik zunichte gemacht worden. Was blieb war ein Leben in Not und Elend in einem ihm zumindest offenbar fremd gebliebenen Land. Er verstarb am 13. Dezember 1959 in Haifa.[105] Dass Ludwig Stern seinem Sohn, mit dem er in all den Jahren vermutlich in brieflichem Kontakt gestanden haben wird, nicht folgen wollte, ist nur zu verständlich.

Auch für Hans Stern, den noch unehelich geborenen Sohn aus der zweiten Ehe von Ludwig Stern, bedeutete die Emigration eine Deklassierung und das Ende seiner erfolgreich begonnen Karriere als Weinhändler. Er hatte in Würzburg zunächst die jüdische Grundschule, dann am ‚Institut Adam’ mit der Mittleren Reife seine schulische Ausbildung beendet. Auf die Übernahme des elterlichen Betriebs war er anschließend zunächst in einer Likör- und Spirituosenfabrik in Berlin, dann in einer Weinhandlung in Bingen umfassend vorbereitet worden. Zuletzt arbeitete er noch im Würzburger Bankhaus ‚Wegelin & Lehmann’, um auch diesbezügliche Qualifikationen zu erwerben. So gerüstet trat er anschließend in das damals noch bestehende elterliche Geschäft ein. Nach der „Machtergreifung“ der Nazis meldete er sich 1935 nach Berlin ab, von wo er 1938 nach Schweden emigrierte.

Heiratsanzeige von Hans und Tora Stern 1948

Seinen erlernten Beruf konnte er dort aber nicht ausüben, weil der Weinhandel in Schweden ein staatliches Monopol darstellte und einen freien Handel nicht zuließ. So musste er sich all die Jahre mit Hilfsarbeiten, etwa als Landarbeiter oder Pferdeknecht, verdingen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In seinem Wohnort Danderyd bei Stockholm heiratete er nach der Befreiung Europas am 20. Juni 1948 Tora Groschinskly aus Berlin. Das Paar, das keine Kinder bekam, engagierte sich in verschiedenen Organisationen der dortigen jüdischen Gemeinde. Tora Stern verstarb im Jahr 1989, Hans im Alter von 90 Jahren 1997.[106]

Dass Hans als Halbjude mit seiner Emigration trotz aller Schwierigkeiten eine richtige Entscheidung getroffen hatte, zeigt das Schicksal seines jüngeren Bruders Fritz, der dem Holocaust kurz vor Ende der NS-Zeit noch zum Opfer fiel. Auch er hatte in Würzburg zunächst das Realgymnasium besucht und dann eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Bis 1926 arbeitete er im Familienunternehmen, ging aber dann nach Berlin. Im Juli 1936, als sein Vater Würzburg verließ, um sich in Wiesbaden niederzulassen, soll nach Information des Stadtarchivs Würzburg auch Fritz von Berlin aus in die Kurstadt gekommen sein, die Stadt aber bereits 1938 wieder verlassen haben, um wieder nach Berlin zurückzukehren.[107] In diesen etwa zwei Jahren hat er in Wiesbaden jedoch keine Spuren hinterlassen, auch ist nicht bekannt, ob er damals bei dem Vater in der Schlichterstraße oder bei der Mutter in der Rüdesheimer Straße wohnte.[108] Da es auch in Berlin in dieser Zeit mehre Bewohner mit dem Namen Fritz Stern gab, darunter auch mehrere Kaufleute, ist eine eindeutige Identifizierung seiner Person in den dortigen Adressbüchern bisher nicht gelungen.
Am 4. Juli 1940 heiratete er in Berlin die dort am 1. Januar 1902 geborene Alice Jastrow, geschiedene Marcuse. Sie war die Tochter des jüdischen Fabrikanten Leopold Jastrow und seiner Frau Henriette, geborene Rosskamm.[109] Das Paar selbst bekam keine Kinder mehr, aber aus der ersten, um 1922 geschlossenen Ehe mit dem Zahnarzt Kurt Marcuse brachte Alice den Sohn Peter mit in die neu geschlossene Ehe. Ob der am 19. Januar 1923 aber tatsächlich bei ihnen wohnte, ist nicht bekannt, auch nicht, auf wessen Veranlassung er im Januar 1939 in die vermeintlich sicheren Niederlande gebracht worden war.[110]

Peter Marcuse (Mitte) in Holland 1941/42
https://www.joodsmonument.nl/en/page/152676/peter-sidney-marcuse

Zunächst hatte der gelernte Dreher in Eindhoven, dann ab März 1940 in einem Jungenheim in Rotterdam zuletzt in dem Kinderheim in Arnheim im Amsterdamscheweg 1 einen Unterschlupf gefunden. Es gibt eine Reihe von Fotographien aus diesem Haus, in dem mehr als 50 jüdische Kinder und Jugendliche, aber – das ist der Liste der Insassen zu entnehmen – auch eine größere Zahl von Erwachsenen untergebracht waren. Selbst auf Bildern aus den Jahren 1941/42 machen sie einen eher vergnügten und glücklichen Eindruck.[111] Eigentlich hatte Peter die Absicht, zu seinem Onkel Herbert Jastrow nach Argentinien auszuwandern, was aber offenbar scheiterte.[112] Im Dezember 1942 wurde das Heim von den Nazis geschlossen und alle Insassen zunächst nach Westerbork verbracht. Schon zu diesem Zeitpunkt rollten monatlich mehrere Züge von Westerbork in die Todeslager des Ostens, zunächst meist nach Auschwitz, ab März 1943 dann nach Sobibor. Der Transport vom 11. Mai 1943, dem Peter zugeteilt war, hatte ebenfalls dieses Ziel. Ermordet wurde er aber nicht in der dortigen Gaskammer, sondern am 30. November 1943 in Dorohucza, einem Arbeitslager dicht an der damaligen sowjetischen Grenze, das dem zentralen Arbeitslager Trawniki zugeordnet war.[113]

Sein Stiefvater Fritz Stern fiel ebenfalls der Shoa zum Opfer. Auch sein Weg in den Tod war ein langer und führte ihn über drei verschiedene Konzentrationslager. Nur wenige Tage vor dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft verlor auch er zuletzt noch sein Leben in einem der Zwangsarbeitslager, allerdings nicht im Osten, sondern in Bayern, auf deutschem Boden.
Am 1. Juli 1943 war ein Zug mit der Bezeichnung I/99 mit nur etwa 103 Personen von Berlin aus nach Theresienstadt gefahren, darin auch Fritz und seine Frau Alice Stern, die zuletzt in Wilmersdorf in der Duisburger Str. 6 gewohnt hatten. Er gehörte zu einer Vielzahl solcher eher kleinen Transporte, die oft sogar mit noch weniger Menschen im Laufe des Jahres 1943 aus den verschiedensten Städten des Reichs Theresienstadt ansteuerten.[114] Oft waren die Opfer solche, die bisher auf einen gewissen Schutz, z. B. durch nichtjüdische Partner, durch ihre Mitarbeit in der jüdischen Gemeinde oder als kriegswichtige Arbeitskräfte bauen konnten. Letzteres trifft zumindest auf Alice Stern zu, die seit Oktober 1939 zur Zwangsarbeit verpflichtet war. Zunächst hatte sie bei ‚Siemens & Halske’, dann bei einer Spielzeugfirma ‚Richter’ und zuletzt bei einem Pharmaunternehmen ‚Riedel Hederea’ in Berlin Britz arbeiten müssen. Obwohl die Anfahrt bis zu zwei Stunden dauerte, habe sie um 6 Uhr morgens antreten und bis zum Abend arbeiten müssen. Sie habe weniger als ein Drittel des Lohns der freien ArbeiterInnen erhalten und sei von diesen strikt getrennt gehalten worden, gab sie an. Bis zum Tag vor der Deportation habe sie dieser Zwangsverpflichtung nachkommen müssen.[115]
Vermutlich war das aber nicht der eigentliche Grund für die relativ späte Deportation der beiden. Ausschlaggebend war zum einen wohl, dass Fritz Stern wegen seiner arischen Mutter als Halbjude, wegen seiner Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde aber als Geltungsjude kategorisiert wurde. Zumindest ist er so auf der Transportliste bezeichnet. Zum anderen übten er als „Stammordner“ – welche Aufgabe damit auch immer verbunden war – und seine Frau als Küchenhilfe im Sammellager eine Funktion in der Jüdischen Gemeinde aus. Auch das wird die beiden bisher geschützt haben.[116]

Die Insassen des Alterstransports nach Theresienstadt mit Angabe ihrer Funktion
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Sie überlebten das mörderische Ghetto mehr als ein Jahr, dann, im Herbst 1944, trennten sich ihre Wege. In unterschiedlichen Zügen wurden sie nach Auschwitz gebracht. Zunächst traf es Fritz, der mit einem ungewöhnlich großen Transport von fast 2500 Menschen am 28. September der Todesfabrik zugeführt wurde.[117] Im Oktober folgten noch 10 weitere Transporte, die zumeist ebenfalls mindestens 1500 Opfer umfassten. Alice kam am 6. Oktober 1944 mit dem Transport ‚En’ in

 

Li

Fritz Stern im Gefangenenbuch von Dachau
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Links unten mit der Häftlingsnummer 118.898 ist der aus Wiesbaden stammende Julius Grünebaum aufgeführt.

Auschwitz an.[118] Obwohl beide nicht sofort in die Gaskammern geführt wurden, sie vielmehr ihren relativ kurzen Aufenthalt auch in diesem Konzentrationslager überstanden, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie sich dort noch einmal trafen.

Schon nach zwei Wochen wurde Fritz Stern nämlich weiter nach Dachau verfrachtet, wo er vermutlich unter widrigsten Bedingungen den letzten Kriegswinter überstand.

Todesvermerk auf der Karteikarte von Fritz Stern in Kaufering
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Am 27. Februar 1945 schickte man ihn noch in das zu Dachau gehörende Außenlager Kaufering III, in dem er in der Kriegsproduktion für den deutschen „Endsieg“ schuften musste. Während zu Dachau insgesamt 169 Außenlager gehörten, bestand der Komplex Kaufering aus insgesamt elf  verschiedenen Lagern. Im Rahmen der Organisation Todt mussten die Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen an einem Großbunker bauen.[119] Fritz Stern überstand die Strapazen nicht. Am 24. März 1945, wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation, kam er dort zu Tode.[120]

Seine Frau wird in der Datenbank von Theresienstadt noch immer als Opfer des Holocaust geführt.[121] Das ist glücklicherweise eine Fehlinformation, zumindest in der Hinsicht, dass sie damals in Auschwitz ihr Leben nicht verlor. Nach ihrer Ankunft dort am 6. Oktober 1944 wurde sie nach nur wenigen Tagen am 12. Oktober weiter in das Konzentrationslager Flossenbürg bzw. genauer in das dazu gehörige Arbeitslager im sächsischen Freiberg verbracht.[122] Dort betrieb die Flugzeugfirma Arado aus Potsdam eine Fabrik, in der diverse Kampfflugzeuge, aber auch Komponenten für die V-2 hergestellt wurden. Der Bedarf war riesig, aber angesichts des Mangels an Arbeitskräften, griff man bei der Produktion zunehmend auf Zwangsarbeiter zurück. Das Unternehmen gehörte in der NS-Zeit mit 30 000 Beschäftigten zu den größten von Brandenburg, die Hälfte davon waren Zwangsarbeiter.[123] Eine von ihnen war Alice Stern. Sie musste dort damals, wie sie angab, Schwerstarbeit verrichten, ganze Flugzeugholme von einer in andere Hallen schleppen.[124] Untergebracht waren die Arbeiterinnen unmittelbar in der Fabrik, erst ab Januar 1945 stand ihnen ein etwa zwei Kilometer entferntes Barackenlager mit allerdings völlig unzureichenden hygienischen Einrichtungen zur Verfügung. Alice erkrankte dort an Scharlach, damals, besonders unter den Zuständen im Lager, noch eine lebensbedrohliche Erkrankung.
Am 14. April 1945 wurde Freiberg evakuiert und die Frauen wurden per Bahn quer durch das Land in das Konzentrationslager Mauthausen transportiert, wo sie erst nach zwei Wochen, am 29. April ankamen. Es handelte sich um keinen der Todesmärsche, denen viele KZ-Häftlinge in den letzten Tagen noch zum Opfer fielen, aber auch dieser Transport muss allein wegen seiner Dauer, der Kälte und der ganz sicher unzureichenden Versorgung grauenhaft gewesen sein. In Mauthausen erkrankte sie an Typhus, aber sie überstand auch dies und gehörte zu denjenigen, die am 5. März 1945 von den amerikanischen Truppen befreit wurden. Wegen ihrer Erkrankung konnte sie aber erst am 27. Juli 1945 Mauthausen verlassen.[125]

Ausweis für Alice Stern aus Mauthausen
HHStAW 518 7116 I (16)

 

 

 

 

 

 

Sie kehrte damals nach Wiesbaden zurück, wo ihre Schwiegermutter noch immer im Haus in der Rüdesheimer Str. 20 wohnte und sie bei sich aufnahm.[126] Erste Unterstützung fand sie aber auch bei der Betreuungsstelle der Stadt, die ihr Überbrückungsgelder und sogar einen Radioapparat zur Verfügung stellte. Am 27. Januar 1948 konnte sie dann eine eigene Wohnung in der Kapellenstr. 29 beziehen.[127] Aber in Wiesbaden und in Deutschland wollte sie auf keinen Fall bleiben. Auf dem Fragebogen für ‚DPs’, Displaced Persons, gab sie an, weder Verwandte noch Freund in Deutschland zu haben. Sie wolle zu ihrem Bruder nach Argentinien. Dieser habe ihr auch materielle Unterstützung zugesagt.[128] Schon am 27. Juli 1948 überschritt sie nach eigenen Angaben die Grenze zum Saarland, um von Frankreich aus nach Südamerika zu gelangen. Aber erst im Dezember kam sie dann in Argentinien bei ihrem Bruder an, der sie bei sich aufnahm.[129] Nähere Auskünfte über diese offenbar komplizierte und langwierige Ausreise hat sie nicht gegeben.

Brief von Alice Stern an einen Vertrauten in Deutschland
HHStAW 518 7116 I (33)

Schon unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Wiesbaden begann der zermürbende Kampf mit den Entschädigungsbehörden, die immer wieder neue Belege, sogar über die Entlassung aus Mauthausen verlangten, obwohl sie ihren provisorischen Ausweis von dort bereits vorgelegt hatte. Schlimmer und langwieriger waren allerdings die Verfahren um die gesundheitlichen Schäden, die sie auch noch von Argentinien aus führen musste. Wie so oft wurden auch bei ihr später Langzeitfolgen von Erkrankungen in den Lagern und von Belastungen durch die Zwangsarbeiten schlicht geleugnet. Die aufgetretenen Erkrankungen – Alice erlitt später zwei Herzinfarkte – ständen „zeitlich wie kausal mit der erlittenen Verfolgung nicht im Zusammenhang“,[130] sie wurden stattdessen als „schicksalhaft“ bzw. „anlagebedingt“ abgetan.
Ein Brief, geschrieben schon 1951 an einen Vertrauten, lässt erkennen, wie sehr sie nach all dem, was sie durchgemacht hatte, an dieser kalten Bürokratie gelitten haben muss.
Am 17. Dezember 1985 verstarb Alice Stern in Buenos Aires.[131]

 

Rolf Schwarz
Rolf Schwarz als Kleinkind
Foto: privat

Keine reale Perspektive für Ludwig Stern bot der Fluchtort seiner Tochter Ilse Lieselotte, die vor ihrer Auswanderung zunächst mit ihrem Sohn Rolf in Wiesbaden bei seiner geschiedenen Frau in der Rüdesheimer Str. 20 wohnte und von dort nach Griechenland emigrierte. Die Umstände und die Folgen ihrer Flucht waren für sie, aber noch mehr für ihren Sohn traumatisch. Zwar konnten beide dem Holocaust entrinnen, aber Rolf blieb nach seiner Befreiung nur noch eine kurze Lebenszeit und seine Mutter überlebte als eine an Körper und Geist zerbrochene Frau.
Auch Ilse hatte zunächst die Jüdische Volksschule in Würzburg besucht und galt wegen ihrer jüdischen Erziehung trotz ihrer evangelischen Mutter als „Geltungsjüdin“. Ihre weitere Bildung genoss sie in Pensionaten in der Schweiz, bevor sie am 25. Februar 1929 in Würzburg Ernst Josef Schwarz, geboren am 4. Oktober 1900 in Osnabrück, heiratete.[132] Mit ihm ging sie anschließend nach Berlin, wo dieser ein schlecht gehendes Radiogeschäft führte. Am 18. September 1930 kam in Berlin ihr einziges Kind, der Sohn Rolf, zur Welt.[133] Als Rolf, der Enkel von Ludwig Stern, gerade das erste Lebensjahr erreicht hatte, trennten sich die Eltern nach nur zwei Jahren wieder. Nach Angaben von Ludwig Sterns Sohn Dr. Siegfried Stern hatten die beiden innerhalb nur eines Jahres die Mitgift von 100.000 RM verprasst.[134] Zunächst kehrte Ilse nach Würzburg zurück, zog aber schon ein Jahr später mit ihrer Mutter nach Wiesbaden, wo alle drei zusammen im Haus von Charlotte Stern in der Rüdesheimer Str. 20 wohnten.[135] Einen Beruf hatte Ilse nicht erlernt, aber in Wiesbaden musste sie dann in den späten 30er Jahren zwangsweise in der Färberei Döring in der Dotzheimer Str. 62 als Büglerin arbeiten. Zehn Stunden pro Tag stand sie dort am Bügelbrett, bis sie dann eines Tages zusammenbrach und die Arbeit nicht länger ausüben konnte.[136]
Im Zusammenhang mit der Judenvermögensabgabe kam es zu einem Briefwechsel zwischen Ludwig Stern und der Finanzbehörde, weil Wertpapiere, die eigentlich dem damals neunjährigen Rolf gehörten, im Depot seines Großvaters lagen, bei der Berechnung der Judenvermögensabgabe doppelt veranschlagt worden waren. Aus diesem Briefwechsel erfährt man, dass der Enkel seit Herbst 1937 bei Ludwig Stern in der Schlichterstr. 10 wohnte und auch von ihm unterhalten wurde.[137] Wieso Rolf schon damals nicht mehr bei seiner Mutter und Großmutter in der Rüdesheimer Straße lebte, ist den Akten nicht zu entnehmen. Allerdings gab sein Onkel Dr. Siegfried Stern im Entschädigungsverfahren nach dem Krieg an, Rolfs Eltern seien „weder sittlich noch wirtschaftlich je in der Lage gewesen, das Geringste dem Antragsteller [Rolf Stern – K.F.] zu geben“.[138] Weil Rolf der einzige Enkel in seinem Umfeld war, habe sich Ludwig Stern intensiv und sehr liebevoll um ihn gekümmert. Er habe vor seiner eigenen Auswanderung alle Mittel bereitgestellt, damit sein Enkel studieren und einen akademischen Beruf nach seinen Wünschen würde ergreifen können.[139] Vermutlich handelte es sich dabei um die Wertpapiere, die bei der Berechnung der Judenvermögensabgabe doppelt berechnet worden waren. Dass der Großvater aber angeblich glaubte, sein Enkel hätte in Deutschland noch eine akademische Ausbildung absolvieren können, erscheint angesichts der politischen Verhältnisse im Jahr 1938 doch – gelinde gesagt – sehr naiv.

Es steht einem Betrachter aus der heutigen Zeit nicht zu, den Stab über das Handeln der damaligen Opfer zu brechen, aber irritierend ist die Entscheidung von Ilse Schwarz im Jahr 1939 schon und vermutlich nimmt darauf auch das Urteil ihres Halbbruders Siegfried Bezug, wenn er von einer fehlenden sittlichen Reife der Eltern von Rolf spricht. Sie entschied sich damals dafür, ihr eigenes Leben zu retten und den neunjährigen Jungen zwar bei dem Großvater, aber dennoch in einer eigentlich völlig ausweglosen Situation zurückzulassen.

Ilse Schwarz verlässt Deutschland unter Zurücklassung ihres Sohnes Rolf bei ihrem Vater Ludwig Stern
HHStAW 685 778a (38)

Auf Grund der wachsenden Gefahr für Leib und Leben ging sie am 7. November 1939 in Wiesbaden eine – wie sie später sagte – „Scheinehe“ mit dem griechischen Kaufmann Chrysanthos Babaveas ein, der damals ebenfalls im Haus in der Rüdesheimer Straße wohnte.[140] Sie selbst konvertierte mit der Heirat zum Glauben ihres Mannes und wurde auf den Namen Dimitrula getauft.[141] Nach der Eheschließung verließ das Paar Anfang 1940 unter Zurücklassung von Ilses Sohn Rolf Deutschland. Das Zweckbündnis scheiterte schon nach einem Jahr, nachdem der Ehemann das gesamte Geld, das Ilse in die Ehe eingebracht hatte, verbraucht und die Deutschen im April 1941 Griechenland weitgehend erobert hatten. Sie wurde als Jüdin von den Verwandten ihres Ehemanns, aber auch von ihm selbst aus der Familie ausgestoßen, misshandelt und sogar bei den NS-Behörden denunziert. Ihr Pass wurde eingezogen und sie musste sich fortan mittellos im Untergrund durchschlagen. „Durch die dauernden Verhöre u. Verfolgungen der Gestapo kam ich gesundheitlich völlig herunter, zumal ich bei diesen menschenunwürdigen Verhältnissen keine Arbeit fand und oft nicht das tägliche Brot hatte. Meine ganzen Sachen, Kleider und Wäsche u. dergleichen musste ich veräusern (sic!) um nicht ganz zu verhungern. Dann hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Durch einen schweren Sturz erlitt ich eine schwere Fusverletzung (sic!) und lag längere Zeit im Krankenhaus.“[142]

Das war unzweifelhaft ein schweres Schicksal, das sie zu erleiden hatte, aber nicht zu vergleichen mit dem, das auf ihren in Wiesbaden zurückgelassenen Sohn wartete.
Immerhin ist sicher, dass er nicht mehr mit seinem Großvater am 31. Oktober 1940 in das Judenhaus Lortzingstr. 7 zog, auch wenn sein Onkel Dr. Siegfried Stern in einem Schreiben vom 4. Oktober 1954 im Rahmen des Entschädigungsverfahrens bekundete, sein Neffe habe „bei seinem Großvater mütterlicherseits, meinem Vater, Ludwig Stern, in Wiesbaden bis zu dessen Auswanderung nach USA am 10.6.1941 (Schlichterstr. 10, Lortzingstr. 7) (gelebt)“. Erst zu diesem Zeitpunkt sei er nach Frankfurt gebracht worden, wo er noch für ein Jahr das Philanthropin, die einzige noch erlaubte jüdische Schule in Frankfurt, habe besuchen können.[143] Zwar war der höhere Zweig der Schule bereits zum 1. April 1941 geschlossen worden, die dortige Volksschule allerdings erst am 30. Juni 1942.

Dr. Cahn, der Anwalt von Rolf Stern im Entschädigungsverfahren, hatte damals schon angegeben, sein Mandant sei bereits im Sommer 1940, als die Auswanderungspläne des Großvaters konkrete Gestalt annahmen, dem Kinderheim der Flersheim-Stiftung in Frankfurt übergeben worden. Diese Angabe stimmt auch mit der von Rolf Schwarz in seinem am 27. Januar 1950 eingereichtem Entschädigungsantrag überein, in dem er seinen Aufenthalt in Frankfurt mit „von 1940 bis 13.9.1942“ angab.[144] Letzte Sicherheit über seine Zeit in Frankfurt brachte eine Mitteilung des Instituts für Stadtgeschichte, laut der Rolf am 6. September 1940 von Wiesbaden kommend im Kinderheim der Flersheim-Sichel-Stiftung angemeldet wurde.[145]

Gedenkstein für die deportierten Kinder des Jüdischen Kinderhauses in der Ebersheimer Straße
Foto Till Lieberz-Gross, https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/fileupload/bilder/db/Nordend/Ammelburgstrasse/Flersheim-Sichel-Stiftung_Kunst-im-oeffentlichen-Raum-Frankfurt-2022.jpg

Das Haus in der Ebersheimer Str. 5, gegründet 1930, war ein jüdisches Waisenhaus, dessen Insassen 1939 mit dem Leitungsehepaar im Rahmen der Kindertransporte alle nach England entkommen waren. Danach wurde es neu besetzt, u.a. mit Rolf, und vielleicht hatte der Großvater die Hoffnung, ein weiterer Transport würde auch seinem Enkel die Rettung bringen. 1941 wurde das Haus jedoch geschlossen und von der Stadt als arisches Kinderheim weitergeführt. Die dort noch wohnenden jüdischen Kinder schickte man entweder an Verwandte zurück oder sie wurden in anderen Heimen untergebracht,[146] so – laut Cahn – auch Rolf, der in das Israelitische Waisenhaus im Röderbergweg 87 kam.[147] Auch nach dieser Version, die wegen ihrer Detailgenauigkeit als die wahrscheinlichere angesehen werden muss, hätte Rolf das Philanthropin noch bis zu seiner endgültigen Schließung besuchen können.

Rolf Schwarz
Rolf Schwarz im Jahr 1949
Foto: privat

Nachdem auch das Haus im Röderbergweg 1942 geschlossen wurde, kamen die Kinder laut Cahn in Sachsenhausen unter, wo genau, gab er nicht an. Es handelte sich aber mit Sicherheit um das dortige Heim in der Hans-Thoma-Str. 24. Zumindest ist diese Adresse bei seinem Namen auf der Deportationsliste vom 15. September 1942 angegeben.[148] Auf anderen Dokumenten ist dagegen als seine letzte Adresse zwar noch der Röderbergweg vermerkt, was aber nicht richtig sein kann, da das dortige Haus zu diesem Zeitpunkt längst geschlossen war.[149]
Mit dem Tag der Deportation begann für Rolf Schwarz dann die nächste, noch weit schlimmere Lebensphase in seinem kurzen, aber schon von so vielen Schicksalsschlägen gezeichneten Leben. An diesem Tag wurden 1378 zumeist ältere Jüdinnen und Juden aus Frankfurt nach Theresienstadt deportiert. Als Sammelstelle war das Jüdische Altersheim im Rechneigraben 18/20 vorgesehen, in dem sich die wenige Tage zuvor Informierten am 13. September einzufinden hatten. Wie verschiedene Zeitzeugen berichteten, müssen sich dort in den letzten Stunden vor dem Abtransport schreckliche Szenen abgespielt haben.[150] Auf offenen Lastwagen wurden die Menschen mit ihrem Gepäck am Morgen des 15. zum Ostbahnhof transportiert, wo sie dann unter Schlägen, Tritten und Verwünschungen in den Sonderzug der Reichsbahn mit der Bezeichnung ‚Da 515’ einsteigen mussten.[151] Sein Ziel war das Ghetto Theresienstadt, das am folgenden Tag erreicht und dort als Transport XIII/3 registriert wurde. In einem Tagebucheintrag im Ghetto heißt es: „Gestern kamen Waisenkinder aus Frankfurt. Wir wussten fast nicht, wo wir sie platzieren sollten, doch zum Schluss haben wir einen Platz gefunden.“[152] Gemeint waren die 42 Kinder aus dem Heim in der Hans-Thoma-Straße, darunter auch der elfjährige Rolf Schwarz, der allerdings kein Waisenkind war. Wo sie untergebracht wurden, notierte der Chronist nicht.

Kinderzeichnungen aus Theresienstadt, diese stammt von Erika Taussig (1934-1944)

Aber viele Berichte über die Zustände in dem angeblichen „Vorzeigeghetto“ der Nazis bezeugen den unmenschlichen Alltag dort. So auch Ferdinand Levi, der als 63jähriger mit Rolf Schwarz nach Theresienstadt kam:
“Man litt unter unvorstellbaren Mengen von Ungeziefer, besonders von Flöhen und viel mehr noch Wanzen, vor deren Gestank wir uns nicht nur ekelten, sondern geradezu fürchteten. In den Kasernen als auch in den Baracken und Blockhäusern: Ratten, die es in Mengen gab und über unsere Körper huschten. Ein ganz wenig Linderung fanden wir dadurch, dass wir unsere Strohsäcke, in denen kaum noch Stroh war, in den Hauseingang oder in den Hof schleppten und dort die Frühdämmerung erwarteten.
Eine weitere Höllenqual war der nie gestillte, Tag und Nacht zwickende Hunger. Wie unzählige Male habe ich bei meinen nächsten Blutsverwandten […]und bei vielen Freunden von Frankfurt […] erlebt und scharf beobachtet: Das langsame Hinsiechen nicht nur des Leibes, sondern auch der Seele, [die] keinen Willen aufkommen ließen , sich irgendwie gegen die Fährnisse und Nöte des Lagerlebens zu wappnen und anzustemmen. Ein perfekter moralischer Zusammenbruch. Die Menschen verhungerten und verkamen buchstäblich im Ungeziefer. So haben Sie gelitten, und was haben sie alles ausstehen müssen vor ihrer endgültigen Ermattung, vor ihrer Abmagerung zum Skelett! […]
Im Lager selbst ist zwar nicht gemordet worden, aber viele wurden totgeschlagen. […] Siebzehn unserer Mithäftlinge wurden öffentlich in einem Kasernenhof aufgehängt, nur weil sie versuchten, Nachricht an ihre Familien […] hinauszuschmuggeln. Darunter ein Junge, 17 Jahre alt, der eine Karte an seine Mutter schrieb: Ich habe Hunger! Diese drei Worte […] bildeten die Tragik des Lagers. […] Kinder und Erwachsene, steinalte Menschen, die sich nur mühsam fortbewegen konnten, Männer, einst in Amt und Würden, durchsuchten täglich den stinkenden Müll, nahe der Kaserne gelegen, [der] Küchen nach Essensresten, nach Kartoffelschalen. Mit meinen hellwachen Augen sehe ich sie noch heute, diesen Haufen Unrat tierhaft durchwühlen, unter wüster Schimpferei und Faustschlägen ging es dabei niemals ab.“
[153]

Im Juli 1944 war bereits die Hälfte des Frankfurter Transports im Ghetto ums Leben gekommen, Rolf hatte all das Elend bisher überstanden. Vermutlich am 18. Mai 1944 wurde er dann mit dem dritten sogenannten „Arbeitseinsatztransport“, mit denen das Ghetto angesichts der erwarteten Rot-Kreuz-Inspektion „ansehnlicher“ gemacht werden sollte, mit weiteren etwa 2500 Opfern nach Auschwitz deportiert.[154] Auch Auschwitz überlebte das Kind, das sich noch in Theresienstadt mit dem zwei Jahre älteren Ernst Jitzak Hacker angefreundet hatte, der ihn dann auch nach Auschwitz begleitete. Bis zum 18. Januar 1945 seien sie in Auschwitz-Birkenau geblieben, dann, beim Nahen der Roten Armee, habe man sie auf einen Todesmarsch befohlen, über den Ernst Jitzak Hacker Folgendes berichtete: „In Gleiwitz beobachtete ich und andere Freunde unterwegs, dass Gefahr drohe, und wir schlüpften unter Stacheldraht davon. Rolf Schwarz kam uns auch noch nach, aber als er unter dem Stacheldraht davonkriechen wollte, erwischte ihn ein S.S.-Mann, der ihm mit einem Gewehrkolben senkrecht über die Stirn schlug, sodass Rolf ohnmächtig liegen blieb. Daraufhin war ich überzeugt, Rolf Schwarz sei gestorben, und so erzählte ich allen unseren Kameraden. Während des Befreiungskrieges 1948 [gemeint ist der erste Nah-Ost-Krieg nach der Proklamation des israelischen Staates – K. F.] traf ich Rolf Schwarz und war verwundert, dass er noch lebte. Er erzählte mir damals und später auch andere, dass er bis zu seiner Befreiung bei Linz in Oesterreich noch 2 Monate im K.Z.-Oranienburg und dann 3 Monate im K.Z.-Mauthausen war.“[155]

Rolf Schwarz, der als etwa 10jähriges Kind Wiesbaden verlassen musste, hatte in den folgenden Jahren wie durch ein Wunder die vier Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz, Oranienburg / Sachsenhausen und auch noch Mauthausen überlebt und war nach der Befreiung nach Palästina ausgewandert und dort gleich in den nächsten Krieg geraten, den er dann auch noch lebend überstand.

Häftlingskarte aus Sachsenhausen mit Überstellungsvermerk nach Mauthausen
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Am 29. Januar 1945 war er mit der Häftlingsnummer 131063 in Sachsenhausen und Mitte Februar mit der Häftlingsnummer 132092 in Mauthausen eingeliefert worden.[156] Ob er dort befreit wurde oder – wie es in der Entschädigungsakte heißt – ihm die Flucht gelang,[157] konnte nicht geklärt werden. Auch ist nicht bekannt, auf welchem Weg und mit wessen Hilfe er dann im November 1945 nach Palästina kam, wo er den Namen Raphael annahm und wo er von seinem Onkel Dr. Siegfried Stern betreut wurde. Angesichts der Not, in der dieser damals selbst lebte, konnte er ihm aber kein Zuhause bieten.

https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/131654015?s=Rolf%20Schwarz&t=751750&p=0
Auswanderung von Rolf Schwarz 1945 über Rom nach Palästina, offenbar mit Hilfe seines Großvaters in New York

Auch hatte Rolf bisher weder die notwendige schulische, noch eine berufliche Ausbildung erfahren, die es ihm ermöglicht hätte, auf eigenen Beinen zu stehen. Er sei daher in einer sogenannten Jugendaliyah untergekommen, einer Fürsorgeeinrichtung, in der er eine landwirtschaftliche und handwerkliche Ausbildung erhielt und nebenbei auch die Möglichkeit bekam, seine allgemeinen Bildungsdefizite zu kompensieren. Er habe damals, so sein Onkel, das Bäckerhandwerk erlernt und beabsichtigt, sich später mit diesem Beruf selbstständig zu machen.

Offenbar wurden diese Pläne durch den bereits erwähnten Krieg, der am 15. Mai 1948 ausbrach und an dem Rolf Schwarz teilnahm, zunächst einmal zunichte gemacht. Auch fehlte ihm das notwendige Kapital, um seine Pläne zu realisieren. Obwohl sein juristisch beschlagener Onkel ihm auf jede erdenkliche Weise zur Seite stand, dauerte es Jahre, bis er das ihm zustehende Geld aus den Entschädigungsanträgen erhielt. So verlangten die deutschen Behörden fast zehn Jahre nach der Befreiung eine amtliche Bestätigung, dass er sich in einer finanziellen Notlage befände. Die Antwort der Sozialabteilung von Irgun vom 2. Juni 1954 gibt nicht nur Auskunft über seine tatsächliche Situation, sondern auch über sein Leben nach dem Krieg. So hatte er vom 15. Oktober 1949 bis zum 7. März 1954 im Kibbuz Mischmar Hajarden gelebt, war dann aus der Gemeinschaft ausgetreten und habe sich als Traktorfahrer über Wasser gehalten. Damals war er arbeitslos, hatte keinen eigenen Wohnraum, sondern nur einen Schlafplatz. Er besitze keinerlei Vermögen und sei dringend auf die Entschädigungsgelder angewiesen, hieß es in dem Schreiben.[158]
Wann genau er Israel verließ und welche Motive ihn dazu bewogen, ist nicht bekannt. 1956 erhielten die deutschen Behörden eine am 26. November des Jahres ausgestellte Lebensbescheinigung aus dem südafrikanischen Johannesburg.[159] Er wolle dort seine Schulausbildung beenden und das Abitur machen, ergänzte sein Anwalt.[160].

Möglicherweise hatte es ihn dorthin gezogen, weil sein leiblicher Vater Ernst Schwarz dort in der Provinz Natal die Zeit des Nationalsozialismus mehr schlecht als recht überdauert hatte. Siegfried Stern hatte bereits 1954 der Entschädigungsbehörde mitgeteilt, dass er auf Anfrage bei der Jüdischen Gemeinde in Johannesburg die Auskunft erhalten habe, Ernst Schwarz gelte dort seit 1935 – vermutlich das Jahr seiner Ankunft – als „Sozialfall“ und sei nicht in der Lage, seinen Sohn finanziell zu unterstützen.[161] Gleichwohl kann man den Wunsch des Sohnes nachvollziehen, mit seinem Vater, den er faktisch nie hatte kennen lernen können, eine Beziehung aufzubauen. Ob dies in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, gelang, ist fraglich. Am 22. Dezember 1958 kam Rolf Raphael Schwarz bei einem Autounfall ums Leben [162] – das tragische Ende eines einzigen und unfassbaren Leidenswegs.

Sein Vater verstarb fünf Jahre später am 13. September 1963 in Durban in Natal.[163]

 

Erst 1952 hatte seine Mutter von Griechenland nach Deutschland zurückkehren können, da ihr jüdische Hilfsorganisationen in Griechenland die Unterstützung wegen ihres Übertritts zum griechisch-orthodoxen Glauben verweigert hätten.[164] Sie kam damals wieder im Haus ihrer Mutter in Wiesbaden unter, konnte dort kostenfrei wohnen und erhielt von ihr auch ein kleines Taschengeld. Aber sie war weiterhin nicht in der Lage, für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Zwar erhielt sie das Rückkehrergeld von 6.000 DM,[165] aber eine Entschädigung für ihr körperliches und seelisches Leid wurde ihr in Deutschland mit dem Argument verweigert, dass dieses nicht durch NS-Behörden verursacht worden sei, sie während der Zeit der Verfolgung ja nicht in Deutschland gewesen sei.[166]

Die formelle Scheidung von ihrem zweiten Ehemann war 1954 vollzogen worden.[167] Ob es in den Jahren wieder einen Kontakt mit ihrem Sohn gab, ist nicht bekannt. Aber sein früher Tod, nachdem er mit Glück alle Lager überlebt hatte, wird sie sicher erfahren und in den letzten Jahren ihres Lebens sehr belastet haben. Zumindest verschlimmerte sich ihre psychische Erkrankung zusehends, sodass sie zuletzt auf eine behördlich angeordnete Pflegschaft angewiesen war, die ihre Interessen wahrnehmen musste. Die letzten Lebensjahre verbrachte sie in einem Alten- und Pflegeheim in Nassau, wo sie Ende 1988 mit 78 Jahren verstarb.[168]

 

Angesichts der völlig unsicheren, sogar verzweifelten Lage, in der sich alle seine Kinder zu Beginn der 40er Jahre befanden, konnten sie Ludwig Stern keine Hilfe oder Perspektive bei seinen eigenen Fluchtplänen bieten. Aber da waren noch seine Geschwister, denen es zumindest teilweise gelungen war, das rettende Ufer des amerikanischen Kontinents zu erreichen.

Derjenige, der sich seiner in erster Linie annahm, war der acht Jahre jüngere Bruder Salomon / Sally Stern, der wohl auch das notwendige Affidavit für ihn bereitgestellt hatte.

Schreiben der Jüdischen Gemeinde Frankfurt
HHStAW 519/3 26228 (1)

Unabhängig von den Erfordernissen für die Einreise in die USA, gab es auch Formalitäten der hiesigen Behörden zu erfüllen, im Besonderen in fiskalischer Hinsicht. Auch wenn man weiß, dass die Reichsvereinigung im Dienst der Gestapo stand, so bleibt es dennoch verstörend, wenn man z.B. in einem an Ludwig Stern gerichtetes Schreiben, unterzeichnet von einem Sally Hamburger im Auftrag der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, lesen muss, dass der „oben genannte Pflichtige bis heute seine bestimmungsgemäss zu zahlende Gemeinde-Abgabe nicht entrichtet“ habe – ein Grund ihm den Pass und die Möglichkeit zur Ausreise zu verweigern.[169] Ein erster Antrag vom März 1940 auf die notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigung war offenbar abgelehnt worden, aber ein Jahr später hatte Ludwig Stern wohl alle Steuerschulden beglichen und am 29. März 1941 das entsprechende Dokument erhalten.[170] Nach Sichtung seines Umzugsguts war ihm noch eine Dego-Abgabe von 100 RM auferlegt worden.[171]

Mit welchem Bangen der Großvater seinen Enkel damals in dem Heim in Frankfurt zurückließ, lässt sich nur erahnen. Ob er tatsächlich glaubte, den Zehnjährigen sicher untergebracht zu haben, als er ihn im Sommer 1941 Wiesbaden verließ, muss bezweifelt werden. Die Gründe, weshalb er ihn nicht mitnehmen konnte, sind leider nirgends präzisiert.

Die Polizei meldet der Finanzverwaltung die Emigration von Ludwig Stern in die USA
HHStAW 519/3 7804 (25)

Über die genaueren Umstände seiner Ausreise berichtete sein Sohn Siegfried im Entschädigungsverfahren: „Am 7.6.1941 flog mein Vater mit der Lufthansa von Berlin nach Barcelona, wohnte vom 7.6.41 bis 21.6.1941 im dortigen Hotel Bristol, Placa de Cataluna, was mit großen Ausgaben verbunden war, und reiste am 21.6.41 mit dem Dampfer ‚Villa de Madrid’ über Gibraltar und Lissabon nach New York, wo er schwer erkrankt ankam und zuerst in Quarantäne und dann wochenlang im Krankenhaus liegen musste.“[172]

Einbürgerungsantrag von Ludwig Stern in den USA
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6783746:2280?tid=&pid=&queryId=c6cc6ac0-b20b-4e22-a974-fc526c78e954&_phsrc=svo4455&_phstart=successSource

In den USA habe sein Vater, der inzwischen das 75ste Lebensjahr überschritten hatte, nicht mehr gearbeitet, auch nie eine Einkommensteuererklärung abgegeben. Er sei dort im Wesentlichen von seinen beiden wohlhabenden Brüdern Salomon und Max finanziell unterstützt worden. Noch bevor Hitler geschlagen war und die alliierten Truppen Deutschland befreit hatten, verstarb Ludwig Stern am 14. Dezember 1944 in New York.[173]
Seine Habe, die nicht allzu groß gewesen sein dürfte, hatte er seinem Bruder Sally vermacht, der aber zu Gunsten seines Neffen Siegfried Stern in Israel auf alles, auch auf Zahlungen aus den laufenden Entschädigungsverfahren, verzichtete.[174]

Ob Dr. Siegfried Stern, der all die Jahre in Israel in größter finanzieller Not gelebt hatte, noch Geld aus dieser Erbschaft bzw. Schenkung erhalten hatte, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. In einem Vermerk der Entschädigungsbehörde vom 28. Februar 1969 heißt es:

In der Entschädigungssache nach Ludwig Stern wurden dem Antragsteller Dr. Siegfried Stern mit Bescheid vom 6.7.19 (El. 27 d.A.) für Schaden im beruflichen Fortkommen ein Vorschuß in Höhe von 7.000.- DM sowie 20.- DM für eine geleistete Dego-Abgabe zuerkannt. Der Entschädigungsanspruch des Erblassers ist begründet, leider ist jedoch der Antragsteller nicht legitimiert. Er ist zwar ein Sohn aus erster Ehe des Erblassers, der Erblasser ist jedoch lt. Erbschein des Amtsgerichts Wiesbaden vom 26.3.1958 – Az.: VI 333-34/58 -von seinem Bruder Solomon Stern auf Grund Testaments allein beerbt worden (Bl. 38 d.A.). Solomon Stern war zugleich Testamentsvollstrecker (El.39 d.A.). Er hat seine Erbansprüche schenkungsweise durch eidesstattliche Versicherung vom 24.4. 1950 (B1.5 d.A.) an seinen Neffen, den Antragsteller Dr. Siegfried Stern, abgetreten, der Abtretung fehlt jedoch die nach § 518 BG-B vorgeschriebene Form (gerichtliche oder notarielle Beurkundung). Sowohl der Antragsteller als auch der abtretende Solomon Stern sind inzwischen verstorben (Bl. 74, 104 d.A.). Von den Erben wurden Anträge nicht gestellt.“[175]

Das war 25 Jahre nach dem Tod von Ludwig Stern, zehn Jahre nach dem Tod von Siegfried Stern und sechs Jahre nach dem Tod von Sally Stern. Offenbar war aber Geld an die Erben gegangen, denn in einem Nachsatz des Beamten heißt es: „Herrn RD Baumbach mit der Bitte um Prüfung, ob Niederschlagung möglich ist oder der gestellte Entschädigungsbetrag von den Erben zurückgefordert werden kann.“[176] Der Wortlaut dieses Nachsatzes muss erschrecken: 1969, als man doch allmählich begann, sich in Deutschland mit der braunen Vergangenheit auseinanderzusetzen, sinniert ein Beamter, der den Opfern Entschädigung zukommen lassen sollte, nicht darüber, ob der geleistete Betrag von den Nachkommen zurückgefordert werden muss, sondern ob er zurückgeforderte werden „kann“, d.h. letzteres war sein eigentliches Ziel. Es ging nicht um Geld, dass diesen unrechtmäßig zuerkannt worden war, weil sie falsche Angaben oder Ähnliches gemacht hatten, sondern weil ein Stempel fehlte. Wie die Sache ausging, ist der Akte nicht zu entnehmen, welcher Geist aber noch am Ende der sechziger Jahre in deutschen Amtsstuben herrschte, sehr wohl!

 

Das Schicksal der Geschwister von Bertha Stern, geb. Mayer

Aber nicht nur die Geschwister seines Vaters verzichteten auf ihre Erb- bzw. Entschädigungsanteile zugunsten von Siegfried Stern in Israel, sondern auch die Geschwister seiner früh verstorbenen Mutter und deren Nachkommen. Ihr Schicksal kann im gegeben Rahmen nur knapp dargestellt werden, obgleich die Familie wesentlich mehr Opfer zu beklagen hatte, als die der Sterns.

Jacob Hirsch Mayer, der Vater von Bertha Stern
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Bina Mayer, geb. Oppenheimer, die Mutter von Bertha Stern
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Bertha Stern, geborene Mayer, hatte vier Schwestern, von denen nur eine den Holocaust überlebte. Betty, die älteste, geboren am 8. Juli 1881 in Rodheim v. d. H.,[177] hatte Deutschland mit ihrem Mann Hugo Rothschild, den sie am 5. April 1908 in ihrem Geburtsort geheiratet hatte,[178] rechtzeitig verlassen, war aber damals nur in das benachbarte Holland geflohen. Dort war ihr Mann schon am 25. Juni 1934 in Haarlem verstorben.[179] Sie selbst wohnte später mit ihrer am 2. April 1911 in Frankfurt geborenen Tochter Johanna Channa und deren Ehemann Bernard Noach Loopuit, geboren am 17. Oktober 1894,[180] in dessen Geburtsstadt Amsterdam in der Waalstraat 41 II, als man sie abholte und in das Sammellager Westerbork brachte. Am 13. Juli 1943 wurde zunächst die Tochter und der Schwiegersohn, genau eine Woche später die Mutter von dort in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.[181] Zwei weitere Kinder überlebten den Holocaust. Der promovierte Lehrer Dr. Jacob Rothschild, selbst Vater dreier Kinder, in Palästina;[182] Tochter Bertha, verheiratete Plaut und Mutter einer um 1948 geborenen Tochter, lebte nach dem Krieg wieder in Amsterdam. Ob sie dort auch die Jahre der Verfolgung überstanden hatten, konnte nicht ermittelt werden.[183] Überlebt hatten aber auch die beiden Kinder von Johanna und Bernhard Loopuit. Chawa Margot war während der deutschen Besatzung von holländischen Christen versteckt worden. Sie wanderte nach dem Krieg nach Israel aus und fand ein neues Zuhause in Tel Aviv. [184] Ihre Schwester Betty Hadassa war nach der Flucht der Eltern am 2. August 1939 in Amsterdam geboren worden. Auch sie verdankte ihr Überleben Mitgliedern der reformierten Kirche in Holland, die sie vor ihren Verfolgern versteckten. Sie blieb auch nach dem Ende des Krieges bei ihren Adoptiv- bzw. Pflegeeltern in Aasen und nahm auch deren Glauben an.[185]

 

Rosalie, geboren am 18. Mai 1883 in Rodheim, war zu einem nicht bekannten Datum die Ehe mit Ludwig Maier eingegangen. Bevor die Ehe wieder geschieden wurde, war am 6. Oktober 1913 die Tochter Ilse geboren worden.[186] Sie war die einzige Überlebende dieses Familienzweiges und lebte nach dem Krieg, vermutlich aber auch schon zuvor, in Windhoek im heutigen Namibia. Sie war verheiratet und Mutter zweier Kinder, geboren um 1941 und 1944.[187] Ilses Mutter Rosalie war mit dem aus ihrem Heimatort stammenden, am 27. Dezember 1880 geborenen Emil Stern am 15. April 1920 eine zweite Ehe eingegangen.[188] Am 1. März 1921 bekam Ilse einen Halbbruder namens Jacob, der, zuletzt wohnhaft in Frankfurt, am 5. Januar 1939 in die Niederlande zu seiner Tante Betty Rothschild flüchtete,[189] nachdem er im Zuge der Reichspogromnacht verhaftet und noch als Schüler in das KZ Buchenwald eingeliefert worden war.[190]

Das Dommelhuis in Eindhoven
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Aber vermutlich konnte er bei der Tante nicht bleiben, fand aber eine Unterkunft im Dommelhuis in der Nähe von Eindhoven,[191] wo er erkrankte und so verzweifelt war, dass er zweimal versuchte, sich das Leben zu nehmen. Im April 1939 wurde er in ein Sanatorium in Hilversum überstellt. Dort erkannte man, dass seine Erkrankung eine Operation erforderte. Im Januar 1941 verlegte man ihn nach Amsterdam in das A.C. Wertheim Huis.[192] Wann er von dort über Westerbork nach Auschwitz deportiert wurde, ließ sich nicht mehr exakt feststellen, aber sein Tod ist im Gedenkbuch von Auschwitz mit dem 13. Februar 1943 angegeben.[193]
Seine Eltern waren schon mit dem Transport XII/3 am 15. September 1942 von Frankfurt aus nach Theresienstadt deportiert worden.[194] Seiner Mutter gelang es fast eineinhalb Jahre dort zu überleben. Am 12. Februar 1944 wurde sie ein Opfer der dortigen Verhältnisse. Seinen Vater brachte man am 9. Oktober 1944 noch in das Vernichtungslager Auschwitz, in dem auch sein Sohn sein Leben verloren hatte. Von Emil Stern ist nur bekannt, dass er dort an einem nicht mehr feststellbaren Tag ermordet wurde.[195]

 

Während ihre Schwestern heirateten und ihren Heimatort verließen, war die schwerhörige und ledige Lea auch nach dem Tod der Eltern in Rodheim geblieben. Sie war dann dort das Opfer des Nazi-Mobs geworden, der am 10. November 1938 in das Haus eindrang, nicht nur wertvolle Gegenstände und Schmuck raubte, sondern auch Wertpapiere und Schuldscheine verbrannte. Um an den Schlüssel des Kassenschrankes zu kommen, scheuten die Männer nicht davor zurück, Lea schwer zu misshandeln.[196] Zwar nicht deshalb, sondern weil sie wohl einen Teil der Beute unterschlagen hatten, wurden sie sogar noch von der NS-Justiz belangt. Nach diesen Ereignissen verließ Lea Rodheim und zog nach Frankfurt zur Familie ihrer Schwester Rosalie in die Uhlandstr. 50, wo sie nur noch eine kleine Stube mit Bett und Schrank bewohnte. Die gesamte Einrichtung des Elternhauses war zurückgeblieben und von der Finanzverwaltung später zu Geld gemacht worden. Insgesamt soll das geraubte Gut einen Wert von etwa 50.000 RM gehabt haben. Schon vor der Reichspogromnacht hatten die Geschwister Teile des landwirtschaftlichen Besitzes verkauft bzw. waren zum Kauf genötigt worden.[197]

In den Transport, mit dem am 10. Juni 1942 372 Wiesbadener Jüdinnen und Juden nach Majdanek bzw. Sobibor deportiert wurden, musste am 11. Juni in Frankfurt mit vielen anderen aus dem ganzen Regierungsbezirk Wiesbaden auch Lea Mayer zusteigen. Da nur arbeitsfähige Männer in Lublin zum Einsatz in Majdanek selektiert wurden, ging für sie, wie die meisten anderen, die Fahrt weiter in das Vernichtungslager Sobibor, wo sie unmittelbar nach der Ankunft in einer der Gaskammern ermordet wurde.[198]

 

Das Grab von Johanna und Max Rothenberger in Kalifornien
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Die einzige der vier Schwestern, die die Shoa überlebte, war Johanna, geboren am 5. 3. 1889 ebenfalls in Rodheim v. d. H.[199] Sie hatte am 29. Mai 1912 in ihrem Heimatort Max Rothenberger geehelicht, der am 28. November 1884 im hessischen Gedern als Sohn von Siegmund und Esther Rothenberger zur Welt gekommen war.[200] Die beiden, deren Ehe kinderlos geblieben war, betrieben in Gedern eine Geflügelfarm.[201] Im April 1937 waren sie zusammen mit der Familie des Bruders von Max, mit Julius, Clara und der Tochter Hilde, von Southampton aus in die USA ausgewandert und hatten sich danach in Kalifornien niedergelassen.[202] Dort verstarben beide, Max am 5. Mai 1955, seine Frau Johanna am 28. Juni 1959. Beide liegen auf dem Friedhof von San Mateo begraben.[203]

 

Die Geschwister von Ludwig Stern

Salomon Stern, der seinem Bruder den Weg in die USA geebnet und ihn dort auch unterstützt hatte, war selbst mit seiner Frau Mattie und der Tochter Karoline am 18. März 1938 auf dem Schiff „S.S. Manhattan“, das viele Flüchtlinge über den Atlantik gebracht hatte, in New York angekommen.[204] Ihr Sohn Peter war bereits ein Jahr zuvor am 10. Juni 1937 mit dem gleichen Schiff dort gelandet.[205] Ein Schwager von Mattie in Idaho diente ihnen auf der anderen Seite des Ozeans als Kontaktperson.

Auswanderung der Familie von Salomon Stern
https://www.familysearch.org/ark:/61903/3:1:33S7-95N4-S3W?cc=1923888&i=580

Die Familie ging aber nicht in den Mittleren Westen, sondern blieb in der Metropole am Hudson, wo Salomon Stern 1940 zunächst als Buchhalter in der Druckereibranche tätig war. Aus der Volkszählung des Jahres 1940 erfährt man auch, dass die Familie wieder zusammen wohnte und auch der Sohn, der im Februar 1942 für die Army registriert worden war, im Druckereigewerbe arbeitete.[206] Beim nächsten Zensus zehn Jahre später war die Tochter ausgezogen, aber der Vater schon zum Versicherungsagenten aufgestiegen.[207] Offenbar war es ihm gelungen, in diesem Beruf zu einem gewissen Wohlstand zu kommen, der ihm und seiner Familie das Leben im Exil trotz aller Verluste in der früheren Heimat erträglich machte.
Sally Stern verstarb am 20. August 1963,[208] seine Frau Mattie mehr als 30 Jahre später am 2. Dezember 1995 in ihrem 100sten Lebensjahr in Wilmington, Delaware.[209]

Einbürgerungsantrag von Max Stern in den USA
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6703083:2280

Vermutlich hatte Salomon Stern seine Karriere in der Versicherungsbranche im Unternehmen des Bruders Max gemacht. 1928 war dieser in Würzburg noch mit dem Titel eines Kommerzienrats geehrt worden, knapp zehn Jahre später wurde er angezeigt, weil er angeblich einen SA-Führer missbilligend angeschaut hatte. Bald danach kehrte er 1938, nachdem er seine Firma und seine verschiedenen Immobilien in Würzburg verkauft hatte, mit seiner fünfköpfigen Familie seiner Heimatstadt den Rücken und emigrierte ebenfalls in die USA. Zwar kam die Familie am 15. Oktober 1938 mit dem Schiff ‚Nieuw Amsterdam’ auch in New York an, aber anders als sein Bruder Samuel, den er als Kontakt in den USA angegeben hatte,[210] zog er zunächst auf die andere Seite des Kontinents und ließ sich in San Franzisko nieder.[211]

Max Stern
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Todesanzeige für Toni Stern

Wann er wieder an die Ostküste zurückkehrte, konnte nicht ermittelt werden, aber in dem weltbekannten Versicherungskonzern, der ‚Prudential Insurance Corp.’ machte er dann in New York als eine von dessen Führungskräften Karriere. Am 27. August 1956 verstarb er 73jährig in New York, seine Frau Toni hatte das neunzigste Lebensjahr vollendet, als sie am 24. November 1990 ebenfalls in der Metropole am Hudson River verstarb.[212]
Fast 60 Jahre nach dem Ende des Kriegs erinnerte sich die Stadt an ihren großen Sohn, den sie einst aus seiner Heimat vertrieben hatte. Der Bibliothekskeller der juristischen Fakultät, der heute als Aufenthaltsraum und Ort für Vorträge dient, erhielt seinen Namen.[213]

Auch dem jüngsten Bruder Alfons gelang die Flucht aus Deutschland. Er war sogar der erste, der das Land verließ, nachdem Hitler zur Macht gekommen war. Bereits im Mai 1933 soll er sich auf die Baleareninsel Mallorca abgesetzt haben.[214] Dort blieb er aber vermutlich nur etwa ein Jahr. Vielleicht waren es die zunehmenden Spannungen zwischen linken und rechten Gruppierungen, die, nachdem 1931 die Zweite Republik ausgerufen worden war, als Vorboten des kommenden Bürgerkriegs ihn zur Weiterreise nach Portugal veranlasst hatten. In Lissabon verbrachte er, der ledig geblieben war, die Epoche des Faschismus in Europa.[215] Keine eindeutige Information liegt über den Ort seines Todes am 26. Dezember 1957 vor. Möglicherweise starb er – so die Angabe von Familienangehörigen – auf dem Flugplatz in Lissabon, beerdigt wurde er aber auf dem jüdischen Friedhof in Karlsruhe.[216]

Ludwig Homburger informiert die Devisenstelle über seinen kurzfristigen Aufenthalt in Wiesbaden
HHStAW 519/3 343 (2)

Der mögliche Hintergrund dafür, ist vielleicht darin zu suchen, dass Mitglieder der Familie seiner ältesten Schwester Selma, die um die Jahrhundertwende dort mit dem Kaufmann Ludwig Homburger verheiratet war, der zwar selbst im Finanzsektor tätig war, dessen Vater Julius ebenfalls ein bedeutendes Weinhandelsunternehmen begründet hatte.[217] Das Ehepaar wurde 1940 sogar in Wiesbaden aktenkundig, da nach der Räumung der sogenannten Roten Zone auch die Einwohner von Karlsruhe bei Kriegsbeginn gezwungen waren, sich vorübergehend eine andere Bleibe zu suchen. Homburgers kamen damals bei Ludwig Stern in der Schlichterstr. 10 unter. Die Gestapo legte sogar eigens eine Karteikarte für sie an. Auch die Devisenstelle in Frankfurt wurde aktiv und verfügte eine Sicherungsanordnung. Ludwig Homburger setzte die Behörde daraufhin in Kenntnis, dass sie nur vorübergehend in Wiesbaden bleiben und sie ihren dauernden Wohnsitz weiterhin in Karlsruhe behalten würden.[218] Im Juni 1940, nach der gelungenen Offensive im Westen durften die Bewohner der geräumten Gebiete wieder zurückkehren. Dem Paar waren die beiden Kinder Hertha Julia und Siegfried geboren worden, die Tochter am 5. August 1900, der Sohn am 9. April 1903, beide in Karlsruhe.[219]

Als die Eltern nach Wiesbaden kamen, müssen die Kinder bereits ausgereist sein, denn der Tochter Hertha wurde schon am 10. Dezember 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen.[220] Sie war damals schon mit Otto Nachmann, einem Karlsruher Unternehmersohn verheiratet und lebte mit ihrem Mann in Frankreich im Untergrund. Ihrem am 24. August 1925 in Karlsruhe geborenen Sohn Werner hatten sie vermutlich zunächst bei den Eltern in Karlsruhe zurückgelassen.

Diese wurden mit einer Reihe andere Familienmitglieder der Homburgers bald nach ihrer Rückkehr aus Wiesbaden Opfer der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“, bei der im Oktober 1940 etwa 6500 Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz nach Gurs deportiert wurden. Am 30. April 1941 wurden sie aus Gurs entlassen und konnten nach Forcalquier im Departement Basses Alpes gelangen, wo Hertha mit der Familie ihres Mannes sich versteckt hielt. Auch Werner Nachmann, der damals ebenfalls in Gurs interniert gewesen sein muss, konnte dorthin geholt werden. Dort scheinen sie alle die Jahre bis zur Befreiung irgendwie überlebt zu haben.[221] Im Juni 1946 konnten Selma und Ludwig Homburger mit einem Schiff von Marseille aus den Hafen von New York ansteuern.[222]

Überfahrt von Selma und Ludwig Homburger nach dem Ende des Krieges in die USA
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3037580656:7488.

Ihr Sohn Siegfried, von Beruf Versicherungsagent war nach England geflohen, wo er zunächst im Internierungslager Kitchener festgehalten wurde,[223] aber dann am 7. April 1940 doch in die USA ausreisen durfte.[224] Als Kontakt gab er seinen Onkel Max Stern an, der ihm im Versicherungswesen sicher Arbeit verschaffen konnte. Siegfried Homburger verstarb am 18. Juni 1972 in New York.[225]

Sterbeurkunde von Selma Homburger
https://images.findagrave.com/photos/2024/155/137924144_47d4bedc-0899-43e8-a247-d0105a799b85.jpeg
Das Grab von Ludwig und Selma Homburger in Paramus / New Jersey / USA
https://de.findagrave.com/memorial/137924144/selma_homburger

Auch die Eltern wurden in den Vereinigten Staaten begraben, Ludwig Homburger 1954 und Selma 1965. Verstorben war Selma aber am 4. Oktober in Deutschland bei einem Besuch ihres Enkels Werner Nachmann, dessen Eltern nach der Befreiung nach Deutschland zurückgekehrt waren und eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde in Karlsruhe spielten, eine Rolle, die nach dem Tod von Ludwig Homburger im Jahr 1961sein Sohn Werner übernahm.[226] Die sterblichen Überreste seiner Großmutter wurden damals zurück in die Vereinigten Staaten überführt, sodass sie mit ihrem Ehemann eine gemeinsame Ruhestätte finden konnte.[227]

Wenig weiß man über die Familie von Siegfried Stern, der noch in Würzburg geheiratet und 1908 den Sohn Josef Walter bekommen hatte. Im Jahr 1923 soll sie nach Darmstadt gezogen sein, wo sich damals ein Siegfried Stern in der Jüdischen Gemeinde, im Besonderen im Minjan-Verein, engagierte.[228] Zwar ist nicht gesichert, dass der in Darmstadt in diesem Zusammenhang genannte Siegfried Stern, auch der aus Würzburg zugezogene war, belegt ist aber, dass dieser, wie auch sein Sohn, vor ihrer Emigration zuletzt in Darmstadt in der Frankfurter Str. 50 und der Bleichstr. 15 wohnten. Die Identität der beiden Siegfried Sterns liegt daher zumindest nahe.

Wann die Familie nach Palästina emigrierte, ob zusammen oder getrennt, konnte nicht ermittelt werden. Es muss aber nach 1938 gewesen sein, denn der Sohn beantragte nach dem Krieg für seinen Vater die Rückerstattung der gezahlten Judenvermögensabgabe in Höhe von 5.400 RM und der Reichsfluchtsteuer in der Höhe von 4.115 RM. Vermutlich war er aber bald nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald, in dem er nach dem Novemberpogrom vom 11. bis zum 24. November inhaftiert worden war, emigriert.

Karteikarte aus dem KZ-Buchenwald für Siegfried Stern
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0785/52326311/001.jpg

Siegfried Stern verstarb am 8. September 1946 in Jerusalem,  über den Tod seiner Frau gibt die schmalen Entschädigungsakte keine Auskunft.

Wann sein Sohn Palästina verließ, ist ebenfalls nicht bekannt. 1957 stellte er den bereits erwähnten Entschädigungsantrag für seinen Vater. Damals lebte er im kanadischen Winnipeg. Aber vermutlich war er später noch in die USA verzogen, denn er verstarb am 25. Februar 1981 in Broward in Florida.[229]

 

Aber nicht allen Geschwistern von Ludwig Stern gelang es, den Fängen der Nazi-Häscher zu entkommen.

Von Fanny ist nur bekannt, dass sie deportiert wurde, wohin und wann, kann man nur vermuten. Die Jahre davor waren gezeichnet von Bangen und Hoffen. Immerhin hatten sich die Kinder alle nach Palästina retten können, aber die Eltern zögerten zu lange mit diesem Schritt. Und dann als ihr Mann Louis Grebenau am 16. September 1939 starb,[230] war Fanny plötzlich völlig allein auf sich gestellt. Als kurz darauf die Devisenstelle eine Sicherungsanordnung gegen sie erwirkte und ihr nur noch 200 RM als Freibetrag für den Lebensunterhalt bewilligen wollte, wohnte sie in der Grünestr. 30.[231] Die geforderte Vermögens- und Einkommenserklärung füllte sie Ende Dezember 1939 aus. Noch besaß sie knapp 13.000 RM in Form von Wertpapieren und einem kleinen Guthaben auf ihrem Konto. Die Erträge davon beliefen sich auch etwa 600 RM im Jahr, d.h. 50 RM pro Monat hätte sie ausgeben können, wenn sie nicht von der Substanz ihres kleinen Vermögens leben wollte. Aber dazu war sie unweigerlich gezwungen.[232] Sie bat darum, ihr wenigsten monatlich 300 RM freizugeben, da sie in einer Pension leben müsse, für die allein sie 185 RM monatlich aufbringen müsse, hinzu kämen Kosten für Kleidung und ihrem Alter entsprechende Heil- und Pflegekosten.[233]
Die Einmietung in einer Pension, begründete sie damit, dass sie bald auszureisen beabsichtige. Und tatsächlich reichte sie am 15. Januar 1940 bei der Devisenstelle die Reisegepäcklisten zur Prüfung ein. In vier Wochen, so gab sie an, wolle sie nach Palästina zu ihren Kindern emigrieren. Auch gab sie an, noch immer ein Vermögen von etwa 12.000 RM zu besitzen.[234] Im Februar waren die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Stadt und des Finanzamts Frankfurt eingegangen und im März war sie nach Prüfung ihres Gepäcks verpflichtet worden, 550 RM als Dego-Abgabe für neuwertige Güter in ihrem Gepäck zu zahlen.[235]

HHStAW 519/3 31931 (50)
HHStAW 519/3 31931 (48)

Eigentlich hatte sie vor, Kleidung ihres verstorbenen Mannes mit nach Palästina zu nehmen, um sie ihren Verwandten zu geben. Das wurde ihr nicht erlaubt. Sie musste den größten Teil bei der Jüdischen Gemeinde Frankfurt abgeben.

Im Gepäck befand sich auch eine beträchtliche Anzahl Bücher, die in einer 5-seitigen Liste detailliert aufgeführt waren, darunter neben der großen Zahl an Judaica auch eine Reihe mit medizinischem Inhalt. Fanny Grebenau war krank, psychisch krank, hatte schon einige Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten verbracht, und im Oktober 1940 war bei ihr eine Depression diagnostiziert worden. Ob dafür eine „debile Konstitution“ verantwortlich war, wie der unterzeichnende Arzt meinte, oder die Leidenserfahrung der vergangenen Jahre, sei dahingestellt.[236]

Pfändungsbeschluss gegen Fanny Grebenau
HHStW 473-4 !01 (o.P.).

Im Mai 1940 war gegen sie noch eine Anklage wegen der Nichtangabe von völlig wertlosen Münzen, Perlen und Löffeln erhoben worden. Auch hatte ihr Mann zwei Lebensversicherungen dem Finanzamt nicht gemeldet und Fanny als seine Witwe sollte dafür die entsprechende Strafe zahlen. Diese Vorwürfe, verbunden mit verschiedenen Verhören, werden ebenfalls zur ihrer akuten nervlichen Krise beigetragen haben. Am 1. Juli 1940 wurde sie zur Zahlung von insgesamt etwa 1.700 RM verurteilt, ein Betrag, der im November 1940 bei ihr gepfändet wurde.[237]

Möglicherweise war der Prozess der Grund dafür, dass der schon weit fortgeschrittene Auswanderungsplan letztlich doch noch scheiterte. Vielleicht fehlte ihr am Ende auch einfach nur die Kraft, diesen letzten Schritt noch zu tun. Möglicherweise hatte sie sich am Schluss selbst aufgegeben. Wer könnte es ihr verdenken.
Zuletzt muss Fanny Grebenau noch in die Goethestr. 9 umgezogen sein, denn mit dieser Anschrift antwortete sie auf eine Anfrage der Devisenstelle vom September 1941, ob sich in ihren Lebensumständen inzwischen etwas geändert habe. Im März 1942 wollte die Behörde, die ihren Tod schon längst eingeplant hatte, noch einmal wissen, für was sie monatlich in welcher Höhe Geld ausgeben würde. Sie hatte sich inzwischen soweit eingeschränkt, dass sie mit 215 RM zurecht kam.[238] Ein unverhohlener Zynismus ist ganz sicher gegeben, wenn die Devisenstelle daraufhin den Freibetrag auf 220 RM setzte, 5 RM über dem Bedarf – zwei Monate bevor sie in den Tod deportiert werden sollt.[239] Am 29. Mai 1942 wurde die Akte geschlossen, da Fanny Grebenau inzwischen „evakuiert“ worden war.

Es gibt keine Deportationsliste, auf der ihr Name steht, allerdings kann man aus dem Datum, an dem die Devisenakte geschlossen wurde, auf den Transport schließen, der sie in den Tod beförderte. Meist geschah dies etwa zwei bis drei Wochen nach der „Evakuierung“. Zwei Transporte aus Frankfurt kommen daher in Frage, die beide das Ziel Izbica im Generalgouvernement hatten. Ein Transport verließ Frankfurt mit etwa 940 Insassen am 8. Mai 1942, der folgende am 24. Mai 1942 mit wenig mehr Opfern.[240] Da die Akte von Fanny Grebenau am 29. Mai geschlossen wurde, kommt der zweite Transport kaum in Frage. Man wird daher davon ausgehen können, dass sie am 8. Mai mit dem Zug „Da 33“ von der Großmarkthalle zunächst nach Lublin, von dort weiter in das Ghetto Izbica gebracht wurde. Wann genau sie dort unter den unmenschlichen Bedingungen zu Grunde ging, war aber nicht mehr zu ermitteln.[241]

Vermutlich kam auch ihr älterer Bruder Adolf im Ghetto Izbica ums Leben.[242] Seine Lebensgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ist bisher nur vage recherchiert. Er soll 1935 seinen Weinhandel zwangsweise aufgegeben haben, was aber mit der Kunsteisfabrik geschah, ist zumindest in den bekannten Lebensbeschreibungen nicht überliefert. Möglicherweise lief sie auf den Namen seiner nichtjüdischen Frau. Diese habe sich – so heißt es – von ihrem Mann trennen wollen und 1939 die Scheidung eingeleitet. Wann sie rechtskräftig wurde, wodurch er seinen vagen Schutzstatus verlor, ist nicht bekannt.
Adolf Stern soll sich in dieser Zeit bemüht haben, nach Amerika bzw. Kuba auszuwandern, was aber aus bisher nicht geklärten Gründen scheiterte. Ab 1940 wohnte er in dem ehemaligen jüdischen Altersheim in der Würzburger Konradstr. 3, das inzwischen zum Judenhaus umfunktioniert worden war und leistete als Straßenreiniger Zwangsarbeit im Dienste der Stadt. Sein Monatslohn von 65 RM reichte bei weitem nicht aus, um die geforderte Miete im Judenhaus zu begleichen, sodass er gezwungen war, seinen Lebensunterhalt von seinem noch vorhandenen Vermögen zu finanzieren. Wegen nicht deklarierter bzw. nicht abgegebener Wertsachen wurde auch er in ein Strafverfahren verwickelt, durch das ihm eine Buße von 510 RM auferlegt wurde.
Möglicherweise wegen einer Herzerkrankung wurde er von der Zwangsarbeit bei der Straßenreinigung freigestellt und durfte Dienst bei der Jüdischen Gemeinde leisten, zunächst auf dem Friedhof, dann als Pförtner im Israelischen Pfründnerhaus.

Adolf Stern auf der Deportationsliste vom April 1942
https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01020101/0005/121837199/001.jpg

Vermutlich wurde er deswegen auch zum Ordner für den Transport ernannt mit dem die noch in Mainfranken lebenden Juden am 25. April 1942 in den Osten verbracht wurden. Der Transport umfasste insgesamt 955 Personen, die weitgehend in den Tagen zuvor durch „Auskämmung“ aus den verschiedensten Ortschaften Mainfrankens nach Würzburg gebracht worden waren. Die Städte selbst waren inzwischen weitgehend „judenfrei“. Für die aufwändige, mehrtägige Sammelaktion bedurfte es vermutlich einer großen Zahl von Hilfskräften, die die jüdische Gemeinde selbst zu stellen hatte. Einer von ihnen war Adolf Stern. Am 25. April verließ der Sonderzug „Da 49“ den Würzburger Güterbahnhof mit zunächst 852 Jüdinnen und Juden, weitere 103 wurden in Bamberg noch „zugeladen“, mit dem Ziel Distrikt Lublin. Nach drei Tagen – die Stationen auf dem Weg sind Dank eines Tagebuchs von einem der Wachmänner genau zu rekonstruieren – erreichte der Zug die Kreisstadt Krasnystaw an der Bahnstrecke Lublin – Lemberg.

Ortsschild Krasnystaw mit deutschen Wehrmachtssoldaten
https://www.holocausthistoricalsociety.org.uk/contents/ghettosj-r/krasnystaw.html

Dieser Transport aus Würzburg war der einzige überhaupt, der diesen Bahnhof 18 Kilometer entfernt vom Ghetto Izbica angesteuert hatte. Aber auch Krasnystaw hatte mit einem etwa 17prozentigen jüdischen Bevölkerungsanteil ein eigenes Ghetto, das aber 1942 aufgelöst wurde. Alle seine noch vorhandenen Bewohner wurden damals nach Izbica verbracht. Ob Adolf Stern schon in Krasnystaw oder in Izbica ermordet wurde, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen.

Stolperstein für Adolf Stern in Würzburg
https://api.stolpersteine-wuerzburg.de/victims/214/media/Stone_214_Stern_Adolf2Josef.jpg

Auf dem vor seinem früheren Wohnhaus in Würzburg in der Schweinfurter Str. 36 verlegten Stolperstein ist Izbica eingraviert und auch im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz ist das dortige Ghetto als Ort seines Todes angegeben.[243]

 

 

 

 

Veröffentlicht: 22. 08. 2024

 

 

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Anmerkungen:

 

[1] Strätz, Würzburger Juden, S. 598.

[2] https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/195-allersheim-unterfranken-bayern. (Zugriff: 20.8.2024).

[3] https://www.alemannia-judaica.de/allersheim_synagoge.htm. (Zugriff: 20.8.2024).

[4] https://www.geni.com/people/Efraim-Stern/6000000003240956339?through=6000000037474656972. (Zugriff: 20.8.2024).

[5] https://www.geni.com/people/Salomon-Seligman-Salman-Stern/6000000009785085035?through=6000000010131813210. (Zugriff: 20.8.2024).

[6] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31250&friedhofsquelle=1181. (Zugriff: 20.8.2024).

[7] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31257&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024). In einem nervenärztlichen Gutachten, das im Jahr 1940 für ihre Tochter Fanny erstellt wurde, heißt es, dass deren Mutter, also Karoline Stern später „geisteskrank gewesen sein soll“. Mit solchen Diagnosen waren die NS-Ärzte schnell zur Hand, weshalb diese Angabe mit sehr viel Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen ist. Siehe HHStAW 474-4 1001 (o.P.).

[8] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/16204498:60913. (Zugriff: 20.8.2024).

[9] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31250. (Zugriff: 20.8.2024).

[10] Strätz, Würzburger Juden, S. 596.

[11] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31275. (Zugriff: 20.8.2024).

[12] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=24842&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[13] Geburtsjahr nach Eingravierung auf seinem Grabstein, siehe https://de.findagrave.com/memorial/137924143/ludwig-homburger. (Zugriff: 20.8.2024), Heiratsjahr nach https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=24840. (Zugriff: 20.8.2024).

[14] Geburtsregister Karlsruhe 1719 / 1900.

[15] Geburtsregister Karlsruhe 854 / 1903.

[16] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31340&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[17] https://wuerzburgwiki.de/wiki/Hirschbr%C3%A4u_(Rottendorf). (Zugriff: 20.8.2024)

[18] Heiratsregister Reinheim 17 / 1907. Hilde Naumann war am 11.1.1886 in Reinheim als Tochter des Kaufmanns Simon Neuman und seiner Frau Rosa, geborene Haas, zur Welt gekommen, Geburtsregister Reinheim 3 / 1886.

[19] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31358. (Zugriff: 20.8.2024).

[20] Z.B. https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/10022909:1631?tid=&pid=&queryId=e41d630d-c49d-437b-add8-40a8cdb79b58&_phsrc=svo4651&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024)

[21] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/10386402:1631?tid=&pid=&queryId=a626788d-0bf6-45d9-9e9c-10232ca46889&_phsrc=svo4653&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024)

[22] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/4344200:1631?tid=&pid=&queryId=5454f396-5aa5-4ff9-97b9-639dd9619ed9&_phsrc=svo4677&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024).

[23] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31156&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[24] Unklarheiten gibt es im Hinblick auf des Heiratsdatum: Laut https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=23393 (Zugriff: 20.8.2024) fand die Heirat im Jahr 1904 statt. Auch wenn hier kein exaktes Datum genannt ist, so ist diese Jahresangabe die vermutlich richtige. In Prozessunterlagen aus dem Jahr 1941, HHStAW 474-4 101 (o.P.), heißt es demgegenüber die Ehe sei am 10.11.1905 geschlossen worden. Das wäre 6 Tage nach der Geburt des ersten Kindes gewesen. In der Sterbeurkunde Frankfurt 1119/V / 1939 ist dann das Datum 22.12.1914 angegeben. Der entsprechende Heiratseintrag soll die Nummer 706 / 1914 in Würzburg haben. Dem muss insofern ganz sicher ein Irrtum zu Grunde liegen, weil beim Tod des ersten Kindes Josef Herbert, Sterberegister Frankfurt 568 / 1908, die Mutter bereits als Ehefrau von Louis Grebenau bezeichnet wird. Seine Eltern waren Karl und Auguste Grebenau, geborene Schottenfels, aus Hanau.

[25] Es handelt sich um folgende Nachkommen: Josef Herbert, geboren am 4.11.1905; Auguste, geboren am 9.5.1907; Carl, geboren am 27.6.1909; Hedwig, geboren am 24.9.1910 und Rosy, geboren am 28.3.1912. Der erstgeborene Josef Herbert verstarb am 2. Mai 1908 im Alter von nur zwei Jahren, siehe Sterberegister Frankfurt 568 / 1908.

[26] Zu ihm siehe https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31328&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[27] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/16204496:60913?tid=&pid=&queryId=3f230c65-30f7-4b0b-81ec-8d0d09e5a3f6&_phsrc=svo4549&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024) Sie war am 6.5.1896 als Tochter des Handelsmanns Ferdinand Stark und seiner Frau Herline, geborene Sämann, geboren worden.

[28] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31360&friedhofsquelle=0 und  https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31267&friedhofsquelle=0. Zugriff: 20.8.2024)

[29] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31293&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[30] Siehe zu weiteren Details https://www.geschichte-des-weines.de/index.php?option=com_content&view=article&id=528:stern-max-1883-1956&catid=45:persoenlichkeiten-a-z&Itemid=83. (Zugriff: 20.8.2024)

[31] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31356. (Zugriff: 20.8.2024).

[32] Ebd.

[33] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31159&friedhofsquelle=1065. (Zugriff: 20.8.2024).

[34] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/4458710:1631?tid=&pid=&queryId=8cb38fbb-e130-4fbf-87bf-0558fdd587fe&_phsrc=svo4457&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024).

[35] Strätz, Würzburger Juden. S. 598. J. Blum hält Johanna fälschlicherweise für das erste Kind aus Ludwigs Ehe mit Bertha Mayer, siehe https://freilandmuseum.de/entdecken/neuigkeiten-und-blogs/einzeleintrag/ludwig-louis-stern. (Zugriff: 20.8.2024).

[36] Geburtsregister Rodheim v.d.H. 45 / 1877. Die Angabe des Heiratsdatums nach https://www.myheritage.de/research/collection-1/myheritage-stammbaume?action=showRecord&itemId=533162991-1-500118&indId=externalindividual-b8797354f73f6573440de13c9fa5174f&auth=a9ce0d92743cf15f9b45799e8320c6fe&mrid=6f7f9eb2e3d8b2c40ca84c4d7860514b. (Zugriff: 20.8.2024).

[37] Jacob Hirsch Mayer, geboren am 20.12.1833 in Heldenbergen war der Sohn von Samuel und Johannette Mayer, geborene Scheuer. Seine Frau, deren eigentlicher Vorname laut dem Heiratseintrag Boinsch war, soll nach diesem Dokument im Allgemeinen Lina genannt worden sein, siehe Heiratsregister Bad Vilbel 6 / 1877. Die Kinder geben in ihren Einlassungen zu den Erbschaftsangelegenheiten ihren Namen aber immer mit Bina an, siehe HHStAW 518 4131 I (9-12). Sie war am 17. Januar 1851 in Pettersweil, wenige Kilometer entfern von Rodheim, als Tochter des Kaufmanns Joseph Oppenheimer und seiner damals bereits verstorbenen Frau Bräumsche, geboren worden.

[38] HHStAW 518 4131 I (43).

[39] Ebd. (7).

[40] Ebd. (21). Umfassend geschildert ist der Reichtum der Familien von ihrem Enkel Siegfried Stern im Rahmen des Entschädigungsverfahrens seiner Tante Lea, ebd. (43-47).

[41] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31341&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[42] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31177&friedhofsquelle=1181. (Zugriff: 20.8.2024).

[43] Strätz, Würzburger Juden, S. 596.

[44] Geburtsregister Leipzig I 2036 / 1876, dazu StadtAWü EWMB j.R. Baer, Martha_1. In den verschiedenen Unterlagen der Stadt Würzburg ist der Nachname in verschiedenen Varianten geschrieben. Man findet Behr, Beer, Baer.

[45] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31234&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[46] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31222&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[47] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31209&friedhofsquelle=0. (Zugriff: 20.8.2024).

[48] https://freilandmuseum.de/entdecken/neuigkeiten-und-blogs/einzeleintrag/ludwig-louis-stern, (Zugriff: 20.8.2024). Die Firma gab es bis Ende 1936, Mitinhaber waren zuletzt die beiden Söhne Hans und Fritz Stern, siehe HHStAW 518 43055 (58).

[49] Ebd.

[50] Ebd.

[51] Ebd.

[52] HHStAW 685 778d. Es handelt sich um einen 53 Seiten langen Bericht mit vielen buchhalterichen und steuerlichen Details, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.Die Anstellung der Söhne ist auf S. 50 erwähnt.

[53] Ebd. (passim).

[54] Ebd. S. 43 im Bericht. Das Geld sollen Tochter und ihr Ehemann laut Aussage von Siegfried Stern innerhalb eines Jahres verschwendet haben, siehe dazu unten.

[55] Ebd. (o.P.). Das Finanzamt schätzte den Vermögensverlust aber nicht ganz so hoch ein, weil z.B. die Immobilien nach ihrem Einheitswert und nicht nach ihrem Marktwert, Wertpapiere ebenfalls nach dem Anschaffungspreis und nicht nach dem Börsenwert eingesetzt und Abschreibungen zu hoch angesetzt worden waren.

[56] HHStAW 685 778a (4). Dazu HHStAW 685 778d (Bericht S. 20). Er hatte zumindest die Grundstücke zum Teil in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben und damit eigene Forderungen an Schuldner befriedigt.

[57] https://freilandmuseum.de/entdecken/neuigkeiten-und-blogs/einzeleintrag/ludwig-louis-stern. (Zugriff: 20.8.2024). Allerdings ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um eine Beteiligung handelt, wie Blum annimmt. Aus einem Schreiben der IHK Würzburg vom 7.5.1958 geht hervor, dass er von 1929 bis 1937 Mitglied der Geschäftsführung der GmbH war, ob er auch Gesellschafter war, ist dort nicht angegeben, siehe HHStAW 518 43055 (58). In den Anlagen zu seiner Steuererklärung des Jahres 1935 schreibt Ludwig Stern, dass er bei Kitzinger Firma Einnahmen aus unselbstständiger Arbeit in Höhe von rund 1.600 RM erzielt habe, HHStAW 685 778b (6).

[58] HHStAW 518 43055 (24 f.).

[59] HHStAW 685 778a (11f.). Der Gesamtkaufpreis ist in dem Dokument nicht genannt, nur eine Restkaufsumme von 3.418 Goldmark.

[60] Ebd. (7-9).

[61] Ebd. (13f.).

[62] Ebd. (24).

[63] HHStAW 685 778b (1).

[64] Ebd. (2).

[65] HHStAW 685 778a (20f.).

[66] HHStAW 685 778a (23, 26).

[67] Ebd. (29).

[68] HHStAW 685 778a B (45), dazu Stadtarchiv Würzburg, Grundliste Textorstr. 26 Stern.

[69] In den Akten sind leider keine Dokumente dieser Übereignung zu finden, aber laut den Eintragungen in den Wiesbadener Adressbüchern gehörte es bis 1932 ihm selbst, ab dem Jahrgang 1933/34 ist dann seine Frau, „wohnhaft in Würzburg“, als Eigentümerin eingetragen. Ob sie sich nicht ordnungsgemäß in Wiesbaden angemeldet hatte oder ob es sich um einen Fehler der Adressbuchredaktion handelt, ist nicht klar.

[70] Siehe HHStAW 685 778b (1, 2c, 20).

[71] HHStAW 685 778a (28f.).

[72] Das Haus gehörte dem in Paris lebenden K. Gruenblatt und wurde von Wilhelm Heuser verwaltet, siehe Wiesbadener Adressbuch 1938. Siehe auch die Anfrage der Gestapo Frankfurt vom 12.6.1940 über den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Ludwig Stern bei der Polizei Wiesbaden. Der Genannte sei seit dem 20.5.1936 in Wiesbaden, Schlichterstr. 10 gemeldet und wohne dort noch immer, heißt es in dem Antwortschreiben. Siehe HHStAW 685 778a (39).

[73] HHStAW 685 778b (4, 38).

[74] HHStAW 685 778a (29).

[75] HHStAW 685 778c (34), dazu  B (12f.). Es muss sich dabei rein rechtlich noch immer um das ehemalige Unternehmen des Vaters gehandelt haben, das unter ‚Josef Stern’ firmierte, denn in einer Mitteilung des Finanzamt Würzburg an die Kollegen in Wiesbaden heißt es: „Im Handelsregister Würzburg wurde heute bei den Firmen Ludwig Stern, Sitz Würzburg und Joseph Stern, Sitz Würzburg folgendes eingetragen: Der Sitz der Firma ist nach Wiesbaden, Schlichterweg (sic!) 10, verlegt.“ HHStAW 685 778c (25), auch HHStAW 518 43055 (47).

[76] HHStAW 685 778c (23), siehe dazu oben Anm. 54.

[77] HHStAW 685 778b Einkommensteuer (27, 31).

[78] HHStAW 685 778d Gewerbesteuer (3).

[79] HHStAW 685 778d Umsatzsteuer (53, 79, 82).

[80] HHStAW 685 778d Gewerbesteuer (5) HHStAW 685 778b Einkommensteuer (59).

[81] HHStAW 685 778b (6-11) Die Paginierung der Akte ist leider nicht konsistent.

[82] HHStAW 685 778a B (3).

[83] HHStAW 518 51129 (21).

[84] HHStAW 685 778b (58). Darunter befinden sich aber auch Schulden der beiden Söhne Fritz und Hans bei ihrem Vater in der Höhe von 1.300 RM. In einem Brief eines ehemaligen Geschäftspartners entschuldigt sich dieser dafür, dass er wegen seine plötzlich notwendig gewordenen Flucht nicht mehr für die Einlösung der fälligen Wechsel in Höhe von insgesamt 1.700 RM sorgen können, siehe HHStAW 685 778b (43).

[85] RGBl 1938 I, S. 414 ff.

[86] HHStAW 685 778a Teil II (3).

[87] Ebd. (16).

[88] Ebd. (31).

[89] HHStAW 685 778a (37).

[90] HHStAW 519/3 7804 (5).

[91] HHStAW 685 778b (61).

[92] HHStAW 519/3 7804(14). Die Bitte um den Verzicht auf ein Sicherungskonto wurde abgelehnt, der Freibetrag aber tatsächlich auf 400 RM erhöht, siehe ebd. (15, 17).

[93] HHStAW 519/3 1780 (3, 9).

[94] Ebd. (10).

[95] HHStAW 519/3 7804 (1).

[96] HHStAW 685 778c (39).

[97] HHStAW 519/3 1780 (3).

[98] HHStAW 519/3 7804 (15).

[99] HHStAW 518 43055 (11).

[100] HHStAW 519/3 26228 (6).

[101] HHStAW 518 43055 (76).

[102] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6613230870:62476. (Zugriff: 20.8.2024). Elisabeth Dann, geboren am 15.10.1906 in Augsburg war die Tochter von Albert Ludwig Dann und seiner Frau Fanny, geborene Kitzinger. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, den um 1940 geborenen Ephraim Jaskov und die um 1943 geborene Schulamith Bracha, siehe HHStAW 518 43055 (74).

[103] HHStAW 518 4131 I (13). Siehe zu den Verzichtserklärungen ebd. (7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15).

[104] Ebd. (17).

[105] HHStAW 518 43055 (74).

[106] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31222&friedhofsquelle=. (Zugriff: 20.8.2024)

[107] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31209&friedhofsquelle=. (Zugriff: 20.8.2024).

[108] Da die städtischen Meldeunterlagen im Krieg zerstört wurden, ist eine amtliche Bestätigung des Aufenthalts nicht möglich. Im Wiesbadener Adressbuch des Jahrgangs 1936/37 ist er nicht aufgeführt.

[109] Das Geburtsdatum ist ihrer Entschädigungsakte entnommen, der Name der Eltern der in der Akte enthaltenen Geburtsurkunde ihres Bruders Herbert Eugen, geboren am 7.6.1904. Geburtsregister Berlin 1471 / 1904, siehe HHStAW 518 7116 I (9). Das Heiratsdatum ist ebenfalls der Akte entnommen, ebd. (161), ein amtlicher Beleg für die Richtigkeit der Angaben liegt leider nicht vor.

[110] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1115827. (Zugriff: 20.8.2024).

[111] https://www.dokin.nl/refugee_homes/arnhem-jongenshuis/. (Zugriff: 20.8.2024). Das Haus wurde auch als Jongenshuis bezeichnet, aber auch Mädchen hatten dort Aufnahme gefunden.

[112] https://www.dokin.nl/deceased_children/peter-sidney-marcuse-born-29-jan-1923/. (Zugriff: 20.8.2024).

[113] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1115827, auch https://collections.yadvashem.org/en/names/13727460. (Zugriff: 20.8.2024).

[114] Siehe dazu Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 337-341. Der hier in Frage stehende Transport ist zwar in der Liste S. 559 aufgeführt, aber in der Detailübersicht fehlt er auf S.363. Siehe auch https://collections.yadvashem.org/en/deportations/5093084. (Zugriff: 20.8.2024)

[115] HHStAW 518 7116 I (66). Bezeichnend für die Haltung der Entschädigungsbehörde noch 1957 (!) ist die Ablehnung ihres Entschädigungsantrags: Die Zwangsarbeit sei nicht entschädigungsfähig, „denn die Arbeit wurde nicht unter polizeilicher oder militärischer Bewachung geleistet. Die Antragstellerin wurde vielmehr, wie der Entschädigungsbehörde bekannt ist, zu dieser Arbeit dienstverpflichtet. Derartigen Dienstverpflichtungen unterlagen auch die nichtjüdischen Arbeitnehmer.“ Ebd. (76). Unbegreiflich, welche unfassbare Ignoranz diesem Bescheid zu Grunde liegt!

[116] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/Ous_partitions/29/@Maint/ab/fv/cl/001.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[117] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1167346, (Zugriff: 20.8.2024), dazu Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 982 ff..

[118] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/33858-alice-stern/. (Zugriff: 20.8.2024).

[119] https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Au%C3%9Fenlager_Kaufering_III. (Zugriff: 20.8.2024).

[120] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1167346. (Zugriff: 20.8.2024)

[121] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/33858-alice-stern/. (Zugriff: 20.8.2024).

[122] HHStAW 518 7116 I (20).

[123] https://www.potsdam-wiki.de/Arado_Flugzeugwerke, auch https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/de/geschichte/aussenlager/freiberg und https://de.wikipedia.org/wiki/Arado_Flugzeugwerke. (Zugriff: 20.8.2024).

[124] HHStAW 518 7116 I (115).

[125] Ebd.

[126] Seit dem 2. August 1945 war sie in Wiesbaden gemeldet, siehe HHStAW 518 7116 I (161).

[127] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/CM1/Post_War/03020101/0783/158606709/003.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[128] https://collections-server.arolsen-archives.org/H/CM1/Post_War/03020101/0783/158606709/004.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[129] HHStAW 518 7116 I (32, 115).

[130] Ebd. (161 f.).

[131] Ebd. (257).

[132] Heiratsregister Würzburg 105 / 1929.

[133] HHStAW 518 41225 (20).

[134] Ebd. (35).

[135] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31234&friedhofsquelle=. (Zugriff: 20.8.2024). Hier ist der Umzug nach Wiesbaden mit dem Jahr 1936 verknüpft, also dem Jahr, in dem, ihr Vater dorthin zog. Wie bereits erwähnt, sollen nach Überprüfung des Finanzamts Wiesbaden Mutter und Tochter aber bereits 1932 umgezogen sein, siehe HHStAW 685 778a (45).

[136] HHStAW 518 51129 (37).

[137] HHStAW 685 778a II (5), dazu HHStAW 519/3 7804 (16). Demnach lebte er auch noch im April 1940 bei seinem Großvater. Im Entschädigungsverfahren gab sein Anwalt Cahn an, er habe bereits seit 1935 bei seinem Großvater in Wiesbaden gewohnt, was allein deshalb nicht stimmen kann, weil dieser selbst erst Mitte 1936 nach Wiesbaden kam, siehe HHStAW 518 41225 (59).

[138] HHStAW 518 41225 (35).

[139] Ebd.

[140] Heiratsregister Wiesbaden 1356 / 1939. Er war am 28.5.1916 in Piräus als Sohn von Panagiotou und Despina, geborene Achladis, zur Welt gekommen. Die Familie war griechisch-orthodoxer Konfession und wohnte damals in Athen, siehe HHStAW 518 51129 (18).

[141] Ebd. (20).

[142] Ebd. (16).

[143] HHStAW 518 41225 (35). Dazu Dokumente Frankfurter Juden, III 63 A und B, S. 117.

[144] HHStAW 518 41225 (35, 1).

[145] Mitteilung des ISG Frankfurt vom 4.9.2024 an K.Flick.

[146] https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page100.html?id=461&kuenstler=249 und https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine-im-dornbusch/familien/kinderheim-der-flersheim-sichel-stiftung. (Zugriff: 20.8.2024).

[147] In den Dokumenten des Arolsen-Archivs über die Inhaftierungen von Rolf Schwarz ist zwar immer von der Römerbergstraße die Rede, aber es handelt sich unzweifelhaft um das Haus im Römerbergweg.

[148] https://www.statistik-des-holocaust.de/TT420915-71.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[149] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01012603/0333/111506716/002.jpg. (Zugriff: 20.8.2024). Siehe zu diesem Heim und seinen Insassen die umfassende Dokumentation von Volker Mahnkopp, Dokumentation zu vom NS-Staat verfolgten Personen im Frankfurter Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge e.V. Hans Thoma Str. 24, Frankfurt 1923, auch online unter https://www.platz-der-vergessenen-kinder.de/assets/de/1/Ff_Kinderhaus_HT24.pdf. (Zugriff: 20.8.2024). Auf S. 147 ist auch Rolf Schwarz knapp mit seinem Schicksal aufgeführt.

[150] Zu der Deportation siehe umfassend Kingreen, Judendeportation aus Hessen, S.169-179.

[151] Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 328 f.

[152] Redlich, Zitra jedeme, zit. nach Kingreen, Judendeportation aus Hessen, S. 177.

[153] Zit nach Kingreen, Judendeportation aus Hessen, S. 178.

[154] Zu dem Transport siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 431 f. Zwar ist in einem nach dem Krieg erstellten Dokument des Regierungspräsidenten in Wiesbaden als Überstellungszeit der Juni 1944 genannt, siehe HHStAW 518 41225 (9), was aber offensichtlich falsch ist, da es erst am 1. Juli wieder einen Transport mit allerdings nur 10 Personen von Theresienstadt nach Auschwitz gab. Ein überlebender Freund von Rolf gab an, der Transport habe Ende Mai stattgefunden, siehe ebd. (16), was dem oben genannten Datum am nächsten kommt.

[155] Ebd.

[156] Ebd. (20).

[157] Ebd. (23).

[158] Ebd. (27). Ihm wurden dann tatsächlich 9.500 DM als Entschädigung für den Freiheits- und den Ausbildungsschaden anerkannt, siehe ebd. (39).

[159] Ebd. (68).

[160] Ebd. (82).

[161] Ebd. (35).

[162] Ebd. (101).

[163] Ebd. (103).

[164] HHStAW 518 51129 (20).

[165] Ebd. (25).

[166] Ebd. (81-83). Im Wesentlichen ging es dabei um die Bewertung eines sich ausweitenden psychischen Leidens, das nach einem amtsärztlichen Gutachten in keinem ursächlichen Zusammenhang zu ihrem Verfolgungsschicksal stand. Über solche amtsärztlichen Gewissheiten kann man immer wieder nur staunen.

[167] HHStAW 518 51129 (23).

[168] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31234&friedhofsquelle=. (Zugriff: 20.8.2024).

[169] HHStAW 519/3 26228 (1).

[170] Ebd. (6).

[171] Ebd. (16).

[172] HHStAW 518 43055 (77).

[173] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31275&friedhofsquelle=. (Zugriff: 20.8.2024)

[174] Ebd. (5, 38).

[175] Ebd. (118).

[176] Ebd.

[177] Heiratsregister Rodheim v.d.H. 26 / 1908.

[178] Ebd. Hugo Rothschild war am 19.12.1876 in Frankfurt geboren worden.

[179] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/197971262:60541 und https://www.mappingthelives.org/bio/f12cf0b9-5f4c-4e9e-b7fc-46185f86f713. (Zugriff: 20.8.2024).

[180] https://www.joodsmonument.nl/en/page/157602/bernard-noach-loopuit. (Zugriff: 20.8.2024).

[181] https://www.mappingthelives.org/bio/a4d187f0-292b-47b5-8b34-d88c53ec584f. (Zugriff: 20.8.2024).

[182] Jakob Rothschild war am 23.12.1909 in Frankfurt geboren worden, seine Schwester Bertha am 15.8.1915, siehe HHStAW 518 4131 I (42).

[183] HHStAW Wi-Ffm-A 1235-5 (17).

[184] HHStAW 518 4131 I (42).

[185] Ebd.

[186] Ebd.

[187] Ebd.

[188] Heiratsregister Rodheim v.d.H. 5 / 1920.

[189] https://collections-server.arolsen-archives.org/V/Ous_partitions/33/01020402/aa/hm/li/001.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[190] https://collections-server.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0784/52327537/001.jpg. (Zugriff: 20.8.2024).

[191] Das Dommelhuis war ein Haus für jüdische Flüchtlinge, in dem etwa 150 Kinder untergebracht werden konnten. 1940 wurde es geschlossen, siehe https://www.dokin.nl/refugee_homes/eindhoven-dommelhuis/. (Zugriff: 20.8.2024).

[192] https://www.joodsmonument.nl/nl/page/618075/jacob-stern. (Zugriff: 20.8.2024).

[193] https://collections.yadvashem.org/en/names/14942412. (Zugriff: 20.8.2024)

[194] Siehe zu diesem Transport Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 169-179.

[195] https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/34146-rosalie-stern/ und  https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/33918-emil-stern/. (Zugriff: 20.8.2024).

[196] HHStAW 518 4131 I (43).

[197] Die Verkäufe waren später Gegenstand verschiedener Rückerstattungsverfahren, siehe HHStAW Wi-Ffm-A 1235-5 (passim).

[198] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de922936. (Zugriff: 20.8.2024).

[199] HHStAW 518 4131 I (42).

[200] Heiratsregister Rodheim v.d.H. 8 / 1912.

[201] HHStAW 518 4131 I (42).

[202] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/23224755:7488. (Zugriff: 20.8.2024).

[203] https://de.findagrave.com/memorial/173724243/max-rothenberger. (Zugriff: 20.8.2024).

[204] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/23997319:7488. (Zugriff: 20.8.2024).

[205] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6733738:2280?tid=&pid=&queryId=f6f4da6f-28d8-4f0f-9d12-a2344d1f6396&_phsrc=svo4645&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024).

[206] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/11931018:2442. und https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/195104542:2238. (Zugriff: 20.8.2024). Ob der damals Zwanzigjährige noch zu einem Einsatz in Europa kam, konnte nicht geklärt werden.

[207] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/292812247:62308. (Zugriff: 20.8.2024).

[208] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/609266:61461. (Zugriff: 20.8.2024).

[209] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31287. (Zugriff: 20.8.2024)

[210] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/24061840:7488. (Zugriff: 20.8.2024)

[211] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31293&friedhofsquelle=0, dazu https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6703083:2280. (Zugriff: 20.8.2024)

[212] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31293 und https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31356. (Zugriff: 20.8.2024)

[213] Im November 2023 fand dort passend zum Schicksal des Namensgebers im Rahmen der „Würzburger Kellergespräche“ eine Diskussionsrunde über den wachsenden Antisemitismus auf deutschen Straßen statt. Siehe Mainpost vom 15.11.2023.

[214] https://juf.stadtarchiv-digital.de/render/85?IdNr=31159&friedhofsquelle=1065. (Zugriff: 20.8.2024).

[215] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/6182240:61758. (Zugriff: 20.8.2024)

[216] https://de.findagrave.com/memorial/130403427/alfons-stern. (Zugriff: 20.8.2024)

[217] Siehe zur bedeutenden jüdischen Kaufmannsfamilie Homburger in Karlsruhe https://gedenkbuch.karlsruhe.de/namen/2830. (Zugriff: 20.8.2024)

[218] HHStAW 519/3 343 (1, 3).

[219] Geburtsregister Karlsruhe 1719 / 1900 und 854 / 1903.

[220] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/9741:2027?tid=&pid=&queryId=c8767d02-f0c7-466c-a47a-103bbf623826&_phsrc=OEb336&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024).

[221] https://gedenkbuch.karlsruhe.de/namen/2830. (Zugriff: 20.8.2024)

[222] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3037580656:7488. (Zugriff: 20.8.2024). Bei der Volkszählung im Jahr 1950 lebten sie in New York, siehe https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/286417096:62308. (Zugriff: 20.8.2024).

[223] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/14857:61665. (Zugriff: 20.8.2024).

[224] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/1006466238:7488. (Zugriff: 20.8.2024).

[225] https://de.findagrave.com/memorial/258214230/siegfried-homburger. (Zugriff: 20.8.2024).

[226] https://images.findagrave.com/photos/2024/155/137924144_47d4bedc-0899-43e8-a247-d0105a799b85.jpeg. (Zugriff: 20.8.2024).. Werner hatte auch die Materialverwertungsfabrik seines Vaters übernommen. Mit seinem Engagement in der dortigen jüdischen Gemeinde, erreichte er, dass in Karlsruhe die erste Synagoge nach dem Holocaust erbaut wurde. Innerhalb der jüdischen Vertretungsorganisationen wurde er zum langjährigen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt. Am 21.1.1988 starb Werner Nachmann unter bisher ungeklärten Umständen. Natürlicher Tod durch Herzversagen, steht genauso im Raum wie Mord oder Suizid. Hintergrund für die Gerüchte sind die nach seinem Tod offenbar gewordenen Veruntreuung von Geldern im zweistelligen Millionenbereich, Gelder die eigentlich zur Entschädigung der Opfer der Naziverbrechen gedacht waren. Siehe zu seiner Person https://www.deutsche-biographie.de/sfz67731.html, https://www.munzinger.de/register/portrait/biographien/Werner%20Nachmann/00/15758 und https://www.spiegel.de/politik/luecke-hinterlassen-a-51f3e753-0002-0001-0000-000013529635. (Zugriff: 20.8.2024).

[227] https://images.findagrave.com/photos/2024/155/137924144_053b1443-0792-408e-bceb-e00e5759e2b8.jpeg. (Zugriff: 20.8.2024). Ihre Tochter Hertha Homburger verstarb am 3.3.1990 in Karlsruhe. In Find a Grave ist ihr Todesdatum mit dem ihrer Mutter verwechselt, aber auf dem Foto des Grabsteins ist das hier angegebene Datum zu lesen, siehe https://de.findagrave.com/memorial/271008754/hertha-julie-nachmann. (Zugriff: 20.8.2024)

[228] https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/browse/page/59/sn/jgv. (Zugriff: 20.8.2024).

[229] https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3291851:7338?tid=&pid=&queryid=ad98c215-dc21-4aff-9efd-cfa14ec372d3&_phsrc=OEb358&_phstart=successSource. (Zugriff: 20.8.2024).

[230] Sterberegister Frankfurt 1119/V / 1939. In der Sterbeurkunde wurde als Todesursache Lungenentzündung und Schüttellähmung angegeben.

[231] HHStAW 519/3 1780 (1, 5).

[232] Ebd. (4).

[233] Ebd. (6). Der Antrag wurde bewilligt, ebd. (7).

[234] HHStAW 519/3 31931 (3)

[235] Ebd. (40).

[236] HHStAW 474-4 101 (o.P.).

[237] Ebd.

[238] HHStAW 519/3 1780 (15).

[239] Ebd. (16).

[240] Siehe Gottwaldt / Schulle, Judendeportationen, S. 205 und 209. So wurde die Akte der Wiesbadener Judenhaus-Bewohnerin Dora Frank, die mit dem Transport vom 24. Mai deportiert wurde, am 13.6.1942 geschlossen, siehe HHStAW 519/3 1975 (8).

[241] Siehe zu diesem Transport umfassend Kingreen, Deportation der Juden aus Hessen, S. 102-111. Nicht präzise ist die Angabe im Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz, laut dem Fanny Grebenau nach Lublin deportiert worden sei. In Yad Vashem ist ihr Nachname einmal fälschlicherweise auch mit Gubenau angegeben, siehe https://collections.yadvashem.org/en/names/11512256. (Zugriff: 20.8.2024).

[242] Siehe zu seiner Lebensgeschichte https://stolpersteine-wuerzburg.de/opfer/?q=214, (Zugriff: 20.8.2024) und https://freilandmuseum.de/entdecken/neuigkeiten-und-blogs/einzeleintrag/fanny-grebenau. (Zugriff: 20.8.2024). Auf diesen Recherchen beruhen die hier vorgetragenen Informationen. Allerdings ist bei der zweiten Biographie fälschlicherweise auch die Möglichkeit genannt, Fanny Grebenau sei nach Theresienstadt deportiert worden.

[243] https://api.stolpersteine-wuerzburg.de/victims/214/media/Stone_214_Stern_Adolf2Josef.jpg und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975616. (Zugriff: 20.8.2024).